L 8 RJ 1/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 26 RJ 2039/98 W 00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 RJ 1/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 12. Juni 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist unter den Beteiligten, ob der bei der Beklagten am 8. März 1994 von dem Kläger gestellte Antrag auf Gewährung medizinischer Leistungen zur Rehabilitation nach § 116 Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) als Antrag auf Rente gilt und die dem Kläger von der Beigeladenen gewährte Rente auch für die Zeit vor dem 1. Januar 1995 zu gewähren ist.

Die Beklagte gewährte dem 1951 geborenen Kläger auf seinen Antrag vom 8. März 1994 für die Zeit vom 12. April bis zum 17. Mai 1994 - unter Leistung von Übergangsgeld - eine Anschlussheilbehandlung (AHB). In der Entlassungsmitteilung der Kureinrichtung wurde der Kläger weiter als arbeitsunfähig bezeichnet. Bereits zuvor war ihm aufgrund einer am 14. Februar 1994 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit von der Schwäbisch Gmünder Ersatzkasse (GEK) vom 18. Februar 1994 an Krankengeld gezahlt worden. Nach Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) wies die GEK mit Schreiben vom 9. November 1994 gemäß § 51 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) den Kläger darauf hin, einen Antrag auf Gewährung medizinischer Leistungen zur Rehabilitation beim zuständigen Rentenversicherungsträger (der Beklagten) bis spätestens 21. Januar 1995 zu stellen. Der daraufhin bei der Beklagten gestellte Reha-Antrag des Klägers vom 24. Januar 1995, der bei der GEK am 20. Januar 1995 eingegangen war, wurde mit Bescheid vom 1. August 1995 abgelehnt. Bereits zuvor war ihm mit Bescheid der Beklagten vom 27. April 1995 mitgeteilt worden, dass der Reha-Antrag vom 8. März 1994 gemäß § 116 Abs. 2 SGB VI als Rentenantrag umgedeutet werde. Im Hinblick auf die Zustimmungsbedürftigkeit zum Umdeutungsverfahren war dem Kläger eine Frist von einem Monat gesetzt worden, binnen derer er die Zustimmung zu erteilen habe, der Reha-Antrag anderenfalls nicht als Rentenantrag weiter bearbeitet werde.

Im Mai 1995 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Rentenantrag, den die Beklagte an die Beigeladene im Hinblick auf die von dem Kläger in Spanien zurückgelegten Versicherungszeiten zuständigkeitshalber abgab.

Mit Schreiben vom 20. September 1995 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass ihm eine Kopie des Bescheides vom 27. April 1995 erst am 25. August 1995 seitens der GEK zugesandt worden sei. Das Original des Bescheides habe er nicht erhalten. Er weise ausdrücklich darauf hin, dass der Reha-Antrag vom 8. März 1994 nicht als Rentenantrag umgedeutet werden solle. Er sei zu diesem Zeitpunkt von der Krankenkasse nicht zur Antragstellung aufgefordert worden, so dass sein Dispositionsrecht nicht eingeschränkt gewesen sei. Vielmehr solle der Reha-Antrag vom 24. Januar 1995 als Rentenantrag angesehen werden.

Mit Bescheid vom 22. November 1996 gewährte die Beigeladene dem Kläger - ausgehend von einem am 14. Februar 1994 eingetretenen Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit - Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 1. Januar 1995 an. Mit weiterem Bescheid vom 6. August 1997 stellte die Beklagte nach Klärung der spanischen Versicherungszeiten die Rente des Klägers vom 1. Januar 1995 an unter Berücksichtigung der VO (EWG) Nr. 1408/71 und 574/72 endgültig fest. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger bei der Beigeladenen mit Schreiben vom 17. September 1997 Widerspruch. Er bat zu überprüfen, ob das Datum der Rentenantragstellung nicht abschließend auf den 8. März 1994 festgesetzt werden könne. Von seinem damaligen Arbeitgeber sei er dahingehend informiert worden, dass bei ihm ein Anspruch auf Betriebsrente dann bestünde, wenn der Leistungsfall ab Datum des Rentenantrages gelte. Er habe damals deshalb gebeten, das Antragsdatum auf den 24. Januar 1995 festzulegen. Dies sei das Datum gewesen, an dem er tatsächlich den Rentenantrag gestellt habe und außerdem nicht mehr Betriebsangehöriger bei M gewesen sei. Nun sei ihm vom Betriebsrat seiner alten Firma eröffnet worden, dass die Betriebsrente in jedem Fall erst dann einsetze, wenn die gezahlte Abfindung letztlich aufgebraucht sei. Ihm sei erklärt worden, dass entgegen seiner früheren Auffassung ein weiter zurückliegendes Antragsdatum finanziell erheblich günstiger wäre, da dann die Zahlung der Betriebsrente auch früher einsetzen könne.

Mit Bescheid vom 23. Januar 1998 stellte die Beklagte fest, dass der Antrag des Klägers auf Maßnahmen zur Rehabilitation vom 8. März 1994 nicht als Antrag auf Rente gelte. Mit Bescheid vom 27. April 1995 sei sein Reha-Antrag in einen Rentenantrag umgedeutet worden (§ 116 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Hinsichtlich der Rentenantragstellung habe ihm ein Dispositionsrecht zugestanden. Mit seinem Schreiben vom 21. September 1995 (es muss heißen 20. September 1995) habe er wirksam und rechtsverbindlich erklärt, dass der Antrag nicht als Rentenantrag zu verfolgen sei. Er habe auf sein Recht gemäß § 46 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verzichtet. Weitere Rechte könne er aus diesem Antrag nicht mehr herleiten. Den von dem Kläger hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Bescheid vom 2. September 1998 als unbegründet zurück.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger, der inzwischen seinen Wohnsitz nach Spanien verlegt hatte, am 10. Oktober 1998 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, dass für ihn als Datum der Rentenantragstellung der 8. März 1994 oder der 24. Januar 1994 gelte. Nachdem ihm seine Firma erklärt habe, dass das Datum der Rentenantragstellung keine Rolle spiele, habe er der Beklagten mitgeteilt, dass er das Datum vom 8. März 1994 als Datum der Antragstellung doch akzeptiere. Zu Unrecht habe die Beklagte dies jedoch nicht berücksichtigt und bestehe auf dem Datum vom 24. Januar 1995 als Zeitpunkt der Rentenantragstellung, obwohl er damals die Monatsfrist nicht eingehalten, sondern der Beklagten erst nach sechs Monaten geschrieben habe.

Während des Verfahrens vor dem Sozialgericht hat die Beigeladene den Widerspruch des Klägers vom 17. September 1997 gegen den Rentenbescheid vom 6. August 1997 über die Neufeststellung der Rente des Klägers als unbegründet zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 1999).

Mit Gerichtsbescheid vom 12. Juni 2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Soweit sich der Kläger gegen die Bescheide der Beklagten im Sinne einer Anfechtungsklage wende, sei die Klage zulässig und auch begründet, da die Beklagte als für die Gewährung einer Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit unzuständiger Leistungsträger entschieden habe. Im Hinblick darauf, dass der Kläger zugleich mit der im Klageantrag enthaltenen Verpflichtungsklage die Gewährung der ihm bereits von der Beigeladenen seit dem 1. Januar 1995 geleisteten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Umdeutung seines Reha-Antrages vom 8. März 1994 gemäß § 116 Abs. 2 SGB VI in einen Rentenantrag bereits vom 1. März 1994 an begehre, sei die Klage zwar zulässig, jedoch nicht begründet, da der Kläger mit seinem Schreiben vom 8. März 1994 (es muss heißen 20. September 1995) ausdrücklich und wirksam auf die Leistungsgewährung vom 1. März 1994 an unter Umdeutung des Reha-Antrages in einen Rentenantrag gemäß § 116 Abs. 2 SGB VI verzichtet habe (§ 46 SGB I). Insoweit werde voll inhaltlich auf die Begründung der angegriffenen Bescheide der Beklagten sowie die des Widerspruchsbescheides der Beigeladenen gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug genommen. Darüber hinaus werde abschließend darauf hingewiesen, dass der 13. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seiner Entscheidung vom 1. September 1999 - B 13 RJ 49/98 R - nochmals ausdrücklich auf das Bestehen eines Dispositionsrechts des Versicherten in Fallkonstellationen wie dieser hinsichtlich eines Verzichts auf die Umdeutung eines Reha-Antrags gemäß § 116 Abs. 2 SGB VI in einen Rentenantrag hingewiesen habe. Zuletzt sei dem Vorbringen des Klägers in seinem Widerspruch vom 24. Februar 1998, wonach sein Dispositionsrecht bereits im Hinblick auf den Ablauf der im Bescheid vom 27. April 1995 genannten Monatsfrist erloschen sei, zu entgegnen, dass er selbst in dem Falle, dass die Beklagte zum einen überhaupt zuständig für eine solche Entscheidung gewesen wäre und zum anderen eine Befugnis zum Setzen einer solchen Ausschlussfrist gehabt hätte, diese Frist dem Kläger gegenüber nicht wirksam zu laufen begonnen hätte, da der Bescheid der Beklagten ihm gegenüber, wie er in seinem Schreiben vom 20. September 1995 selbst mitgeteilt habe, nicht unmittelbar zugegangen sei. Der Gerichtsbescheid enthält die Rechtsmittelbelehrung, dass die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Gerichtsbescheides einzulegen sei. Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger mittels Einschreibens gegen Rückschein übersandt. Die Briefsendung wurde am 11. Juli 2001 der DPAG übergeben. Der Rückschein ging nicht bei Gericht ein.

Am 10. Januar 2003 ging ein Schreiben des Klägers vom 7. Januar 2003 beim Sozialgericht ein, in dem dieser mitteilte, dass er nach wie vor den 8. März 1994 als Datum seines Renteneintritts haben möchte. Das Sozialgericht hat dieses Schreiben an das Landessozialgericht als Berufung abgegeben.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 12. Juni 2001 und den Rentenbescheid der Beigeladenen vom 6. August 1997 in der Fassung des Wispruchsbescheides vom 5. Oktober 1999 zu ändern und die Beigeladenezu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bereits vom 1. März 1994 an zu gewähren.

Die Beigeladene beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Die Beklagte stellt keinen Antrag.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beigeladenen - - (3 Bände) und die Akte des Sozialgerichts Berlin - S 26 RJ 2039/98 W 00 - vor, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird und die Gegenstand der Beratung waren.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die Berufung ist zulässig.

Zwar hat der Kläger die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 12. Juni 2001 erst am 10. Januar 2003 beim Landessozialgericht eingelegt. Nach nochmaliger Überprüfung der in seinem Schreiben vom 4. Februar 2003 an den Kläger vertretenen Auffassung ist der Senat zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger die Versäumung der Berufungsfrist von drei Monaten (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 87 Abs. 1 Satz 2 SGG) bzw. der hier wegen der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung im Gerichtsbescheid geltenden Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG nicht entgegen gehalten werden kann. Beide Fristen setzen die wirksame Zustellung des Urteils bzw. Gerichtsbescheides voraus. Diese liegt hier jedoch nicht vor. Das Sozialgericht hat die Zustellung des Gerichtsbescheides an den Kläger nach Spanien mittels eingeschriebenen Briefes gegen Rückschein vorgenommen. Hierfür fehlt jedoch die gesetzliche Grundlage. Nach § 63 Abs. 2 SGG a.F. wird von Amts wegen nach den §§ 2 bis 15 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) zugestellt (also hier gemäß § 14 VwZG mittels Ersuchens der zuständigen Behörde des fremden Staates oder der in diesem Staat befindlichen konsularischen oder diplomatischen Vertretungen des Bundes). Die unmittelbare Zustellung ohne eine entsprechende Rechtsgrundlage im über- oder zwischenstaatlichem Recht ist nicht zulässig, weil sie die Ausübung von Staatsgewalt auf dem Gebiet des anderen Staates darstellt. Artikel 3 Abs. 3 der VO Nr. 574/72, der die erforderliche Grundlage im überstaatlichen Recht der EG dafür bietet, dass Bescheide oder sonstige Schriftstücke eines Trägers eines Mitgliedsstaates, die für eine im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates wohnende oder sich dort aufhaltende Personen bestimmt sind, unmittelbar mittels Einschreibens gegen Rückschein zugestellt werden können, bezieht sich nur auf Bescheide und sonstige Schriftstücke eines Trägers, nicht auf Urteile, Beschlüsse oder Mitteilungen des Gerichts (so LSG Nordrhein-Westfalen, Breithaupt 1987, 605 und Berliner Kommentar, Internationales Recht, Nr. 6 zu Artikel 84 VO (EWG) Nr. 1408/71). Da die Regelungen im VwZG und in Artikel 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 574/72 eindeutig sind, hätte der angefochtene Gerichtsbescheid nur nach § 14 VwZG zugestellt werden dürfen.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Gegenstand der Berufung ist bei verständiger Würdigung des klägerischen Begehrens in der Berufungsinstanz (§ 123 SGG) nur der Rentenbescheid der Beigeladenen vom 6. August 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Oktober 1999. Der Kläger ist nämlich nur insoweit durch den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts beschwert. Denn das Sozialgericht hat die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. September 1998 als begründet angesehen und damit diesen Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides aufgehoben. Das ergibt sich zwar nicht aus dem Tenor des Gerichtsbescheides, jedoch eindeutig aus den für die Auslegung des Tenors maßgeblichen Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheides. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit der Berufung auch diesen Teil der Entscheidung des Sozialgerichts angreifen wollte, sind nicht ersichtlich. Die Berufung wäre insoweit auch wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

Der Bescheid der Beigeladenen vom 6. August 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Oktober 1999 ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat gegen die Beigeladene keinen Anspruch auf Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente nach dem SGB VI bereits vom 1. März 1994 an, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat.

Nach § 99 Abs. 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird. Nach § 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI gilt ein Reha-Antrag als Antrag auf Rente, wenn der Versicherte erwerbsunfähig ist und die Leistungen zur Rehabilitation nicht erfolgreich gewesen sind. Die Beigeladene ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Reha-Antrag des Klägers vom 24. Januar 1995 als Rentenantrag nach § 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI gilt und die Rente somit unter Zugrundelegung eines am 14. Februar 1994 eingetretenen Leistungsfalls der Erwerbsunfähigkeit gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI am 1. Januar 1995 beginnt.

Allerdings hatte der Kläger bereits am 8. März 1994 einen Reha-Antrag bei der Beklagten gestellt, der dann zu der AHB vom 12. April bis zum 17. Mai 1994 führte. Der Kläger hat aber mit Schreiben vom 20. September 1995 an die Beklagte bestimmt, dass nicht dieser Reha-Antrag, sondern der vom 24. Januar 1995 als Rentenantrag gelten solle. Hierzu war der Kläger auch berechtigt. Die Fiktion des § 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI nimmt dem Versicherten nicht das Recht, im Rahmen seiner Dispositionsbefugnis zu bestimmen, dass der Reha-Antrag oder einer von mehreren Reha-Anträgen nicht als Rentenantrag gelten solle. Für die Ausübung dieses Rechts gelten die allgemeinen Grundsätze für die Antragsrücknahme (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 13 RJ 49/98 R - in SozR 3-1300 § 86 Nr. 3). Gründe, die gegen die Wirksamkeit der Erklärung des Klägers vom 20. September 1995 sprechen, sind nicht erkennbar.

Dass sich der Kläger - wie er vorträgt - über die Folgen seiner Entscheidung geirrt hat, ist unbeachtlich, weil es sich hierbei um einen so genannten Motivirrtum handelt. Auch aus § 46 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ergibt sich keine andere Beurteilung. Danach ist ein Verzicht auf Sozialleistungsansprüche unwirksam, soweit durch ihn andere Personen oder Leistungsträger belastet oder Rechtsvorschriften umgangen werden. Diese Regelung ist hier aber schon deshalb nicht einschlägig, weil sie die Freiheit des Berechtigten, einen Antrag zu stellen, ihn umzudeuten oder auch wieder zurückzunehmen, unberührt lässt. Da die Umdeutung des Antrages ebenso wie die Antragsrücknahme zum Wegfall einer notwendigen Tatbestandsvoraussetzung des Rentenanspruchs für die Vergangenheit führt, besteht insoweit ein verzichtbarer Anspruch nicht mehr.

Eine gesetzliche Einschränkung der Dispositionsbefugnis des Klägers ergibt sich auch nicht aus § 51 SGB V. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Bestimmung kann die Krankenkasse einem Versicherten, dessen Erwerbsfähigkeit nach ärztlichem Gutachten erheblich gefährdet oder gemindert ist, eine Frist von 10 Wochen setzen, innerhalb der er einen Antrag auf Maßnahmen zur Rehabilitation zu stellen hat. Stellt der Versicherte innerhalb der Frist den Antrag nicht, so entfällt der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf der Frist (§ 51 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Wird der Antrag später gestellt, lebt der Anspruch auf Krankengeld mit dem Tag der Antragstellung wieder auf (§ 51 Abs. 3 Satz 2 SGB V). Da der Antrag eines Erwerbsunfähigen auf Leistungen zur Rehabilitation nach Maßgabe des § 116 Abs. 2 SGB VI als Antrag auf Rente gilt, kann die Krankenkasse durch eine Aufforderung und Fristsetzung nach der genannten Vorschrift Einfluss auf den Beginn der Erwerbsunfähigkeitsrente nehmen und damit einen frühzeitigen Wegfall des Anspruchs auf Krankengeld bewirken. Um der Krankenkasse diesen gesetzgeberisch beabsichtigten Vorteil zu erhalten, hat das BSG bereits zu § 183 Abs. 7 und 8 RVO a.F., den Vorgängervorschriften des § 51 Abs. 1 und 2 SGB V, entschieden, dass der Versicherte, der entsprechend der Aufforderung der Krankenkasse einen Renten- oder Rehabilitationsantrag gestellt hat, diesen nur noch mit Zustimmung der Krankenkasse wirksam zurücknehmen oder beschränken kann (vgl. dazu mit weiteren Nachweisen BSG, Urteil vom 9. August 1995 - 13 RJ 43/94 - SozR 3-2500 § 50 Nr. 3). Das bedeutet, dass sich die eingeschränkte Dispositionsbefugnis des Versicherten grundsätzlich auf den Reha-Antrag bezieht, zu dessen Stellung der Versicherte von der Krankenkasse gemäß § 51 SGB V aufgefordert worden ist. Das ist hier der Reha-Antrag vom 24. Januar 1995. Den Reha-Antrag vom 8. März 1994, den der Kläger ohne Aufforderung durch die Krankenkasse gestellt hat, wird somit grundsätzlich auch nicht von § 51 SGB V erfasst.

Allerdings hat das BSG in der angeführten Entscheidung nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es der Krankenkasse nach § 51 SGB V nicht verwehrt ist, zur Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Versicherten eine entsprechende Aufforderung auszusprechen, auch wenn bereits früher eine Antragstellung erfolgt ist. Es würde dem Sinn und Zweck der Vorschrift durchaus auch entsprechen, wenn die Krankenkasse den Versicherten lediglich unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 51 Abs. 3 SGB V auffordert, seinen bereits gestellten Rentenantrag ohne ihre Zustimmung nicht zurückzunehmen oder zu beschränken. Wichtig sei dabei vor allem, dass die Krankenkasse dem Versicherten deutlich zu erkennen gebe, dass er über seinen Rentenantrag nicht mehr ohne Folgen für den Krankengeldanspruch frei verfügen könne. Auf diese Weise werde den Interessen aller Beteiligten im Rahmen der gesetzlichen Konzeption hinreichend Rechnung getragen. Die Krankenkasse muss sich also insoweit aktiv in das Verfahren einschalten (vgl. dazu auch Urteil des 13. Senats vom 1. September 1999 - B 13 RJ 49/98 R - SozR 3-1300 § 86 Nr. 3). Dass ist hier jedoch offensichtlich nicht geschehen. Aus den vorliegenden Akten ergibt sich dies jedenfalls nicht. Zwar hatte die GEK im Schreiben vom 23. Oktober 1995 an die Beigeladene unter Bezugnahme auf das Schreiben der Beklagten vom 27. April 1995 an den Kläger darauf hingewiesen, dass in dem Aufforderungsschreiben vom 9. November 1994 das Gestaltungsrecht des Klägers bezüglich des Antrags auf Reha-Maßnahmen vom 8. März 1994 eingeschränkt sei. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger aber schon der Beklagten mitgeteilt, dass der Reha-Antrag vom 8. März 1994 nicht als Rentenantrag umgedeutet werden solle. Wie sich aus einem Vermerk in der Verwaltungsakte der Beigeladenen vom 20. November 1996 ergibt, hat sich die GEK der Auffassung der Beigeladenen angeschlossen. Sie hat auch gegenüber der Beigeladenen einen Erstattungsanspruch nur noch für die Zeit vom 24. Januar 1995 geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved