L 12 RA 54/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 6 RA 6489/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 RA 54/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. August 2002 wird zurückgewiesen. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine höhere Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (Festsetzung eines höheren Rentenhöchstwertes) unter Berücksichtigung von Beitragszeiten für den Zeitraum vom 28. April 1959 bis 10. Juni 1960, in der er in der ehemaligen DDR in Haft war. Hilfsweise begehrt er die Zulassung zur Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen für diesen Zeitraum.

Die Beklagte bewilligte dem 1940 geborenen Kläger mit Bescheid vom 30. November 2000 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab dem 1. Mai 2000. Dabei berücksichtigte sie u.a. die vom Kläger mitgeteilte Haftzeit in der ehemaligen DDR vom 28. April 1959 bis 10. Juni 1960 weder als Beitragszeit noch als sonstige rentenrechtliche Zeit. In der Kopie des verlorengegangenen Sozialversicherungsausweises des Klägers sind die Zeiten bis zum (vermutlich) 27. April 1959 und ab dem 27. Juni 1960 als Zeiten einer versicherungspflichtigen Beschäftigung einschließlich des erzielten Gesamtarbeitsverdienstes vermerkt. Für die streitige Zeit findet sich unter Name und Sitz des Betriebes ein Stempel des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes, Verwaltung der Sozialversicherung (VAB) und der handschriftliche Vermerk "Anwartschaft erhalten - 28.4.59 - 10.6.60" einschließlich einer Unterschrift in der entsprechenden Spalte.

Der gegen den Bescheid vom 30. November 2000 erhobene Widerspruch hatte insoweit Erfolg, als weitere Beitragszeiten im Zeitraum von September 1954 bis Februar 1965 teilweise berücksichtigt wurden (Rentenbescheid vom 29. Juni 2001). Die Haftzeit blieb jedoch nach wie vor unberücksichtigt. Der Kläger hielt seinen Widerspruch mit der Begründung aufrecht, dass die in der vorliegenden Kopie seines Sozialversicherungsausweises ausgewiesene Anwartschaftserhaltung rentenrechtlich zu berücksichtigen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zeiten der Zahlung von Anwartschaftsgebühren, die bis Juni 1968 möglich gewesen seien, könnten nicht als Beitragszeiten im Sinne von § 248 Abs. 3 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) berücksichtigt werden.

In seiner dagegen zum Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat sich der Kläger darauf berufen, dass er während der Haftzeit gearbeitet habe und in keiner Weise darüber belehrt worden sei, dass er sich um eine Versicherung für diesen Zeitraum bemühen müsse. Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 27. August 2002 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Zahlung von Anwartschaftsgebühren, die sich aus der Kopie des Sozialversicherungsausweises ergebe, keine Pflichtbeitragszeiten begründe. Die Zahlungen solcher Anwartschaftsgebühren zur Aufrechterhaltung eines Anspruches auf Gewährung von Renten und Zusatzrenten sei nach dem damaligen Recht in Höhe einer Anwartschaftsgebühr von einer Reichsmark monatlich möglich gewesen. Diese Anwartschaftsgebühren wirkten sich jedoch leistungsrechtlich weder auf die Wartezeit noch die Rentenhöhe aus und seien daher auch nicht als Beitragszeiten für die Altersrente des Klägers zu bewerten.

Gegen das am 4. Oktober 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. Oktober 2002 erhobene Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Die Begründung des Urteil sei falsch, da er keine Reichsmark gezahlt habe. Er wäre auch bereit, die Beiträge nachzuzahlen, damit die genannten Beitragszeiten berücksichtigt würden.

Er beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. August 2002 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 30. November 2000 und 29. Juni 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2001 abzuändern sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm eine höhere Altersrente wegen Arbeitslosigkeit unter Berücksichtigung von Beitragszeiten für den Zeitraum vom 28. April 1959 bis 10. Juni 1960 zu gewähren, hiilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, ihn zur Entrichtung freiwilliger

Beiträge für den Zeitraum vom 28. April 1959 bis 10. Juni 1960 zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.

Beide Beteiligte haben erklärt, dass sie mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden seien.

Wegen der Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die Prozessakte des Sozialgerichts Berlin sowie die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten (Vers.-Nr.: ) haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, nachdem sich beide Beteiligte damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 in Verbindung mit § 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).

Die zulässige (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2, 151 Abs. 2 SGG) Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Altersrente wegen Arbeitslosigkeit aufgrund der Berücksichtigung von zusätzlichen Beitragszeiten für den Zeitraum vom 28. April 1959 bis 10. Juni 1960.

Nach § 248 Abs. 3 SGB VI stehen den Beitragszeiten nach Bundesrecht Zeiten nach dem 8. Mai 1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind. Da keine Rentenversicherungsbeiträge für die streitgegenständliche Zeit entrichtet wurden, sind auf dieser Grundlage weder Pflichtbeiträge noch freiwillige Beiträge zu berücksichtigen. Im Sozialversicherungsausweis des Klägers, der lediglich in Kopie erhalten ist, ist für die Zeit vom 28. April 1959 bis zum 10. Juni 1960 die Eintragung "Anwartschaft erhalten" vermerkt. Daraus ist zu folgern, dass dieser Zeitraum der Inhaftierung nicht mit Pflichtbeitragszeiten belegt ist.

Dies entspricht auch dem damals geltenden Recht der DDR. Die Verordnung über die Beschäftigung von Strafgefangenen vom 03. April 1952 (Gesetzblatt der DDR – GBl. I S.275), auf deren Grundlage für bestimmte Beschäftigungen außerhalb der Strafanstalten die Zahlung von Beiträgen zur Sozialversicherung nach den allgemeinen Vorschriften möglich war, wurde durch die Verordnung über den Arbeitseinsatz von Strafgefangenen vom 10. Juni 1954 (GBl. I S. 567) zum 1. Juli 1954 aufgehoben. Diese Verordnung ermächtigte das Ministerium des Inneren, den Arbeitseinsatz von Strafgefangenen in eigener Zuständigkeit neu zu regeln. Die daraufhin ergangenen Arbeitsrichtlinien der Zentralverwaltung der Sozialversicherung der DDR über die Leistungsgewährung für Haftentlassene und Familienangehörige von Inhaftierten sahen vor, dass Inhaftierte während der Haft keinen Anspruch auf Leistungen der Sozialversicherung haben und diese Zeiten weder wartezeiterfüllend noch rentensteigernd wirken. Dies galt auch in den Fällen, in denen der Inhaftierte während der Haft in einem Betrieb zur Arbeit eingesetzt wurde. Allerdings wurden zur Aufrechterhaltung bestehender Anwartschaften für Inhaftierte Anwartschaftsgebühren im Umfang von einer Mark monatlich entrichtet.

Da die Anwartschaftsgebühren jedoch lediglich der Erhaltung schon erworbener Rechte aus Beitragszeiten dienten, sind die damit belegten Zeiten für Häftlinge in der DDR nicht als Beitragszeiten zu berücksichtigen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Juli 1980 – 5 RJ 50/79 ; Beschluss vom 29. November 1988 – 5/4 a RJ 335/87). Ob auch Inhaftierte entsprechend der Verordnung über die Neuregelung der freiwilligen Versicherungen in der Sozialversicherung vom 25. Juni 1953 (GBl. I S. 823) - die ihrerseits auf die Verordnung über die freiwillige und zusätzliche Versicherung in der Sozialversicherung vom 28. Januar 1947 (VfzV, abgedruckt in: Aichberger II, Sozialgesetze Nr. 70) verwies – berechtigt waren, freiwillige Beiträge zu entrichten, kann dahinstehen, weil derartige Beiträge jedenfalls nicht gezahlt wurden.

Auch der Hilfsantrag kann keinen Erfolg haben. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren erstmals explizit die Verurteilung der Beklagten zur Zulassung der Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen begehrt und darüber vom Senat kraft Klage zu entscheiden ist, ist die Klage als unzulässig abzuweisen. Hierzu liegt weder eine Verwaltungs- noch eine Widerspruchsentscheidung der Beklagten als notwendige Klagevoraussetzung (vgl. § 78 SGG) vor. Es ist daher nicht darüber zu befinden, ob ein solcher Anspruch in der Sache bestehen könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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