L 1 RA 18/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 1 RA 2904/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 RA 18/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf eine Altersrente auf der Grundlage eines fiktiven Versorgungsanspruchs am 1. Juli 1990 hat.

Der am 2 1930 geborene Kläger durchlief im Beitrittsgebiet eine wissenschaftliche Laufbahn als Pharmazeut und war seit 1980 Hochschulprofessor für Pharmazeutische Biologie. 1960 wurde er in das Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR (AVI) einbezogen.

Durch Bescheid vom 29. September 1995 gewährte die Beklagte dem Kläger wegen Vollendung des 65. Lebensjahres vom 1. September 1995 an Regelaltersrente. Den wegen der Rentenhöhe erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2000 zurück.

Im Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) Berlin konkretisierte der Kläger sein Begehren dahin, seiner Rente den zu dynamisierenden Betrag zugrunde zu legen, der für Juli 1990 zu erbringen gewesen wäre, wenn der Versorgungsfall am 1. Juli 1990 eingetreten wäre.

Durch Urteil vom 1. März 2001 wies das SG die Klage ab. Als Zugangsrentner des Beitrittsgebiets, dessen Rente nach dem 30. Juni 1995 beginne, genieße der Kläger keinen - seinem Antrag entsprechenden - Besitzschutz nach dem Einigungsvertrag. Gegen die Befristung der Übergangsregelung bestünden auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) keine Bedenken.

Mit der Berufung hält der Kläger an seinem Begehren fest. Insbesondere will er unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots daraus Rechte herleiten, dass Rentner ohne Ansprüche oder Anwartschaften aus Zusatzversorgungssystemen der DDR im Rahmen des Art. 2 Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) und ebenso Hinterbliebenenrentner im Rahmen des § 4 Abs. 4 (Satz 7) Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) Vertrauensschutz bis zum 31. Dezember 1996 genössen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. März 2001 sowie den Bescheid vom 29. September 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuzuerkennen, der der (nach dem "Modus Ost") zu dynamisierende Betrag zugrunde liegt, der für Juli 1990 zu erbringen gewesen wäre, wenn der Versorgungsfall am 1. Juli 1990 eingetreten wäre.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die von ihr entsprechend dem Antrag des Klägers durchgeführte Vergleichsberechnung (Probeberechnung) nach § 4 Abs. 4 (Satz 1) AAÜG auf der Grundlage eines am 1. Juli 1990 eingetretenen fiktiven Versorgungsfalls ergab bei Begrenzung des Gesamtanspruchs aus Sozialversicherungs- und Zusatzversorgungsrente auf 90 % des letzten maßgeblichen Nettoarbeitsentgelts eine Rentenhöhe unterhalb der SGB-VI-Rente des Klägers.

Der Kläger hält die Begrenzung auf 90 % des Nettoarbeitsentgelts für rechtswidrig.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akte des SG - S 1 RA 2904/00-) und Beklagtenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gleichstellung mit Rentnern hat, deren SGB-VI-Rente in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 30. Juni 1995 begann. Für diesen Personenkreis sieht § 4 Abs. 4 Satz 1 AAÜG in der Fassung des 2. AAÜG-Änderungsgesetzes (2. AAÜG-ÄndG) - unter der weiteren Voraussetzung eines am 18. Mai 1990 im Beitrittsgebiet inne gehabten Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltsortes - u.a. vor, dass bei Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem wenigstens der Monatsbetrag zu zahlen ist, der sich als Summe aus Rente und Versorgung auf der Grundlage des am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet geltenden Rentenrechts und der zu diesem Zeitpunkt maßgebenden leistungsrechtlichen Regelungen des jeweiligen Versorgungssystems zum 1. Juli 1990 ergibt (wobei die in der Vorschrift zugleich vorgesehene Höchstbegrenzung für ehemals AVI-Zugehörige nicht einschlägig ist).

Die Begrenzung dieser Besitzstandsregelung auf Rentner mit einem Rentenbeginn bis zum 30. Juni 1995 verstößt weder gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Grundgesetz (GG) noch gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 10. April 2003 - B 4 RA 41/02 R - für den Senat überzeugend dargelegt. Dabei hat es insbesondere auch die einschlägige Rechtsprechung des BVerfG in Bezug genommen. Der Senat verweist auf diese Entscheidung.

Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots durch die Stichtagsregelung des § 4 Abs. 4 AAÜG folgt auch nicht daraus, dass zugunsten von Berechtigten nach Art. 2 RÜG und Hinterbliebenenrentnern im Rahmen des § 4 Abs. 4 AAÜG ein erweiterter Besitzschutz - mit dem Stichtag 31. Dezember 1996 - gilt. Diese Regelungsgegenstände weisen gegenüber dem hier streitigen Unterschiede auf, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen.

Der Bestandsschutz nach Art. 2 RÜG für Rentenansprüche nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets gilt dem Personenkreis der nicht in eine Zusatz- oder Sonderversorgung einbezogen gewesenen und insofern nicht privilegierten Sozialversicherten des Beitrittsgebiets, die - anders als die Zusatz- und Sonderversorgten (und so auch der Kläger) - Versorgungsansprüche grundsätzlich nur durch Beitragszahlungen (zur Sozialversicherung der DDR) erwerben konnten. Dem Bestandsschutz nach Art. 2 RÜG kam zudem insofern besondere Bedeutung zu, als nach DDR-Recht Rentenansprüche aus der Sozialversicherung auch unter Voraussetzungen erworben werden konnten, die nach dem Recht des SGB VI für einen Rentenanspruch nicht ausreichen (vgl. z.B. Art. 2 § 10 RÜG [Invalidenrente für Behinderte]).

Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 Satz 7 AAÜG in der Fassung des 2. AAÜG-ÄndG ist eine besondere Härteregelung für Witwen und Witwer von Besitzstandsrentnern, die in kurzer Zeit nach Ablauf des Stichtages 30. Juni 1995 verstarben. Ohne diese erweiterte Schutzfrist für Hinterbliebenenrentner gingen diese des Besitzschutzes, an dem sie als Ehegatten bereits teilhatten, besonders schnell und abrupt wieder verlustig.

Selbst wenn § 4 Abs. 4 AAÜG auf den Kläger anwendbar wäre, würde sich für ihn daraus kein höherer Rentenanspruch ergeben, weil - wie die Beklagte zu Recht angenommen hat - der fiktive besitzgeschützte Zahlbetrag aus Sozialversicherungsrente und Zusatzversorgung am 1. Juli 1990 auf 90 % des Nettoverdienstes zu begrenzen wäre und dieser so begrenzte Zahlbetrag (2.370,- DM) - selbst erhöht um 6,84 % (so genannter weiterzuzahlender Betrag [2.532,11 DM]) -, wie zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, die Höhe der Regelaltersrente nach dem SGB VI ab 1. September 1995 nicht erreichen würde. Dass auch für Hochschullehrer der fiktive Gesamtanspruch aus Zusatzversorgungs- und Sozialversicherungsrente auf 90 % des letzten Nettoverdienstes zu begrenzen ist, hat das BSG durch das den Beteiligten (ebenfalls) bekannte Urteil vom 31. Juli 2002 - B 4 RA 112/00 R - für den Senat überzeugend als zutreffend bestätigt. Auch hierauf verweist der Senat (ebenso BSG-Urteil vom selben Tage - B 4 RA 2/02 R -).

Die Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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