L 13 SB 40/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 44 SB 970/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 40/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. März 2001 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 28. Januar 2004 wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind die Gewährung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 70 und die Zuerkennung des Merkzeichens "G" - erhebliche Gehbehinderung.

Der 1948 geborene Kläger beantragte im November 1998 die Anerkennung als Schwerbehinderter und begründete dies damit, dass er an Asthma, chronischer Bronchitis, Depressionen, Bandscheibenprotusion und Arthrose leide. Er legte u. a. einen fachpsychologisch-psychodiagnostischen Befund des Dipl. Psych. Dr. Z vom 13. November 1998, der eine Hirnleistungsschwäche mittleren Grades (GdB 50 bis 60) diagnostizierte, und ein Attest des Allgemeinmediziners Dr. S vom 14. November 1998 vor. Der Beklagte ließ ihn durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S (Gutachten vom 19. März 1999) und die Versorgungsärztin Dr. R (Gutachten vom 28. April 1999) untersuchen und erkannte mit Bescheid vom 7. Juli 1999 die Schwerbehinderteneigenschaft zu und dabei folgende Behinderungen, deren Einzel-GdB sich aus den Klammerzusätzen ergeben, an:

a) Bandscheibenvorfall im Lendenwirbelsäulenbereich, Funktionsminderung im Halswirbelsäulenbereich (30), b) Hirnorganische Leistungsbeeinträchtigung (30), c) Chronische Bronchitis mit chronischem Asthma bronchiale, Immunschwäche (20).

Sein hiergegen gerichteter Widerspruch, mit dem der Kläger vortrug, es seien nicht alle seiner Behinderungen berücksichtigt, der GdB betrage 70, außerdem sei das Merkzeichen "G" im Ausweis zu vermerken, wurde auf der Grundlage einer Stellungnahme des Allgemeinmediziners Dr. W vom 4. August 1999 mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2000 zurückgewiesen.

Auf die hiergegen erhobene Klage holte das Sozialgericht das psychiatrisch-neurologische Gutachten des Dr. K vom 27. November 2000 ein. Dr. K fand keinen Anhalt für Wahrnehmungs-, formale oder inhaltliche Denkstörungen. Allerdings sei die Belastungsfähigkeit während der über zweieinhalb Stunden dauernden Untersuchung deutlich reduziert erschienen. Es sei jedoch keine tiefergreifende hirnorganische Leistungsminderung festgestellt und auch kein außergewöhnlicher Leistungsabbau beobachtet worden. Das Gangbild beschrieb er als ausreichend raumgreifend. Da der Kläger eigenen Angaben zufolge bei einer Gehstrecke von mehr als 300 Metern an erheblichen Schmerzen leide und die Untersuchung eine deutliche Ischiasirritation erbracht habe, sei von einer Gehbehinderung auszugehen. Es bestehe kein Anlass, von der Behinderungsbewertung des Beklagten abzuweichen, der Gesamt-GdB betrage 50, weil das Schmerzsyndrom durch degenerative Wirbelsäulenveränderungen die hirnorganische Leistungsbeeinträchtigung nachhaltig verstärke.

Der Beklagte legte Stellungnahmen des Internisten Dr. D vom 2. Januar 2001, des Chirurgen Dr. B vom 8. Januar 2001 und der Neurologin und Psychiaterin Dr. D vom 17. Januar 2001 vor, die die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" für ihr Fachgebiet verneinten.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 6. März 2001 abgewiesen. Die bei dem Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen seien zutreffend erkannt und in ihrer Schwere ausreichend bewertet. Ein GdB von 30 für die Hirnleistungsschwäche entspreche den von Dr. K und Dr. S erhobenen Befunden. Die Sachverständigen hätten auch keine psychopathologischen Befunde mitgeteilt, die eine seelische Erkrankung des Klägers erkennen ließen. Das Wirbelsäulenleiden sei angesichts der vom gerichtlichen Sachverständigen erhobenen Befunde, die Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen Auswirkungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule erkennen ließen, mit einem GdB von 30 ausreichend bewertet. Die Bildung eines Gesamt-GdB von 50 beschreibe das Gesamtbild der Behinderung zutreffend, wie sich aus einem Vergleich mit den in den Anhaltspunkten genannten Funktionsbeeinträchtigungen ergebe, für die ein GdB von 50 vorgesehen sei, wie beispielsweise dem einseitigen Verlust eines Unterschenkels oder einer Hand. Der Kläger sei schließlich auch nicht erheblich gehbehindert, denn er leide weder an sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule, die einen GdB von wenigstens 50 bedingten, noch an sich besonders schwer auf die Fortbewegungsfähigkeit auswirkenden Behinderungen der unteren Extremitäten mit einem GdB von 40.

Gegen das am 11. April 2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 3. Mai 2001 eingegangene Berufung, mit der der Kläger vorgetragen hat, das Sozialgericht habe unzutreffende Schlussfolgerungen aus dem Gutachten vom 27. November 2000 gezogen. Der Gutachter habe die Differenzierung zwischen deutlicher Reduzierung der Belastungsfähigkeit und außergewöhnlichem Leistungsabbau nicht erläutert, so dass seine Bewertung widersprüchlich sei. Außerdem habe es das Gericht versäumt, ein lungenfachärztliches Gutachten einzuholen. Schließlich sei ein GdB von 50 allein für das Wirbelsäulenleiden gerechtfertigt, weil er nicht mehr als 300 Meter ohne Schmerzen gehen könne. Es liege zwar nicht eines der in Nr. 30 der Anhaltspunkte genannten Regelbeispiele vor, unter Berücksichtigung des Gesamtausmaßes seiner Behinderung seien aber die Funktionseinschränkungen so erheblich, dass das Merkzeichen "G" vorliege.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. März 2001 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 7. Juli 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2000 und des Bescheides vom 28. Januar 2004 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von mindestens 70 anzuerkennen und die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" - erhebliche Gehbehinderung - festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 28. Januar 2004 abzuweisen ...

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Der Senat hat einen Befundbericht des Allgemeinmediziners Dr. S vom 28. Oktober 2001 eingeholt und den Allgemeinmediziner B zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 5. Januar 2002 eine allenfalls als geringgradig einzuschätzende Einschränkung der kognitiven Leistungsfähigkeit festgestellt, die er mit einem GdB von 20 bewertet hat. Die bei dem Kläger bestehenden Abnutzungserscheinungen im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) überschritten das Altersmaß nicht nennenswert, seien also als geringgradig einzustufen und lediglich mit einem GdB von 20 zu bewerten. Das Lungenleiden - eine beginnende Lungenfibrose - könne mangels ausreichender Befundlage nicht abschließend beurteilt werden, weshalb auch die Bildung eines Gesamt-GdB unterbleiben müsse. Der Senat hat einen Befundbericht des Pulmologen Dr. von V (undatiert) eingeholt. Der Beklagte hat ärztliche Stellungnahmen vom 14. und 27. Juni sowie 9. Juli 2002 vorgelegt.

Der Senat hat die Akten der Berufgenossenschaft der chemischen Industrie beigezogen, die mit Bescheid vom 30. April 2002 eine "röntgenologisch nachweisbare pleuro-pulmonale Asbestose ohne Auswirkung auf die Lungenfunktion" als Berufkrankheit anerkannt, eine Rente jedoch abgelehnt hatte, weil keine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Grade vorliege. In einem im Auftrag der Berufgenossenschaft am 24. Oktober 2002 erstellten Zusammenhangsgutachten hat der Pulmologe Dr. S festgestellt, dass über der Lunge kein pathologischer Befund nachgewiesen werden könne, die Lungenfunktionsprüfung zeige eine leichtgradige Restriktion, eine pulmonale Limitierung sei nicht erkennbar. Der Internist Dr. D sieht in seiner Stellungnahme vom 20. Januar 2003 hierdurch die versorgungsärztliche Bewertung des Lungenleidens bestätigt, ebenso wie durch das vom Kläger eingereichte Attest des Dr. von V vom 4. März 2002, in dem eine gegenüber der Altersnorm um 25 % eingeschränkte Lungenfunktion bescheinigt wird.

Am 6. April 2003 hat der Kläger einen Herzinfarkt erlitten und noch im selben Monat einen Neufeststellungsantrag gestellt, dem der Entlassungsbericht des Vivantes Klinikum am U vom 13. April 2003 und Herzkathederbefunde vom 6. und 9. April 2003 beigefügt waren. Nach Einholung des Entlassungsberichts vom 22. Mai 2003 über die ambulante Rehabilitation im Herzhaus und eines Befundberichts des Allgemeinmediziners G vom 22. November 2003 mit dem Ergometriebefund vom 12. November 2003 hat der Beklagte auf der Grundlage der Stellungnahme des Dr. D vom 13. Januar 2004 mit Bescheid vom 28. Januar 2004 als weitere Behinderung "coronare Herzkrankheit nach Herzinfarkt 2003 und anschließenden gefäßerweiternden Maßnahmen einschließlich Stent-Implantation, Fettstoffwechselstörung, Übergewicht" mit einem Einzel-GdB von 20 anerkannt und den Gesamt-GdB ab April 2003 auf 60 erhöht.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Außerdem wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten, die Gerichtsakte zum Aktenzeichen S 26 RJ 637/01 und die auszugsweise vorliegende Verwaltungsakte der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie verwiesen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß erhobene Klage ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, denn er hat weder Anspruch auf Zuerkennung eines höheren GdB als 60 ab April 2003 noch erfüllt er die medizinischen Voraussetzungen des Merkzeichens "G".

Nach §§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 Sätze 3, 4 des ab 1. Januar 2001 geltenden Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Gesundheitsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz und der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) in der Fassung des Jahres 2004 (deren Vorgänger die AHP 1996 waren) zu bewerten, die als antizipierte Sachverständigengutachten mit normähnlicher Qualität gelten.

Der Senat ist nach dem Gesamtergebnis der Ermittlungen davon überzeugt, dass ein GdB von 50 bzw. ab April 2003 ein solcher von 60 dem Gesamtausmaß der bei dem Kläger bestehenden Behinderungen gerecht wird. Nach den übereinstimmenden, überzeugenden Feststellungen der mit der Begutachtung schwerbehinderter Menschen besonders erfahrenen Neurologen und Psychiater Dr. S und Dr. K besteht bei dem Kläger eine als leichtgradig einzustufende hirnorganische Leistungsbeeinträchtigung, die nach Nr. 26.3, S. 41 AHP 2004 (= S. 53 AHP 96) mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten ist. Dr. Sgab an, dass keine groben Gedächtnisstörungen bestünden und die zur Gedächtnisprüfung gestellten Fragen tendenziell summarisch beantwortet würden, in inhaltlicher Hinsicht fielen keine pathologisch bedeutsamen Phänomene auf, die Wahrnehmung wirke ungestört; insgesamt bestehe eine leichte psychische Alteration im Sinne eines hirnorganischen Psychosyndroms. Dr. K fand keinen Anhalt für Wahrnehmungs-, formale oder inhaltliche Denkstörungen, allerdings sei die Belastungsfähigkeit während der über zweieinhalb Stunden dauernden Untersuchung deutlich reduziert erschienen. Auch der Allgemeinmediziner B konnte keine Anzeichen für Gedächtnisstörungen, Störungen der Merkfähigkeit oder Konzentrationsstörungen feststellen. Unter Berücksichtigung dieser Angaben ist die Einstufung als leichtgradige Leistungsbeeinträchtigung im unteren Bereich des Bewertungsrahmens angemessen und ausreichend. Die abweichende Einschätzung des GdB durch den Dipl. Psychologen Dr. Z beruhen darauf, dass dieser von einer mittleren Hirnleistungsschwäche ausgeht, die jedoch durch keinen der im hiesigen Verfahren tätigen Gutachter bestätigt werden konnte. Im Übrigen hat der gerichtliche Sachverständige Bdarauf hingewiesen, dass die Aussagekraft der von Dr. Z durchgeführten Leistungsdiagnostik bei schlechten Sprachkenntnissen ohne Hinzuziehung eines Dolmetschers und ohne Berücksichtigung des Kulturkreises sehr begrenzt sei. Nicht bestätigt werden konnte durch die fachpsychiatrischen Gutachten eine Depression, wie sie Dr. S in seinem Attest vom 14. November 1998 diagnostiziert, in seinem Befundbericht vom 28. Oktober 2001 aber nicht mehr erwähnt hatte.

Das Wirbelsäulenleiden ist mit einem GdB von 30 orientiert an den Vorgaben in Nr. 26.18, S. 116 AHP 2004 (= S. 140 AHP 96) ausreichend bewertet. Dr. K beschreibt die Schultermuskulatur als verspannt, die aktive und passive Beweglichkeit der Extremitäten sei eingeschränkt, die Untersuchung habe eine deutliche Ischiasirritation erbracht. Der Sachverständige B stellte keine Verspannungen der Rückenstreckmuskulatur fest, es sei ein Druck- und Klopfschmerz im Bereich des thorakolumbalen Übergangs und an beiden Kreuz-Darmbeinfugen angegeben worden, die Seitwärtsdrehung und die Beugung des Rumpfes seien endgradig eingeschränkt und der Finger-Boden-Abstand betrage 20 cm, das Lasègue’sche Zeichen sei negativ. Der Senat schließt sich angesichts der aufgezeigten Diskrepanzen der Einschätzung des Chirurgen Dr. Bodmann in seiner Stellungnahme vom 9. Juli 2002 an, dass ein GdB von 30 für das Wirbelleiden nicht zweifelsfrei unrichtig sei, weil nicht auszuschließen sei, dass bei der Untersuchung durch den Allgemeinmediziner B atypisch günstige Verhältnisse vorgelegen hätten.

Die Lungenfibrose hat nach den übereinstimmenden Angaben des behandelnden Pulmologen Dr. von V, der in seinem Attest vom 4. März 2002 eine gegenüber der Altersnorm um 25 % eingeschränkte Lungenfunktion des Klägers angegeben hat, und des Dr. S, der in seinem Gutachten vom 24. Oktober 2002 eine leichte Restriktion festgestellt und im Belastungstest keine pulmonale Limitierung erkennen konnte, allenfalls zu einer geringgradigen Einschränkung der Lungenfunktion geführt. Diese ist nach Nr. 26.8, S. 68 AHP 2004 (= S. 83 AHP 96) mit einem GdB von 20 zu Recht im unteren Bereich des von 20 bis 40 reichenden Bewertungsrahmens angesiedelt worden. Hierbei war zu berücksichtigen, dass Dr. S bei der Bodyplethysmografie eine 77 % der Altersnorm entsprechende Totalkapazität und bei der Spiroergometrie ein altersgemäß noch normales Belastungsverhalten mit guter Sauerstoffaufnahme festgestellt hat, wobei die Limitierung der Belastung in erster Linie einem Trainingsmangel geschuldet sei, kardiale oder pulmonale Versagenskriterien jedoch nicht vorhanden gewesen seien und sich auch keine Hinweise für eine belastungsinduzierte Gastransferstörung gefunden hätten.

Auch die seit dem Herzinfarkt im April 2003 bestehende coronare Herzkrankheit wurde nach den vorliegenden Befunden, insbesondere dem Ergometriebefund vom 12. November 2003 mit einem GdB von 20 in Übereinstimmung mit Nr. 26.9, S. 71 AHP 2004 (= S. 86 AHP 96) bewertet. Danach sind Krankheiten des Herzens mit Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer körperlicher Belastung (z. B. forsches Gehen (5-6 km/h), mittelschwere körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 75 Watt für wenigstens zwei Minuten mit einem GdB von 20 bis 40 zu bewerten. Der Entlassungsbericht des Herzhauses vom 22. Mai 2003 bescheinigte bereits eine allgemein und kardial altersentsprechende Leistungsfähigkeit, die zum Ende der ambulanten Anschlussheilbehandlung mit einer Dauerbelastung von 60 Watt angegeben wurde. Bei der Belastungsergometrie am 10. November 2003 (Befund vom 12. November 2003) konnte sogar eine Belastung von 125 Watt erreicht werden. Obwohl damit nachweislich keine Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung vorliegt, hat Dr. D in seiner Stellungnahme vom 13. Januar 2004 einen GdB von 20 für angemessen gehalten, weil erfahrungsgemäß bei deutlichem Übergewicht, wie es beim Kläger besteht, die Belastungen im alltäglichen Leben etwas schlechter toleriert werden als die Belastung auf dem Fahrradergometer. Diese Bewertung erscheint dem Senat nachvollziehbar. Eine höhere Bewertung kommt allerdings nach den AHP nicht in Betracht.

Die Gesamt-GdB-Bildung unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander festzustellen, wobei sich nach Nr. 19, S. 24 AHP 2004 (= S. 33 AHP 96) die Anwendung jeglicher Rechenmethode verbietet. Vielmehr ist zu prüfen, inwieweit die Auswirkungen der einzelnen Behinderungen voneinander unabhängig sind und ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen, ob und wieweit sich die Auswirkungen der Behinderungen überschneiden oder gegenseitig verstärken. Dabei ist gemäß Nr. 19, S. 25 AHP 2004 (= S. 34 AHP 96) zu berücksichtigen, dass leichte Gesundheitsstörungen, die lediglich einen GdB von 10 bedingen, in der Regel nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen und auch mit einem GdB von 20 bewertete Behinderungen nicht zwangsläufig einen Einfluss auf den Gesamt-GdB haben. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. K verstärkt das Schmerzsyndrom durch degenerative Veränderungen die hirnorganische Leistungsbeeinträchtigung nachhaltig, so dass für diese beiden Behinderungen ein Gesamt-GdB von 50 angemessen ist. Die Herzleistungsminderung wirkt sich geringgradig erhöhend auf die Gesamtbehinderung aus und rechtfertigt die Anhebung um einen weiteren Zehnergrad auf 60. Das mit einem GdB von 20 bewertete Lungenleiden wirkt sich demgegenüber nicht GdB-erhöhend aus.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "G". Nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist ein schwerbehinderter Mensch in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, der infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß bewältigt werden. Diese Voraussetzungen sind nach Nr. 30 Abs. 3, S. 138 AHP 2004 (= S. 166 AHP 96) erfüllt, wenn Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB wenigstens 50 bedingen oder bei Behinderungen der unteren Gliedmaßen mit einem GdB von weniger als 50, die sich besonders ungünstig auf die Gehfähigkeit auswirken, z. B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung oder arterieller Verschlusskrankheit mit einem GdB von 40. Diese Voraussetzungen sind den vorhandenen medizinischen Unterlagen nicht zu entnehmen. Beim Kläger bestehen keinerlei erhebliche Behinderungen der unteren Gliedmaßen und der Lendenwirbelsäule, die einen GdB von wenigstens 40 bedingen und sich besonders ungünstig auf seine Gehfähigkeit auswirken; das mit einem GdB von 30 bewertete Wirbelsäulenleiden betrifft neben der Lenden- auch die Halswirbelsäule. Auch die inneren Leiden haben nicht das in Nr. 30 Abs. 3 AHP 2004 geforderte Ausmaß, nämlich mit Leistungsbeeinträchtigungen des Herzens oder der Lunge bereits bei alltäglicher leichter Belastung (Nr. 26. 8, S. 26.9, S. AHP 2004). Es ist auch nicht erkennbar, dass der Kläger durch das Gesamtausmaß seiner Behinderung erheblich in seiner Gehfähigkeit eingeschränkt ist. Der Sachverständige B beschreibt das Gangbild als zielgerichtet und ausgreifend, die Füße würden seitengleich belastet, normal aufgesetzt und sicher abgerollt. Von Dr. K wurde das Gangbild als ausreichend raumgreifend beschrieben, bei der angegebenen Wegstreckenlimitierung auf 300 Meter handelt es sich um eine subjektive Angabe des Klägers, die durch objektive Befunde nicht untermauert ist. Es mag auch zutreffen, dass in Zeiträumen deutlicher Ischiasirritation von einer Gehbehinderung des Klägers auszugehen ist, wie sie Dr. K angenommen hat, es handelt sich allerdings nicht um eine erhebliche Gehbehinderung im Sinne des § 146 Abs. 1 SGB IX. Der vom Kläger gezogene Rückschluss, wenn er nicht mehr als 300 Meter schmerzfrei gehen könne, rechtfertige das einen GdB von 50 für das Wirbelsäulenleiden, ist unzulässig und lässt sich weder § 146 Abs. 1 SGB IX noch den Vorgaben der AHP entnehmen.

Die Berufung war daher zurückzuweisen und die Klage gegen den gemäß §§ 96, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens gewordenen Bescheid vom 28. Januar 2004 abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG. Die Erstattung eines Teils der außergerichtlichen Kosten wegen der Anhebung des Gesamt-GdB auf 60 ab April 2003 kommt nicht in Betracht, weil es sich hierbei um eine erst während der Berufungsverfahrens eingetretene Änderung des Gesundheitszustandes handelt, auf die der Beklagte durch Erlass des Bescheides vom 28. Januar 2004 umgehend angemessen reagiert hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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