L 12 RA 30/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 27 RA 3803/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 RA 30/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Juli 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob auf den Kläger noch die Regelungen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten? und Unfallversicherung vom 9. Oktober 1975 (BGBl. II 1976, S. 396) - DPRA 1975 - Anwendung finden und ihm deshalb über September 1991 hinaus Anspruch auf Altersruhegeld aus der deutschen Rentenversicherung zusteht.

Der 1924 geborene Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Er war bis Januar 1990 in Polen als Rechtsanwalt tätig und bezog dort seit November 1989 oder Februar 1990 eine Altersrente. Sein Reisepass enthält ein Visum (Aufenthaltserlaubnis) der Deutschen Botschaft in W vom 5. Dezember 1990 mit einer Gültigkeit vom 9. Dezember 1990 bis 8. Februar 1991 für Besuchsreisen.

Am 8. März1991 heiratete der Kläger in B die hier lebende, geborene A, die durch Erklärung am 4. September 1989 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hatte. Er beantragte bei der Beklagten am 9. April 1991 die Gewährung eines Altersruhegeldes aus der deutschen Rentenversicherung und gab an, am 1. März 1991 aus P/Polen nach Deutschland zugezogen zu sein. Dabei legte er eine ausländerbehördliche Erfassung vom 12. März 1991 vor, gültig bis zum 12. Juni 1991, eine polizeiliche Meldebestätigung vom 11. März 1991 sowie den am 20. März 1991 in Polen abgesandten Antrag an den polnischen Versicherungsträger auf Einstellung der polnischen Rente ab 1. April 1991.

Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 6. April 1992 Altersruhegeld vom 1. April 1991 bis zum 30. September 1991. In dem Bescheid heißt es, die Rente werde nur bis zum In-Kraft-Treten des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit vom 8. Dezember 1990 (BGBl. II 1991, S. 743) - DPSVA 1990 - auf der Grundlage des DPRA 1975 geleistet. Danach seien nur noch Zeiten nach innerstaatlichem Recht anrechenbar, nicht die polnischen Versicherungszeiten.

Aufgrund des eingeleiteten zwischenstaatlichen Rentenverfahrens gewährte der polnische Rentenversicherungsträger dem Kläger schließlich ab 1. Oktober 1991 erneut Rente. Auf dessen Schreiben vom 11. April 1997 erklärte der Kläger unter dem 6. Mai 1997 gegenüber dem polnischen Versicherungsträger, er sei am 1. September 1990 nach B gekommen, wo seine spätere Ehefrau gewohnt habe und habe alle Unterlagen, die zur Eheschließung erforderlich gewesen seien, mitgebracht. Im Standesamt S sei jedoch erklärt worden, dass noch weitere Dokumente notwendig seien. Um sie zu beschaffen, sei er am 10. September 1990 nach Polen gefahren und dort von der zwischenzeitlich eingeführten Visumpflicht überrascht worden. Er habe sein Visum im Dezember 1990 erhalten und deshalb erst am 9. Dezember 1990 nach B fahren können. Dort hätten er und seine spätere Ehefrau bereits ab 1. Dezember 1990 eine eigene Wohnung gemietet gehabt und beabsichtigt, im Dezember 1990 zu heiraten. Im Standesamt S sei jedoch erklärt worden, dass sein Scheidungsurteil vom Senat von B beglaubigt werden müsse, was sechs Wochen gedauert habe. Der neue Termin für die Eheschließung sei für den 8. März 1991 festgelegt worden. Die Aufenthaltserlaubnis habe er erst nach Vorlage der Heiratsurkunde am 11. März 1991 erhalten können. Er meine, dass auf ihn Art. 27 Abs. 4 DPSVA 1990 Anwendung finde. Daraufhin stellte der polnische Versicherungsträger mit Bescheid vom 23. September 1997 die Leistung ab 1. Oktober 1997 ein, da der Kläger bereits im Sommer 1990 nach Deutschland übersiedelt sei und auf ihn deshalb das DPRA 1975 Anwendung finde. Gemäß einer Mitteilung des polnischen Versicherungsträgers legte der Kläger gegen diese Entscheidung einen Rechtsbehelf nicht ein. Auch eine Korrespondenz der Beklagten mit dem polnischen Versicherungsträger führte zu keiner Änderung. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens könne nur durch den Versicherten eingeleitet werden.

Mit Bescheid vom 25. Januar 2000 lehnte es die Beklagte ab, den Bescheid vom 6. April 1992 im Wege der Überprüfung teilweise zurückzunehmen und dem Kläger über den 30. September 1991 hinaus Altersruhegeld zu gewähren, da in dem früheren Bescheid weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Ein Anspruch auf Leistung aus der deutschen Rentenversicherung bestehe nur, wenn der Wohnort in Deutschland bis zum 31. Dezember 1990 begründet und beibehalten worden oder die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltes erst danach (bis zum 30. Juni 1991) aus Gründen erfolgt sei, die der Versicherte nicht zu vertreten habe. Beide Alternativen seien nicht erfüllt. Der Zuzug bis Dezember 1990 sei fraglich, selbst bei einem Zuzug bis zum 31. Dezember 1990 fehle es mangels Aufenthaltsberechtigung an einem rechtmäßigen Aufenthalt in der Zeit vom 9. Februar 1991 bis zum 7. März 1991. Auch das Fehlen von Unterlagen stelle keinen Hinderungsgrund im Sinne des Art. 27 Abs. 4 DPSVA 1990 dar, weil die zeitliche Verzögerung bei rechtzeitiger Einholung entsprechender Informationen hätte verhindert werden können.

In seinem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei schon am 1. September 1990 auf Dauer in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, habe mit seiner späteren Ehefrau einen gemeinsamen Hausstand begründet und ab Dezember 1990 eine Wohnung gemietet. Vor der Eheschließung habe er sich als Ausländer in B nicht polizeilich anmelden und deshalb auch nicht in Polen abmelden können. Da die Heirat unmittelbar bevorgestanden habe, sei ihm behördlich erklärt worden, dass eine Verlängerung der am 8. Februar 1991 abgelaufenen Aufenthaltserlaubnis nicht notwendig sei. Schließlich liege ein Härtefall vor, da er lediglich wegen fehlender Unterlagen erst 1991 habe heiraten können.

Der Kläger legte einen Mietvertrag mit Datum vom 1. Dezember 1990 vor, der einen Mietbeginn am 1. Dezember 1990 vorsieht.

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Bescheid vom 7. Februar 2000 zurück, da im Bescheid vom 6. April 1992 das Recht nicht unrichtig angewandt worden sei. Ansprüche aus dem DPRA 1975 könne der Kläger nicht herleiten, da er mangels hinreichenden Aufenthaltstitels bis zum 31. Dezember 1990 keinen ständigen Aufenthalt in Deutschland begründet habe, sondern erst seit der Eheschließung am 8. März 1991. Vorher sei ihm die Einreise nur zu Besuchszwecken erlaubt gewesen.

In seiner dagegen zum Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, er habe bereits vor dem 31. Dezember 1990 seinen ständigen Aufenthalt in Deutschland gehabt. Er sei am 1. September 1990 eingereist, habe seit dem 1. Dezember 1990 eine neu gemietete gemeinsame Wohnung mit seiner späteren Ehefrau bewohnt und nach seinen Informationen alle Unterlagen für eine Eheschließung, die im Dezember 1990 beabsichtigt gewesen sei, besessen. Da seine Information falsch gewesen sei, habe er mehrfach kurzfristig ausreisen müssen, um die fehlenden Papiere zu beschaffen. Wegen der zwischenzeitlichen Visumpflicht habe dann die Heirat auf März 1991 verschoben werden müssen. Sein ständiger Aufenthalt sei auch nicht durch das Auslaufen der Aufenthaltserlaubnis am 8. Februar 1991 unterbrochen worden, da er diese unproblematisch hätte verlängern lassen können. Ihm sei aber sowohl vom Standesamt, als auch der Senatsverwaltung für Inneres die Auskunft erteilt worden, das sei nicht erforderlich. Unabhängig davon würde er die Voraussetzungen der Härteregelung des Art. 27 Abs. 4 DPSVA 1990 erfüllen, weil er durch die Notwendigkeit der Beschaffung weiterer Unterlagen und des überraschend eingeführten Visumzwanges aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen gehindert war, seinen Wohnort vor dem 1. Januar 1991 nach Deutschland zu verlegen.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 17. Juli 2001 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, Art. 27 Abs. 4 DPSVA 1990 finde keine Anwendung, da der Kläger ersichtlich bereits vor dem 1. Januar 1991 nach B verzogen sei. Er erfülle aber nicht die Voraussetzung des Art. 27 Abs. 3 DPSVA 1990, weil er wegen fehlender Aufenthaltserlaubnis vom 8. Februar 1991 bis zum 12. März 1991 seit seinem Zuzug keinen ununterbrochenen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe.

Gegen das am 8. Oktober 2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 8. November 2001 erhobene Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren weiterverfolgt und vorträgt, sowohl ein Sachbearbeiter der Beklagten, als auch deren Terminsvertreter seien der Auffassung gewesen, dass ihm eine Rente zustehe. Er sei bereits am 1. September 1990 nicht nur zu Besuchszwecken, sondern zum Zweck der Eheschließung eingereist. Das Aufgebot sei am 15. Januar 1991 mit dem Termin zur Eheschließung am 1. Februar 1991 bestellt worden. Die Heirat habe dann aber wegen des Fehlens von Unterlagen auf den 8. März 1991 verschoben werden müssen. Er habe sich seit dem 9. Februar 1991 nicht illegal in Deutschland aufgehalten. Das Standesamt und die Senatsverwaltung für Inneres hätten keine erneute Aufenthaltserlaubnis verlangt, so dass sich auch das Sozialgericht darauf nicht berufen dürfe. Er habe seit dem 1. September 1990 seinen Lebensmittelpunkt und damit den gewöhnlichen Aufenthalt in B. Zumindest seit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ab 9. Dezember 1990 erfülle er die rechtlichen Voraussetzungen dafür. Im Übrigen hätte er jedenfalls die Umstände, die zu einem späteren gewöhnlichen Aufenthalt geführt hätten, aufgrund der geschilderten Verhältnisse nicht zu vertreten.

Der Kläger hat die Ablichtung der Aufgebotsverhandlung vom 15. Januar 1991 vorgelegt, gemäß der die Eheschließung für den 1. Februar 1991, später für den 8. März 1991 vorgesehen war. Er beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Juli 2001 sowie den Bescheid vom 25. Januar 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 6. April 1992 im Wege der Überprüfung teilweise insoweit zurückzunehmen, als darin der Wegfall der Rente zum 30. September 1991 angeordnet wurde und ihm über den 30. September 1991 hinaus Altersruhegeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat die Ehefrau des Klägers, A T, als Zeugin gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20. Januar 2004 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die Prozessakte des Sozialgerichts Berlin - S 27 RA 3803/00 - sowie die den Kläger betreffende Rentenakte der Beklagten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht erhobene und statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes ?SGG?) Berufung des Klägers ist zulässig, sachlich jedoch im Ergebnis nicht begründet. Die angefochtenen Entscheidungen sind nicht rechtswidrig. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, ihren Bescheid vom 6. April 1992 teilweise zurückzunehmen und dem Kläger über den 30. September 1991 hinaus Altersruhegeld zu gewähren.

Nach § 44 Abs. 1 S. 1 des Sozialgesetzbuches, 10. Buch ? SGB X ? ist ein (unanfechtbar gewordener) Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem sich als unrichtig erweisenden Sachverhalt ausgegangen worden ist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Beklagte hat in ihrem Bescheid vom 6. April 1992, einem unanfechtbar gewordenen Verwaltungsakt, in dem sie es abgelehnt hat, dem Kläger über den 30. September 1991 hinaus Altersruhegeld aus der deutschen Rentenversicherung zu gewähren, weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist. Vielmehr hat sie zutreffend das In-Kraft-Treten des DPSVA 1990 berücksichtigt und dass keine Umstände vorliegen, die seither für den Kläger noch Ansprüche aus dem DPRA 1975 begründen.

Nach dem (gemäß der Bekanntmachung BGBl. II 1991 S. 1072) am 1. Oktober 1991 in Kraft getretenen DPSVA 1990 werden für eine in Deutschland zu gewährende Rente nur noch die in Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten - die der Kläger nicht hat - zugrunde gelegt (vgl. Art. 17 Abs. 2, 18 Abs. 2 DPSVA 1990). Dieses Abkommen ist auf den Kläger anwendbar, weil er (erst) nach dem 31. Dezember 1990 seinen "Wohnort" von Polen nach Deutschland verlegt hat (Art. 27 Abs. 1 S. 2 DPSVA 1990). Wohnort in diesem Sinne ist der Ort des "gewöhnlichen Aufenthalts", wobei es sich um einen unbefristeten rechtmäßigen Aufenthalt handeln muss (Art. 1 Nr. 10 DPSVA 1990). Der Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" entspricht dem in § 30 Abs. 3 S. 2 des Sozialgesetzbuches, 1. Buch ? SGB I ? (vgl. Bundessozialgericht, Sozialrecht 3?6710 Art. 1 Nr. 1, Sozialrecht 3?1200 § 30 Nr. 5, 15 und Urteil vom 14. September 1994 - 5 RJ 10/94 -) und bedeutet, dass sich derjenige dort unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort nicht nur vorübergehend verweilt. Dafür muss sich einerseits der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse im Inland befinden und andererseits der Aufenthalt dauerhaft, also nicht auf Beendigung angelegt, sondern "zukunftsoffen" sein. Allerdings ist insoweit ein "Domizilwille", der mit den sonstigen Umständen nicht übereinstimmt und dem insbesondere ein rechtliches Hindernis entgegensteht, unbeachtlich. Ausländer, die ohne erforderliche Aufenthaltserlaubnis bereits kraft Gesetzes zur Ausreise verpflichtet sind (§ 42 Abs. 1 des Ausländergesetzes -AuslG- vom 9. Juli 1990 ? BGBl. I S. 1126) haben deshalb einen "gewöhnlichen Aufenthalt" in Deutschland nur, wenn sie sich hier berechtigterweise (auf Dauer) aufhalten (Bundessozialgericht, Sozialrecht 3?6710 Art. 1 Nr. 1). Entscheidend dabei ist der Inhalt des Aufenthaltstitels, nicht seine Form. Demgemäß würde auch ein befristeter Aufenthaltstitel ausreichen, jedoch nur, wenn es sich um eine "schlichte" Befristung handelt, die "zukunftsoffen" in der Regel verlängert wird (Bundessozialgericht, Urteil vom 14. September 1994 ? 5 RJ 10/94 ?), nicht jedoch, wenn die Erlaubnis nur zu einem vorübergehenden Zweck erteilt wurde. Es genügt auch nicht eine Prognose, gemäß der bei einem zunächst vorübergehenden Aufenthalt später mit einem dauerhaften zu rechnen ist, vielmehr kann ein gewöhnlicher Aufenthalt erst ab Vorliegen des entsprechenden "zukunftsoffenen" Aufenthaltstitels begründet werden.

Vorliegend mag der Kläger zwar am 1. September 1990 mit dem festen Willen eingereist sein, sich hier auf Dauer aufzuhalten. Seinem gewöhnlichen Aufenthalt stand jedoch trotz des "Domizilwillens" ein fehlender hinreichender Aufenthaltstitel entgegen. Zunächst durfte er sich - ohne Visum - aufgrund alliierter Regelungen in den Westsektoren von Berlin lediglich für wissenschaftliche, technische, kulturelle, sportliche oder touristische Zwecke und längstens für 31 Tage aufhalten - Nr. 2 a und c BK/O (67) 7 vom 17. Juli 1967 der Alliierten Kommandantura Berlin, GVBl. 1967 S. 1028 -, später war sein Aufenthalt aufgrund des Visums vom 5. Dezember 1990 nur zu "Besuchsreisen" bis zum 8. Februar 1991 erlaubt. Ein derartiges Visum konnte im Übrigen höchstens bis zu sechs Monaten verlängert werden (§§ 3, 8 Abs. 1 Nr. 2, 13 Abs. 2 AuslG). Diese Aufenthaltstitel waren also nicht "zukunftsoffen" und schlossen die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes aus. Erst durch die Eheschließung mit einer Deutschen (am 8. März 1991) erwarb der Kläger in Deutschland unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes ein "zukunftsoffenes" Aufenthaltsrecht.

Dieses Ergebnis stimmt im Übrigen im Wesentlichen mit den eigenen Angaben des Klägers in seinem Rentenantrag vom 9. April 1991 überein, wonach er am 1. März 1991 aus Polen nach Deutschland zugezogen sei, ferner mit seinem Antrag auf Einstellung der polnischen Rente ab 1. April 1991 (die bis zu diesem Zeitpunkt einen Wohnort in Polen voraussetzte).

Unerheblich ist deshalb, ob der Kläger, wie behauptet und von seiner Ehefrau als Zeugin bestätigt, am 1. Dezember 1990 den vorgelegten Mietvertrag für die Wohnung in der K tatsächlich geschlossen und die Wohnung bezogen hat, obwohl er sich gemäß seiner gegenüber dem polnischen Rentenversicherungsträger abgegebenen Erklärung vom 6. Mai 1997 zu dieser Zeit - vom 10. September bis zum 9. Dezember 1990 - in Polen aufgehalten hat und der Mietvertragsvordruck offensichtlich erst im Mai 1991 hergestellt wurde. Einer weiteren Sachaufklärung bedarf es deshalb nicht.

Findet auf den Kläger mithin das DPSVA 1990 Anwendung, kann er auch nicht aufgrund übergangsrechtlicher Vorschriften noch Rechte aus dem DPRA 1975 herleiten.

Soweit Art. 27 Abs. 2 S. 1 DPSVA 1990 vorsieht, dass die vor dem 1. Januar 1991 aufgrund des DPRA 1975 in Deutschland erworbenen Ansprüche und Anwartschaften nicht berührt werden, solange die Person auch nach dem 31. Dezember 1990 ihren Wohnort in Deutschland beibehält, scheitert ein Anspruch des Klägers bereits daran, dass er vor dem 1. Januar 1991 keinen Wohnort (gewöhnlichen Aufenthalt) in Deutschland hatte und deshalb auch nicht über den 31. Dezember 1990 "beibehalten" konnte, er im Übrigen aber auch mangels eines Wohnortes (gewöhnlichen Aufenthalts) in Deutschland bis zum 31. Dezember 1990 einen Anspruch auf Rente nach dem DPRA 1975 (vgl. Art. 4 i.V. mit Art. 1 Nr. 2 DPRA 1975) erworben hatte.

Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen des Art. 27 Abs. 3 DPSVA 1990. Danach erwerben auch Personen Ansprüche und Anwartschaften nach dem DPRA 1975 für die bis zur Einreise zurückgelegten Versicherungszeiten, die vor dem 1. Januar 1991 in Deutschland eingereist sind, bis zu diesem Zeitpunkt die Verlegung des Wohnortes in den anderen Vertragsstaat beantragt haben und sich dort seither ununterbrochen aufhalten, sofern sie im Zeitpunkt des Versicherungsfalles, spätestens vom 30. Juni 1991 an, in diesem Vertragsstaat (hier Deutschland) wohnen. Zwar war der Kläger bereits vor dem 1. Januar 1991 nach Deutschland eingereist, spätestens am 9. Dezember 1990. Einerseits hatte er hier aber im Zeitpunkt des Versicherungsfalles (noch) nicht gewohnt (sich "gewöhnlich aufgehalten"), andererseits auch nicht vor dem 1. Januar 1991 "die Verlegung des Wohnortes in den anderen Vertragsstaat beantragt". Selbst wenn die Eheschließung mittelbar als "Verlegung des Wohnortes" angesehen werden könnte, wäre diese erst mit der Bestellung des Aufgebotes am 15. Januar 1991 "beantragt" worden. Deshalb kann dahinstehen, ob ? wie das Sozialgericht meint ? das kurzzeitige (und möglicherweise schuldlose) Fehlen eines Aufenthaltstitels trotz tatsächlichen Aufenthalts (vgl. Art. 1 Nr. 11 DPSVA 1990) einen "ununterbrochenen" Aufenthalt ausschlösse.

Schließlich kann sich der Kläger auch nicht auf die Härteregelung des Art. 27 Abs. 4 DPSVA 1990 berufen. Diese sieht vor, dass Ansprüche und Anwartschaften in der Rentenversicherung nach dem DPRA 1975 auch Personen erwerben, die vor dem 1. Juli 1991 ihren Wohnort in den anderen Vertragsstaat verlegen, "wenn die Verlegung des Wohnorts vor dem 1. Januar 1991 aus Gründen unterblieben ist, die diese Personen nicht zu vertreten haben". Obwohl der Kläger erst durch die Eheschließung mit einer Deutschen das Recht erwarb, in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen und damit seinen "Wohnort hierher zu verlegen", stellt die Eheschließung keine "Verlegung des Wohnortes" im Sinne der Vorschrift dar. Unerheblich ist deshalb, aus welchen Gründen die Eheschließung vor dem 1. Januar 1991 unterblieb.

Unabhängig davon wäre aber auch die Eheschließung vor dem 1. Januar 1991 nicht aus Gründen unterblieben, die der Kläger "nicht zu vertreten" hat. Ungeachtet dessen, dass keine Gründe ersichtlich sind, weshalb die Ehe nicht schon vor der Einreise des Klägers in Polen hätte geschlossen werden können, mag es zwar möglicherweise aus Gründen, die der Kläger nicht beeinflussen konnte - Einführung der Visumspflicht, Notwendigkeit der Anerkennung des polnischen Scheidungsurteils -, zu einer Eheschließung erst nach dem 31. Dezember 1990 gekommen sein. Indes hat es der Kläger als Ausländer mit einem ausländischen Scheidungsurteil durchaus zu vertreten, dass er erst durch die Eheschließung mit einer Deutschen ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland erwarb, für die Einreise ein Visum benötigte und das Scheidungsurteil anerkannt werden musste. Lediglich die behauptete, aber nicht durch entsprechende Unterlagen belegte ungewöhnliche Bearbeitungsdauer bei der Anerkennung des Scheidungsurteils, die zu einer Verlegung des Hochzeitstermins vom 1. Februar auf den 8. März 1991 geführt haben soll, wäre ihm nicht zuzurechnen. Das ist jedoch ohne Bedeutung, da auch bei einer Eheschließung bereits am 1. Februar 1991 der Stichtag (31. Dezember 1990) nicht eingehalten wäre.

Kann der Kläger demgemäß Rechte aus dem DPRA 1975 nicht mehr herleiten, steht ihm seit dem 1. Oktober 1991 kein Altersruhegeld aus der deutschen Rentenversicherung mehr zu, so dass die Berufung keinen Erfolg haben konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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