L 2 RA 270/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 4 RA 115/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 RA 270/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 07. Oktober 2003 wird zurückgewiesen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Verfahrens vor dem Landessozialgericht nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVtI) für die Zeit vom 16. Mai 1964 bis 24. Januar 1980 und vom 01. Mai 1989 bis 30. September 1991 sowie die Berücksichtigung der während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte.

Der im ... 1937 geborene Kläger ist Ingenieur (Urkunde der Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik B. vom 17. Juli 1970) und Diplomingenieur (Urkunde der H.-Universität zu B. vom 29. Juni 1976).

Von Mai 1955 bis 15. Mai 1964 war er Berufssoldat. Nach dem Besuch des Funkmess-Lehrganges (Dezember 1956 bis Oktober 1958) wurde er zum Unterleutnant ernannt. Nach seinen Angaben war er vom 16. Mai 1964 bis 1970 als Radaringenieur bei der Staatlichen Flughafenverwaltung B.-Sch., von 1971 bis 24. Januar 1980 als Technischer Leiter der Flugsicherung bei der Interflug Gesellschaft für internationalen Flugverkehr mbH (Interflug GmbH), von 1980 bis 1984 als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Gruppenleiter beim VEB F. E. T. von 1985 bis 30. April 1989 als Abteilungsleiter beim Kombinat E. B. T. und vom 01. Mai 1989 bis 30. September 1991 als Oberinspektor beim Amt für Standardisierung, Messwesen und Warenprüfung bzw. der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt tätig.

Der Kläger bezieht seit 01. August 1997 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (Bescheid vom 12. September 1997). Während des Rentenverfahrens hatte er um Berücksichtigung der Zeiten zur AVtI gebeten; eine entsprechende Versorgung sei ihm ab 1969 zugesichert worden.

Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 29. August 1997 die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVtI wegen Fehlens einer Versorgungsurkunde abgelehnt hatte, beantragte der Kläger im Juni 2000 erneut unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die Zugehörigkeit - ab 1964 bis 1980 - festzustellen. Er legte die Zeugenerklärung des G. Z. vom 25. Juni 1997 vor, wonach der Kläger ab 1964 in die AVtI aufgenommen worden sei.

Mit Bescheid vom 14. März 2001 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Tätigkeit bei der Interflug habe zwar der erworbenen Qualifikation entsprochen. Bei diesem Betrieb handele es sich jedoch nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb oder einen gleichgestellten Betrieb.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Interflug habe Aufgaben der Volkswirtschaft und der Flugsicherung gelöst. Außerdem hat er Feststellung auch der Zeit von März 1980 bis September 1991 begehrt.

Mit Bescheid vom 16. November 2001 stellte die Beklagte die Zeit vom 10. März 1980 bis 30. April 1989 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVtI unter Berücksichtigung der Arbeitsentgelte fest.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04. Januar 2002 wies sie den Widerspruch zurück: Die Interflug sei eine GmbH und damit kein produzierender VEB bzw. einem solchen auch nicht gleichgestellt gewesen. Der Kläger erfülle außerdem erst ab 17. Juli 1970 die persönlichen Voraussetzungen zur Einbeziehung in die AVtI, so dass eine Feststellung entsprechender Zeiten frühestens ab 01. Juli 1970 möglich sei. Die Zeit vom 01. Mai 1989 bis 30. Juni 1990 könne allenfalls der Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates (AVSt) zugeordnet werden. Eine Feststellung scheide jedoch mangels erfolgten Beitritts aus. Wegen der Schließung der Zusatzversorgungssysteme zum 30. Juni 1990 könnten auch nur bis zu diesem Zeitpunkt entsprechende Zeiten festgestellt werden.

Dagegen hat der Kläger am 25. Januar 2002 beim Sozialgericht Potsdam Klage erhoben und sein Begehren bezüglich der Zeit vom 16. Mai 1964 bis 24. Januar 1980 weiter verfolgt. Ihm sei laut vorgelegter Zeugenaussage vom 25. Juni 1997 eine mündliche Versorgungszusage erteilt worden.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

den Bescheid vom 14. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Januar 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Zeitraum vom 16. Mai 1964 bis 24. Januar 1980 als Zeit der Zugehörigkeit des Klägers zur AVtI sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Entgelte festzustellen.

Mit Urteil vom 07. Oktober 2003 hat das Sozialgericht - im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung - die Klage abgewiesen: Der Kläger habe am 30. Juni 1990 keine Anwartschaft erworben gehabt. Die Zeugenerklärung des G. Z. vom 25. Juni 1997 stelle weder einen Nachweis noch eine Glaubhaftmachung der Einbeziehung dar. Sie enthalte lediglich die Behauptung, der Kläger sei 1964 in die AVtI aufgenommen worden, ohne dass hierfür ein ausreichender Beleg angeführt werde. Der Kläger führe zwar ausweislich des Zeugnisses vom 17. Juli 1970 den Ingenieurtitel und hätte damit grundsätzlich ab 17. Juli 1970 - und nicht wie mit der Klage begehrt vom 16. Mai 1964 - in die AVtI aufgenommen werden können. Er habe jedoch im Hinblick auf die von ihm ausgeübte Tätigkeit als Radaringenieur bei der Staatlichen Flughafenverwaltung B.-Sch. und ab 1971 als Technischer Leiter Flugsicherung bei der Interflugdirektion Flugsicherung B.-Sch. nicht zum Kreis der obligatorisch in das Versorgungssystem Einzubeziehenden gehört. Weder die staatliche Flughafenverwaltung B.-Sch. noch später die Interflugdirektion Flugsicherung B.-Sch. seien weder ein volkseigener Produktionsbetrieb noch ein gleichgestellter Betrieb gewesen. Die Interflug sei eine GmbH und damit nach gesellschaftsrechtlichem Status bzw. Gesellschaftsform kein VEB gewesen. Als gleichgestellte Einrichtungen würden zwar Betriebe der Eisenbahn und der Schifffahrt, nicht jedoch solche der Luftfahrt genannt.

Gegen das ihm am 29. Oktober 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 19. November 2003 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Außerdem sei die Beklagte zu verpflichten, die im Bescheid vom 16. November 2001 nachgewiesene Zeit vom 10. März 1980 bis 30. April 1989 vom Rentenbeginn an rechtswirksam werden zu lassen. Schließlich müsse auch die Zeit vom 01. Mai 1989 bis 30. September 1991 angerechnet werden, da er in einem Ministerium tätig gewesen sei.

Es gebe eine Differenz zwischen den Entgeltpunkten des letzten Rentenbescheides vom 14. Februar 2003 und den Werten im Feststellungsbescheid.

Die Zugehörigkeit sei ab dem 16. Mai 1964 anzurechnen, denn er sei als Spezialist in den Kreis der Angehörigen der technischen Intelligenz einzureihen. Er habe erfolgreich die Funkmess(Radar)-Offiziersschule besucht.

Es sei im Übrigen verfassungswidrig, die technische Intelligenz bei der Interflug anders zu behandeln als in volkseigenen Betrieben. Auch die Interflug sei ein VEB gewesen. Die Komplexität der Volkswirtschaft habe es unmöglich gemacht, explizit jeden Einzelbereich der Wirtschaft aufzuführen. Daher seien die Regelungen der AVtI nicht abschließend. Wie die Gleichstellung zeige, sei insbesondere keine Begrenzung auf volkseigene Produktionsbetriebe vorgenommen worden. Wegen des Verbots der Alliierten habe es keine deutschen Luftfahrtbetriebe gegeben, so dass seinerzeit eine Gleichstellung der volkseigenen Betriebe der Luftfahrt nicht habe erfolgen können. Nirgends werde der Ausschluss einer Kategorie von Betrieben genannt.

Sowohl die geschichtliche Entwicklung des VEB Deutsche Lufthansa zur Interflug als auch zahlreiche Regelungen und Entscheidungen der DDR machten deutlich, dass die Interflug ein volkseigener Betrieb gewesen sei, so § 4 Abs. 2 Gesetz über die zivile Luftfahrt vom 31. Juli 1963, das Schreiben der Regierung der DDR, Regierungsvertragsgericht vom 17. Januar 1959, § 2 Abs. 1 Gesetz über das Vertragssystem in der sozialistischen Wirtschaft vom 11. Dezember 1957, § 1 Abs. 1 und 4 Verordnung über das Statut des Ministeriums für Verkehrswesen vom 18. Februar 1960, § 1 Abs. 1 2. Verordnung über das Statut des Ministeriums für Verkehrswesen vom 26. Januar 1961, § 4 Abs. 2 Gesetz über die zivile Luftfahrt vom 31. Juli 1963, Art. 9 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 06. April 1968 in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 07. Oktober 1974, Anordnung des Ministers für Verkehrswesen in Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Verkehrswesen, Teil zivile Luftfahrt Nr. 12 vom 14. Oktober 1963, §§ 29 Absatz 4 und 34 Absatz 2 Gesetz über die Luftfahrt - Luftfahrtgesetz - vom 27. Oktober 1983, § 1 der Zweiten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Versicherung der volkseigenen Wirtschaft - Erweiterung der Pflichtversicherung für Wasserfahrzeuge und Luftfahrzeuge - vom 23. Dezember 1970, Rahmenrichtlinie für die Messung der Arbeitsproduktivität im volkseigenen öffentlichen Verkehrswesen vom 28. Juli 1980 in Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Verkehrswesen, Teil zivile Luftfahrt Nr. 7/8 vom 08. Oktober 1980 und § 1 Zweite Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Versicherung der volkseigenen Wirtschaft - Erweiterung der Pflichtversicherung für Wasserfahrzeuge und Luftfahrzeuge - vom 07. Oktober 1988. Die vollständige Abtretung der Anteile an der Interflug an die Treuhandanstalt belege ebenfalls, dass die Interflug ein volkseigener Betrieb gewesen sei, denn durch die Treuhand seien nur volkseigene Betriebe aufgelöst worden. In diesem Sinne habe sich auch Siegfried Boigk, ab Juni 1990 Direktor Finanzen bei der Interflug, geäußert. H. L., bei der Interflug in der Abteilung Arbeit als Beraterin für Sozialfragen tätig gewesen, habe bestätigt, dass die Interflug in die AVtI einbezogen gewesen sei, was durch zahlreiche Versicherungsverträge belegt werde.

Eine Versorgungszusage sei nach der Rechtsprechung nicht erforderlich, da anderenfalls die Gefahr bestünde, dass eine in der DDR im Wege einer Instrumentalisierung von Versorgungszusagen zu politischen Zwecken praktizierte Willkür über die Wiedervereinigung hinaus Bestand hätte. Mit der geänderten Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG) praktiziere dieses Gericht zwischenzeitlich allerdings selbst diese Verfahrensweise.

Der Kläger hat u. a. die Ergänzung zur Zeugenerklärung vom 25. Juni 1997 des G. Z. vom 23. September 2004 vorgelegt, wonach ihm durch den Leiter der Nachrichtentechnik G. H. die zusätzliche Altersversorgung "technische Intelligenz" als Spezialist ab Einstellung zugesichert worden sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 07. Oktober 2003 zu ändern, den Bescheid vom 14. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Januar 2002 aufzuheben und die Beklagte unter entsprechender Rücknahme des Bescheides vom 29. August 1997 zu verpflichten, die Zeiten vom 16. Mai 1964 bis 24. Januar 1980 und vom 01. Mai 1989 bis 30. September 1991 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVtI und die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festzustellen, sowie die im Bescheid vom 16. November 2001 nachgewiesenen Zeiten vom 10. März 1980 bis 30. April 1989 vom Rentenbeginn an rentenwirksam werden zu lassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die weitergehende Klage abzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten ( ...), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 14. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Januar 2002 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte den Bescheid vom 29. August 1997 zurücknimmt und die Zeit vom 16. Mai 1964 bis 24. Januar 1980 unter Berücksichtigung der erzielten Arbeitsentgelte als Zeit der Zugehörigkeit zur AVtI feststellt, denn der Kläger hat eine Anwartschaft aufgrund einer Zugehörigkeit zur AVtI nicht erworben.

Soweit der Kläger erstmals im Berufungsverfahren auch die Feststellung der Zeit vom 01. Mai 1989 bis 30. September 1991 begehrt, ist seine insoweit geänderte Klage (§ 99 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) unzulässig, denn gegen die im Widerspruchsbescheid vom 04. Januar 2002 verfügte Ablehnung der Rücknahme des Bescheides vom 29. August 1997 hinsichtlich dieses Zeitraumes hat der Kläger nicht fristgemäß innerhalb eines Monats (§ 87 Abs. 1 und 2 SGG) Klage erhoben. Seine Klage vom 25. Januar 2002 beschränkte sich ausdrücklich auf die Zeit vom 16. Mai 1964 bis 24. Januar 1980. Damit ist hinsichtlich der übrigen Zeiten Bestandskraft eingetreten (§ 77 SGG).

Die geänderte Klage ist auch im Übrigen, soweit der Kläger die im Bescheid vom 16. November 2001 nachgewiesenen Zeiten vom 10. März 1980 bis 30. April 1989 als vom Rentenbeginn an rentenwirksam festgestellt haben will, unzulässig. Zum einen ist eine Rechtsgrundlage dafür, dass der Versorgungsträger dem Rentenversicherungsträger vorschreiben könnte, ab welchem Zeitpunkt dieser den Feststellungsbescheid der Rente zugrunde zu legen hat, nicht ersichtlich. Zum anderen ist gegen den Bescheid vom 16. November 2001 mit der darin enthaltenen Feststellung von Zeiten zur AVtI, soweit diese den Kläger überhaupt beschweren kann, ebenfalls nicht fristgemäß Klage erhoben worden, so dass auch dieser bestandskräftig ist.

Nach § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 und Abs. 2 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) hat der vor der Überführung der Ansprüche und Anwartschaften zuständige Versorgungsträger dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung unverzüglich die Daten mitzuteilen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung erforderlich sind. Dazu gehören auch das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen des Berechtigten oder der Person, von der sich die Berechtigung ableitet, die Daten, die sich nach Anwendung von §§ 6 und 7 AAÜG ergeben und insbesondere die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, und die als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung gelten (§ 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG). Der Versorgungsträger hat dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung nach § 8 Abs. 2 AAÜG durch Bescheid bekannt zu geben (§ 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG).

Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem liegen nach § 4 Abs. 5 AAÜG vor, wenn eine in einem Versorgungssystem erworbene Anwartschaft bestanden hatte (§ 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3 AAÜG). Eine solche Anwartschaft setzt die Einbeziehung in das jeweilige Versorgungssystem voraus. Im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG genügt es grundsätzlich nicht, dass ein Anspruch auf Einbeziehung bestand, soweit dieser nicht auch verwirklicht wurde. Wie der Wortlaut dieser Vorschrift zeigt, wird allein auf Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem abgestellt. Dies setzt zwingend voraus, dass der Berechtigte tatsächlich in ein Versorgungssystem einbezogen worden war. Von diesem Grundsatz macht lediglich § 5 Abs. 2 AAÜG eine Ausnahme. Danach gelten als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem auch Zeiten, die vor Einführung eines Versorgungssystems in der Sozialpflichtversicherung zurückgelegt worden sind, wenn diese Zeiten, hätte das Versorgungssystem bereits bestanden, in dem Versorgungssystem zurückgelegt worden wären.

Eine solche Einbeziehung erfolgte in der AVtI grundsätzlich durch eine Entscheidung des zuständigen Versorgungsträgers der DDR. Lag sie am 30. Juni 1990 vor, hatte der Begünstigte durch diesen nach Art. 19 Satz 1 Einigungsvertrag (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakt eine Versorgungsanwartschaft. Einbezogen war aber auch derjenige, dem früher einmal eine Versorgungszusage erteilt worden war, wenn diese durch einen weiteren Verwaltungsakt in der DDR wieder aufgehoben worden war und wenn dieser Verwaltungsakt nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EV unbeachtlich geworden ist; denn dann galt die ursprüngliche Versorgungszusage fort. Gleiches gilt für eine Einbeziehung durch eine Rehabilitierungsentscheidung (Art. 17 EV). Schließlich gehörten dem Kreis der Einbezogenen auch diejenigen an, denen durch Individualentscheidung (Einzelentscheidung, zum Beispiel aufgrund eines Einzelvertrages) eine Versorgung in einem bestimmten System zugesagt worden war, obgleich sie von dessen abstrakt-generellen Regelungen nicht erfasst waren. Im Übrigen - dies trifft jedoch auf die AVtI nicht zu - galten auch ohne Versorgungszusage Personen als einbezogen, wenn in dem einschlägigen System für sie ein besonderer Akt der Einbeziehung nicht vorgesehen war (vgl. BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 41/01 R).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Insbesondere wurde der Kläger nicht durch eine Entscheidung des zuständigen Versorgungsträgers der DDR in die AVtI einbezogen.

Wie bereits das Sozialgericht zutreffend erkannt hat, wird dies durch die "Zeugenerklärung" des G. Z. vom 25. Juni 1997 nicht bewiesen. Dieser Zeuge hat an Tatsachen lediglich bekundet, dass der Kläger im Zeitraum vom 16. Mai 1964 bis 24. Januar 1980 bei der Staatlichen Flughafenverwaltung (später: Interflug) B.-Sch., Direktion Flugsicherung als Radaringenieur und ab 01. Januar 1971 als Technischer Leiter einer Flugsicherungsdienststelle tätig gewesen sei. Der Kläger sie Diplomingenieur (FH) Nachrichtentechnik und Diplomingenieur Informationselektronik. Darüber hinaus hat dieser Zeuge lediglich eine (rechtliche) Schlussfolgerung mitgeteilt, dass nämlich der Kläger ab 1964 in die beitragsfreie zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz aufgenommen worden sei. Es ist jedoch nicht Aufgabe eines Zeugen, Schlussfolgerungen zu ziehen. Soweit ein Zeuge solches tut, handelt es sich bei seiner Aussage insoweit nicht um eine Aussage als Zeuge (Zeugenaussage) und damit auch nicht um Zeugenbeweis. Mit dem Beweismittel des Zeugen kann ausschließlich Beweis erbracht werden über Tatsachen und tatsächliche Vorgänge, also über alle der äußeren Wahrnehmung zugänglichen Geschehnisse oder Zustände, aus denen das objektive Recht Rechtswirkungen herleitet (vgl. Zöller-Stephan, Zivilprozessordnung, 20. Auflage, § 373 Rdnr. 1 und § 286 Rdnr. 9; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 59. Auflage, § 373 Rdnr. 7; Einf. § 284 Rdnr. 18 ff.). Solche Tatsachen, aus denen das Gericht die Schlussfolgerung ziehen könnte, der Kläger sei durch eine Entscheidung des zuständigen Versorgungsträgers der DDR in die AVtI einbezogen worden, hat dieser Zeuge in der Zeugenerklärung vom 25. Juni 1997 nicht bekundet.

Darüber hinaus stehen die bisherigen Angaben des Klägers im Widerspruch zur Schlussfolgerung des Zeugen G. Z ... In seinem Schreiben vom 28. Mai 1997 an die Beklagte (im Rahmen seines Antrages auf Altersrente) teilte der Kläger mit, die beitragsfreie Zusatzversorgung für die technische Intelligenz sei ihm ab 1969 zugesichert worden. In seinem im Juni 2000 gestellten Antrag gab er an, eine Versorgungsurkunde nicht zu besitzen. Er vermerkte "ohne Urkunde (Zeugenerklärung)". Diese Angaben des Klägers sprechen nicht dafür, dass er durch Aushändigung einer Versorgungsurkunde in die AVtI "aufgenommen‘" wurde (so aber die Schlussfolgerung nach der schriftlichen Zeugenerklärung des G. Z. vom 25. Juni 1997), sondern dafür, dass ihm allenfalls eine Zusicherung auf Einbeziehung in die AVtI gemacht wurde.

Dies wird durch die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Ergänzung zur Zeugenerklärung vom 25. Juni 1997 des G. Z. vom 23. September 2004 bestätigt. Danach wurde dem Kläger im Mai 1964 in Anwesenheit dieses Zeugen durch den Leiter der Nachrichtentechnik G. H. die zusätzliche Altersversorgung "technische Intelligenz" als Spezialist ab Einstellung zugesichert.

Eine Zusicherung in diesem Sinne ist jedoch nicht ausreichend, wenn diese nicht durch Aushändigung einer Versorgungsurkunde tatsächlich vollzogen wurde. Erst eine solche Versorgungsurkunde dokumentiert die Entscheidung des zuständigen Versorgungsträgers der DDR, dass eine Einbeziehung erfolgte.

§ 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG hat den Kreis der einbezogenen Personen jedoch in begrenztem Umfang erweitert. Er hat damit das Neueinbeziehungsverbot des EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchstabe a, wonach die noch nicht geschlossenen Versorgungssysteme bis zum 31. Dezember 1991 zu schließen sind und Neueinbeziehungen vom 03. Oktober 1990 an nicht mehr zulässig sind, sowie den nach EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8 zu Bundesrecht gewordenen § 22 Abs. 1 Rentenangleichungsgesetz der DDR, wonach mit Wirkung vom 30. Juni 1990 die bestehenden Zusatzversorgungssysteme geschlossen werden und keine Neueinbeziehungen mehr erfolgen, modifiziert. Danach gilt, soweit die Regelung der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, dieser Verlust als nicht eingetreten. Dies betrifft jedoch nur solche Personen, die auch konkret einbezogen worden waren. Der Betroffene muss damit vor dem 30. Juni 1990 in der DDR nach den damaligen Gegebenheiten in ein Versorgungssystem einbezogen gewesen sein und aufgrund dessen eine Position wirklich innegehabt haben, dass nur noch der Versorgungsfall hätte eintreten müssen, damit ihm Versorgungsleistungen gewährt worden wären. Derjenige, der in der DDR keinen Versicherungsschein über die Einbeziehung in die AVtI erhalten hatte, hatte nach deren Recht keine gesicherte Aussicht, im Versorgungsfall Versorgungsleistungen zu erhalten (BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 31/01 R in SozR 3-8570 § 1 Nr. 1).

Die AVtI kannte den in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochenen Verlust von Anwartschaften. Nach § 2 Abs. 1, 3 und 4 Zweite Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (2. DB zur AVtI-VO) wurde die zusätzliche Altersversorgung gewährt, wenn sich der Begünstigte im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles in einem Anstellungsverhältnis zu einem volkseigenen oder ihm gleichgestellten Betrieb befand. Erloschene Ansprüche auf Rente lebten wieder auf, wenn spätestens vor Ablauf eines Jahres ein neues Arbeitsverhältnis in der volkseigenen Industrie zustande kam und die Voraussetzungen nach § 1 dieser Durchführungsbestimmung in dem neuen Arbeitsverhältnis gegeben waren. Für die Dauer von Berufungen in öffentliche Ämter oder in demokratische Institutionen (Parteien, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund usw.) erlosch der Anspruch auf Rente nicht.

War der Betroffene in die AVtI einbezogen, endete die zur Einbeziehung führende Beschäftigung jedoch vor dem Eintritt des Versicherungsfalles, ging der Betroffene, vorbehaltlich der oben genannten Ausnahmen, seiner Anwartschaft verlustig.

Das BSG hat wegen der bundesrechtlichen Erweiterung der Anwartschaft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG über die Regelungen der Versorgungssysteme hinaus einen Wertungswiderspruch innerhalb der Vergleichsgruppe der am 30. Juni 1990 Nichteinbezogenen gesehen. Nichteinbezogene, die früher einmal einbezogen gewesen seien, aber ohne rechtswidrigen Akt der DDR nach den Regeln der Versorgungssysteme ausgeschieden gewesen seien, würden anders behandelt als am 30. Juni 1990 Nichteinbezogene, welche nach den Regeln zwar alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hätten, aber aus Gründen, die bundesrechtlich nicht anerkannt werden dürften, nicht einbezogen gewesen seien (BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 31/01 R). Wie oben ausgeführt, konnten zwar weder die ehemals einbezogenen, aber ausgeschiedenen Betroffenen, noch die Betroffenen, die zwar am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für eine Einbeziehung erfüllt hatten, tatsächlich aber nicht einbezogen waren, nach den Regelungen der DDR mit einer Versorgung rechnen. Wenn bundesrechtlich jedoch einem Teil dieses Personenkreises, nämlich dem der ehemals einbezogenen, aber ausgeschiedenen Betroffenen, eine Anwartschaft zugebilligt wird, so muss nach dem BSG § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass eine Anwartschaft auch dann besteht, wenn ein Betroffener aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage nach den zu Bundesrecht gewordenen abstrakt-generellen und zwingenden Regelungen eines Versorgungssystems aus bundesrechtlicher Sicht einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätte (BSG, Urteile vom 09. April 2002 - B 4 RA 31/01 R und B 4 RA 41/01 R). Der aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete rechtfertigende sachliche Grund für eine solche Auslegung ist darin zu sehen, dass bundesrechtlich wegen der zu diesem Zeitpunkt erfolgten Schließung der Versorgungssysteme am 30. Juni 1990 angeknüpft wird und es aus bundesrechtlicher Sicht zu diesem Zeitpunkt nicht auf die Erteilung einer Versorgungszusage, sondern ausschließlich darauf ankommt, ob eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden ist, derentwegen eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen war (zu Letzterem Urteile des BSG vom 24. März 1998 - B 4 RA 27/97 R - und 30. Juni 1998 - B 4 RA 11/98 R).

Die oben genannte Rechtsprechung des BSG zum so genannten Stichtag des 30. Juni 1990 hat das BSG mit den weiteren Urteilen vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 14/03 R und B 4 RA 20/03 R - fortgeführt und eindeutig klargestellt. Im Urteil vom 08. Juni 2004 - B 4 RA 56/03 R hat das BSG betont, es bestehe kein Anlass, diese Rechtsprechung zu modifizieren. Auch im weiteren Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 12/04 R hat es an dieser Rechtsprechung festgehalten. Eine Anwartschaft im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, die eine Zugehörigkeit zum Versorgungssystem begründet, beurteilt sich allein danach, ob zum Zeitpunkt des 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für eine Einbeziehung vorgelegen haben.

Mit der oben genannten Rechtsprechung befindet sich das BSG nicht im Widerspruch zu seinen Urteilen vom 24. März 1998 - B 4 RA 27/97 R - und 30. Juni 1998 - B 4 RA 11/98 R. In jenen Urteilen wird zwar nicht auf den 30. Juni 1990 abgestellt. Dies rührt ersichtlich daher, dass bereits durch den Zusatzversorgungsträger jeweils Zeiten der Zugehörigkeit bis zum 30. Juni 1990 festgestellt waren und lediglich um einen vor dem Zeitpunkt der Aushändigung beziehungsweise Gültigkeit der ausgehändigten Urkunde gestritten wurde. Diese Entscheidungen betrafen somit tatsächlich Einbezogene. Allerdings haben diese Urteile zu erheblichen Missverständnissen geführt, die unter anderem zur Folge hatten, dass seitens des Versorgungsträgers - aber auch durch Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit - Zeiten der Zugehörigkeit, insbesondere zur AVtI, entgegen der tatsächlichen Rechtslage festgestellt wurden. Insbesondere die Formulierung, die Typisierung solle immer dann Platz greifen, wenn in der DDR zu irgendeinem Zeitpunkt (nicht notwendig noch zum 01. Juli 1990) eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden sei, derentwegen ein Zusatz- oder Sonderversorgungssystem errichtet gewesen sei, ist hierfür maßgebend gewesen. Dabei wurde jedoch verkannt, dass das BSG damit ausschließlich Zeiten von tatsächlich einbezogenen Berechtigten hat erfassen wollen. Über sonstige, nicht einbezogene Berechtigte, die also keinen Versicherungsschein erhalten hatten, hat das BSG mit diesen Urteilen überhaupt nicht entschieden.

Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, lagen beim Kläger am 30. Juni 1990 nicht die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die AVtI vor. Dies hat das Sozialgericht zwar nicht näher begründet, da es allein auf die Beschäftigung vom 16. Mai 1964 bis 24. Januar 1980 bei der Interflug GmbH abgestellt hat. Ob der vom Sozialgericht vorgenommenen Beurteilung hinsichtlich dieser Beschäftigung zu folgen ist oder die vom Kläger dagegen vorgebrachten Argumente überzeugend sind, kann aber dahinstehen. Der Kläger war zum maßgebenden Zeitpunkt am 30. Juni 1990 nicht mehr bei der Interflug GmbH beschäftigt.
Rechtskraft
Aus
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