L 4 KR 9/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 10 KR 60/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 KR 9/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, das Krankengeld nach § 47 b Abs. 1 Satz 3 SGB V a. F. in Verbindung mit § 138 SGB III a. F. anzupassen. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des echtsstreits zu neun Zehnteln zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um höheres Krankengeld für die Zeit vom 22. Juni 2000 bis 31. August 2001.

Die im ... 1942 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin war zuletzt von Oktober 1991 bis April 2000 als Sekretärin beschäftigt.

Nachdem sie sich am 09. März 2000 arbeitslos gemeldet hatte, bewilligte ihr die Bundesanstalt für Arbeit

Arbeitslosengeld ab 01. Mai 2000 nach einem Bemessungsentgelt von wöchentlich 960 DM (ungerundet 964,15 DM), der Leistungsgruppe C und einen Prozentsatz von 60 v. H. (allgemeiner Leistungssatz) in Höhe von 424,90 DM wöchentlich bzw. 60,70 DM täglich (Bescheid vom 30. März 2000). Am 11. Mai 2000 erkrankte die Klägerin arbeitsunfähig, worauf die Bundesanstalt für Arbeit den Bescheid über die Gewährung von Arbeitslosengeld ab 22. Juni 2000 aufhob (Bescheid vom 04. Juli 2000).

Die Beklagte zahlte daraufhin Krankengeld vom 22. Juni 2000 bis 31. August 2001 in Höhe von 60,70 DM täglich.

Nachdem sich die Klägerin beim Arbeitsamt zum 01. September 2001 wieder arbeitsfähig gemeldet hatte, gewährte ihr die Bundesanstalt für Arbeit erneut Arbeitslosengeld in Höhe von 60,70 DM täglich. Wegen der Höhe des Arbeitslosengeldes ist ein weiterer Rechtsstreit beim Landessozialgericht anhängig (L 10 AL 95/03).

Auf Veranlassung der Klägerin teilte das Arbeitsamt unter dem 25. Oktober 2000 der Beklagten mit, dass die pauschalierte Erhöhung des Arbeitslosengeldes ab 22. Juni 2000 aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) noch nicht habe berücksichtigt werden können. Der entsprechend angepasste tägliche Leistungssatz betrage 65,14 DM.

Am 16. November 2000 begehrte der Ehemann der Klägerin von der Beklagten, der Klägerin auf der Grundlage des Schreibens des Arbeitsamtes vom 25. Oktober 2000 höheres Krankengeld zu zahlen. Nach einer Gesprächsnotiz in der Verwaltungsakte der Beklagten wurde ihm der Sachverhalt erläutert. Der Ehemann habe dies nicht einsehen wollen. Es sei zugesagt worden, sich nochmals mit dem Arbeitsamt in Verbindung zu setzen.

Den daraufhin eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2001 zurück: Das Krankengeld werde bei vorangegangenem Bezug von Arbeitslosengeld in Höhe des Betrages des Arbeitslosengeldes gewährt, den der Versicherte zuletzt bezogen habe. Dies sei der Betrag von täglich 60,70 DM. Änderten sich während des Bezuges von Krankengeld die für den Anspruch auf Arbeitslosengeld maßgeblichen Verhältnisse des Versicherten, so sei auf Antrag als Krankengeld derjenige Betrag zu gewähren, den der Versicherte als Arbeitslosengeld erhalten würde, wenn er nicht erkrankt wäre. Dabei seien Änderungen, die zu einer Erhöhung des Krankengeldes um weniger als 10 v. H. führten, nicht zu berücksichtigen. Die pauschalierte Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 65,14 DM bewirke lediglich eine Erhöhung des Krankengeldes um ca. 7 v. H.

Dagegen hat die Klägerin am 15. Mai 2001 beim Sozialgericht Cottbus Klage erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt.

Sie verlange Gleichbehandlung. Das Urteil des BVerfG müsse auch auf sie Anwendung finden. Sie akzeptiere die gegenüber ihrem Ehemann, der keine Vollmacht gehabt habe, erklärte mündliche Ablehnung des Antrages auf höheres Krankengeld.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 16. November 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2001 zu ändern und ihr ab dem 22. Juni 2000 bis zum Ende der Bezugsdauer am 31. August 2001 Krankengeld in Höhe von 65,14 DM kalendertäglich, ab dem 01. Mai 2001 dynamisiert entsprechend den gesetzlichen Vorgaben in § 47 Abs. 5 SGB V zu zahlen.

Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, es fehle an einer Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin.

Mit Urteil vom 11. Januar 2002 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Es hat ausgeführt:

Die Klage ist zulässig und begründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren subjektiven Rechten, da ihr ein Anspruch auf höheres Krankengeld aus § 48 Sozialgesetzbuch X (SGB X) zusteht.

1. Der Anspruch der Klägerin auf höheres Krankengeld ergibt sich allerdings nicht aus § 47 b Abs. 2 Sozialgesetzbuch V (SGB V). Nach dieser Vorschrift ist, wenn sich während des Bezuges von Krankengeld die für den Anspruch auf Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld maßgeblichen Verhältnisse des Versicherten ändern, auf Antrag des Versicherten als Krankengeld derjenige Betrag zu gewähren, den der Versicherte als Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld erhalten würde, wenn er nicht erkrankt wäre, wobei Änderungen, die zu einer Erhöhung des Krankengeldes um weniger als 10 vom Hundert führen würden, nicht berücksichtigt werden.

Diese Vorschrift ist bereits deswegen nicht anwendbar, da sich ab dem 22.06.2000 nicht die Verhältnisse des Versicherten, d. h. hier: der Klägerin, geändert haben.

Die in § 47 b Abs. 1 SGB V (und bereits in der Vorgängervorschrift des § 158 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz - AFG - ) angeordnete Akzessorietät der Höhe des Krankengeldanspruches gegenüber der zuvor erbrachten Leistung des Arbeitsförderungsrechts soll die Verwaltung von dem mit dem früheren Recht verbundenen erheblichen Verwaltungsaufwand, der in keinem angemessenen Verhältnis zur Zahl der Veränderungsfälle stand, entlasten (Bundestags-Drucksache 5/4110 S. 24). Es sollte jedoch vermieden werden, dass diese neuen Regelungen für den Versicherten zu Härten führen. Daher sind spätere Veränderungen in den Verhältnissen des Versicherten auf Antrag zu berücksichtigen, wenn sie sich zugunsten desVersicherten auswirken und zu einer Erhöhung des Krankengeldes von mindestens 10 vom Hundert führen (Bundestags-Drucksache, s. o.). Aufgrund dessen sind als "maßgebliche Verhältnisse des Versicherten" alle diejenigen persönlichen Lebensumstände aufzufassen, die sich auf die Höhe der bezogenen Leistung auswirken können, z. B. Änderungen des Familienstandes und der Steuerklasse, Veränderungen des bei der Arbeitslosenhilfe zu berücksichtigenden Einkommens oder der Wegfall von Nebeneinkommen (Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 47 b SGB V, Rdnr. 28; Hauck/Noftz SGB V - Gesetzliche Krankenversicherung, § 47 b Rdnr. 8; Niesel/Düe, AFG, § 158 Rdnr. 9; Gagel, AFG, § 158 Rdnr. 22).

Änderungen der Rechtslage werden von § 47 b Abs. 2 SGB V demzufolge nicht erfasst.

2. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Nach Satz 2 Nr. 1 dieser Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Diese Voraussetzungen liegen im Falle der Klägerin vor.

a) Die Bewilligung von Krankengeld ab dem 22.06.2000 stellt einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar. Für die Zeit ab dem 22.06.2000 hat sich die Rechtslage durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24.05.2000 geändert. In dieser Entscheidung hat es das Bundesverfassungsgericht für mit dem Gleichheitssatz (Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz) unvereinbar gehalten, dass einmalig gezahltes Arbeitsentgelt bei der Berechnung von kurzfristigen beitragsfinanzierten Lohnersatzleistungen, wie beispielsweise Arbeitslosengeld und Krankengeld, nicht berücksichtigt wird, obwohl es zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen wurde. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber die Entscheidung überlassen, ob er diesen Verfassungsverstoß auf der Beitragsseite oder auf der Leistungsseite behebt. Mit dem Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz vom 21.12.2000 (Bundesgesetzblatt I, S. 1971) hat sich der Gesetzgeber für eine Neuregelung auf der Leistungsseite entschieden. Durch das Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz wurde § 434 c in das SGB III eingefügt. In Absatz 1 dieser Vorschrift ist folgendes geregelt:

Soweit sich die Höhe eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld, der vor dem 01.01.2001 entstanden ist, nach § 112 des Arbeitsförderungsgesetzes in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung oder nach § 134 Abs. 1 in der bis vor dem 01.01.2001 geltenden Fassung richtet, sind diese Vorschriften mit der Maßgabe anzuwenden, dass sich das Bemessungsentgelt, das sich vor der Rundung ergibt, ab dem 01.01.1997 um 10 %, höchstens bis zur jeweiligen Leistungsbemessungsgrenze, erhöht. Die Erhöhung gilt für Ansprüche, über die am 21.06.2000 bereits unanfechtbar entschieden war, vom 22.06.2000 an.

Zutreffend hat daher das Arbeitsamt Bergheim der Beklagten das ab dem 22.06.2000 für den gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 2 SGB III ruhenden Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld ab dem 22.06.2000 geltende Bemessungsentgelt sowie den täglichen Leistungssatz mitgeteilt.

Diese Änderungen der rechtlichen Verhältnisse hatte die Beklagte gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X ab dem 22.06.2000, dem Zeitpunkt der Rechtsänderung, zu berücksichtigen. Ein atypischer Fall, der die Beklagte zum Absehen von einer Änderung bereits mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung ermächtigte ("soll"), ist vorliegend nicht ersichtlich.

Die Klägerin hat die höhere Leistung auch gemäß § 19 Satz 1 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) beantragt. Hierfür ist keine besondere Form erforderlich, so dass entgegen des Schreibens der Beklagten an die Klägerin vom 13.11.2000 kein schriftlicher Antrag gefordert werden durfte. Da dem Antrag gemäß § 19 SGB IV nur verfahrenseinleitende Wirkung zukommt (Kasseler Kommentar/Seewald, § 19 SGB IV Rdnr. 2), ist der Anspruch auf höheres Krankengeld auch nicht auf die Zeit ab Antragstellung zu beschränken.

b) Die Anwendung von § 48 SGB X ist auch nicht wegen der möglicherweise abschließenden Regelungen in § 47 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 SGB V ausgeschlossen.

Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 3 SGB V gilt für die Erhöhung des - nach § 47 b Abs. 1 Satz 1 SGB V zu zahlenden - Krankengeldes § 138 SGB III entsprechend. Mit dieser Regelung soll auch das Krankengeld an die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung angepasst werden.

Aus den in § 47 b Abs. 1 Satz 3 SGB V und § 47 b Abs. 2 SGB V geregelten Tatbeständen zur Erhöhung von Krankengeld, das im Anschluss an Leistungen nach dem Arbeitsförderungsrecht gezahlt wird, wird teilweise geschlossen, dass eine Erhöhung des Krankengeldes, die sich auf andere Tatbestände stützt, ausgeschlossen sein soll (Gagel, Rdnr. 20). Teilweise wird jedoch auch davon ausgegangen, dass Änderungen des Leistungsrechts von Amts wegen zu berücksichtigen sind (Hauck, Rdnr. 8).

Nach Auffassung der Kammer sind über § 48 SGB X zu berücksichtigende Änderungen der Rechtslage nicht durch § 47 b SGB V ausgeschlossen. § 47 b Abs. 1 und 2 SGB V sollen sicherstellen, dass den Beziehern von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Unterhaltsgeld beim Eintritt der Arbeitsunfähigkeit weder Vor- noch Nachteile entstehen. Dies kommt auch in § 47 b Abs. 2 Satz 1 a.E. SGB V darin zum Ausdruck, dass dem arbeitslosen Krankengeldbezieher Krankengeld in der Höhe zustehen soll, in dem ihm Arbeitslosengeld zustehen würde, wenn er nicht arbeitsunfähig erkrankt wäre. Wäre die Klägerin am 22.06.2000 nicht bereits mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt gewesen, wäre sie in den Genuss der durch § 434 c SGB III angeordneten Neuberechnung des Arbeitslosengeldes ab dem 22.06.2000 gelangt. Entsprechend dem Regelungszweck von § 47 b Abs. 1 und 2 SGB V kann die Klägerin daher nicht schlechter stehen, nur weil sie am 22.06.2000 bereits arbeitsunfähig war. Die Kammer hat insoweit auch berücksichtigt, dass anderenfalls die Klägerin für den Zeitraum vom 22.06.2000 bis zum Ende des Krankengeldbezuges in keiner Weise von der durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.05.2000 geänderten Rechtslage ab dem 22.06.2000 profitieren würde. Sie stünde somit schlechter als alle anderen Bezieher von Arbeitslosengeld oder Krankengeld, die durch die Entscheidung des Gesetzgebers, den Verfassungsverstoß auf der Leistungsseite zu beheben, ab dem 22.06.2000 zumindest in den Genuss höherer Leistungen kamen.

Das von der Kammer gefundene Ergebnis entspricht auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Auswirkung von Gesetzesänderungen auf so genannte schwebende Verfahren, d. h. Konstellationen, in denen sich während des Leistungsbezuges die für die Leistungshöhe maßgeblichen Rechtsvorschriften ändern. Das Bundessozialgericht (BSGE 19, 25) hat es für maßgeblich gehalten, ob das die Änderung herbeiführende Gesetz nach seinem Sinn und Zweck diese schwebenden Verfahren erfassen will.

Der Regelungszusammenhang des Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetzes und eine Gesamtschau seiner Regelungen (insbesondere Art. 1 Nr. 21, Art. 2 Nr. 2, Art. 3 Nr. 3, Art. 4 Nr. 2 und Art. 6 Satz 2 des Gesetzes vom 21.12.2000) ergibt aus Sicht der Kammer, dass der Gesetzgeber sämtliche Fälle des laufenden Leistungsbezuges zumindest ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung, d. h. ab dem 22.06.2000, erfassen will. Dies muss daher auch für die Gruppe von Leistungsbeziehern, zu denen die Klägerin zählte, gelten. Dass das Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz keine Änderung von § 47 b SGB V vorsieht, steht der Auffassung der Kammer nicht entgegen. Denn wie bereits unter 1. aufgezeigt, lässt sich dieses verfassungsrechtlich gebotene Ergebnis unter Anwendung von § 434 c Abs. 1 Satz 2 SGB III i. V. m. § 48 Abs. 1 SGB X erzielen.

3. Das der Klägerin ab dem 22.06.2000 zu zahlende Krankengeld in Höhe von 65,14 DM kalendertäglich ist gemäß § 47 b Abs. 1 Satz 3 SGB V i. V. m. § 138 SGB III ab dem 01.05.2001 zu dynamisieren.

Gegen das ihr am 01. Februar 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 28. Februar 2002 eingelegte Berufung der Beklagten.

Sie trägt vor: Das Sozialgericht habe § 47 b Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht berücksichtigt. Hiernach werde das Krankengeld für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V in Höhe des Betrages des Arbeitslosengeldes gewährt, den der Versicherte zuletzt bezogen habe. Der Betrag der bezogenen Leistung ergebe sich damit aus dem zuletzt maßgeblichen bindenden Bewilligungsbescheid. Den Bewilligungsbescheid über ein Arbeitslosengeld in Höhe von 60,70 DM kalendertäglich habe das Arbeitsamt jedoch nicht zurückgenommen. Es habe lediglich den maßgeblichen Leistungssatz ab 22. Juni 2000 mitgeteilt. Eine Neuberechnung sei somit nicht möglich. Dem stehe auch nicht das Urteil des BVerfG entgegen. Zum einen sei es Stichtagsregelungen immanent, dass Ungleichbehandlungen auftreten könnten. Zum anderen werde durch § 47 b Abs. 1 Satz 1 SGB V unter Inkaufnahme der Gewährung von hierdurch unrichtigen Leistungen für die Zukunft eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung erreicht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 11. Januar 2002 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Das Urteil des BVerfG dürfe nicht unterlaufen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakte der Beklagten ( ...), der Leistungsakte der Bundesanstalt für Arbeit ( ...) und der weiteren Gerichtsakte des Sozialgerichts Cottbus L 10 AL 95/03 (S 2 AL 657/01), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie hat insbesondere nicht der Zulassung bedurft, denn sie betrifft wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die Berufung ist jedoch überwiegend nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, höheres Krankengeld zu zahlen. Der Bescheid vom 16. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2001 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat Anspruch darauf, dass ihr für die Zeit vom 22. Juni 2000 bis 31. August 2001 Krankengeld in Höhe von 65,14 DM kalendertäglich, ab 01. Mai 2001 dynamisiert gezahlt wird.

Die Berufung der Beklagten ist nur insoweit begründet, als die Dynamisierung nicht nach § 47 Abs. 5 SGB V, wie vom Sozialgericht tenoriert, sondern nach § 47 b Abs. 1 Satz 3 SGB V i. V. m. § 138 SGB III zu erfolgen hat.

Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGG) ist zulässig.

Es könnte zwar zweifelhaft sein, ob die Beklagte am 16. November 2000 gegenüber dem Ehemann der Klägerin als deren ohne Vollmacht handelnden Vertreter einen Verwaltungsakt, gerichtet auf die Ablehnung der Zahlung eines höheren Krankengeldes an die Klägerin, erlassen hat. Der von der Beklagten am 16. November 2000 aufgenommene Vermerk ist diesbezüglich nicht eindeutig. Ihm kann nicht sicher entnommen werden, ob die Beklagte eine Verfügung, die nach § 33 Abs. 2 Satz 1 SGB X auch mündlich erlassen werden kann, über den geltend gemachten Anspruch getroffen oder lediglich eine Prüfung des Antrages unter erneuter Einschaltung des Arbeitsamtes angekündigt hatte. Im letztgenannten Fall läge kein Verwaltungsakt vor, denn die (endgültige) Entscheidung über den Antrag wäre erst nach Abschluss der Prüfung zu treffen gewesen. Für einen solchen Sachverhalt spricht das Schreiben der Beklagten vom 21. November 2000, in dem der Klägerin mitgeteilt wurde, dass sich aufgrund eines Telefonats mit dem Arbeitsamt keine neuen Gesichtspunkte ergäben hätten; für einen schriftlichen Bescheid fehle noch der schriftliche Antrag auf Umstellung des Krankengeldes. Allerdings könnte dieses Schreiben auch im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 2 SGB X gewertet werden, wonach ein mündlicher Verwaltungsakt schriftlich zu bestätigen ist, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Eine solche Interpretation lässt der Widerspruchsbescheid vom 19. April 2001 durchaus zu. Hätte die Beklagte einen am 16. November 2000 erlassenen mündlichen Verwaltungsakt nicht angenommen, hätte sie den Widerspruch als unzulässig verwerfen müssen und nicht inhaltlich bescheiden dürfen. Das Fehlen einer Vollmacht des Ehemannes der Klägerin bei Antragstellung bzw. Bescheiderteilung ist unschädlich, denn dieser Mangel ist durch die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts erteilte Genehmigung geheilt (vgl. Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Krasney, § 13 SGB X Rdnr. 7 und BSG SozR 3-4100 § 58 Nr. 6).

Sollte die Beklagte hingegen am 16. November 2000 keinen Verwaltungsakt erlassen haben, lägen gleichwohl die Prozessvoraussetzungen vor, um in der Sache über das Begehren der Klägerin entscheiden zu können. Die Beklagte hätte in diesem Fall jedenfalls mit dem Widerspruchsbescheid vom 19. April 2001 eine verbindliche Regelung getroffen, denn die Entscheidung, dass höheres Krankengeld nicht zustehe, wäre bei Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht anders zu verstehen. Damit hätte sich der Widerspruchsausschuss zwar über die ihm eingeräumte Befugnis, (nur) über einen bereits erlassenen Verwaltungsakt zu entscheiden (§ 78 Abs. 1 SGG) insoweit hinweggesetzt, als er eine erstmalige Entscheidung über den Anspruch getroffen, also ein Erstbescheid erlassen hätte. Auch wenn er insoweit funktionell unzuständig gewesen wäre, folgte daraus nicht die Nichtigkeit dieses Verwaltungsaktes (vgl. BSG SozR 1500 § 54 Nr. 45; BSG Urteil vom 21. Juni 2000 - B 4 RA 57/99 R), sondern allenfalls dessen Aufhebbarkeit nach § 42 Satz 1 SGB X, sofern eine isolierte Anfechtungsklage erhoben ist. Im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage kommt die Aufhebung jedoch nicht in Betracht, weil dadurch das Klageziel, die Leistung, nicht erreicht werden kann, der Klage vielmehr der Boden entzogen wird. Der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bedurfte es in einem solchen Fall ebenfalls nicht. § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG bestimmt zwar, dass vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachzuprüfen ist. Dies gilt grundsätzlich für alle Erstbescheide. Die Durchführung eines solchen Widerspruchsverfahrens wäre jedoch aus prozessökonomischen Gründen entbehrlich gewesen, denn es spricht nichts dafür, dass der Widerspruchsausschuss der Beklagten als Widerspruchsstelle eine andere Entscheidung treffen würde; ob höheres Krankengeld zu zahlen ist, stellt keine Ermessensentscheidung dar. Damit wäre die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens reine Förmelei.

Der Anspruch auf höheres Krankengeld folgt, wie vom Sozialgericht zutreffend erkannt, weder aus § 47 b Abs. 1 Satz 1 SGB V noch aus § 47 b Abs. 2 SGB V.

Nach § 47 b Abs. 1 SGB V in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Reformgesetz - AFRG) vom 24. März 1997 (BGBl I 1997, 594) wird das Krankengeld für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V, also für Personen, die in der Zeit, für die sie u. a. Arbeitslosengeld beziehen, versicherungspflichtig sind, in Höhe des Betrages des Arbeitslosengeldes gewährt, den der Versicherte zuletzt bezogen hat. Das Krankengeld wird vom ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit an gewährt, wobei jedoch der Anspruch nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 a SGB V ruht, solange Versicherte Arbeitslosengeld (wegen des Anspruches auf Fortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III) beziehen. Für die Erhöhung des Krankengeldes gilt § 138 SGB III entsprechend.

Das Sozialgericht ist zutreffend auf diese Vorschrift nicht näher eingegangen, denn sie führt dazu, dass das Krankengeld lediglich in Höhe von 60,70 DM täglich zu zahlen wäre. Dies ist der Betrag, der dem Bescheid der Bundesanstalt für Arbeit vom 30. März 2000 über Arbeitslosengeld zugrunde lag. Dieser Bescheid ist weiterhin wirksam, denn er wurde für eine Zeit vor dem 22. Juni 2000 nicht aufgehoben. Insbesondere hat das Arbeitsamt mit Schreiben vom 25. Oktober 2000 an die Beklagte keine andere, aufhebende Entscheidung getroffen. Dort wird lediglich mitgeteilt, wie hoch der Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 22. Juni 2000 wäre, wenn zu diesem Zeitpunkt Arbeitslosengeld zu zahlen gewesen wäre. Der Einwand der Beklagten, das Sozialgericht habe § 47 b Abs. 1 SGB V nicht berücksichtigt, geht mithin fehl. Das Sozialgericht hat lediglich diese Vorschrift im Urteil nicht erwähnt, weil sie offenkundig den geltend gemachten Anspruch auf höheres Krankengeld nicht begründen kann.

Die Voraussetzungen des § 47 b Abs. 2 SGB V liegen ebenfalls, wie das Sozialgericht zutreffend erkannt hat, nicht vor.

Der Senat teilt die Ansicht des Sozialgerichts, wonach über § 47 b Abs. 2 SGB V nur Änderungen in den persönlichen Lebensumständen des Versicherten krankengelderhöhend berücksichtigt werden können (vgl. auch Marschner in Gesamtkommentar, SGB V, 84. Ergänzungslieferung Oktober 2002, § 47 b Rdnr. 17; Vay in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung und Pflegeversicherung, 34. Ergänzungslieferung November 1998, § 47 b SGB V Rdnr. 10; Kasseler Kommentar - Höfler, Sozialversicherungsrecht, 41. Ergänzungslieferung September 2003, § 47 b SGB V Rdnr. 21). Dementsprechend sind auch Änderungen der Leistungsbemessungsgrenzen oder -tabellen nicht zu berücksichtigen (Hochscheid in Jahn, Sozialgesetzbuch, SGB V, § 47 b Rdnr. 16). Soweit ersichtlich, vertritt allein Heinze, Sozialgesetzbuch SGB V, Die neue Krankenversicherung, 88. Ergänzungslieferung März 1999, § 47 b Anmerkung 7) die Auffassung, dass nicht nur tatsächliche, sondern auch rechtliche Änderungen der Verhältnisse zu berücksichtigen seien, jedenfalls soweit sie nicht bereits nach § 47 b Abs. 1 Satz 3 SGB V beachtlich seien. Würde letztgenannter Ansicht vorliegend gefolgt, würde dies allerdings wegen der so genannten Bagatellgrenze des § 47 b Abs. 2 Satz 2 SGB V nicht zur Erhöhung des Krankengeldes führen, denn die 10 vom Hundert-Grenze würde nicht erreicht. Letztgenannter Ansicht vermag sich der Senat jedoch nicht anzuschließen, denn Rechtsänderungen sind grundsätzlich unbeachtlich, wie nachfolgend auszuführen sein wird. Soweit das Sozialgericht demzufolge Änderungen der Rechtslage als von § 47 b Abs. 2 SGB V als nicht erfasst angesehen hat, stimmt der Senat unter Zugrundelegung seiner Ansicht ebenfalls zu.

Der Senat folgt dem Sozialgericht bezogen auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt auch darin, dass die Klägerin nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X i. V. m. § 434 c Abs. 1 SGB III höheres Krankengeld beanspruchen kann.

Allerdings begründet eine Rechtsänderung an sich grundsätzlich keinen Anspruch auf Änderung des die Leistung bewilligenden Bescheides, hier also des Krankengeldes, nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Dieser, soweit ersichtlich, allein von Gerlach in Hauck/Haines, SGB V, gesetzliche Krankenversicherung, Ergänzungslieferung 8/03, K § 47 b Rdnr. 8 vertretenen Ansicht vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Danach sollen Änderungen des Leistungsrechts in der Regel von Amts wegen zu berücksichtigen sein und - da hierfür § 47 b Abs. 2 Satz 2 SGB V nicht gilt - nicht einem Grenzwert unterliegen. Das Sozialgericht hat sich dieser Ansicht angeschlossen und sich im Übrigen, allerdings zu Unrecht, auf die Rechtsprechung des BSG in BSGE 19, 25 berufen. In jener Entscheidung ist das BSG zwar davon ausgegangen, dass eine seinerzeit zum Vorteil des Versicherten eingetretene Rechtsänderung auch für so genannte "alte" Versicherungsfälle gelte. Es hat dies mit dem Sinn und Zweck der damaligen Rechtsänderung begründet. Es hat jedoch bereits in jener Entscheidung betont, dass grundsätzlich für Ansprüche aus Versicherungsfällen vor In-Kraft-Treten neuen Rechts die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften für die entstandenen Ansprüche bestimmend blieben. In der weiteren Entscheidung des BSG in BSGE 44, 130 hat es klargestellt, dass sich Rechtsänderungen nur dann auf laufende Versicherungsfälle auswirkten, wenn dies gesetzlich angeordnet sei. Dies ergebe sich aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass sich Rechtsänderungen nur auf neu zu regelnde Sachverhalte bezögen, wenn nicht - typischerweise in Übergangsvorschriften - etwas anderes angeordnet werde. Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz, wonach sich die maßgebliche Sach- und Rechtslage nach dem Zeitpunkt bestimmt, zu dem der Anspruch geltend gemacht bzw. bewirkt wird, hat auch weiterhin nach dem SGB V Gültigkeit (vgl. dazu BSG SozR 3-2500 § 12 Nr. 2 und BSG NZS 1995, 361).

Eine Rechtsänderung, die während des laufenden Bezuges von Krankengeld eintritt, führt daher nicht dazu, dass das Krankengeld entsprechend dieser Rechtsänderung neu zu berechnen ist.

Dem Gesetz zur Neuregelung der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt (Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz) vom 21. Dezember 2000 ist insoweit nichts anderes zu entnehmen. Nach Art. 6 Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz tritt es am 01. Januar 2001 in Kraft. Allerdings treten Art. 2 Nrn. 1 und 2 und Art. 5 bereits mit Wirkung vom 22. Juni 2000 in Kraft.

Art. 2 Nr. 1 Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz betrifft die Neufassung des § 47 SGB V. Art. 2 Nr. 2 Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz fasst § 47 a SGB V neu. Art. 5 Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz ist hier nicht einschlägig.

Nach § 47 a Abs. 2 SGB V gilt hiernach: Für Ansprüche, über die vor dem 22. Juni 2000 bereits unanfechtbar entschieden wurde, erfolgt die Erhöhung nach § 47 a Abs. 1 SGB V nur für Zeiten vom 22. Juni 2000 an bis zum Ende der Leistungsdauer. Entscheidungen über Ansprüche auf Krankengeld, die vor dem 22. Juni 2000 unanfechtbar geworden sind, sind nicht nach § 44 Abs. 1 SGB X zurückzunehmen.

Eine Übergangsregelung, wonach § 434 c Abs. 1 SGB III im Rahmen der Berechnung des Krankengeldes nach § 47 b Abs. 1 Satz 1 SGB V ab 22. Juni 2000 zu berücksichtigen ist, fehlt.

Vorliegend ist jedoch gleichwohl § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 434 c Abs. 1 SGB III Rechtsgrundlage für die Zahlung von höherem Krankengeld, denn insoweit ist eine verfassungskonforme Auslegung geboten. Eine derartige Auslegung kommt dann in Betracht, wenn eine auslegungsfähige Norm nach den üblichen Interpretationsregeln mehrere Auslegungen zulässt, von denen eine oder mehrere mit der Verfassung übereinstimmen, während andere zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führen. Sie ist nicht zulässig, wenn im Wege der Auslegung einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Regelungsinhalt der auszulegenden Norm erst geschaffen oder grundlegend neu bestimmt wird oder das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (vgl. BVerfGE 48, 40, 45/47; 54, 277, 299; 78, 20, 24).

Eine solche verfassungskonforme Auslegung ist im Hinblick auf den Beschluss des BVerfG in BVerfGE 102, 127 geboten. Danach gebietet der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG), dass einmalig gezahltes Arbeitsentgelt bei der Berechnung von kurzfristigen beitragsfinanzierten Lohnersatzleistungen, wie beispielsweise Arbeitslosengeld und Krankengeld, berücksichtigt wird, wenn es zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen wird. Aus diesem Grund hat das BVerfG § 47 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20. Dezember 1988 und § 134 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB III in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung vom 24. März 1999 als mit Art. 3 Abs. 1 GG für unvereinbar erklärt, soweit danach einmalig gezahltes Arbeitsentgelt zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen wird, ohne dass es bei der Berechnung sämtlicher beitragsfinanzierter Lohnersatzleistungen berücksichtigt wird. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber eine Frist bis längstens zum 30. Juni 2001 für eine gesetzliche Neuregelung eingeräumt.

Mit dem Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz ist der Gesetzgeber dieser Verpflichtung in Bezug auf u. a. Arbeitslosengeld mit § 434 c Abs. 1 SGB III und Krankengeld mit § 47 a Abs. 1 und 2 SGB V nachgekommen. Er hat hierbei für die Zeit ab 22. Juni 2000 auch solche Ansprüche in die Neuregelung einbezogen, über die vor dem 22. Juni 2000 bereits unanfechtbar entschieden worden war. Dies liegt darin begründet, dass ab wirksamer Feststellung einer verfassungswidrigen Rechtslage durch das BVerfG der verfassungswidrige Zustand nicht mehr aufrechterhalten bleiben darf. Der Beschluss des BVerfG in BVerfGE 102, 127 ist mit Bekanntgabe an die Beteiligten am 22. Juni 2000 wirksam geworden.

Der Einwand der Beklagten, in Bezug auf den vorliegenden Sachverhalt handele es sich um eine verfassungsrechtlich hinzunehmende Stichtagsregelung, trifft nur insoweit zu, als Ansprüche vor und nach dem 22. Juni 2000 unterschiedlich behandelt werden. Darum geht es hier jedoch nicht. Die Klägerin verlangt vielmehr, ab dem genannten Stichtag genauso behandelt zu werden, wie alle anderen Empfänger von Arbeitslosengeld und Krankengeld, deren Anspruch aus vor diesem Stichtag geltenden Vorschriften hergeleitet wurde.

Den vorliegenden Sachverhalt hat der Gesetzgeber offensichtlich nicht gesehen. Es sind auch keine Gesichtspunkte dafür ersichtlich, weshalb die Klägerin gegenüber Beziehern von Arbeitslosengeld einerseits und von Krankengeld, die zuvor kein Arbeitslosengeld erhalten haben, andererseits über den 22. Juni 2000 nach der vom BVerfG für verfassungswidrig erklärten bisherigen Rechtslage zu behandeln wäre. Das von ihr ab 22. Juni 2000 bezogene Krankengeld beruht, da es am zuvor bezogenen Arbeitslosengeld anknüpft, auf § 134 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB III, der vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt wurde. Danach blieben Arbeitsentgelte, die einmalig gezahlt wurden, bei der Ermittlung des Arbeitslosengeldes außer Betracht. Die von der Beklagten vertretene Ansicht führt mithin dazu, dass sich die von der Klägerin bezogene kurzfristige beitragsfinanzierte Lohnersatzleistung, nämlich das Krankengeld, ausschließlich deswegen nach der ab 22. Juni 2000 verfassungswidrigen Vorschrift des § 134 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB III weiterhin richtet, weil die Klägerin (nur) bis zum 21. Juni 2000 Arbeitslosengeld bezog. Hätte sie einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zum 22. Juni 2000 gehabt, wäre ihr wenigstens zum 22. Juni 2000 nach § 434 c Abs. 1 SGB III höheres Arbeitslosengeld und daran anknüpfend höheres Krankengeld gewährt worden. Einen Anspruch auf höheres Krankengeld ab 22. Juni 2000 hätte sie auch dann gehabt, wenn sie während ihrer Beschäftigung arbeitsunfähig erkrankt und einen Anspruch auf Krankengeld erworben hätte. Einen sachlichen, dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG genügenden Grund dafür, die Klägerin von der verfassungsrechtlich gebotenen Neuregelung ihres Krankengeldanspruches auszunehmen, vermag der Senat nicht zu erkennen.

Der vom Sozialgericht zugesprochene Anspruch auf Krankengeld in Höhe von 65,14 DM kalendertäglich entspricht § 434 c Abs. 1 Satz 1 SGB III. Danach ist das Bemessungsentgelt, das sich vor der Rundung ergibt, um 10 Prozent, höchstens bis zur jeweiligen Leistungsbemessungsgrenze, zu erhöhen.

Das ungerundete Bemessungsentgelt, das dem Bescheid der Bundesanstalt der Arbeit vom 30. März 2000 zugrunde lag, beträgt 964,15 DM. Erhöht um 10 v. H. resultiert daraus der Betrag von 1060,57 DM. Dieses Bemessungsentgelt ist nach § 132 Abs. 3 SGB III auf den nächsten durch 10 teilbaren DM-Betrag zu runden, also auf 1060 DM. Unter Berücksichtigung der auf den Arbeitslosengeldanspruch angewandten Leistungsgruppe C und des allgemeinen Leistungssatzes von 60 v. H. folgt daraus nach der vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung nach § 151 Abs. 2 Nr. 2 SGB III erlassenen Leistungsentgeltverordnung 2000 ein Leistungsentgelt von 455,98 DM wöchentlich und von 65,14 DM täglich (§ 339 Satz 1 SGB III).

Zutreffend hat das Sozialgericht auch ausgesprochen, dass das Krankengeld ab 01. Mai 2001 zu dynamisieren ist. Sein Urteil kann jedoch insoweit keinen Bestand haben, als die Beklagte verurteilt worden ist, die Dynamisierung nach § 47 Abs. 5 SGB V vorzunehmen. Nach dieser Vorschrift erfolgt die Anpassung des Krankengeldes, welches nach § 47 Abs. 1 und 2 SGB V berechnet wurde. Krankengeld, das nach § 47 b Abs. 1 Satz 1 SGB V gewährt wurde, ist jedoch nach § 47 b Abs. 1 Satz 3 SGB V entsprechend § 138 SGB III zu erhöhen, wie das Sozialgericht im Übrigen zutreffend in den Urteilsgründen dargestellt hat.

Nach § 138 Abs. 1 Satz 1 SGB III wird das Bemessungsentgelt, das sich vor der Rundung ergibt, nach Ablauf eines Jahres seit dem Ende des Bemessungszeitraumes (Anpassungstag) entsprechend der Veränderung der Bruttolohn- und -gehaltsumme je durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer vom vorvergangenen zum vergangenen Kalenderjahr an die Entwicklung der Bruttoarbeitsentgelte angepasst.

Bemessungszeitraum ist derjenige, der für das dem Arbeitslosengeld zugrunde liegende Bemessungsentgelt maßgebend war. Anpassungstag ist der letzte Tag des Bemessungszeitraums (vgl. Heinze, a.a.O., § 47 b Anm. 6; Vay, a.a.O., § 47 b Rdnr. 12).

Letzter Tag des Bemessungszeitraumes für das Arbeitslosengeld war der 30. April 2000, so dass die Anpassung ab 01. Mai 2001 zu erfolgen hat.

Die Berufung der Beklagten hat somit nur zu einem geringen Teil Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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