L 8 RA 18/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 18 RA 3861/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 RA 18/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. April 2001 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 7. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2000 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 11. April 1995 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Berufung im Übrigen wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1940 geborene Kläger ist Vertriebener mit dem Vertriebenenausweis A. Er war im Beitrittsgebiet als Diplom-Wirtschaftler beschäftigt, und zwar vom 15. Oktober 1963 an beim VEB Maschinelles Rechnen, Berlin, vom 22. Mai 1967 an beim VE SBK Verkehrsbau Magdeburg, vom 1. August 1966 an am Institut für Schienenfahrzeuge, Berlin, vom 1. Februar 1968 an beim VVB Kühl- und Lagerwirtschaft, Berlin und vom 1. Oktober 1969 an beim Ingenieurbüro für Rationalisierung der Deutschen Reichsbahn, Berlin. Er verdiente vom 1. Oktober 1969 an monatlich 1240 Mark, wegen der seit dem 1. Januar 1970 erzielten Jahresverdienste wird Bezug genommen auf die Bescheinigung der Deutschen Bahn AG vom 27. März 1995. Der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) war er nicht beigetreten.

Am 19. September 1985 übersiedelte der Kläger in das Bundesgebiet. Mit Bescheid vom 23. September 1986 erkannte die Beklagte die Zeiten der Beschäftigung in der DDR als Beitragszeiten nach § 15 Fremdrentengesetz (FRG) ohne Kürzung an, und zwar für die Zeit vom 1. August 1968 bis zum 18. September 1985 in der Leistungsgruppe 2.

Der Kläger beantragte am 23. Februar 1995 erneut eine Rentenauskunft, nachdem er auf eine telefonische Auskunft hin erfahren habe, dass das FRG für nach 1937 geborene Versicherte nicht mehr gelte. Dazu teilte er mit, dass er als Reichsbahner der FZR nie beigetreten sei, weil die besondere Altersversorgung der Reichsbahn (mit einem Steigerungssatz von 1,5) eine FZR-Versorgung nicht notwendig gemacht habe. Für die Zeit vom 1. März 1971 an seien daher Überentgelte zu berücksichtigen. Mit Bescheid vom 11. April 1995 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es sei geprüft worden, ob und welche der angegebenen Zeiten für die gesetzliche Rentenversicherung erheblich seien und nach den gesetzlichen Bestimmungen anerkannt werden könnten. Für die Zeit vom 1. März 1971 bis zum 18. September 1985 könnten die Arbeitsverdienste nur bis zu einem Betrag von monatlich 600 Mark berücksichtigt werden, weil ein Beitritt zur FZR nicht erfolgt sei, obwohl dieser möglich gewesen wäre. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Nach klägerischen Angaben erteilte die Beklagte mit dem 20. Oktober 1998 eine Rentenauskunft, deren Inhalt nicht aktenkundig ist. Zugleich stellte sie die rentenrechtlichen Zeiten vom 1. Januar 1989 bis 31. Dezember 1991 in einem Vormerkungsbescheid vom selben Tage fest.

Am 22. März 1999 beantragte der Kläger die Überprüfung der festgestellten Entgelte in den Bescheiden zur Rentenauskunft vom 11. April 1995 und 20. Oktober 1998 und bezog sich dazu auf Urteile des BSG in Parallelverfahren vom 10. November 1998 (B 4 RA 33/98 R und andere). Die Beklagte legte die vom Kläger angegriffenen Feststellungen für die Jahre 1971 bis 1985 bei einer Rentenauskunft vom 22. November 1999 zugrunde (die sich nicht bei den Akten befindet) und stellte mit Vormerkungsbescheid vom selben Tag die rentenrechtlichen Zeiten vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 1992 fest. Sie teilte dem Kläger auf seinen Widerspruch hin mit, der Bescheid vom 11. April 1995 sei bestandskräftig geworden, so dass ein Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. November 1999 nicht zulässig sei. Mit Bescheid vom 7. März 2000 lehnte sie die Anerkennung der bei der Deutschen Reichsbahn tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte vom 1. März 1971 bis zum 19. September 1985 ab. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG ergebe sich kein Anspruch auf deren Berücksichtigung nach § 256a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Der Rechtsauffassung des BSG werde von den Rentenversicherungsträgern nicht gefolgt. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2000).

Der hiergegen zum Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage hat das SG mit Urteil vom 9. April 2001 stattgegeben. Es hat entsprechend dem zuletzt vom Kläger gestellten Antrag die Bescheide vom 23. September 1986, 11. April 1995 und 25. Oktober 1998 (gemeint ist vom 20. Oktober 1998) in der Form des Bescheides vom 7. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2000 geändert und die Beklagte verurteilt, (weitere) Arbeitsentgelte für die Jahre 1971 bis 1985 vorzumerken. Für den Zeitraum vom 1. Januar 1974 bis zum 31. Dezember 1984 sei dabei das tatsächlich erzielte Entgelt bis zu 1280 Mark monatlich und für den Zeitraum vom 1. Januar bis 19. September 1985 7.649, 97 Mark vorzumerken. Rechtsgrundlage hierfür sei § 256a Abs. 2 SGB VI, der entsprechend der Rechtsprechung des BSG dahin auszulegen sei, dass der Kläger die Anrechnungsvoraussetzungen für eine sog. alte Versorgung erfülle. Da der Kläger unter anderem die Voraussetzungen der Übergangsregelung im 32. Nachtrag zum Rahmenkollektivvertrag für die Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn erfüllt habe, seien für ihn der jeweils erzielte Arbeitsverdienst bis zur Höhe von 1280 Mark zu berücksichtigen gewesen. Da die Bewertung der vorgemerkten Zeiten erst im Leistungsfall erfolgen dürfe, sei eine ggf. zu erwartende Beschränkung der vorzumerkenden Entgelte auf die Beitragsbemessungsgrenze (nach Erhöhung mit den Werten der Anlage 10) noch nicht geprüft worden.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Nach Inkrafttreten des 2.AAÜGÄndG vom 27. Juli 2001 (BGBl. I, 1939) hat sie für die Zeit vom 1. März 1971 bis 31. Dezember 1973 die tatsächlich erzielten Entgelte mit Bescheid vom 16. Oktober 2001 bis zur Beitragsbemessungsgrenze festgestellt und die Berufung insoweit zurückgenommen. Sie hat mit Bescheid vom 20. August 2002, der sich nicht bei den Akten befindet, die rentenrechtlichen Zeiten vom 1. Januar 1965 bis 19. Juli 1966 und vom 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 1995 erstmals und die rentenrechtlichen Zeiten vom 1. März 1971 bis zum 31. Dezember 1973 erneut festgestellt.

Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte dem Kläger eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit für Zeiten ab dem 1. Januar 2003 gewährt (Bescheid vom 28. Januar 2003). Sie hat dabei ua "Hinweise zur Berücksichtigung von Zeiten” (Seite 3 des Bescheides) erteilt, wonach Zeiten zurückgelegt worden seien, die nach den bisherigen rentenrechtlichen Vorschriften berücksichtigt worden seien. Diese Vorschriften seien zum Teil aufgehoben oder geändert worden. Insbesondere sei die Bewertung der Zeiten neu geregelt worden. Es sei daher geprüft worden, in welchem Umfang die Zeiten nach den jetzt maßgebenden Vorschriften anzurechnen seien. Der Bescheid vom 20. August 2002 über die Feststellung dieser Zeiten werde nach § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI aufgehoben, soweit er nicht dem geltenden Recht entspreche. Auf die übrigen Kontenklärungsbescheide aus den Jahren 1986 bis 1999 ist nicht Bezug genommen. Bei der Rentenhöchstwertfestsetzung sind für die Zeit ab dem 1. Januar 1974 bis zum 18. September 1985 die Werte aus dem Bescheid vom 11. April 1995 zugrunde gelegt worden. Die Rente sei unter Außerachtlassung der gegen den Bescheid vom 7. März 2000 geltend gemachten Ansprüche berechnet worden. Sie werde neu festgestellt, wenn und soweit dieses Verfahren zu Gunsten des Klägers beendet werde. Wegen dieser Ansprüche sei ein Widerspruch gegen den Rentenbescheid ausgeschlossen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch hat die Beklagte unter Hinweis auf die Außerachtlassungsklausel als unzulässig verworfen (Widerspruchsbescheid vom 28. August 2003).

Die Beklagte ist der Auffassung, für die Zeit vom 1. Januar 1974 bis 18. September 1985 scheide die Anerkennung der oberhalb von 600 Mark monatlich liegenden Arbeitsverdienste aus, weil der Kläger seine Beschäftigung bei der Deutschen Reichsbahn erst zum 1. Oktober 1969 aufgenommen habe und deshalb dort zum 1. Januar 1974 noch nicht für zehn Jahre ununterbrochen beschäftigt gewesen sei. Dies ergebe sich aus § 256a Abs. 2 Satz 3 SGB VI, den das BSG mit Urteil vom 11. Dezember 2002 (B 5 RJ 14/00 RSozR 3-2600 § 256a Nr. 10) ausdrücklich als verfassungskonform angesehen habe. Im Übrigen hat sie in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass dem Bescheid vom 23. September 1986 in Bezug auf die vorliegend noch streitigen Zeiträume keine Bindungswirkung mehr zukomme, da er mit dem Bescheid vom 11. April 1995 konkludent aufgehoben worden sei. Bei aufeinander folgenden Herstellungs- und Vormerkungsbescheiden könne ein Folgebescheid, dessen Feststellungen von denen des vorangehenden Bescheides abwichen, aus Sicht des Empfängers nicht anders verstanden werden, als dass er insoweit den vorangehenden Bescheid zugleich für die Zukunft aufhebe. Diese Auffassung entspreche der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2600 § 149 Nr. 6).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit das Begehren des Klägers nicht mit Bescheid vom 16. Oktober 2001 anerkannt worden ist.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten des Sozialgerichts Berlin (S 18 RA 3861/00) vorgelegen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig.

Das Berufungsbegehren der Beklagten ist auf eine vollständige Aufhebung des sozialgerichtlichen Urteils gerichtet, soweit der Rechtsstreit nicht durch angenommenes Teilanerkenntnis (hinsichtlich des Zeitraums vom 1. März 1971 bis 31. Dezember 1973) in der Hauptsache seine Erledigung gefunden hat. Der insoweit klarstellende Antrag der Beklagten entspricht diesem mit der Berufung verfolgten sachlichen Begehren. Dieses Begehren ist insgesamt zulässig. Unabhängig davon, ob für die Zulässigkeit der Berufung der Beklagten die formelle Beschwer genügt (so BSG SozR 3-4100 § 116 Nr. 1 ), die darin liegt, dass die Beklagte vor dem SG mit ihrem Antrag, die Klage abzuweisen, nicht durchgedrungen ist, ist sie durch das Urteil des SG materiell beschwert, und zwar auch soweit das SG tenoriert hat, der Bescheid vom 23. September 1986 werde geändert. Dem Tenor des SG unter Heranziehung der Urteilsgründe lässt sich noch mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass die Verurteilung als Verpflichtung der Beklagten zu verstehen ist, die Bescheide vom 23. September 1986, vom 11. April 1995 und vom 20. Oktober 1998 aufzuheben und die weiteren Entgelte zu berücksichtigen. Aus den Urteilsgründen lässt sich ersehen, dass dem SG bewusst war, dass Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens ein Überprüfungsantrag des Klägers ist und eine Änderung der genannten Bescheide durch das Gericht selbst nicht möglich war, sondern es nur durch eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten zu einer Änderung der bestandskräftigen Bescheide kommen kann. Dies folgt aus den ausführlichen Darlegungen zu § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf den Seiten 3 und 4 des Urteils. Ein entsprechend auszulegender Tenor war der Prüfung der Beschwer durch das Berufungsgericht zugrunde zu legen. Der Bescheid vom 23. September 1986 findet zwar weder im Tatbestand noch in den Entscheidungsgründen des SG Erwähnung, der Tenor ist aber insoweit eindeutig: Das SG hat eine Regelung in Bezug auf diesen Bescheid getroffen und gemeint, die Beklagte sei zu einer (nur) teilweisen Änderung dieses Bescheides (noch) verpflichtet; im Übrigen sei der Bescheid weiterhin zwischen den Beteiligten bindend. Die Beklagte ist dagegen der Auffassung, eine Verurteilung zur Änderung komme nicht (mehr) in Betracht, da von dem Bescheid irgendwelche Rechtswirkungen nicht mehr ausgingen. Darin liegt die zulässigerweise geltend gemachte Beschwer auch im Hinblick auf den Bescheid vom 23. September 1986.

II. Die Berufung hat in der Sache nur zum Teil Erfolg.

1. Die vom Kläger erhobene Klage war nur zu einem Teil zulässig. Soweit sie unzulässig war, war sie auf die Berufung der Beklagten hin abzuweisen.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom Bescheid vom 7. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2000. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte es auf den Überprüfungsantrag des Klägers hin in der Sache abgelehnt, den Bescheid vom 11. April 1995 aufzuheben und weitere Entgelte festzustellen. Zulässig ist vorliegend allein die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage des Klägers mit dem Ziel, eine Aufhebung des Bescheides vom 7. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2000 und eine Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Bescheides vom 11. April 1995 und Änderung der darin enthaltenen Feststellungen in seinem Sinne zu erreichen.

Die Klage war dagegen nicht zulässig, soweit die Beklagte zur Aufhebung der Bescheide vom 23. September 1986 und vom 20. Oktober 1998 verpflichtet werden sollte. Der Bescheid vom 23. September 1986 begünstigt den Kläger nur. Ihm mag bei Stellung des Überprüfungsantrages zwar bewusst gewesen sein, dass im Zuge der beitrittsbedingten Rechtsänderungen dieser Bescheid zukünftig zu seinen Lasten geändert werden könnte, daraus lässt sich aber nicht schließen, dass er selbst die Änderung dieses Bescheides erreichen wollte. Mit Bescheid vom 20. Oktober 1999 hat die Beklagte gesondert nur die rentenrechtlichen Zeiten vom 1. Januar 1989 bis 31. Dezember 1991 festgestellt. Beide Bescheide treffen damit ersichtlich keine Regelungen, die der Kläger angegriffen hätte. Dem entsprechend hat die Beklagte insoweit auch keine Überprüfung dieser bestandskräftigen Bescheide vorgenommen; die durchgeführte Überprüfung beschränkte sich der Sache nach vielmehr nur auf den Bescheid vom 11. April 1995. Die Bescheide sind damit weiterhin bindend (§ 77 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), worauf im Folgenden vertieft einzugehen ist; sie können weder zulässigerweise angefochten werden, noch kann die Beklagte - mangels vorangegangenem Überprüfungsverfahren - zu ihrer Aufhebung verpflichtet werden. Die Klage war insoweit als unzulässig abzuweisen.

Der Bescheid vom 28. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2003, mit dem die Beklagte während des laufenden Verfahrens die Rente des Klägers festgestellt hat, ist schließlich nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden. Zwar geht das BSG in seiner Rechtsprechung für bestimmte Konstellationen davon aus, dass im Verhältnis Vormerkungsverfahren – Rentenverfahren eine analoge Anwendung der Vorschrift geboten sei. Das müsse jedenfalls dann gelten, wenn die Einbeziehung des neuen Verwaltungsaktes in das Verfahren dem Willen der Beteiligten entspreche, so dass ein Rentenbescheid, der während eines Vormerkungs-, Herstellungs- oder Wiederherstellungsverfahrens erlassen worden ist, regelmäßig Gegenstand des deswegen anhängigen Rechtsstreits werde ( ). Ob dies auch gelten kann, wenn der Vormerkungsbescheid selbst bestandskräftig ist (und also der Rentenversicherungsträger unter keinem Gesichtspunkt gehindert ist, wegen der Rentenhöchstwertfestsetzung abschließend zu entscheiden) und lediglich ihre Überprüfung angestrebt wird, kann dahin stehen. Jedenfalls gilt anderes, wenn der Versicherungsträger sich bereit erklärt hat, bei Erfolg der ursprünglichen Klage den Rentenbescheid rückwirkend zu korrigieren (BSGE 48, 100). Auch vorliegend ist schon von daher ein Wille der Beklagten, der Rentenbescheid solle einbezogen werden, nicht erkennbar. Der Rentenbescheid vom 28. Januar 2003 beinhaltet eine so genannte Außerachtlassungsklausel, auf die sich die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 28. August 2003 ausdrücklich berufen hat; dem entspricht es, wenn die Beteiligten zuletzt dem Gericht gegenüber erklärt haben, eine Einbeziehung analog § 96 SGG in das Verfahren werde nicht (mehr) angestrebt. Auch die Erweiterung der Klage im Hinblick auf den Rentenbescheid (§ 99 SGG) hat der Kläger zuletzt nicht mehr geltend gemacht. 2. Im Übrigen hat die Berufung der Beklagten nur in geringem Umfang Erfolg.

Nach § 44 Abs. 2 iVm Abs. 1 SGB X ist ein rechtswidriger, nicht begünstigender Bescheid, dessen Regelungsgehalt weder Beiträge noch Sozialleistungen waren, auch nach seiner Unanfechtbarkeit mit Wirkung für die Zukunft oder – im Wege der Ermessensentscheidung - mit Wirkung für die Vergangenheit ganz oder teilweise zurückzunehmen. Nach dieser Regelung ist die Beklagte verpflichtet, den Bescheid vom 11. April 1995 von Anfang an aufzuheben, denn er war von Beginn an rechtswidrig. Irgendwelche Gesichtspunkte dahin, von einer Aufhebung von Anfang an abzusehen, sind nicht ersichtlich. Insoweit hat das Begehren des Klägers Erfolg (dazu im Folgenden unter A.). Eine weitergehende Verpflichtung der Beklagten kam dagegen nicht in Betracht. Dem steht die Bindungswirkung des Bescheides vom 23. September 1986 entgegen (dazu im Folgenden unter B.).

A. Die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 11. April 1995 misst sich an § 149 SGB VI. Nach § 149 Abs. 5 SGB VI ist der Versicherungsträger verpflichtet und befugt, durch feststellenden Verwaltungsakt in Schriftform (sog Vormerkungsbescheid) die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, verbindlich festzustellen (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG SozR 3-2200 § 1325 Nr. 3 S 5; SozR 3-2600 § 58 Nr. 3 S 10). Soweit diese "Daten" rentenrechtliche Zeiten im Sinne von § 54 Abs. 1 SGB VI sind, bedeutet dies, dass - "beweissichernd" für den später vielleicht eintretenden Leistungsfall - für die im Bescheid aufgeführten Zeiträume verbindlich geklärt wird, dass sie den Tatbestand der jeweiligen rentenrechtlichen Zeit erfüllen. Ob der Tatbestand einer rentenrechtlichen Zeit vorzumerken ist, bestimmt sich nach der im jeweils maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt gültigen materiell-rechtlichen Regelung, hier also §§ 55, 248 Abs. 3 SGB VI. Über den zeitlichen Umfang solcher Beitragszeiten besteht vorliegend kein Streit.

Die Beteiligten und das SG gehen davon aus, dass mit einem Vormerkungsbescheid auch die im Beitrittsgebiet erzielten Verdienste im Sinne des § 256a Abs. 1 und Abs.3 SGB VI, die als nachgewiesenes beitragspflichtiges Entgelt der späteren Bewertung der rentenrechtlichen Zeit zugrunde liegen, bindend festgestellt werden dürfen und müssen. Das SG ist weitergehend offenbar der Ansicht, dass der Beklagten bei Erlass eines Bescheides nach § 149 SGB VI nur die Festlegung in Bezug auf die Beitragsbemessungsgrenze, nicht aber in Bezug auf die übrigen Bewertungsfaktoren versagt ist. Es kann offen bleiben, ob diese Rechtsauffassung zutreffend ist und (ähnlich wie bei der Einstufung in Leistungsgruppen nach dem FRG in Herstellungsbescheiden) in einem Vormerkungsbescheid nach § 149 SGB VI zur Beweissicherung bestimmte (begrenzte) Verdienste festgestellt werden dürfen. Der Senat hat angesichts der Rechtsprechung des BSG zum zulässigen Inhalt eines Vormerkungsbescheides nach § 149 Abs. 5 SGB VI hieran erhebliche Zweifel. Es spricht vieles dafür, dass der Bescheid vom 11. April 1995 schon deshalb rechtswidrig ist, weil die Beklagte vor Eintritt eines Leistungsfalles (in einer der Versicherungssparten der gesetzlichen Rentenversicherung) nur darüber befinden darf, ob der behauptete Tatbestand nach seinen derzeitigen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen erfüllt ist (also eine gleichgestellte Beitragszeit nach §§ 55, 248 Abs. 3 SGB VI in den streitigen Zeiträumen vorliegt), während über die Bewertung dieses Tatbestandes (hier also insbesondere der Ermittlung von Entgeltpunkten für Beitragszeiten nach §§ 70, 256a SGB VI) erst bei Feststellung einer Leistung entschieden werden darf (§ 149 Abs. 5 Satz 2 [jetzt Satz 3] SGB VI; ständige Rechtsprechung, stellvertretend: BSGE 42, 159, 160; BSGE 31, 226, 230; BSGE 49, 44, 46 = SozR 2200 § 1259 Nr. 44 S. 119; BSGE 56, 151, 152 f = SozR 2200 § 1259 Nr. 82 S. 225 ff; BSG SozR § 1259 Nr. 109 S. 294; SozR 3-2200 § 1325 Nr. 3 S. 6).

Jedenfalls ist der Bescheid vom 11. April 1995 rechtswidrig, weil die Beklagte die Bindungswirkung (§ 77 SGG) des vorangegangenen Herstellungsbescheides vom 23. September 1986 nicht beachtet hat.

Mit ihrem bindend gewordenen Bescheid vom 23. September 1986 hat die Beklagte gemäß § 11 Abs. 2 der Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO) in der bis zum 31. 12. 1991 geltenden Fassung außerhalb des Leistungsfeststellungsverfahrens Versicherungsunterlagen für Zeiten hergestellt, die nach dem FRG anrechenbar waren. Sie hat hierbei die vom Kläger in der DDR zurückgelegten Beitragszeiten entsprechend der zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 23. September 1986 maßgeblichen Rechtslage zu Recht als Beitragszeiten im Sinne des § 15 Abs. 1 FRG (a. F.) anerkannt und in die entsprechenden Leistungsgruppen eingestuft.

Bei einem sog Herstellungsbescheid nach § 11 Abs. 2 VuVO handelt es sich um einen feststellenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, mit dem der Rentenversicherungsträger gesetzliche Tatbestandsmerkmale einer künftigen Leistungsgewährung ausnahmsweise im voraus feststellen darf (vgl. BSGE 32, 110, 112 f = SozR Nr. 1 zu § 11 VuVO; BSG SozR 5745 § 11 Nr 2 mwN). Das durch den so genannten Herstellungsbescheid abgeschlossene Herstellungsverfahren dient der (Re-)Konstruktion des Versicherungsverlaufs. Es zielt - wie auch das Vormerkungsverfahren - auf "Beweissicherung" ab, d.h. auf die möglichst zeitnahe verbindliche Feststellung von Tatsachen, die (nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Feststellung) möglicherweise in einem künftigen Leistungsfall rentenversicherungsrechtlich bedeutsam werden können und gerade im Hinblick auf die im Zeitpunkt der Feststellung maßgebliche Rechtslage ermittelt werden. Anders als beim Rentenbescheid betrifft der der Bindungswirkung fähige Verfügungssatz eines Herstellungsbescheides auch die in ihm aufgeführten Versicherungszeiten/rentenrechtlichen Zeiten. Die Bindung bezieht sich daher sowohl auf die anerkannten Versicherungszeiten als auch auf die dabei etwa vorgenommene Einstufung in Leistungsgruppen (ständige Rspr. vgl. BSGE 32, 110, 112 = SozR Nr. 1 zu § 11 VuVO; BSG SozR 1500 § 77 Nr 61; BSGE 46, 236, 238 = SozR 1500 § 77 Nr 29). Wird der Herstellungsbescheid bindend, ist der Versicherungsträger nicht nur bei der erstmaligen Feststellung der Rente, sondern auch bei allen künftigen Änderungen an ihn gebunden, solange er nicht zurückgenommen ist (BSG SozR 1300 § 48 Nr. 55).

Unabhängig von der Frage, ob und inwieweit die Beklagte außerhalb des Verfahrens der Rentengewährung nach § 149 SGB VI überhaupt berechtigt wäre, Entgelte nach § 256a Abs. 3 SGB VI für das Rentenverfahren bindend festzustellen, ist der Bescheid vom 11. April 1995 damit schon deshalb rechtswidrig, weil er jedenfalls Feststellungen trifft, die dem Bescheid vom 23. September 1996 entgegenstehen, ohne dass dieser zuvor (oder auch in der Folge) aufgehoben worden ist, Dass trotz Art. 38 Rentenüberleitungsgesetz (RÜG), der die Aufhebung bindender Vormerkungsbescheide nach dem FRG erleichtert, eine Aufhebung der Sache nach erforderlich ist, ergibt sich schon aus dem Wortlaut dieser Vorschrift. Der Aufhebung eines Herstellungsbescheides nach § 11 Abs. 2 VuVO in der Form eines Verwaltungsaktes bedürfte es lediglich dann nicht, wenn durch Art. 38 RÜG das Erfordernis einer Aufhebung früherer Herstellungsbescheide, deren Inhalt einer Rentenfeststellung entgegenstehen könnte, unmittelbar kraft Gesetzes entfallen wäre. Dass dies ist nicht der Fall ist, haben die zuständigen Senate des BSG mehrfach entschieden (BSG Urteil vom 29. April 1997 - 4 RA 25/96-, Urteil vom 16. Dezember 1997 - 4 RA 56/96 - und Urteil vom 13. Dezember 2000 - B 5 RJ 42/99 R).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine (konkludente) Aufhebung des Herstellungsbescheides nicht erfolgt. In dem Bescheid vom 11. April 1995 wird irgendein Bezug zu dem vorangegangenen Herstellungsbescheid nicht hergestellt. Aus Sicht des objektiven Empfängers stellt der Bescheid vom 11. April 1995 gerade nicht klar, in welchem Verhältnis er zu dem Bescheid vom 23. September 1986 stehen soll. Es wird weder ausdrücklich noch im Sachzusammenhang ausgesprochen, dass eine Aufhebungsentscheidung bezüglich bisheriger vorgemerkter Tatbestände erfolgen soll. Der Senat kann sich der Auffassung der Beklagten nicht anschließen, der Empfänger aufeinander folgender Herstellungs- bzw. Vormerkungsbescheide könne den Erhalt eines zweiten, abweichenden Bescheides nicht anders verstehen, als dass der vorangegangene Bescheid im Hinblick auf diese Abweichungen nicht mehr gelten solle. Gerade in der vorliegenden Konstellation, in der der folgende Bescheid auf vollständig anderen Rechtsgrundlagen als der erste Bescheid beruht, ist aus Sicht des Empfängers auch ein Nebeneinander der Bescheide (etwa für eine Günstigkeitsberechnung nach dem FRG) oder schlicht ein Bearbeitungsversehen seitens der Beklagten denkbar. Der Senat zweifelt nach Durchsicht der Akte ohnehin daran, dass von der Beklagten der Bescheid vom 23. September 1986 nach seinem Erlass bei der Bearbeitung der Angelegenheit des Klägers überhaupt noch irgendeine Beachtung gefunden hat. Irgendwelche Bearbeitungsvermerke, aus denen sich wenigstens intern ersehen ließe, dass die Notwendigkeit der Aushebung des Bescheides vom 23. September 1986 erkannt und eine solche erklärt werden sollte, sind nicht erkennbar. Es kann aber nicht Sache des Empfängers sein, sich aus vorangegangener und folgender Korrespondenz und Telefonaten mit der Beklagten und allgemeinen Informationen, die der Kläger offenbar der Presse entnommen hat, zu erschließen, dass die Beklagte wohl an dem Herstellungsbescheid nach § 11 Abs. 2 VuVO aus dem Jahre 1986 nicht festhalten wolle.

Aus der Entscheidung des BSG vom 30. August 2001 (B 4 RA 114/00 RSozR 3-2600 § 149 Nr. 6; ebenso zuletzt Urteil vom 30. März 2004 - B 4 RA 36/02 R, S. 8 des Umdrucks), die die Beklagte zur Begründung ihrer Auffassung in Anspruch nimmt, folgt nichts anderes. Der Senat sieht sich vielmehr in Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung, denn es genügt nach Auffassung des BSG für eine hinreichende Aufhebungsentscheidung bei aufeinander folgenden Vormerkungsbescheiden der Hinweis nicht, dass "ggf entgegenstehende Bescheide ( ) hiermit aufgehoben” werden. Vorliegend fehlt es aber an jedem Hinweis auf den Herstellungsbescheid nach § 11 Abs. 2 VuVO, den man als ausreichend bestimmte Aufhebungsentscheidung ansehen könnte.

B. Das Urteil des SG war dagegen aufzuheben, soweit es die Beklagte verpflichtet hat, bestimmte Verdienste als versicherte Entgelte zu berücksichtigen. Es ist schon zweifelhaft, ob der Kläger bezogen auf eine solche Feststellung (wenn sie denn im Rahmen des § 149 Abs. 5 SGB VI überhaupt zulässig wäre) überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis hat. Die Werte nach der Leistungsgruppe 2, die im bestandskräftigen Bescheid vom 23. September 1986 festgestellt sind, sind allesamt günstiger als ein Jahresverdienst bis zu 15.360 Mark (hochgewertet mit den Werten der Anlage 10). Jedenfalls wirkt sich die dargestellte Bindungswirkung des Bescheides vom 23. September 1986 aber auch dahin aus, dass eine den Kläger weitergehende begünstigende Feststellung nur getroffen werden könnte, wenn und insoweit der Bescheid vom 23. September 1986 aufgehoben würde. Diese Bindungswirkung des Bescheides vom 23. September 1986 wird die Beklagte auch bei der Rentenhöchstwertfestsetzung zu beachten haben. Wie dargelegt hat weder der Kläger eine solche Überprüfungsentscheidung in einem Verwaltungsverfahren beantragt noch die Beklagte eine Überprüfung bezogen auf den Bescheid vom 23. September 1986 durchgeführt. Das SG war unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt berechtigt, den bestandskräftigen, begünstigenden Bescheid vom 23. September 1986 zu ändern bzw. die Beklagte zu seiner Änderung zu verpflichten. Das Verpflichtungsbegehren des Klägers kann nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger im Ergebnis ganz überwiegend obsiegt hat.

Ein Grund für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) ist nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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