L 13 SB 25/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 45 SB 1287/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 25/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. Januar 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von 80 und die Anerkennung der medizinischen Voraussetzungen des Merkzeichens "G" – erhebliche Gehbehinderung.

Dem 1948 geborenen Kläger war durch Bescheid des Beklagten vom 14. Januar 1998 die Schwerbehinderteneigenschaft wegen folgender Behinderungen zuerkannt worden, deren Einzel-GdB sich aus den Klammerzusätzen ergeben:

a) Asthma bronchiale, eingeschränkte Lungenfunktion (40) b) Diabetes mellitus (20) c) wiederkehrende Reizerscheinungen an Wirbelsäule und Gelenken bei Wirbelsäulen- und Gelenkverschleiß (20) d) latenter Bluthochdruck (10) ...

Mit seinem Neufeststellungsantrag vom 7. Juni 1999 machte der Kläger geltend, dass sich sein Gesundheitszustand nach Bandscheibenvorfällen verschlechtert habe, es bestehe zudem eine Taubheit in beiden Füßen und ein ständiger Harndrang. Der Beklagte nahm verschiedene ärztliche Befunde, u. a. ein im Auftrag der Landesversicherungsanstalt (LVA) B gefertigtes Gutachten der Internistin W-H vom 16. Februar 1999 zur Akte. Auf der Grundlage der gutachtlichen Stellungnahme des Dr. S vom 4. August 1999 erkannte er mit Bescheid vom 13. September 1999 bei im Wesentlichen gleich gebliebener Behinderungsbezeichnung einen Gesamt-GdB von 60 an, weil der Diabetes nunmehr insulingeführt sei und zu Nervenstörungen geführt habe, so dass er mit einem GdB von 40 zu bewertend sei.

Auf den Widerspruch des Klägers, zu dessen Untermauerung er Atteste der Pulmologen Dres. S/ vom 21. Juli 1999, der Neurologin und Psychiaterin S vom 27. Juli 1999, des Orthopäden Dr. D vom 29. Juli 1999, des Urologen Dr. W vom 17. August 1999 und des Internisten Pof. Dr. M vom 7. September 1999 einreichte, holte der Beklagte einen Befundbericht der Neurologin und Psychiaterin S vom 28. Februar 2000 ein und wies den Widerspruch auf der Grundlage der gutachtlichen Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters B vom 2. April 2000 mit Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2000 zurück, die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" lägen nicht vor.

Mit seiner hiergegen beim Sozialgericht erhobenen Klage reichte der Kläger Atteste des Internisten Prof. Dr. M vom 21. Februar 2000, der Pulmologen Dres. S/S vom 25. Oktober 2000, des Urologen Dr. W vom 15. November 2000 und des Orthopäden Dr. D vom 29. November 2000 ein. Der Beklagte holte Stellungnahmen des Internisten Dr. D vom 22. Januar 2001, des Chirurgen und Urologen Dr. B vom 29. Januar 2001 und der Neurologin und Psychiaterin Dr. D vom 5. März 2001 ein, die empfahl, als weitere Behinderung ab Antragstellung "psychoreaktive Störung mit vegetativen Begleiterscheinungen" mit einem GdB von 20 anzuerkennen. Das Sozialgericht bestimmte den Allgemeinmediziner B zum gerichtlichen Sachverständigen, der in seinem Gutachten vom 5. Juli 2001 zu dem Ergebnis gelangte, dass die bei dem Kläger bestehenden Behinderungen

insulinpflichtige Zuckerkrankheit mit Folgeschäden Asthma bronchiale mit eingeschränkter Lungenfunktion Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule Seelische Störung Vergrößerung der Vorsteherdrüse

mit einem Gesamt-GdB von 60 angemessen bewertet seien, weil die Leiden weitgehend beziehungslos nebeneinanderstünden und sich gegenseitig nicht verstärkten. Das Gangbild sei zielgerichtet und raumgreifend, Zeichen einer Koordinationsstörung oder Gangataxie ergäben sich nicht. Es bestehe derzeit kein behandlungsbedürftiger Bluthochdruck.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20. Januar 2002 abgewiesen. Die Behinderungen des Klägers seien angemessen und ausreichend bewertet. Bei dem Asthma bronchiale handele es sich nur um eine mit einem GdB von 30 zu bewertende leichte Funktionsbeeinträchtigung, die nicht geeignet sei, den GdB für den Diabetes mellitus auf über 60 zu erhöhen. Die Gesamt-GdB-Bildung unterliege keinen rechtlichen Bedenken.

Gegen den ihm am 27. Februar 2002 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die am 15. März 2002 eingegangene Berufung, mit der der Kläger auch das Merkzeichen "G" geltend macht.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. Januar 2002 und den Bescheid vom 13. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2000 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm einen Grad der Behinderung von 80 zuzuerkennen und das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen einer erheblichen Gehbehinderung - Merkzeichen "G" -festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat zur weiteren Sachaufklärung Befundberichte der Dres. S u. a. vom 11. Juli 2002, des Neurologen und Psychiaters Dr. F vom 12. Juli 2002 sowie seine ergänzende Stellungnahme vom 3. März 2003, des Prof. Dr. M und des Internisten Dr. S vom 23. Juli 2002, des Dr. D vom 24. Juli 2002, des Urologen Dr. Wegner vom 21. September 2002 und des Chirurgen Dr. M vom 1. April 2003 eingeholt. Außerdem hat er die in dem gegen die LVA Berlin wegen der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit geführten Rechtsstreit (S 22 RJ 2606/99) eingeholten Gutachten des Allgemeinmediziners Dr. B vom 7. Mai 2001, des Internisten Prof. Dr. P vom 25. Juni 2003 und das nervenfachärztliche Gutachten des Prof. Dr. K vom 10. Oktober 2003 beigezogen und dem Beklagten zur Auswertung überlassen.

Der Beklagte hat Stellungnahmen des Internisten Dr. Dvom 4. November 2002 und 27. Februar 2004, des Neurologen und Psychiaters Dr. D vom 7. November 2002, 17. März 2003 und 8. März 2004 sowie des Chirurgen und Urologen Dr. Bvom 10. November 2002 und 7. Februar 2004 eingereicht.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Außerdem wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die vorlagen und Gegenstand der Beratung waren.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, denn er kann aus §§ 2, 69 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) weder einen Anspruch auf Zuerkennung eines höheren GdB als 60 herleiten, noch erfüllt er die gesundheitlichen Voraussetzungen einer erheblichen Gehbehinderung nach § 146 SGB IX.

Nach §§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 Sätze 3, 4 SGB IX sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Gesundheitsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz und der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) in der Fassung von 2004 (deren Vorgänger die AHP 1996 waren) zu bewerten, die als antizipierte Sachverständigengutachten mit normähnlicher Qualität gelten. Nach den Feststellungen des in der Begutachtung von schwerbehinderten Menschen besonders erfahrenen gerichtlichen Sachverständigen B in dessen schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten vom 5. Juli 2001 und den im Berufungsverfahren eingeholten Befundberichten der behandelnden Ärzte des Klägers sowie den beigezogenen Rentengutachten sind die bei ihm bestehenden Behinderungen unter Berücksichtigung der Vorgaben der AHP 2004 zutreffend bewertet.

Im Vordergrund der Gesundheitsstörungen steht ein seit 1999 insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 2. Prof. Dr. P beschreibt in seinem Gutachten vom 25. Juni 2003 einen insulinpflichtigen und überwiegend gut eingestellten Diabetes und geht in Übereinstimmung mit dem behandelnden Diabetologen Prof. Dr. M von einer insgesamt guten Stoffwechseleinstellung aus. Nach Nr. 26.15, S. 99 AHP 2004 (= S. 119 AHP 96) bedingt ein durch Diät und alleinige Insulinbehandlung gut einstellbarer Diabetes mellitus einen GdB von 40. Da bei dem Kläger als Folgen des Diabetes eine Polyneuropathie und eine neurogene Blasenschädigung bestehen, die jeweils als leichtgradig einzustufen sind, ist eine Anhebung des GdB auf 50 für den Behinderungskomplex Diabetes gerechtfertigt, wie er auch vom gerichtlichen Sachverständigen B in Ansatz gebracht wurde. Da die Polyneuropathie nach den übereinstimmenden Feststellungen von Prof. Dr. P und Prof. Dr. K keine Auswirkungen auf die Kraftentfaltung der Muskeln in den Unterschenkeln hat, sondern ausschließlich zu Empfindungsstörungen und Mißempfindungen geführt hat, kommt eine weitere Anhebung des GdB nicht in Betracht. Ebenso verhält es sich mit der Blasenentleerungsstörung, die mit einer geringen Restharnmenge von lediglich 20 ml als leichtgradig zu bezeichnen ist. Der Kläger leidet auch weder an häufigen, ausgeprägten Hypoglykämien noch an Organkomplikationen, so dass auch unter diesem Aspekt eine GdB-Erhöhung ausscheidet.

Das Asthma bronchiale ist in Übereinstimmung mit den behandelnden Lungenfachärzten Dres. S/S, die über langjährige Erfahrungen mit der Behinderungsbewertung nach den Vorgaben der AHP verfügen, dem Beratungsarzt des Beklagten, Dr. S, und dem gerichtlichen Sachverständigen B nach Nr. 26.8, S. 68 AHP 2004 (= S. 83 AHP 96) mit einem GdB von 40 großzügig bewertet. Dres. S/S haben in ihrem Befundbericht vom 11. Juli 2002 keine dauerhafte Verschlechterung des bestehenden Leidens mitgeteilt und auch dem Gutachten des Prof. Dr. P lässt sich eine solche nicht entnehmen, so dass für diese Behinderung unverändert ein GdB von 40 zu berücksichtigen ist.

Die Verschleißerscheinungen im Bereich der Wirbelsäule und der Gelenke sind nach den vom gerichtlichen Sachverständigen B erhobenen Befunden als geringgradig zu bezeichnen, und rechtfertigen nur unter Berücksichtigung des Umstandes, dass derartige Leiden Schwankungen unterliegen können, einen GdB von 20. Der gerichtliche Sachverständige hat im Bereich der gesamten Wirbelsäule keinerlei Verspannungen feststellen können, lediglich im Bereich des thorakolumbalen Übergangs ist ein Druck- und Klopfschmerz angegeben worden, die Beweglichkeit der Halswirbelsäule war frei, die der Lendenwirbelsäule bei Seitwärtsdrehung und –beugung beiderseits nur endgradig eingeschränkt. Nach Nr. 26.18, S. 116 AHP 2004 (= S. 139 f. AHP 96) rechtfertigt dieser Befund allenfalls einen GdB von 10, der für Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen, beispielsweise Verformung, rezidivierenden oder anhaltenden Bewegungseinschränkungen oder Instabilität geringen Grades, seltenen oder kurzdauernd auftretenden leichten Wirbelsäulensyndromen gewährt wird. Im Bereich der oberen und unteren Extremitäten zeigten sich bei der Begutachtung durch den Sachverständigen B keine Bewegungseinschränkungen, beide Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenke wurden als frei beweglich beschrieben und auch die Hüft- und Sprunggelenke waren in ihrer Beweglichkeit nicht eingeschränkt. Lediglich am rechten Kniegelenk bestand eine endgradig schmerzhafte Beugehemmung, der Bandapparat war jedoch an beiden Kniegelenken stabil und es bestanden keine Zeichen für Ergussbildung, Weichteilschwellung oder Überwärmung. Auch die von Prof. Dr. P im April 2003 erhobenen Funktionsbefunde rechtfertigen keine höhere GdB-Bewertung. Danach sind die Bewegungsausmaße der Halswirbelsäule im Wesentlichen normal, die der Brust- und Lendenwirbelsäule mittelgradig eingeschränkt. Im Bereich der oberen Extremitäten wurden beiderseits normale Bewegungsumfänge festgestellt und im Bereich der unteren Extremitäten waren Hüft- und Sprunggelenke normal beweglich, für die Kniegelenke wurde bei noch normgemäßen Beugeumfängen linksseitig ein Endphasenschmerz angegeben. An keinem der Gelenke konnten Ergussbildung, Überwärmung oder Rötung festgestellt werden. Die krankhaften Veränderungen des Bewegungsapparates wurden als leicht- bis allenfalls mittelgradig bewertet. Der behandelnde Orthopäde Dr. D hat zwar in seinem Befundbericht vom 24. Juli 2002 eine zunehmende Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers angegeben, er hat jedoch keinerlei objektive Befunde mitgeteilt, die eine Zunahme von Funktionsbeeinträchtigungen belegen, die allein im Schwerbehindertenrecht maßgebend für die Feststellung des Behinderungsausmaßes sind. Die von den behandelnden Ärzten im Zusammenhang mit den festgestellten Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule und Gelenke beschriebenen Schmerzzustände rechtfertigen keine Anhebung des GdB für die Behinderung c), weil die üblicherweise vorhandenen Schmerzen bei der GdB-Bewertung nach der Tabelle der AHP 2004 bereits berücksichtigt sind (Nr. 18 Abs. 8, S. 24 = S. 32 AHP 96).

Der als Behinderung d) anerkannte Bluthochdruck ist mit einem GdB von 10 maximal bewertet, weil nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen B, die sich mit den Angaben der behandelnden Ärzte sowie des Allgemeinmediziners Dr. Bund des Internisten Prof. Dr. P decken, kein behandlungsbedürftiger Bluthochdruck besteht (Nr. 26.9, S. 75 AHP 2004 = S. 92 AHP 96).

Daneben hat der Beklagte auf der Grundlage einer Stellungnahme der Neurologin und Psychiaterin Dr. D vom 5. März 2001 eine psychoreaktive Störung mit vegetativen Begleiterscheinungen mit einem GdB von 20 anerkannt. Diese Einschätzung wird auch durch die ergänzende Stellungnahme des Dr. F vom 3. März 2003 bestätigt, in der dieser angegeben hat, der Kläger leide an einer leichteren neurotischen Störung im Sinne eines sog. psychovegetativen Syndroms. Das seelische Leiden ist somit nach Nr. 26.3, S. 48 AHP 2004 (= S. 60 AHP 96) als leichtere psychovegetative oder psychische Störung im oberen Bereich des bis 20 reichenden Bewertungsrahmens einzustufen, weil noch keine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vorliegt. Diese Einschätzung wird auch durch das Gutachten des Prof. Dr. K bestätigt.

Die Gesamt-GdB-Bildung unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander festzustellen, wobei sich nach Nr. 19, S. 24 AHP 2004 (= S. 33 f. AHP 96) die Anwendung jeglicher Rechenmethode verbietet. Vielmehr ist zu prüfen, inwieweit die Auswirkungen der einzelnen Behinderungen voneinander unabhängig sind und ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen, ob und wieweit sich die Auswirkungen der Behinderungen überschneiden oder gegenseitig verstärken. Dabei ist gemäß Nr. 19, S. 25 AHP 2004 zu berücksichtigen, dass leichte Gesundheitsstörungen, die lediglich einen GdB von 10 bedingen, in der Regel nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen B stehen die einzelnen Leiden weitgehend beziehungslos nebeneinander und verstärken sich nicht gegenseitig. Insbesondere verstärkt das Asthma bronchiale nicht den Diabetes mellitus, sondern ist von diesem unabhängig. Dies gilt auch für die Schmerzsymptome durch den Wirbelsäulen- und Gelenkverschleiß. Unter Berücksichtigung dieser drei unterschiedlichen Behinderungskomplexe erscheint daher eine Anhebung des GdB von 50 für den Diabetes um einen Zehnergrad auf 60 angemessen aber auch ausreichend. Die außerdem vorliegende seelische Störung überlagert die übrigen Behinderung, ohne dass sie eine weitere Erhöhung des Gesamt-GdB begründet. Der mit einem GdB von 10 maximal bewertete Bluthochdruck wirkt sich nicht GdB-erhöhend aus.

Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen des Merkzeichens "G". Gemäß § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist ein schwerbehinderter Mensch in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, der infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Diese Voraussetzungen sind nach Nr. 30 Abs. 3, S. 138 AHP 2004 (= S. 166 AHP 96) erfüllt, wenn Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen oder bei Behinderungen der unteren Gliedmaßen mit einem GdB von unter 50, die sich besonders ungünstig auf die Gehfähigkeit auswirken, z. B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Diese Voraussetzungen sind den vorhandenen medizinischen Unterlagen nicht zu entnehmen. Der gerichtliche Sachverständige B hat im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule und der unteren Extremitäten allenfalls geringgradige Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt, das Gangbild wurde als zielgerichtet und raumgreifend beschrieben. Auch Prof. Dr. P hat keine Behinderungen festgestellt, die sich ungünstig auf die Fortbewegungsfähigkeit des Klägers auswirken. Er gibt in seinem Gutachten vom 25. Juni 2003 an, das Gangbild zeige ein leichtes Schonhinken links und sei etwas schwerfällig, sonst jedoch unauffällig mit normal raumgreifenden Schritten und physiologischem Abrollen der Füße. Die Wegefähigkeit, also die Fähigkeit viermal täglich eine Strecke von 500 Metern zu Fuß zu bewältigen, wurde von ihm als in üblicher Weise erhalten beurteilt. Auch die inneren Leiden, hier vor allem das Asthma bronchiale, haben nicht die Ausprägung, die eine nachhaltige Einschränkung der Gehfähigkeit im Sinne der AHP 2004 bedingt, denn es besteht keine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion wenigestens mittleren Grades, sondern lediglich eine leichte Lungenfunktionsstörung. Gleiches gilt für den Diabetes mellitus, da dieser nach den Feststellungen Prof. Dr. P nicht mit häufigen hypoglykämischen Schocks verbunden ist.

Auch die Einschätzung der Internisten Dr. S und Prof. Dr. M die Gehfähigkeit sei auf unter 2.000 Meter eingeschränkt, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung, zumal der Urologe Dr. W, der Neurologe und Psychiater Dr. F und der Chirurg Dr. M nicht von einer Einschränkung der Gehfähigkeit auf unter 2.000 Meter ausgehen. Dies gilt letztlich auch für die Angabe des Orthopäden Dr. D, der Kläger könne nicht mehr 2000 Meter in 15 Minuten zurücklegen, denn damit bestätigt er dem Kläger das Gehleistungsvermögen eines Dauerläufers.

Die Berufung war nach alldem zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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