L 4 KR 18/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 9 KR 45/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 KR 18/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 05. April 2001 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten der Beklagten für beide Rechtszüge zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin nahm bei den Schwangeren K. F., M. F., W. H., K. K., D. P., C. S., I. S., C. S., S. T., C. W. sowie A. W. Schwangerschaftsabbrüche vor, für die die Schwangeren Anspruch auf Leistungen nach dem Gesetz zur Hilfe für Frauen bei Schwangerschaftsabbrüchen in besonderen Fällen - SchwHG - hatten. Derartige Eingriffe gehören, anders als nicht rechtswidrige Schwangerschaftsabbrüche wegen medizinischer oder kriminologischer Indikation im Sinne von § 218 a Abs. 2 und 3 Strafgesetzbuch - StGB -, nicht zu den Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung und müssen im Regelfall von den Betreffenden selbst bezahlt werden. Frauen, deren Einkommen bestimmte Grenzen nicht überschreiten - so die hier betroffenen Schwangeren -, erhalten die notwendigen Leistungen als Sachleistungen von ihrer Krankenkasse, der die Kosten vom jeweiligen Bundesland aus Steuermitteln erstattet werden.

Die Klägerin führte die Abbrüche - Interruptionen - zunächst ambulant durch. Anschließend stellte sie Komplikationen fest und nahm die genannten Schwangeren stationär in ihre gynäkologische Klinik auf. Hierfür stellte sie den entsprechenden Pflegesatz in Rechnung. Zudem berechnete sie für die ambulante Leistung jeweils 221,84 DM.

Nachdem die Beklagte die Forderungen zunächst beglichen hatte, forderte sie mit Schreiben

vom 07. Mai 1997 die Erstattung der Leistungen für die ambulanten Operationen in Höhe von insgesamt 2 440,24 DM. Ambulante Leistungen seien nicht zu vergüten, wenn der Patient am selben Tag stationär aufgenommen werde und diese Leistungen nach dem stationären Pflegesatz abrechenbar seien. Nachdem die Klägerin dieser Zahlungsaufforderung nicht nachgekommen war, nahm die Beklagte, wie sie der Klägerin mit Schreiben vom 25. November 1998 mitteilte, insoweit eine Verrechnung vor.

Mit Schreiben vom 09. März 1999 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung dieser 2 440,24 DM nebst 4 % Zinsen ab dem 05. November 1998 auf. Nachdem die Beklagte die Zahlung erneut verweigert und ihre Auffassung erläutert hatte, dass auch für rechtswidrige, aber straffreie Interruptionen lediglich die Leistungen zu erbringen seien wie bei rechtmäßigen Eingriffen, hat die Klägerin am 08. Juni 2000 beim Sozialgericht Neuruppin Klage erhoben. Die von ihr durchgeführten ambulanten Schwangerschaftsabbrüche seien Gegenstand eines zusätzlichen Angebots gegenüber Schwangeren und stünden in keinem Zusammenhang mit dem Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V). Sie würden daher nicht von dem zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Landeskrankenhausgesellschaft sowie den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen nach § 115 b SGB V geschlossenen Verträgen für ambulante Operationen in Krankenhäusern erfasst. Die Beklagte sei daher nach § 4 SchwHG zur Zahlung verpflichtet.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2 440,24 DM mit 5 % Zinsen seit dem 05. November 1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat hierzu ihre Ausführungen gegenüber der Klägerin vor dem Sozialgericht wiederholt und vertieft.

Mit Urteil vom 05. April 2001 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe die Leistungen der Klägerin zunächst zu Recht auf der Grundlage des EBM nach den für die Versicherten geltenden vertragsärztlichen Vergütungssätzen gezahlt. Mit der stationären Aufnahme wegen eingetretener Komplikationen würden nicht der Schwangerschaftsabbruch und die komplikationslose Nachsorge vergütet, sondern eine nachfolgende medizinische Indikation, die eine stationäre Aufnahme erforderlich mache und entsprechend zu vergüten sei. Dies stelle auch keine doppelte Leistungsabrechnung dar, da in der Kalkulation des Pflegesatzes der Gynäkologischen Abteilung nur der medizinisch indizierte Schwangerschaftsabbruch enthalten sei. Es sei zwischen den medizinisch indizierten und den rechtswidrigen, aber straflosen Schwangerschaftsabbrüchen zu differenzieren. Die Klägerin sei verpflichtet, medizinisch indizierte Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen, daher seien auch nur diese Bestandteil des Vertrages über ambulantes Operieren. Diese Leistungen könnten daher nur in Höhe des Pflegesatzes vergütet werden.

Zur Durchführung des rechtswidrigen, aber straflosen Schwangerschaftsabbruchs jedoch sei die Klägerin nicht verpflichtet und diese könne daher nicht Bestandteil des Vertrages über ambulantes Operieren sein und müssten zusätzlich vergütet werden.

Gegen dieses der Beklagten am 16. Mai 2001 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 15. Juni 2001.

Die Klägerin ist mit dem Beigeladenen der Auffassung, dadurch, dass für die Vergütung der von den Ländern zu erstattenden Kosten für rechtswidrige Schwangerschaftsabbrüche auf die Regelungen für rechtmäßige Schwangerschaftsabbrüche verwiesen werde, ergäbe sich, dass die Leistungen gleich zu vergüten seien. Es gäbe keinen Grund, für rechtmäßige Abbrüche insgesamt niedrigere Zahlungen zu leisten als für rechtswidrige.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 05. April 2001 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die vereinbarten Pflegesätze gälten nur für Leistungen der Krankenkasse. Bei den rechtswidrigen Schwangerschaftsabbrüchen handele es sich gerade nicht um Leistungen der Krankenkasse, sondern um solche der Länder.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die darin enthaltenen Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben und somit insgesamt zulässig.

Sie ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Leistungen sowohl für ambulant durchgeführte Interruptionen als auch auf den Pflegesatz für stationäre Aufnahme für die Behandlung der genannten Schwangeren.

Die Berechnung der Vergütung für die bei einem straffreien Schwangerschaftsabbruch aufgrund sozialer Indikation zu Lasten der Krankenkasse nach dem SchwHG erbrachten ärztlichen Leistungen ist in § 3 Abs. 3 Satz 2 SchwHG geregelt. Danach haben der Arzt oder die Einrichtung, die den Abbruch vornimmt, Anspruch auf die Vergütung, welche die Krankenkasse für ihre Mitglieder bei einem nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch für Leistungen nach diesem Gesetz zahlt. Nicht rechtswidrige Schwangerschaftsabbrüche aufgrund medizinischer oder kriminologischer Indikation sind nach § 24 b Abs. 1 Satz 1 SGB V Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung und entsprechend zu vergüten. Die von der Leistungspflicht der Krankenversicherung gemäß § 24 b Abs. 4 SGB V ausgenommenen Leistungen - die rechtswidrige Interruption - wird wie die gemäß § 24 b Abs. 3 SGB V zum Leistungsumfang gehörende rechtmäßige Interruption von der Krankenkasse als Sachleistung zur Verfügung gestellt. Der einzige Unterschied ist, dass die Leistungsgewährung insoweit im Auftrag und für Rechnung des jeweiligen Bundeslandes erfolgt (Bundessozialgericht, Urteil vom 20. November 2001, B 1 KR 31/00 R). Dieses Konzept, nämlich eine einheitliche Bewertung, wird durch § 3 SchwHG ergänzt und eine einheitliche Abwicklung des Leistungsgeschehens durch die Gesetzlichen Krankenkassen für alle bei Schwangerschaftsabbrüchen notwendig werdenden Maßnahmen angestrebt, einerlei, ob Versicherungsleistungen oder Hilfeleistungen nach dem SchwHG betroffen sind (BSG, a. a. O., unter Verweis auf Höfler in: Kasseler Kommentar, § 24 b, Anhang SGB V, § 3 Rdnr. 1).

Der erkennende Senat teilt diese Auffassung des BSG, zumal diese mit der gesetzgeberischen Intention in Übereinstimmung steht (BT-Drucksache 12/6669). Dort heißt es auf Seite 2 der Begründung des Entwurfes des SchwHG: "Der Vergütungsanspruch des den Abbruch vornehmenden Arztes beziehungsweise - bei aus medizinischen Gründen stationär durchgeführtem Abbruch - des Krankenhauses ist auf die Höhe der Vergütung durch die gesetzliche Krankenversicherung bei festgestellter Rechtmäßigkeit des Schwangerschaftsabbruchs beschränkt." Diese Regelung entspricht auch den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts, das den Schwangerschaftsabbruch bei sozialer Indikation als rechtswidrig, aber straffrei bezeichnet hat mit der Folge, dass eine Leistungspflicht der Krankenkassen nicht eintreten kann, da diese nicht verpflichtet sind, rechtswidrige Eingriffe zu finanzieren. Damit ist aber auch keinerlei Grund erkennbar, warum beim rechtswidrigen, aber straflosen Eingriff die durchführenden Ärzte beziehungsweise Einrichtungen höhere Vergütungsansprüche haben sollen als beim rechtmäßigen Eingriff aus medizinischer Indikation. Die Ratio der gesetzlichen Regelung ist zunächst, dass den rechtswidrigen, aber straflosen Schwangerschaftsabbruch die Schwangere selbst zu bezahlen hat. Ausnahmeweise, wenn sie bedürftig ist, haben die Länder die Kosten zu erstatten. Diese Kosten sollen jedoch der Höhe nach auf die Leistungen beschränkt werden, die die Krankenkassen im Falle eines rechtmäßigen Abbruchs, der zu ihrem Leistungsumfang gehört, zu zahlen haben. Ob die Ärzte beziehungsweise Krankenanstalten, die zum rechtswidrigen, aber straflosen Eingriff nicht verpflichtet sind, diesen bei dieser Rechtslage durchführen wollen oder nicht, weil sie der Auffassung sind, die dafür zu erstattenden Kosten seien zu niedrig, bleibt ihrer Entscheidung vorbehalten. Dementsprechend ist es nicht erheblich, dass die Kosten bei der Berechnung des Pflegesatzes nicht berücksichtigungsfähig sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine klärungsbedürftige Rechtsfrage vorliegt: Die Antwort ergibt sich aus dem Gesetz und aus dem zitierten Urteil des Bundessozialgerichts.
Rechtskraft
Aus
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