L 8 RA 92/00

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 12 RA 4313/96
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 RA 92/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Mai 2000 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung eines höheren Vorruhestandsgeldes streitig.

Der 1933 geborene Kläger war vom 20. Mai 1955 bis zum 30. September 1990 bei der Zollverwaltung der DDR beschäftigt, zuletzt als Zollinspektor. Er war Mitglied des Sonderversorgungssystems der Zollverwaltung. Er erhält seit dem 1. Januar 1997 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine Altersrente für langjährig Versicherte.

Auf seinen Antrag hin bewilligte die Zollverwaltung der DDR, Zolldirektion M,(mit Bescheid ohne Datum, der vor dem 3. Oktober 1990 erging) ab dem 1. Oktober 1990 eine befristete erweiterte Versorgung nach den Regelungen der 2. Ergänzung zur Versorgungsordnung der Zollverwaltung in Höhe von 2010,- DM. Dabei legte sie ein beitragspflichtiges Jahresbruttoeinkommen in der Zeit vom 1. Oktober 1989 bis 30. September 1990 in Höhe von 36200,- DM zugrunde. Die monatlich zu zahlende Versorgung bei 57 Lebensjahren übersteige die Höchstgrenze von 2010,- DM. Mit Schreiben vom 25. Mai 1992 teilte die Beklagte mit, dass die befristete erweiterte Versorgung bei Erreichen der Höchstgrenze nicht an der allgemeinen Rentenanpassung zum 1. Januar 1992 teilnehme. Mit Schreiben vom 20. Juli 1992 informierte sie den Kläger darüber, dass eine Anpassung der Versorgungsleistung vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 1994 ausscheide, da die Versorgungsleistung den Höchstbetrag von 2010,- DM erreicht habe.

Mit Bescheid vom 15. Januar 1993 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die befristete erweiterte Versorgung entfalle mit Vollendung des 5. Jahres vor Erreichen des Regelrentenalters; ab dem 11. März 1993 habe er damit Anspruch auf ein Vorruhestandsgeld in Höhe von 2010,- DM. Die Höhe der Leistung ergebe sich aus 70 % der letzten Jahresnettobesoldung, was gerundet 1778,- DM monatlich entspreche. Diese Leistung sei zum 1. Januar 1992, zum 1. Juli 1992 und zum 1. Januar 1993 anzupassen gewesen, wobei sie nach Anpassung zum 1. Januar 1993 mit 2062,37 DM den Höchstbetrag von 2010,- DM überschreite und gemäß § 11 Abs. 1 Buchstabe a Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) auf 2010,- DM zu begrenzen sei. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 2. Februar 1993, der mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 1993 zurückgewiesen wurde.

An den Anpassungen zum 1. Januar 1994 und zum 1. Juli 1994 nahm die Versorgungsleistung wegen Überschreitens der Höchstgrenze nicht teil (Schreiben der Beklagten vom 27. Januar 1994 und vom 15. Juni 1994; jeweils unter Hinweis auf die Regelung des § 11 Abs. 6 AAÜG). Zum 1. Januar 1995 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sich eine Anpassung zum 1. Januar 1995 in Höhe von 1,39 vom Hundert und damit eine Leistung in Höhe von 2037, 94 DM ergebe. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Die Anpassung sei unzutreffend, weil sie von einem reduzierten Zahlbetrag von 2010,- DM ausgehe. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 1995 zurück.

Die hiergegen erhobene Klage zum Sozialgericht (SG) Berlin (S 9 RA 899/95-38), mit der er sich gegen den Bescheid vom 15. Januar 1993 und die Anpassungsmitteilungen vom 25. Mai 1992, vom 27. Januar 1994, vom 15. Juni 1994 und vom Dezember 1994 sowie die nach Klageerhebung ergangenen Anpassungsmitteilungen zum 1. Juli 1995 (Anpassung um 1,24 v.H., Zahlbetrag 2063,22 DM; Bescheid aus Juni 1995, Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 1995) und zum 1. Januar 1996 (Anpassung um 2,19 v.H., Zahlbetrag 2108, 41 DM mit Bescheid vom 8. Januar 1996) wandte und die Zahlung einer nicht begrenzten befristeten erweiterten Versorgung und eines entsprechenden Vorruhestandsgeldes begehrte, nahm der Kläger am 30. April 1996 zurück, nachdem das SG auf Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit hingewiesen hatte. Zugleich beantragte er bei der Beklagten die Überprüfung des Bescheides vom 15. Januar 1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. März 1993. Die Kürzung des Vorruhestandgeldes verstoße gegen die Regelungen des Einigungsvertrages (EV) und stelle eine Verletzung seiner Grundrechte gemäß Art. 3,14 und 20 Grundgesetz (GG) dar. Der Überprüfungsantrag wurde mit Bescheid vom 20. Mai 1996 abgelehnt. Im laufenden Widerspruchsverfahren passte die Beklagte die Versorgungsleistung des Klägers zum 1. Juli 1996 um 0,605 v.H. an (Zahlbetrag in Höhe von 2121,17 DM; Bescheid vom 1. Juli 1996). Den Widerspruch gegen diesen Bescheid und gegen den Bescheid vom 20. Mai 1996 wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 1996 zurück.

Am 23. August 1996 erhob der Kläger hiergegen Klage zum SG Berlin mit dem Antrag, die Begrenzung des Vorruhestandgeldes auf 2010,- DM zum 11. März 1993 aufzuheben und den Differenzbetrag nachzuzahlen sowie die folgenden Anpassungen in vollem Umfang (nicht begrenzt auf 50 v.H.) durchzuführen. Er wandte sich in der Folge auch gegen die Anpassung zum 1. Juli 1997 mit Bescheid vom 1. Juli 1997.

Nach Bewilligung der Altersrente zum 1. Januar 1997 hob die Beklagte den Bescheid vom 15. Januar 1993 rückwirkend mit Wirkung ab 1. Januar 1997 auf (Bescheid vom 10. November 1997). Gegen diesen Bescheid hat wandte sich der Kläger nicht. Gegenüber der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte machte die Beklagte einen Erstattungsanspruch für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis 30. November 1997 geltend, der in voller Höhe befriedigt wurde.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 23. Mai 2000 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Er habe keinen Anspruch auf Änderung des Bescheides vom 15. Januar 1993 sowie der in der Folge ergangenen Rentenanpassungsmitteilungen und Gewährung eines höheren Vorruhestandsgeldes. Für eine Anpassung des zutreffend ermittelten Zahlbetrages dieser Leistung in Höhe von 1778,- DM, wie der Kläger sie begehre, finde sich im Gesetz keine Rechtsgrundlage. Das Vorruhestandsgeld gehöre nicht zu den in § 19 Rentenangleichungsgesetz (RAnglG) genannten Renten, so dass eine Anpassung nach der 1. und 2. Rentenanpassungsverordnung – die sich nur auf diese Renten bezögen, vgl. § 1 1. RentenanpassungsVO und § 3 2. RentenanpassungsVO - nicht in Betracht komme. Rechtsgrundlage für die Anpassung sei allein § 11 Abs. 6 AAÜG, den die Beklagte zutreffend angewandt habe. Zutreffend habe sie dabei insbesondere ab dem 1. Januar 1995 nur den auf 2010,- DM begrenzten Betrag angepasst. Der Sinn und Zweck der Zahlbetragsbegrenzung entspreche der Vorgabe im EV, überhöhte Leistungen abzubauen. Der Kläger habe mit der ab dem 1. Januar 1995 vorgesehenen Anpassung eine begrenzte Teilhabe an der allgemeinen Lohn- und Gehaltsentwicklung. Gegen Art. 14 GG verstießen die vom Kläger beanstandeten Vorschriften zur Überzeugung der Kammer nicht. Der Anspruch auf Vorruhestandsgeld trage als vermögenswertes Gut zwar grundsätzlich die Merkmale verfassungsrechtlich geschützten Eigentums. Dies folge aus den Festlegungen im EV, so dass der Schutz des Eigentums nur in der Form bestehe, wie er sich aus den Regelungen des EV ergebe. Der Kläger habe zu keiner Zeit vor Einbeziehung der Leistung unter dem Schutz des Art. 14 GG eine Rechtsposition erlangt gehabt, in die der Bundesgesetzgeber eingegriffen habe. Weder die Versorgungsordnung der Zollverwaltung 5/85 noch die 1. oder 2. Ergänzung dieser Versorgungsordnung hätten ein höheres Vorruhestandsgeld als 70 v.H. der letzten Nettobesoldung (in seinem Fall also 1778,- DM) vorgesehen. In diesen Betrag habe der Bundesgesetzgeber nicht eingegriffen. Die gegenüber den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung abgesenkte Anpassung sei kein Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Eigentumspositionen. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG liege ebenfalls nicht vor. Das vom Kläger bezogene Vorruhestandsgeld gehöre nicht zu den gemäß § 9 Abs. 1 AAÜG überführten Leistungen, was die zu den übrigen Versorgungsleistungen unterschiedliche Behandlung rechtfertige. Da das Vorruhestandsgeld keine Entsprechung in der gesetzlichen Rentenversicherung finde, sei die Entscheidung des Gesetzgebers, die Leistung nicht zu überführen, sachgerecht und verletzte den Kläger nicht in Art. 3 GG. Da § 10 Abs. 1 AAÜG, auf den § 11 Abs. 6 iVm Abs. 1 AAÜG Bezug nehme, eine Begrenzung des Zahlbetrages auch vorsehe, sei eine Ungleichbehandlung im Übrigen nicht zu erkennen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der geltend macht, dass SG habe die Reichweite des einigungsvertraglichen Schutzes verkannt. In Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nummer 9 Buchstabe b Satz 1 zum EV sei die Überführung der Leistungen aus den Versorgungssystemen festgelegt, gegen der die Gesetzgeber mit den von ihm beanstandeten Regelungen verstoßen habe. Im Übrigen liege ein eklatanter Verstoß gegen Art. 3 GG vor; kein Gericht würde einem Bürger in den alten Ländern einen vergleichbaren Versorgungsanspruch aberkennen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Mai 2000 und den Bescheid der Beklagten vom 20. Mai 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1996 aufzuheben sowie den Bescheid vom 1. Juli 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1996 und den Bescheid vom 1. Juli 1997 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm nach teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 15. Januar 1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. März 1993 und der Anpassungsmitteilungen vom 27. Januar 1994, vom 15. Juni 1994, vom Dezember 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 1995, vom Juni 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 1995 und vom 8. Januar 1996 höheres Vorruhestandsgeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts Berlin (S 12 RA 4313/96 und S 9 RA 899/95-38) vorgelegen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.

Streitgegenstand ist im Wege der zulässigen Klagehäufung einerseits das Überprüfungsbegehren des Klägers hinsichtlich der mit bestandskräftigem Bescheid vom 15. Januar 1993 festgestellten Höhe des Vorruhestandsgeldes vom 11. März 1993 an und der folgenden, ebenfalls bestandskräftigen Anpassungen dieser Leistungen mit Bescheiden vom 27. Januar 1994, vom 15. Juni 1994, vom Dezember 1994, vom Juni 1995 und vom 8. Januar 1996 bis zum 1. Januar 1996 und andererseits das unmittelbar gegen den Anpassungsbescheid vom 1. Juli 1996 gerichtete Begehren auf eine höhere Leistung vom 1. Juli 1996 an. Die Beklagte hat über die entsprechenden (getrennten) Widersprüche des Klägers einheitlich mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 1996 entschieden; gegen die Zulässigkeit der Klagehäufung bestehen damit keine Bedenken. Im Wege des § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist schließlich auch der Bescheid vom 1. Juli 1997 Gegenstand der Klage geworden, der sich an den Anpassungsbescheid der Beklagten vom 1. Juli 1996 anschließt. Die rückwirkende Aufhebung des Bewilligungsbescheides für Leistungszeiträume ab dem 1. Januar 1997, gegen die sich der Kläger nicht gewandt hat, berührt die Zulässigkeit der Klage gegen den zuletzt genannten Anpassungsbescheid nicht, da dieser nicht ausdrücklich mit aufgehoben worden ist.

Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein höheres Vorruhestandsgeld zu.

Wegen der Zahlungszeiträume ab dem 1. Januar 1997 ist die Klage schon deshalb unbegründet, weil nach bestandskräftiger Aufhebung des Bescheides vom 15. Januar 1993 mit Wirkung zum 1. Januar 1997 überhaupt kein Anspruch auf Vorruhestandsgeld für Zeiten nach dem 31. Dezember 1996 mehr besteht, also erst recht kein Anspruch auf höhere Versorgung.

Zutreffend hat die Beklagte sowohl die Zahlung höherer Leistungen hinsichtlich der Zeiten vom 1. Juli 1996 an als auch die Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide für Zeiten davor abgelehnt. Ein Anspruch auf höhere Leistungen ergibt sich für den Kläger aus keinem der von ihm geltend gemachten Gesichtspunkte.

Grundlage der Bewilligung des Vorruhestandsgeldes sind die Bestimmungen der 1. Ergänzung vom 28. März 1990 zur Versorgungsordnung der Zollverwaltung 5/85 vom 1. Dezember 1985 in Verbindung mit Nummer 6 der 2. Ergänzung vom 5. April 1990 zur Versorgungsordnung der Zollverwaltung 5/85 vom 1. Dezember 1985, die durch den EV sekundäres Bundesrecht geworden sind (vgl. BSGE 80, 149, 152 zur Versorgungsordnung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS)). Anspruch auf Vorruhestandsgeld bestand auf der Grundlage des Beschlusses des Ministerrates der DDR vom 16. März 1990 mit Wirkung ab 1. April 1990 für Mitarbeiter der Zollverwaltung ab dem 5. Jahr vor Vollendung der Regelaltersgrenze (für Männer also ab Vollendung des 60. Lebensjahres; für Frauen ab Vollendung des 55. Lebensjahres), wenn sie infolge Rationalisierung, Strukturveränderungen oder aus anderen, nicht von ihnen zu vertretenden Gründen nach einer 25jährigen Dienstzeit ausgeschieden waren (Nummer 1 der 1. Ergänzung zur VersorgungsO), sowie für Empfänger der erweiterten Versorgung ab dem 5. Jahr vor Erreichen der Altersgrenze (Nummer 6 der 2. Ergänzung vom 5. April 1990 zur Versorgungsordnung der Zollverwaltung 5/85 vom 1. 12. 1985). Anspruch auf eine erweiterte befristete Versorgung bestand bei Beendigung des Dienstverhältnisses aus den gleichen Gründen vor Vollendung der genannten Altersgrenzen (vgl. Nummer 1 der 2. Ergänzung zur VersorgungsO).

Der Kläger, der am 3. Oktober Anspruch auf eine erweiterte befristete Versorgung hatte, war damit zugleich bereits Anspruchsberechtigter für Vorruhestandsgeld. Seine Anwartschaft war durch den EV geschützt.

Der EV legt in seiner Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 das Programm fest, ob und ggf wie und in welchem Umfang Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen in die gesetzliche Rentenversicherung überführt werden sollen. Diese Vorschrift ist originäres Bundesrecht, sie enthält eine spezielle und grundsätzlich abschließende Regelung für die Überführung von Ansprüchen auf Versorgungsleistungen aufgrund vorzeitiger Entlassung bei Erreichen besonderer Altersgrenzen oder bestimmter Dienstzeiten, die nach Maßgabe eines ua Sonderversorgungssystems "erworben" worden sind. In Buchstabe e heißt es:

Die in den Versorgungssystemen enthaltenen Regelungen über Versorgungsleistungen aufgrund vorzeitiger Entlassung bei Erreichen besonderer Altersgrenzen oder bestimmter Dienstzeiten (erweiterte Versorgung, Übergangsrente oder vergleichbare Leistungen) treten am 31. Dezember 1990 außer Kraft. Ansprüche auf solche Versorgungsleistungen haben nur Personen, die am 3. Oktober 1990 die Voraussetzungen für die Versorgungsleistungen erfüllt haben und bis zum 31. Dezember 1990 entlassen worden sind; Buchstabe b) Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

Eine Überführung dieser Versorgungsleistungen in die gesetzliche Rentenversicherung war dabei nicht vorgesehen. Der EV nimmt insoweit nicht Bezug auf Nr. 9 Buchstabe b Satz 1, der die Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften auf Leistungen aus Versorgungssystemen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Alter und Tod als Programmsatz regelt. Schon nach dem Recht der DDR war u.a. das Vorruhestandsgeld gegenüber einer Alters-, Invaliden- oder Dienstbeschädigungsvollrente subsidiär, so dass bei Überführung dieser Ansprüche in die gesetzliche Rentenversicherung für eine Überführung der in Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 e genannten Ansprüche kein Bedürfnis bestand. Gegen die Einstellung des Vorruhestandsgeldes, die Folge dieser gesetzgeberischen Entscheidung im EV ist, hat der Kläger sich auch nicht gewandt.

Das dem Kläger nach den Vorgaben des EV übergangsweise bis zum Beginn einer Rente wegen Alters zustehende Vorruhestandsgeld ist von der Beklagten der Höhe nach zutreffend festgestellt worden.

Nach Nummer 3 der 1. Ergänzung zur VersorgungsO beträgt das Vorruhestandsgeld 70 Prozent der durchschnittlichen Nettobesoldung der letzten 12 Monate vor dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis der Zollverwaltung. Die Höhe der Leistung beträgt nach Anwendung der Regelung Nummer 3 vorliegend damit 1778,- DM monatlich, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. Für eine Anwendung des § 11 Abs. 1 AAÜG bei der erstmaligen Feststellung des Zahlbetrages der Versorgungsleistung war damit kein Raum. Die festgestellten Beträge erreichen den entsprechenden Wert von 2010,- DM nicht. Es geht dem Kläger der Sache nach also nicht um die Begrenzung von in der DDR bereits zugesagter Positionen (wie für alle Leistungen aus der Sonderversorgung war eine Dynamisierung nach dem Recht der DDR nicht vorgesehen), sondern um die Frage, ob der Gesetzgeber – wie bei der Zahlbetragsgarantie für Altersversorgungen aus Sonder- und Zusatzversorgungen – zur Dynamisierung des Zahlbetrages verpflichtet gewesen ist.

Eine den Regelungen für Altersversorgungen aus Sonder- und Zusatzversorgungen entsprechende Dynamisierung sieht das Gesetz für das Vorruhestandsgeld nicht vor. Nach § 11 Abs. 6 AAÜG, der auch nach den Neuregelungen für Ansprüche und Anwartschaften aus Sonder- und Zusatzversorgungssystemen zum 3. August 2001 durch das 2. AAÜG-ÄndG als Folge vor allem der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1999 unverändert geblieben ist, nehmen die Versorgungsleistungen nach Abs. 1, zu denen das Vorruhestandsgeld gehört, nach dem 31. Dezember 1991 an Rentenanpassungen mit 50 vom Hundert der jeweiligen Anpassung teil. Dabei dürfen nach Satz 2 die in § 11 Abs. 1 genannten Höchstbeträge vor dem 1. Januar 1995 nicht überschritten werden. Die Beklagte hat diese Vorschriften in rechnerisch nicht zu beanstandender Weise angewandt. Eine Verfassungswidrigkeit von § 11 Abs. 6 AAÜG in Verbindung mit Abs. 1 und § 10 Abs. 1 AAÜG ist – entgegen der Argumentation des Klägers - nicht erkennbar. Der Gesetzgeber hat seinen Spielraum bei Ausgestaltung der Regelungen über die übergangsweise Fortzahlung des Vorruhestandsgeldes nicht überschritten.

Soweit der Kläger meint, einen Anspruch auf eine höhere Leistung aus EV Nr. 9 Buchstabe b Satz 1 folgern zu können, übersieht er, dass sein Anspruch auf befristete, erweiterte Versorgung und der daraus folgende Anspruch auf Vorruhestandsgeld gerade nicht in die gesetzliche Rentenversicherung überführt worden sind, denn sie fallen unter Buchstabe e) der Nr. 9. Hier wird weder auf Satz 1 (Überführungsprogramm) noch auf Satz 4 (Zahlbetragsgarantie) des Buchstaben b) Bezug genommen. Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz kommt den Ansprüchen und Anwartschaften aus Versorgungsanwartschaften aber nur in der Form zu, die sie aufgrund der Regelungen des EV erhalten haben. Der Anspruch auf Vorruhestandsgeld ist also mit Nr. 9 Buchstabe e) zwar unter den Schutz des Art 14. GG gestellt, denn der Kläger ist Begünstigter der hierin bereits festgelegten Übergangsregelung. Die weitergehende Grundentscheidung, die der EV in Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchst. e in Verbindung mit Buchstabe b Satz 2 und 3 getroffen hat, nämlich die Leistungen nicht zu überführen, und auf der § 9 AAÜG und § 11 Abs. 6 Satz 2 AAÜG fußt, ist gleichwohl nicht verfassungswidrig, denn Art. 14 GG bietet keinen absoluten Schutz, weder hinsichtlich des Bestands noch in Bezug auf eine teilweise Entwertung einer vermögenswerten Rechtsposition.

Aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ergibt sich keine Verpflichtung des Gesetzgebers, das Versorgungssystem der Deutschen Demokratischen Republik einschließlich der Zusatz- und Sonderversorgungen beizubehalten. Er war nicht gehindert, dieses System in einer ihm geeignet erscheinenden Form in das Rentenversicherungssystem der Bundesrepublik Deutschland einzugliedern. Eine langfristige Überführung der besonderen Leistungen der Sonderversorgungssysteme aufgrund vorzeitiger Entlassung war dabei nicht vorgesehen, weil solche Leistungen dem bundesdeutschen System der gesetzlichen Rentenversicherung wesensfremd sind. Einen Ausgleich für den Verlust eines Beschäftigungsverhältnisses aufgrund von Rationalisierungs- und Strukturmaßnahmen des Arbeitgebers bietet im bestehenden System der Sozialen Sicherheit – erst recht nach Anhebung der Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung - die Arbeitslosenversicherung; ein Ausgleich im Übrigen ist Sache der Arbeitsvertragsparteien. Unter diesem Gesichtspunkt begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Gesetzgeber die in der Deutschen Demokratischen Republik erworbenen Ansprüche und Anwartschaften auf Versorgungsleistungen aufgrund vorzeitiger Entlassung nicht in die gesetzliche Rentenversicherung überführt hat, zumal das Vorruhestandsgeld, dessen Bezug wie auch der Bezug einer befristeten erweiterten Versorgung beitragspflichtig war, durchaus Bezüge zu einer Arbeitsgeberleistung hat.

Ein besonderer Schutz war unter dem Gesichtspunkt des Art. 14 GG für Personen (wie auch den Kläger) vorgesehen, die – aufgrund der vereinigungsbedingten Umwälzungen in ihren Dienststellen – bereits anspruchsberechtigt geworden waren. Soweit dieser Personenkreis bis zum 30. Juni 1995 leistungsberechtigt für eine Altersversorgung geworden ist, war im Übrigen die (gegenüber dem Vorruhestandsgeld auch nach den Versorgungssystemen vorrangige und höhere, nämlich 75 v.H. des letzten beitragspflichtigen durchschnittlichen Bruttoverdienstes betragende) Anwartschaft auf Altersversorgung bereits einigungsvertraglich geschützt. Eines langfristigen Schutzes für jüngere Versicherte durch eine Leistung, die wie eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung dynamisiert wird, bedurfte es dagegen nicht. Die Fortzahlung der befristeten erweiterten Versorgung und die Zahlung eines Vorruhestandsgeldes im Anschluss daran konnte auch ohne eine weitergehende als die vom Gesetzgeber vorgesehene Dynamisierung die ihr zukommende Ausgleichsfunktion erfüllen. Vor allem das Vorruhestandsgeld überbrückte meist nur einen kurzen Zeitraum, bis der zu erwartende Zahlbetrag einer dynamisierten Rente nach dem SGB VI den Zahlbetrag des Vorruhestandsgeldes überstieg und die Beantragung einer Rente nach dem SGB VI (die auch für den Kläger bereits zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen wäre) günstiger war. Damit wurde der in der Deutschen Demokratischen Republik erreichte Standard nicht nachhaltig verschlechtert. Die Anwendung der Vorschriften des EV für Bezieher von Vorruhestandsgeld konnte sich nicht dahin auswirken, dass für einen langen Zeitraum oder gar auf Dauer nur der garantierte Zahlbetrag geleistet werden würde, weil der Zahlbetrag der Altersversorgung, soweit er denn nach dem EV (dynamisch) geschützt ist (also für Zugangsrentner bis zum 30. Juni 1995), immer höher ist als der Zahlbetrag des Vorruhestandsgeldes.

Die gesetzlichen Regelungen über die Anpassung der Versorgungsregelungen verstoßen auch nicht gegen Art. 3 GG. Der Kläger, der nicht zum Personenkreis derjenigen gehört, die bis zum 30. Juni 1995 anspruchsberechtigt hinsichtlich einer Altersversorgung aus dem Sonderversorgungssystem geworden sind, kann unter keinem Gesichtspunkt verlangen, diesem gleich oder (mit einer von ihm geforderten Dynamisierung der Leistung vor dem 30. Juni 1993) gar besser als dieser gestellt zu werden. Eine ihr auf Dauer verfassungsrechtlich zukommende Ausgleichsfunktion für das Alter hatte die Zahlung von Vorruhestandsgeld gerade nicht; das unterscheidet sie sowohl von den überführten Ansprüchen aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen als auch von den Ansprüchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach den allgemeinen Vorschriften des SGB VI. An diese Unterschiede durfte der Gesetzgeber anknüpfen und die Dynamisierung von nur übergangsweise zu zahlenden Leistungen gegenüber Altersversorgung bzw. gesetzlicher Rentenversicherung beschränken. Zudem war wegen der Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung der Bezug von Vorruhestandsgeld seinerseits rentenanwartschaftserhöhend und bot so einen weitergehenden Schutz im Hinblick auf die langfristige Sicherung im Alter. Weitergehende Begünstigungen brauchte der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht vorzusehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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