L 5 RA 6/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 11 RA 4740/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 RA 6/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. Dezember 2000 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 21. Juni 1932 geborene Kläger hat ein Hochschulstudium der Fachrichtung Eisenbahnbau abgeschlossen und war seit Februar 1959 durchgehend bei der Deutschen Reichsbahn in leitender Funktion beschäftigt. Aufgrund seiner Beschäftigung erwarb er in der DDR Anwartschaften auf eine Altersversorgung nach Maßgabe der Eisenbahnerversorgung. Beiträge zu der seit dem 1. März 1971 bestehenden Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) entrichtete er erst ab dem 1. Juli 1987.

Mit Bescheid vom 20. November 1996 bewilligte die Beklagte dem Kläger Altersrente für langjährig Versicherte nach § 36 SGB VI mit Beginn am 1. Januar 1997 (monatlicher Zahlbetrag: 1.942,77 DM). Den im Hinblick auf Rentenberechnung und Rentenhöhe erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 1997 im Wesentlichen zurück. Weil der Kläger bis zum 30. Juni 1987 keine Beiträge zur FZR geleistet habe, sei das beitragspflichtige Einkommen bis dahin nach § 256a Abs. 3 SGB VI auf 600,00 M monatlich zu begrenzen; eine Berücksichtigung der tatsächlichen Verdienste sei ausgeschlossen. Ebenso wenig könne der Rentenberechnung ein besonderer Steigerungssatz von 1,5 Prozent zugrunde gelegt werden, denn hierfür bestehe keine rechtliche Grundlage; Art. 2 § 35 Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) sei insoweit nicht einschlägig, denn er betreffe nur bis zum 31. Dezember 1996 beginnende Regelaltersrenten nach Vollendung des 65. Lebensjahres.

Aufgrund Neufeststellungsbescheides vom 18. Dezember 1997, der nunmehr auch den tatsächlichen Verdienst in dem Zeitraum Februar 1959 bis Dezember 1960 berücksichtigte, erhöhte sich der monatliche Zahlbetrag der Rente auf 2.085,01 DM ab dem 1. Februar 1998.

Mit seiner am 21. Oktober 1997 erhobenen Klage hat der Kläger sein Ziel weiter verfolgt. Für den Zeitraum 1. März 1971 bis 30. Juni 1987 seien seine gesamten Arbeitsentgelte zugrunde zu legen, außerdem habe er Anspruch auf Rente unter Zugrundelegung eines besonderen Steigerungssatzes von 1,5 nach der Versorgungsordnung der Deutschen Reichsbahn.

Mit Bescheid vom 28. Juni 2000 stellte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in ihrer Eigenschaft als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme für den Kläger in der "Zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz" Beitragszeiten nach § 5 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) von Februar 1959 bis Juni 1990 fest, außerdem die in diesem Zeitraum erzielten Bruttoarbeitsentgelte nach § 8 AAÜG. Unter Zugrundelegung der danach berücksichtigungsfähigen Entgelte errechnete die Beklagte daraufhin mit Neufeststellungsbescheid vom 27. Juli 2000 einen monatlichen Rentenzahlbetrag von 2.716,64 DM ab dem 1. September 2000 und eine Nachzahlung für den Zeitraum Januar 1997 bis August 2000 in Höhe von 23.577,28 DM.

Der Kläger hat hierauf erklärt, mit seiner Klage keinen weiteren Anspruch aus dem AAÜG zu verfolgen; er halte aber an seiner Klage fest, soweit sie den ihm vorenthaltenen Steigerungsbetrag aus der Altersversorgung der Deutschen Reichsbahn betreffe. Es genüge eine Entscheidung dem Grunde nach, denn gesetzlich sei die höhenmäßige Berücksichtung des 1,5fachen Steigerungsbetrages noch nicht geregelt. Gegebenenfalls sei die Sache dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, denn die Rechtslage verletze sein Eigentumsrecht aus Art. 14 Grundgesetz (GG).

Mit Gerichtsbescheid vom 18. Dezember 2000 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung, wegen deren Einzelheiten auf die Gerichtsakte Bezug genommen wird, im Wesentlichen ausgeführt: Es bestehe auch unter Berücksichtigung von Art. 2 RÜG keine rechtliche Grundlage für eine weitere Erhöhung der Rente. Schon das Bundessozialgericht habe in seinem Urteil vom 10. November 1998, B 4 RA 25/98 R, entschieden, dass die Anwendung eines besonderen Steigerungssatzes von 1,5 - orientiert an der Versorgungsordnung der Deutschen Reichsbahn - nicht in Betracht komme. Hierin liege kein Verstoß gegen den Einigungsvertrag, gegen die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) oder gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), weshalb die Sache auch nicht nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden müsse.

Gegen den ihm am 10. Januar 2001 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29. Januar 2001 Berufung eingelegt. Er hält daran fest, Versorgungsansprüche aus der Altersversorgung der Deutschen Reichsbahn ableiten zu können.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. Dezember 2000 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 20. November 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. September 1997 und der Neufeststellungsbescheide vom 18. Dezember 1997 und 27. Juli 2000 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, den Versorgungsanteil aus der Versorgungsordnung der Deutschen Reichsbahn gemäß §§ 11 und 13 der Eisenbahnverordnung von 1973 zu gewähren,

hilfsweise das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung über die beim Bundesverfassungsgericht in gleicher Sache anhängigen Verfassungsbeschwerden (Az.: 1 BvR 156/00, 1 BvR 1028/03, 1 BvR 616/99) anzuordnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den mit der Berufung angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Dem hilfsweise gestellten Antrag auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens hat sie nicht zugestimmt.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Rentenakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, hat jedoch keinen Erfolg. In zutreffender Würdigung des Sachverhalts, unter Anwendung der einschlägigen rechtlichen Vorschriften und mit überzeugender Begründung hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 20. November 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. September 1997 sowie der Neufeststellungsbescheide vom 18. Dezember 1997 und 27. Juli 2000, die nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden sind, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

1. Gegenstand der mit der Berufung angegriffenen Entscheidung des Sozialgerichts vom 18. Dezember 2000 war lediglich die Berücksichtigung eines besonderen Steigerungsfaktors von 1,5 bei der Rentenberechnung nach dem SGB VI. Insoweit gilt Folgendes:

Wie der Senat bereits im Urteil vom 26. Juni 1998 (L 5 J 101/97) entschieden hat, gibt es für die Berücksichtigung eines Steigerungsfaktors 1,5 statt eines Zugangsfaktors 1,0 bei der Rentenberechnung im Gesetz keine Grundlage. Diese Sichtweise entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. November 1998, B 4 RA 25/98 R; Urteil vom 11. Dezember 2002, B 5 RJ 14/00 R [SozR 3-2600 § 256 a Nr. 10]; vgl. auch LSG Brandenburg, Urteil vom 10. Mai 2000, L 2 RJ 115/96). Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest.

Nach § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn (1.) die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, (2.) der Rentenartfaktor und (3.) der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Der Rentenartfaktor für persönliche Entgeltpunkte bei Rente wegen Alters beträgt 1,0 (§ 67 Nr. 1 SGB VI). Der Zugangsfaktor richtet sich nach dem Alter des Versicherten bei Rentenbeginn und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrages der Rente zu berücksichtigen sind. Dabei werden Entgeltpunkte mit dem Zugangsfaktor 1,0 bewertet, wenn der Versicherte die Rente wegen Alters zu dem vom Gesetzgeber vorgesehenen üblichen Beginn in Anspruch nimmt. Bei vorzeitiger Inanspruchnahme vermindert sich der Zugangsfaktor, bei späterer Inanspruchnahme erhöht er sich (§ 77 Abs. 1 und 2 SGB VI).

Einen Anspruch auf Änderung des Rentenartfaktors bzw. des Zugangsfaktors in einen Steigerungsfaktor 1,5 sieht das Gesetz dagegen nicht vor. Der nach § 2 Abs. 4 der Versorgungsordnung der Deutschen Reichsbahn in der DDR vorgesehene Steigerungsbetrag für jedes Jahr der ununterbrochenen Dienstzeit von 1,5 v. H. des beitragspflichtigen monatlichen Durchschnittsverdienstes der 20 Kalenderjahre vor Beendigung der letzten versicherungspflichtigen Tätigkeit ist auf eine Rente nach dem SGB VI nicht übertragen worden. Dafür gab es aus Sicht des Gesetzgebers auch keinen Grund, denn die Rente nach dem SGB VI berechnet sich nach anderen Grundsätzen als die nach dem Sozialversicherungsrecht der DDR, deren Berechnungselemente insgesamt nicht übernommen werden sollten. Die Eisenbahnerverordnung und die auf ihr beruhende Versorgungsordnung sind zudem mit Ablauf des 31. Dezember 1991 außer Kraft getreten (Anlage II zum Einigungsvertrag, Kap. VIII, Sachgebiet H, Abschnitt III Nr. 2 Buchst. a).

Der "Faktor 1,5" hatte nach dem Recht der DDR keine versicherungsrechtliche bzw. beitragsrechtliche Bedeutung, er bezog sich ausschließlich leistungsrechtlich auf den für die Rentenberechnung versicherten Verdienst. Der Verdienst selbst blieb unveränderte Grundlage der Berechnungen, für die, wie es jetzt auch in Art. 2 Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) in § 35 geregelt ist, bei Angehörigen der Deutschen Reichsbahn nach § 11 Abs. 3 Eisenbahnerverordnung i. V. m. § 5 Rentenverordnung lediglich ein besonderer Steigerungssatz von "1,5 vom Hundert" unter weiteren Voraussetzungen vorgegeben war. Das heißt, dass von dem maßgeblichen Durchschnittsentgelt (statt wie sonst 1,0 v. H.) 1,5 v. H. für jedes Versicherungsjahr als Steigerungsbetrag zu leisten war. Dies führte im Ergebnis zwar zu einem um 50 v. H. höheren Steigerungsbetrag, dabei handelte es sich aber nur um eine Vergünstigung hinsichtlich der Rentenberechnung, nicht aber um eine Veränderung des als weiterer Faktor maßgeblichen (Durchschnitts-)Einkommens. All dies führt nicht dazu, dass neben dieser Wirkung, die auch ohne entsprechende Beitragsleistung Entgelte in die Rentenberechnung einfließen lässt, weitere Berechnungselemente der DDR-Rente in die allein auf dem SGB VI beruhende Rentenberechnung übernommen werden müssten.

Eine Verfassungswidrigkeit vermag der Senat in der Nichtberücksichtigung eines besonderen Steigerungssatzes schon deshalb nicht zu erkennen, da nach obigen Ausführungen auch in der DDR lediglich ein anderer Steigerungsbetrag bei der Rentenberechnung berücksichtigt worden wäre, ohne dass sich an dem jetzt maßgeblichen tatsächlichen Entgelt etwas geändert hätte. Das Abstellen auf diese Entgelte, die in § 63 SGB VI als wichtigste Grundlage der Rentenberechnung herausgestellt sind, lässt insbesondere einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) nicht erkennen. Auch ein Eingriff in erworbene Eigentumspositionen (Art. 14 GG) liegt nicht vor (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2002, B 5 RJ 14/00 R, a.a.O.). Es besteht deshalb kein Anlass, das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen; letzteres hat im Übrigen bereits drei in vergleichbaren Verfahren erhobene Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen (Verfahren 1 BvR 977/96, 1603/96 und 840/97, Nichtannahmebeschlüsse vom 11. September 2002, 16. April 2003 und 10. September 2002).

2. Soweit der Kläger darüber hinaus geltend macht, ihm den "Versorgungsanteil aus der Versorgungsordnung der Deutschen Reichsbahn gemäß §§ 11 und 13 der Eisenbahnverordnung von 1973 zu gewähren", hat die Berufung ebenfalls keinen Erfolg. Auch in diesem Zusammenhang kann nur darauf hingewiesen werden, dass die Eisenbahnerverordnung und die auf ihr beruhende Versorgungsordnung kraft einigungsvertraglicher Regelung mit Ablauf des 31. Dezember 1991 außer Kraft getreten sind, so dass aus diesem Regelwerk keine Ansprüche mehr hergeleitet werden können. Das Begehren des Klägers geht deshalb ins Leere. Er verfolgt einen Anspruch, den das Gesetz nicht vorsieht. Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

3. Das hilfsweise beantragte Ruhen des Verfahrens hatte der Senat nicht anzuordnen. Hierfür fehlt es schon an dem nach § 202 SGG i.V.m. § 251 Satz 1 ZPO erforderlichen Antrag beider Parteien. Im Übrigen erschiene ein Ruhen auch nicht zweckmäßig, nachdem das Bundesverfassungsgericht drei in vergleichbaren Fällen erhobene Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen hat. Allein das Vorliegen weiterer jüngerer Verfassungsbeschwerden rechtfertigte weder die Anordnung des Ruhens noch die Aussetzung des Verfahrens (§ 114 Abs. 2 SGG). Das Verfahren gar hintanzustellen, bis der Gesetzgeber gegebenenfalls eine (nicht absehbare) Neuregelung vornimmt, kommt nicht in Betracht. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG; Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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