L 16 RA 93/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 13 RA 3075/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 RA 93/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2003 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des angefochtenen Urteils wie folgt berichtigt wird: Der Bescheid der Beklagten vom 19. September 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2002 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte einen Bescheid über die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) für die Zeit vom 1. Dezember 1992 bis 31. August 1995 zurücknehmen und die in diesem Zeitraum gezahlte Rente zurückfordern durfte.

Der 1950 geborene, in Österreich lebende Kläger ist seit einem Skiunfall am 29. Februar 1992 querschnittsgelähmt. Vom 1. September 1992 bis 30. April 1998 bezog er eine österreichische Berufsunfähigkeitspension. Vom 30. November 1992 bis 31. Dezember 1996 war der Kläger als Landes-Vertragsbediensteter der S Landesregierung vollzeitbeschäftigt. Seit 1. September 1997 ist er leitender Beamter des höheren Dienstes der S Landesregierung. Den Eintritt in das Dienstverhältnis zum Land S teilte der Kläger der österreichischen Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten mit Schreiben vom 21. November 1992 mit.

Mit Bescheid vom 27. Januar 1993 gewährte die Beklagte dem Kläger befristete Rente wegen EU für die Zeit vom 1. September 1992 bis 31. August 1995 auf seinen beim österreichischen Versicherungsträger im April 1992 gestellten Antrag (monatlicher Zahlbetrag ab 1. März 1993 = 1.096,87 DM). Der Bescheid enthält u.a. folgende Hinweise:

"Für die Anerkennung des Rentenanspruchs sind die Verhältnisse des Arbeitsmarktes ausschlaggebend gewesen. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns jede Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit unverzüglich mitzuteilen ...

Wir werden den Bescheid - auch rückwirkend - ganz oder teilweise aufheben und zu Unrecht erbrachte Leistungen zurückfordern, soweit bestehende Mitteilungspflichten nicht erfüllt werden."

In seinem Weitergewährungsantrag vom November 1995 wies der Kläger darauf hin, dass er ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis beim Land S innehabe. Nach Einholung einer Arbeitgeberauskunft vom 5. Dezember 1996 teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 10. Juni 1997 mit, dass die Rücknahme des Bescheides vom 27. Januar 1993 für die Zeit ab 1. Dezember 1992 nach § 45 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) und die Rückforderung der in der Zeit vom 1. Dezember 1992 bis 31. August 1995 gezahlten Rentenleistungen beabsichtigt sei. Der Kläger sei seinen gesetzlichen Mitteilungspflichten schuldhaft nicht nachgekommen.

Mit Bescheid vom 19. September 1997 nahm die Beklagte den Bescheid vom 27. Januar 1993 mit Wirkung ab 1. Dezember 1992 nach "§ 45 SGB X" zurück mit der Begründung, dass der Kläger weder Vertrauensschutz nach den allgemeinen Grundsätzen des § 45 Abs. 2 Sätze 1 oder 2 SGB X genieße noch die Fristen des § 45 Abs. 3 bzw. Abs. 4 SGB X abgelaufen seien. Die entstandene Überzahlung in Höhe von 37.996,81 DM sei zu erstatten. Auch die vorzunehmende Ermessensausübung habe zu keinem anderen Ergebnis geführt. Der Kläger habe nicht leichtfertig auf Mechanismen des zwischenstaatlichen Verfahrens vertrauen dürfen. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27. März 2002).

Mit Urteil vom 25. Juni 2003 hat das Sozialgericht (SG) Berlin den Bescheid der Beklagten vom "11. September 1997" in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2002 aufgehoben. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, den Rentenbescheid vom 27. Januar 1993 mit Wirkung vom 1. Dezember 1992 gemäß § 45 SGB X zurückzunehmen. Denn die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien nicht erfüllt. Der Kläger habe zwar die EU-Rente in der Zeit vom 1. Dezember 1992 bis 31. August 1995 zu Unrecht bezogen. Dennoch würden die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides nicht vorliegen. Denn der Kläger habe auf den Bestand des Bescheides vertraut und sein Vertrauen sei schutzwürdig im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X. Der Kläger habe den Bescheid nicht durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X). Der Bescheid beruhe auch nicht auf Angaben, die der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Ihm könne auch nicht der Vorwurf gemacht werden, die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 27. Januar 1993 gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt zu haben (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit sei dem Kläger nicht anzulasten. Dessen Annahme, er könne trotz Berufstätigkeit Leistungen aus der deutschen Rentenversicherung erhalten, habe nicht auf leichtfertigen Erwägungen beruht. Denn er habe trotz der Berufstätigkeit eine österreichische Berufsunfähigkeitspension erhalten und habe davon ausgehen können, dass die österreichische Pensionsversicherungsanstalt die Beklagte über alle wichtigen Tatsachen, also auch die mitgeteilte Tätigkeitsaufnahme, unterrichten werde. Dass der Kläger davon ausgegangen sei, die Berufstätigkeit stehe dem EU-Rentenbezug nicht entgegen, zeige auch die Tatsache, dass er im Verlängerungsantrag bei der Beklagten selbst ausdrücklich seine Berufstätigkeit angegeben habe. Die Verletzung von Mitteilungspflichten sei im Übrigen gegenüber der Beklagten nur im Rahmen des § 48 Abs. 1 SGB X von Bedeutung, nicht aber nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X.

Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Sie trägt vor: Bei dem Kläger habe Bösgläubigkeit im Sinne von § 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB X vorgelegen. Dieser habe aus den eindeutigen und nicht interpretierbaren Hinweisen im Bewilligungsbescheid erkennen müssen, dass die Ausübung einer Beschäftigung unmittelbar Einfluss auf den Anspruch auf EU-Rente habe. Der Kläger könne sich auch nicht durch eine Nachfrage beim unzuständigen österreichischen Rentenversicherungsträger vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit frei machen, selbst dann nicht, wenn dieser unzuständige Rentenversicherungsträger von der Rechtmäßigkeit der Zahlung der deutschen EU-Rente ausgegangen sei. Die Rücknahme des Bescheides vom 27. Januar 1993 sei daher mit Wirkung vom 1. Dezember 1992 zulässig und die entstandene Überzahlung für die Zeit vom 1. Dezember 1992 bis 31. August 1995 in Höhe von 37.996,81 DM (= 19.427,46 EUR) gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Rentenakten der Beklagten (2 Bände) und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Sie war mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Tenor des angefochtenen Urteils in entsprechender Anwendung von § 138 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Hinblick auf das vom SG offensichtlich unrichtig aufgeführte Datum des angefochtenen Bescheides (11. September 1997 anstatt 19. September 1997) wie geschehen berichtigt wurde (vgl. zur Berichtigungsbefugnis des Rechtsmittelgerichts: BSG SozR 1500 § 138 Nr. 3; SozR 1500 § 164 Nr. 33).

Die Beklagte war nicht berechtigt, den Bescheid über die Bewilligung von EU-Rente vom 27. Januar 1993 mit Wirkung ab 1. Dezember 1992 zurückzunehmen und die in diesem Zeitraum gezahlte Rente zurückzufordern. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der - wie hier - ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nach Eintritt der Bestandskraft nur unter den Einschränkungen des § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (Nr. 1), der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr. 2), oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X).

Ungeachtet dessen, ob die Beklagte mit dem Schreiben an den Kläger vom 10. Juni 1997 ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Anhörung (vgl. § 24 Abs. 1 SGB X) überhaupt nachgekommen ist, wogegen bereits spricht, dass die Beklagte in diesem Schreiben ihre Rücknahmebefugnis mit Wirkung für die Vergangenheit lediglich auf eine - in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X gar nicht genannte - Verletzung von Mitteilungspflichten des Klägers stützt, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der vorliegend einzig in Betracht zu ziehenden Vorschrift des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X nicht erfüllt. Keiner näheren Darlegung bedarf, dass die Tatbestände nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X (arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung) oder § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X (vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben) nicht einschlägig sind, weil tatsächliche Anhaltspunkte hierfür nicht ersichtlich sind. Insbesondere hatte der Kläger bei Einreichung seines Formularantrages im Juni 1992 zutreffend auf die Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses bei der C W GmbH M zum 30. Juni 1992 hingewiesen. Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X liegen jedoch nicht vor. Denn es ist im erforderlichen Vollbeweis nicht feststellbar, ob der Kläger die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 27. Januar 1993 kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Es sind keine Tatsachen ersichtlich, nach denen dem Kläger bewusst gewesen wäre, dass die ihn begünstigende Regelung im Bescheid vom 27. Januar 1993 materiell-rechtlich objektiv rechtswidrig war. Auch der Vorwurf einer Unkenntnis dieser Rechtswidrigkeit aus grober Fahrlässigkeit kann dem Kläger auf Grund der feststellbaren Tatsachen nicht gemacht werden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sich dem Kläger die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 27. Januar 1993 zum Zeitpunkt seiner Bekanntgabe geradezu hätte aufdrängen müssen. Die Beklagte hatte zwar seinerzeit durch eindeutig formulierte Bescheidzusätze darauf hingewiesen, dass für die Anerkennung des EU-Rentenanspruchs die Verhältnisses des Arbeitsmarktes ausschlaggebend gewesen seien und der Kläger daher verpflichtet sei, jede Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit unverzüglich mitzuteilen. Dieser sich aus § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) ergebenden Mitteilungspflicht ist der Kläger aber dadurch nachgekommen, dass er dem österreichischen Versicherungsträger mit Schreiben vom 21. November 1992, ausweislich des Eingangsstempels der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten dort am 24. November 1992 eingegangen, den Eintritt in das Dienstverhältnis zum Land S zum 25. November 1992 mitgeteilt hatte. Denn Artikel 39 Abs. 1 des insoweit noch anwendbaren Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Soziale Sicherheit vom 22. Dezember 1966 (BGBl. 1969 II, S. 1235) in der Fassung des 1. Zusatzabkommens vom 10. April 1969 (BGBl. 1969 II, S. 1261), des 2. Zusatzabkommens vom 29. März 1974 (BGBl. 1975 II, S. 254) und des 3. Zusatzabkommens vom 29. August 1980 (BGBl. 1982 II, S. 415; DÖSVA) bestimmte, dass Anträge, Erklärungen und Rechtsbehelfe als bei dem zuständigen Träger des anderen Vertragsstaates gestellt gelten, sofern sie in einem Vertragsstaat bei einer Stelle gestellt worden sind, die für den Antrag auf eine entsprechende Leistung nach den für sie geltenden Rechtsvorschriften zulässig ist. Nach Artikel 39 Abs. 3 DÖSVA waren Anträge, Erklärungen und Rechtsbehelfe von der Stelle, bei der sie eingereicht worden sind, unverzüglich an die zuständige Stelle des anderen Vertragsstaates weiter zu leiten. Dass der österreichische Versicherungsträger dieser unverzüglichen Weiterleitungspflicht an die Beklagte nicht nachkam, kann dem Kläger nicht angelastet werden, zumal die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten dem Kläger mit Schreiben vom 19. Mai 1992 mitgeteilt hatte, dass die Weiterleitung (des Rentenantrags) an den ausländischen Versicherungsträger "durch uns" erfolge. Der Kläger durfte daher davon ausgehen, dass die Pensionsversicherungsanstalt mit anderen in seiner Rentenangelegenheit rechtserheblichen Erklärungen entsprechend verfahren würde. Schließlich hat der Kläger im Weitergewährungsantrag der Beklagten gegenüber wahrheitsgemäß erklärt, eine unbefristete Beschäftigung beim Land S inne zu haben.

Trotz seiner juristischen Ausbildung hätte sich dem Kläger auch nicht ohne Weiteres erschließen müssen, dass seine vollschichtige Erwerbstätigkeit beim Land S einem Anspruch auf EU-Rente in dem in Rede stehenden Zeitraum zwingend entgegen stand. Denn zum einen führt nicht jede vollschichtige Tätigkeit eines gesundheitlich leistungsgeminderten, generell nur noch untervollschichtig leistungsfähigen Versicherten zur Verneinung von EU. Dies ist vielmehr erst dann der Fall, wenn der auf Grund seines Gesundheitszustandes nur zur Teilzeitarbeit fähige Versicherte zwar vollschichtig beschäftigt ist, es sich aber nicht um eine "vergönnungsweise" Beschäftigung handelt (vgl. BSG, Urteil vom 18. März 1982 -11 RA 26/81 = SozR 2200 § 1246 Nr. 89). Führt aber bereits materiell-rechtlich nicht jede vollschichtig ausgeübte Tätigkeit eines gesundheitlich leistungsgeminderten Versicherten zwingend zur Verneinung von EU, so kann eine entsprechende Parallelwertung auch dem im deutschen Sozialversicherungsrecht nicht bewanderten Kläger schwerlich abverlangt werden. Hinzu kommt, dass der österreichische Versicherungsträger trotz der dort mitgeteilten und bekannten Ganztagsbeschäftigung des Klägers dessen Berufsunfähigkeitspension bis 30. April 1998 weiter gewährte. Dem Kläger musste sich bei dieser Sachlage zumindest nicht aufdrängen, dass wegen der unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen trotz des Weiterbezugs der österreichischen Berufsunfähigkeitspension ein Anspruch auf EU-Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit ab 1. Dezember 1992 (Folgemonat des Beschäftigungsbeginns beim Land S) möglicherweise nicht bestand. Dies gilt um so mehr, als von dem Kläger auch keine Rechtskenntnisse dahingehend verlangt werden können, dass die Rente wegen EU gegenüber der (deutschen) Rente wegen Berufsunfähigkeit die weitergehendere Leistung ist und ein untervollschichtiges Leistungsvermögen für sämtliche denkbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes voraussetzt. Dass selbst die insoweit sachkundige Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten mit dortigem Bescheid vom 7. April 1993 den überzahlten Pensionsvorschuss mit der Nachzahlung der EU-Rente aus der deutschen Rentenversicherung nach den Bestimmungen des DÖSVA verrechnete, macht deutlich, dass der österreichische Versicherungsträger ebenfalls von der Rechtmäßigkeit des deutschen EU-Rentenbezugs ausging. Dass der Kläger bei dieser Sachlage auf die Rechtmäßigkeit der bewilligten EU-Rente vertraute, stellt keine besonders schwere Sorgfaltspflichtverletzung dar. Eine Unkenntnis aus leichter Fahrlässigkeit rechtfertigt nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X aber nicht die Rücknahme des Bescheides vom 27. Januar 1993 mit Wirkung für die Vergangenheit.

Da die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bescheides vom 27. Januar 1993 mit Wirkung für die Vergangenheit nicht vorliegen, kann dahinstehen, ob die in § 45 Abs. 1 SGB X auch für die Fälle des § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X vorgesehene Ermessensentscheidung der Beklagten über die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit ermessensfehlerfrei erfolgt ist.

Für die mit den angefochtenen Bescheiden geltend gemachte Erstattungsforderung in Höhe von 19.427,46 Euro fehlt es damit an der erforderlichen Rechtsgrundlage, weil § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X die rechtmäßige Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes voraussetzt. Diese Voraussetzung liegt aber gerade nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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