L 9 B 41/03 KR

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 75 KR 817/96 W 02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 B 41/03 KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. Februar 2003 geändert. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits sowie die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. Februar 2003 ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig und begründet.

Nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren - wie hier - anders als durch Urteil beendet wird. Im Rahmen dieser hier zu treffenden Billigkeitsentscheidung unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes sind sowohl die Erfolgsaussichten des Rechtsschutzbegehrens als auch die Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung zu prüfen (Meyer-Ladewig, SGG, 7. neubearbeitete Auflage 2002, § 193 RdNr. 13 m.w.Nachw.). Führt eine Änderung der Rechtslage zur Erledigung des Rechtsstreits, ist wesentlich darauf abzustellen, wie ohne diese Änderung voraussichtlich entschieden worden wäre. Hier entspricht es der Billigkeit, auf die Erfolgsaussichten der Klage vor dem erledigenden Ereignis abzustellen (Meyer-Ladewig, a.a.O., RdNr. 13 a). Hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein Gesetz für verfassungswidrig erklärt, wird als Grundsatz gelten können, dass derjenige die Kosten trägt, der sich auf die verfassungswidrige Norm berufen hat (Meyer-Ladewig, a.a.O., RdNr. 13 a).

An diesen Grundsätzen gemessen, hat die Beklagte dem Kläger, wie mit der Beschwerde begehrt, die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Dies ist schon deswegen gerechtfertigt, weil die Beklagte ihre Entscheidung im Kern auf § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I, S. 266) gestützt hat, eine Norm, die das BVerfG mit Beschluss vom 15. März 2000 (1 BvL 16/96 u.a.), bekannt gegeben am 27. Juli 2000 (Pressemitteilung Nr. 101/2000 vom 27. Juli 2000), teilweise für verfassungswidrig erklärt hat.

Nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 26. November 1996, mit dem die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen ihre Entscheidung, dass er als Rentner/Rentenantragsteller mangels Erfüllung der Vorversicherungszeit nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig ist, als unbegründet zurückgewiesen hat, musste der Kläger gegen diese Entscheidung Klage erheben, um sich vor möglichen Rechtsnachteilen zu schützen. So blieben denn auch die auf der Grundlage der verfassungswidrigen Vorschrift ergangenen und am 27. Juli 2000 bereits bestandskräftigen Bescheide über die freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich unberührt. Weil das BVerfG § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V in der Fassung des GSG zwar für verfassungswidrig erklärt hat, die Verwaltung diese Norm aber bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 31. März 2002 weiter als geltendes Recht anwenden durfte, entspricht es billigem Ermessen, dass die Beklagte dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits erstattet.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte den Widerspruchsbescheid erst erlassen hat, nachdem der Kläger einem "Ruhen" des Widerspruchsverfahrens nicht zugestimmt und stattdessen eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Der Senat kann offen lassen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Widerspruchsverfahren zum "Ruhen" gebracht werden kann oder ob bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 88 SGG ein Anspruch auf Entscheidung über den Widerspruch besteht. Ebenso kann der Senat unentschieden lassen, ob ein Abwarten einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung ein zureichender Grund im Sinne von § 88 Abs. 2 und Abs. 1 SGG ist, über einen Widerspruch nicht fristgerecht zu entscheiden (vgl. hierzu Meyer-Ladewig, a.a.O., § 88 RdNr. 7 b m.w.Nachw.). Denn jedenfalls sind diese Gesichtspunkte im Rahmen der Entscheidung über die Kosten der Untätigkeitsklage zu berücksichtigen und sie sind auch von dem Sozialgericht in seinem rechtskräftigen Beschluss vom 4. September 1997 (S 75 KR 708/96) über die Kosten der Untätigkeitsklage des Klägers berücksichtigt worden.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache selbst.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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