L 4 KR 45/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 7 KR 74/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 KR 45/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 17. Juni 2003 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Kostenerstattung in Höhe von 7.209,22 Euro (14.100 DM) für eine durchgeführte interstitielle Brachytherapie.

Der im ... 1937 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er befand sich vom 04. bis 07. Juni 1999 wegen eines Prostataabzesses bzw. einer akuten Prostatitis in stationärer Krankenhausbehandlung. Dabei wurde ein Prostatakrebs im Anfangsstadium ohne Metastasen festgestellt. Der Kläger begab sich daraufhin am 17. Juni 1999 in die Behandlung der Beigeladenen.

Die Beigeladenen beantragten am 11. Oktober 1999 für den Kläger Kostenübernahme für die interstitielle Brachytherapie in Höhe von 14.100 DM. Für den Kläger kämen 4 Therapiemöglichkeiten in Betracht. Der Kläger habe sich für die interstitielle Brachytherapie mit externer Radiatio entschieden.

Aus einem am 12. Oktober 1999 gefertigten Aktenvermerk des Arztes der Beklagten Dr. H. ergibt sich Folgendes: "Herr H. wurde von mir am 12. Oktober informiert, dass wir die Kosten nicht übernehmen werden (Hinweis auf fehlende Entscheidung NUB-Ausschuss)".

Am 15. Oktober 1999 wurde beim Kläger die interstitielle Brachytherapie mittels permanenter Seed-Implantation durch die Beigeladenen durchgeführt.

Mit Bescheid vom 28. Oktober 1999 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die interstitielle Brachytherapie ab. Diese sei eine neue Behandlungsmethode, die sich zur Zeit noch im Stadium wissenschaftlicher Erprobung befinde. Belege zum Nachweis des therapeutischen Nutzens fehlten.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger unter Hinweis auf das beigefügte Schreiben der Beigeladenen vom 29. Dezember 1999 geltend, nach Auskunft der Deutschen Krebshilfe handele es sich um eine anerkannte Behandlungsmethode, die zum Beispiel auch von der AOK Köln und der IKK in Potsdam übernommen worden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. April 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Weder sei bisher der Nachweis erbracht worden, dass dem Kläger durch die Behandlung überhaupt Kosten entstanden seien, noch sei von einer unaufschiebbaren Leistung auszugehen. Es sei auch keine unrechtmäßige Ablehnung der Leistung erfolgt. Im Rahmen der vertragsärztlichen Krankenbehandlung könne eine Brachytherapie mit umschlossenen Radionukliden verordnet und durchgeführt werden. Diese Leistung sei für den Vertragsarzt im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) mit den Ziffern 7040, 7041 und 7046 abrechenbar. Zur interstitiellen Brachytherapie mit permanenten Implantaten gebe es bisher weder eine positive noch eine negative Empfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen.

Dagegen hat der Kläger am 15. Mai 2000 beim Sozialgericht Potsdam Klage erhoben und vorgetragen:

Er habe wegen der Nachwirkung (akuter Glaukom-Anfall mit starker Beeinträchtigung des Sehvermögens) einer früheren Operation einen weiteren operativen Eingriff abgelehnt. Wegen der Spezifik der Erkrankung und der Gefahr einer irreversiblen Verschlechterung sei eine schnelle Entscheidung notwendig gewesen. Es habe sich daher um eine unaufschiebbare Behandlung gehandelt, zumal die Beklagte nicht bereit gewesen sei, kurzfristig zu entscheiden. Die Beklagte habe hinreichend Zeit zur Auskunft und Beratung gehabt, da sich der Kläger vor der Operation mehrfach an die Beklagte gewandt habe. Es sei Aufgabe des behandelnden Arztes, unter möglichen abrechenbaren Therapien die optimale zu finden. Die fehlende Abrechnungsfähigkeit berühre lediglich das Verhältnis des Arztes zur Kassenärztlichen Vereinigung. Nachdem bis zum 09. Oktober 1999 keine Entscheidung der Beklagten über den Antrag, der von den Beigeladenen bereits im Juli oder August 1999 gestellt worden sei, erfolgt sei, hätten die Beigeladenen dort telefonisch nachgefragt. Dabei sei bekannt geworden, dass ein Vorgang nicht auffindbar sei, weshalb der Kläger am selben Tag erneut Unterlagen zur Beklagten gefaxt habe. Am 12. Oktober 2000 habe dann der Arzt der Beklagten Dr. H. den Beigeladenen mitgeteilt, dass die Kostenübernahme abgelehnt werde. Daraufhin habe sich der Kläger mit Schreiben vom 13. Oktober 1999 an den AOK-Bundesverband mit der Bitte um Überprüfung gewandt. Bei der interstitiellen Brachytherapie handele es sich nicht um eine neue Behandlungsmethode, die einer besonderen Anerkennung bedürfe, denn sie werde im EBM ausdrücklich aufgeführt. Die Beklagte sei diesbezüglich wohl selbst im unklaren. Sollte es sich hingegen um eine neue Methode handeln, liege jedenfalls ein Systemmangel vor, denn das Anerkennungsverfahren sei trotz Vorliegens der notwendigen Voraussetzungen durch den Bundesausschuss nicht oder nicht rechtzeitig durchgeführt worden. Nach Angaben der Ärztezeitung vom 03. Dezember 1998 und 20. April 1999 hätten in den USA im Jahre 1999 32000 Behandlungen mit dieser Methode stattgefunden. Derzeit werde diese Therapie in Zentren in Mannheim, Augsburg, Konstanz, an der Universität Köln und der Humboldt-Universität Berlin angeboten. Die Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften hätten Leitlinien zur Behandlung nach dieser Methode herausgegeben.

Das derzeitige Anerkennungsverfahren betreffe nicht die Methode selbst, sondern eine veränderte Abrechnung durch einen erhöhten Punktwert. Dies resultiere aus der Tatsache, dass sich die weiterentwickelte Therapie aufgrund der im EBM festgesetzten Vergütung nicht mehr kostendeckend erbringen lasse. Die generelle Ablehnung sei daher rechtswidrig gewesen. Die Beklagte hätte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass die Therapie als Leistung der Krankenkasse erbracht werden könne.

Der Kläger hat die nicht weiter spezifizierte Rechnung der Beigeladenen vom 21. November 1999 über 14.100 DM, sein Schreiben vom 13. Oktober 1999 an den AOK Bundesverband und die im einzelnen spezifizierte Rechnung der Beigeladenen vom 30. Januar 2001 über 13.804,98 DM nebst der Liquidation der Fachärzte für Anästhesiologie Dr. D. und L. vom 09. Dezember 1999 über 420,30 DM vorgelegt.

Vor der Behandlung habe der Kläger keine Vereinbarung über die Höhe der Kosten unterschrieben. Mit den Beigeladenen sei darüber auch nicht weiter gesprochen worden, da von diesen mitgeteilt worden sei, dass die Beklagte diese Kosten übernehmen werde. Die Rechnung vom 30. Januar 2001 sei erst auf sein Verlangen so detailliert erstellt worden. Er habe an die Beigeladenen 14.100 DM überwiesen.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass sie die Leistung nicht als solche abgelehnt habe. Insbesondere sei im Widerspruchsbescheid ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die gewünschte Behandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbracht werden könne. Eine rechtsverbindliche Entscheidung sei auch nicht durch ihren beratenden Arzt Dr. H. erfolgt. Dr. H. habe sich lediglich danach erkundigt, wie die beim Kläger vorgesehene Behandlung erfolgen solle und habe seine Überlegungen hinsichtlich der Abrechnung dargelegt. Eine abschließende Entscheidung sei keineswegs getroffen worden. Dr. H. habe in dem Gespräch ausdrücklich darauf verwiesen, dass sich die Beklagte dazu gegenüber dem Kläger schriftlich äußern werde. Eine ausreichende Behandlung habe jederzeit für den Kläger zur Verfügung gestanden, so dass auch keine Unaufschiebbarkeit vorgelegen habe. Zum Zeitpunkt der Leistungserbringung sei somit der Antrag des Klägers noch nicht beschieden gewesen.

Die interstitielle Brachytherapie mit permanenter Seed-Implantation sei eine Methode, die in den 70er Jahren zur Behandlung des Prostatakarzinoms entwickelt worden sei, sich jedoch nicht durchgesetzt habe. Aufgrund verbesserter Möglichkeiten der Implantationstechnik sei diese Therapie erneut aufgegriffen worden. Eine ausreichende sichere Bewertung sei bisher jedoch noch nicht erfolgt, wie aus den vorliegenden Stellungnahmen (Auskunft des Knappschaftskrankenhauses Bottrop vom 14. September 1999 und Aufsatz in Deutsches Ärzteblatt vom 07. April 2000) hervorgehe.

Während die Beklagte zunächst die Ansicht vertreten hatte, dass die intersitielle Brachytherapie eine ambulante Vertragsleistung und über EBM abrechnungsfähig sei, wozu allerdings die Beigeladenen keine Genehmigung hätten, hat sie daran später nicht mehr festgehalten. Zwar könnten einzelne Leistungen über EBM-Gebührenziffern abgerechnet werden. Damit sei jedoch keine kostendeckende Abrechnung möglich, da bei Aufnahme der interstitiellen Brachytherapie in den EBM die heutige Indikation wohl nicht berücksichtigt worden sei. Deshalb werde die interstitielle Brachytherapie bei lokal begrenztem Prostatakarzinom mit Seeds-Implantation als neue Leistung angesehen, deren Bewertung durch den Bundesausschuss für Ärzte und Krankenkassen noch ausstehe. Diese Methode könne daher nicht über den EBM abgebildet werden und habe lediglich den gleichen Namen wie die unter Ziffer 7046 aufgeführte Leistung. Die Beklagte hat insoweit Bezug genommen auf das beigefügte Grundsatzgutachten des Prof. Dr. H. vom 31. Juli 2001 über die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für die ambulante Brachytherapie des Prostatakarzinoms mit Jod 125 Seeds (offene Radionuklide).

Das Sozialgericht hat die Auskunft der Beigeladenen von (Eingang) 22. April 2002 eingeholt.

Mit Urteil vom 17. Juni 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei der durchgeführten Brachytherapie um eine neue Behandlungsmethode handele oder eine Abrechnung nach dem EBM hätte erfolgen können. Letzteres sei wohl zutreffend, denn diese Therapie werde unter Ziffer 7046 erfasst, auch wenn damit nicht alle Kosten abgedeckt würden. Wesentlich für den Anspruch nach § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei jedoch, dass überhaupt Kosten entstanden seien. Dies setze eine privatärztliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und den Beigeladenen voraus, an der es fehle, da der Kläger eine solche nicht unterschrieben habe. Vielmehr sei der Kläger von den Beigeladenen in dem Glauben gelassen worden, es werde durch die Beklagte eine Kostenübernahme erfolgen. Durch die Operation seien dem Kläger nunmehr zwar Kosten entstanden. Er sei jedoch nicht verpflichtet gewesen, die Rechnung der Beigeladenen zu begleichen. Leistungen, die nach dem EBM zur vertragsärztlichen Leistung gehörten, seien im Übrigen im Rahmen der Kostenerstattung nicht erstattungsfähig. Die Beigeladenen hätten daher nach entsprechender Aufklärung des Klägers nur die darüber hinausgehenden Kosten ggf. privatärztlich in Rechnung stellen dürfen. Eine lebensbedrohliche Situation habe zum Zeitpunkt der Durchführung der Operation nicht bestanden, denn der Kläger sei bereits seit Juni 1999 bei den Beigeladenen in Behandlung gewesen.

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 01. August 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 29. August 2003 eingegangene Berufung des Klägers, mit der er nunmehr Kostenerstattung in Höhe von 7.101,38 Euro begehrt.

Der Arzt der Beklagten Dr. H. habe gegenüber den Beigeladenen (Dr. H.) eine Kostenübernahme definitiv abgelehnt. Im Zweifel müsse Dr. H. als Zeuge vernommen werden. Die Beklagte habe den Kläger gerade nicht darauf hingewiesen, dass es sich um eine Kassenleistung handele. Sofern keine Kassenleistung vorliege, bestehe eine Versorgungslücke im Sinne eines Systemmangels, denn der Antrag auf Überprüfung der Methode sei erst im April 2003 beim Bundesausschuss gestellt worden, obwohl das Grundsatzgutachten bereits seit 2001 vorgelegen habe. Eine Zahlungspflicht des Klägers gegenüber den Beigeladenen habe aufgrund eines privatärztlichen Behandlungsvertrages bestanden. Selbst wenn dem nicht gefolgt würde, sei der Kläger mit den Kosten belastet, denn ein Bereichungsanspruch sei verjährt. Er verjähre nach den Fristen der ursprünglich vertraglich vereinbarten Hauptleistung, also nach zwei Jahren zum Ablauf des 31. Dezember 2001. Unabhängig von der Verjährung bliebe der Kläger bei einer vollständigen Rückabwicklung belastet, da er Wertersatz für die im Körper verbliebenen Seed-Implantate leisten müsse. 90 v. H. der Kosten dürften auf diese Implantate entfallen. Voraussetzung für die Kostenerstattung sei im Übrigen die Vergütungsfähigkeit nach EBM.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 17. Juni 2003 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2000 zu verurteilen, an den Kläger 7.101,38 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wenn es sich um keine neue Behandlungsmethode handele, zähle die interstitielle Brachytherapie zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung. Einer vorherigen Antragstellung bei der Krankenkasse bedürfe es dann nicht. Die Vergütungsansprüche der Beigeladenen richteten sich ausschließlich gegen die für sie zuständige Kassenärztliche Vereinigung. Sofern die interstitielle Brachytherapie eine neue Methode sei, falle sie nicht in die Leistungspflicht der Krankenversicherung, da diese bisher nicht anerkannt sei. Im Übrigen sei dem Sozialgericht darin zu folgen, dass der Kläger gegenüber den Beigeladenen nicht zur Zahlung verpflichtet gewesen sei. § 18 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 Bundesmantelvertrag - Ärzte (BMV-Ä) regele, dass der Vertragsarzt nur dann eine Vergütung von einem Versicherten fordern dürfe, wenn der Versicherte vor Beginn der Behandlung schriftlich bestätigt habe, auf privatärztlicher Basis und damit auf eigene Kosten behandelt werden zu wollen. Das Sozialgericht weise zudem zutreffend darauf hin, dass für eine Kostenerstattung kein Raum sei, soweit die Leistungen nach dem EBM vergütungsfähig seien. Ein Systemversagen liege bereits deswegen nicht vor, weil das erste Grundsatzgutachten erst im Dezember 2000, also lange nach der erfolgten Behandlung des Klägers, vorgelegen habe. Der Bereichungsanspruch sei auch nicht verjährt. Den Kläger treffe schließlich auch keine Verpflichtung zum Wertersatz.

Der Senat hat die behandelnden Ärzte beigeladen (Beschluss vom 04. Mai 2004), von ihnen den Befundbericht vom 01. April 2004 sowie vom Gemeinsamen Bundesausschuss die Auskunft vom 06. April 2004, der die Stellungnahme des Bewertungsausschusses der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 16. Oktober 2002 beigefügt gewesen ist, eingeholt.

Die Beigeladenen, die keinen Antrag stellen, haben mitgeteilt, die Brachytherapie der Prostata mit Seeds sei von ihnen im Juni 1999 erstmals in Deutschland ambulant durchgeführt worden. Vor diesem Zeitpunkt sei die Seed-Implantation nur stationär erbracht worden und sei deshalb nicht im EBM ausreichend abgebildet gewesen. Aus diesem Grund sei diese Therapie auch dem Bundesausschuss für Ärzte und Krankenkassen zur Beratung vorgelegt worden. In Berlin und Brandenburg habe es keine weitere Einrichtung gegeben, die zum damaligen Zeitpunkt ambulant oder stationär die Brachytherapie mit Seeds habe anbieten können. Der Kläger habe sich erstmals am 17. Juni 1999 in der Praxis vorgestellt. Zu diesem Zeitpunkt habe mit einem Prostata spezifischen Antigen (PSA) von 29 bereits die Gefahr bestanden, dass der Tumor die Prostatakapsel durchbreche. Eine längere Wartezeit hätte daher zu einer Gefährdung führen können. Die vom zuweisenden Urologen im Juni 1999 begonnene Hormontherapie sei zunächst fortgesetzt worden, bevor dann am 15. Oktober 1999 die ambulante Brachytherapie durchgeführt worden sei. Vier Wochen später sei eine Computertomografie zur Qualitätsbeurteilung der Seed-Implantation durchgeführt worden. Seither seien regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen erfolgt. Vor Durchführung der Therapie sei lediglich noch eine Größenbeurteilung der Prostata mittels eines transrektalen Ultraschalls und Untersuchungen zur Beurteilung der Narkosefähigkeit durchgeführt worden. Weitere Untersuchungen seien nicht möglich gewesen. Da zur Diagnosestellung bereits ein PSA von 29 vorgelegen habe, habe von einer erheblichen Gefahr der Kapselüberschreitung ausgegangen werden müssen, weshalb eine so genannte Kombinationstherapie aus Seeds und externer Bestrahlung gewählt worden sei. Wie der PSA-Verlauf zeige, sei ein hervorragender Heilungserfolg eingetreten (6,65 ng/ml zum 17. August 1999 bis 0,01 ng/ml zum 21. Januar 2003).

Nach Ansicht des Klägers bestätigt die Auskunft der Beigeladenen die Unaufschiebbarkeit der durchgeführten Brachytherapie.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 28. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2000 ist, soweit darüber nach durchgeführter Behandlung noch zu entscheiden ist, also ein Anspruch auf Kostenerstattung im Streit steht, rechtmäßig. Dem Kläger sind zwar Kosten entstanden. Diese sind jedoch nicht ursächlich kausal darauf zurückzuführen, dass eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht werden konnte oder die Beklagte eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt es nicht am vorangegangenen Verwaltungsverfahren bezüglich des geltend gemachten Anspruches auf Kostenerstattung.

Gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen einem Versicherten und seiner Krankenkasse über einen Leistungsanspruch sind grundsätzlich nur in zwei Konstellationen denkbar. Entweder klagt der Versicherte auf Gewährung einer noch ausstehenden Behandlung als Sachleistung oder er beschafft sich die Behandlung privat auf eigene Rechnung und verlangt von der Krankenkasse die Erstattung der Kosten (BSG, Urteil vom 09. Oktober 2001 - B 1 KR 6/01 R, abgedruckt SozR 3-2500 § 13 Nr. 25). Ausnahmsweise kann eine Kostenerstattung bei noch nicht durchgeführter Behandlung auch dann in Betracht kommen, wenn die begehrte Leistung nicht vom EBM erfasst wird (BSG, Urteil vom 03. April 2001 - B 1 KR 40/00 R abgedruckt in SozR 3-2500 § 27 a Nr. 3).

Der am 11. Oktober 1999 gestellte Antrag auf Kostenübernahme kann somit in der Weise ausgelegt werden, dass die kostenfreie Gewährung einer Sachleistung begehrt wurde. Diesen Antrag lehnte die Beklagte in Unkenntnis der zwischenzeitlich am 15. Oktober 1999 durchgeführten Behandlung mit Bescheid vom 28. Oktober 1999 ab. Ob ein entsprechender Verwaltungsakt bereits am 12. Oktober 1999 erging, kann hierbei dahinstehen.

Zum Anspruch auf Kostenerstattung traf die Beklagte erstmals mit Widerspruchsbescheid vom 17. April 2000 eine Entscheidung. Der Widerspruchsausschuss ist zwar nur befugt, über einen bereits erlassenen Verwaltungsakt zu befinden (§ 78 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Der Antrag auf Verschaffung einer Sachleistung hatte sich jedoch nach erfolgter Behandlung erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X) und der dies ablehnende Bescheid vom 28. Oktober 1999 ging damit ins Leere, so dass für die Fortführung eines darauf gerichteten Verwaltungsverfahrens kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestand. Das klägerische Begehren kann insoweit allein auf Kostenerstattung gerichtet sein. Bei einem solchen Sachverhalt umfasst die ursprüngliche Ablehnung der Sachleistung zugleich auch die Ablehnung der Einstandspflicht für die Kosten (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 1997 - 1 RK 4/96, abgedruckt in SozR 3-2500 § 13 Nr. 14), so dass der Widerspruchsausschuss zutreffend (nur noch) über einen Anspruch auf Kostenerstattung entschieden hat. Damit liegt keine erstmalige Entscheidung über den Anspruch, also ein Erstbescheid, den der Widerspruchsausschuss wegen insoweit funktioneller Unzuständigkeit nicht hätte erlassen dürfen (vgl. dazu BSG SozR 1500 § 54 Nr. 45; BSG Urteil vom 21. Juni 2000 - B 4 RA 57/99 R), sondern eine Widerspruchsentscheidung vor. Das vor Klageerhebung notwendige Widerspruchsverfahren wurde somit durchgeführt.

Die demnach zulässige Klage ist jedoch unbegründet.

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen der Krankenversicherung als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) nichts Abweichendes vorsehen. Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es dieses Buch oder das SGB IX vorsieht (§ 13 Abs. 1 SGB V).

Die hier allein in Betracht kommende Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

Ob die danach genannten Voraussetzungen für eine Kostenerstattung vorliegen, kann dahinstehen. Es bedarf weder einer Entscheidung dazu, ob die vom Kläger selbst beschaffte Leistung, die Brachytherapie der Prostata als Kombinationstherapie aus implantierten Seeds und externer Bestrahlung (so Auskunft der Beigeladenen vom 01. April 2004), zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung zählt, weil es sich entweder um eine zur vertragsärztlichen Versorgung gehörende, von Nr. 7046 EBM abgebildete Leistung oder um eine neue Behandlungsmethode handelt, auf die wegen eines Systemversagens zum Zeitpunkt ihrer Erbringung ein Rechtsanspruch bestand, noch einer Entscheidung dazu, ob die Beklagte diese Leistung als unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie zu Unrecht ablehnte.

Wie bereits das Sozialgericht zutreffend erkannt hat, besteht vielmehr ein Anspruch auf Kostenerstattung deswegen nicht, weil die Beigeladenen keinen Anspruch auf die vom Kläger gezahlten 14.100 DM hatten.

Die von den Beigeladenen durchgeführte Behandlung nahm der Kläger nicht in schutzwürdigem Vertrauen als Kassenleistung in Anspruch. Der Kläger ging vielmehr davon aus, dass ihm die Behandlung nicht von der Beklagten als Sachleistung zur Verfügung gestellt wird. In der mündlichen Verhandlung am 07. März 2002 vor dem Sozialgericht hat er zwar erklärt, die Beigeladenen hätten mitgeteilt, die Beklagte werde die Kosten übernehmen. Dazu hätten sie ihm Kostenzusagen anderer Krankenkassen an andere Versicherte übergeben. Es mag zutreffen, dass der Kläger bis zum 12. Oktober 1999 annahm, die Beklagte werde ihm die begehrte Behandlung bewilligen. Ab diesem Zeitpunkt hatte der Kläger die Vorstellung jedoch nicht mehr. Dies ergibt sich aus dem an diesem Tag geführten Telefonat des beratenden Arztes der Beklagten Dr. H. mit den Beigeladenen. Ob in diesem Gespräch tatsächlich endgültig und verbindlich die Gewährung der interstitiellen Brachytherapie als Sachleistung abgelehnt wurde, kann hierbei dahinstehen. Jedenfalls wurde der Kläger nach seinem Vortrag im Schriftsatz vom 15. September 2000 von dem Beigeladenen Dr. H. darüber informiert, dass die Kostenübernahme abgelehnt worden sei. Dies ergibt sich auch aus seinem an den AOK Bundesvorstand gerichteten Schreiben vom 13. Oktober 1999, in dem dies ausgeführt wird. In diesem Schreiben bringt der Kläger darüber hinaus zum Ausdruck, dass deswegen nunmehr ein Kostendruck auf ihm laste. Er ging somit davon aus, dass er gegenüber den Beigeladenen aufgrund der am 15. Oktober 1999 vorzunehmenden Behandlung zur Zahlung verpflichtet ist. Dies schließt aus, dass der Kläger die Behandlung in schutzwürdigem Vertrauen als Kassenleistung in Anspruch nahm.

Auf die Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 09. Juni 1998 - B 1 KR 18/96 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 39 Nr. 5 kommt es mithin nicht an. In diesem Urteil hat das BSG entschieden, eine Verpflichtung der Krankenkasse, den Versicherten von den Kosten einer Behandlung freizustellen, könne sich auch daraus ergeben, dass der Versicherte die vom ärztlichen Leistungserbringer veranlasste objektiv ungerechtfertigte Leistung in schutzwürdigem Vertrauen als Kassenleistung in Anspruch genommen habe. Als Rechtsgrundlage komme hierfür allerdings nicht § 13 Abs. 3 SGB V, sondern die auf Grundsätzen der Rechtsscheinhaftung beruhende Einstandspflicht der Krankenkasse für Maßnahmen und Entscheidungen der in ihrem Auftrag (§ 2 Abs. 2 Satz 2 SGB V) handelnden Leistungserbringer in Betracht. Habe der Arzt gegenüber dem Versicherten zum Ausdruck gebracht, die von ihm durchgeführte oder veranlasste Behandlung werde im Rahmen des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung kostenfrei erbracht, müsse die Krankenkasse sich dieses Verhalten zurechnen und die Leistung als Sachleistung gegen sich gelten lassen. Soweit die Leistungsvoraussetzungen tatsächlich nicht vorgelegen hätten, könne sie sich auf eine mögliche Pflichtverletzung des Leistungserbringers nur diesem gegenüber berufen.

Diese Rechtsprechung ist jedoch bereits durch das Urteil des BSG vom 09. Oktober 2001 - B 1 KR 6/01 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 13 Nr. 25 zu Recht aufgegeben worden. Die frühere Rechtsprechung war schon deswegen zweifelhaft, weil § 13 Abs. 1 SGB V ausdrücklich bestimmt, dass eine Kostenerstattung, mithin also auch eine Freistellung von einer Verbindlichkeit (BSG Urteil vom 16. Dezember 1993 - 4 RK 5/92, abgedruckt in BSGE 73, 271, 276), nur in Betracht kommt, soweit es das SGB V oder das SGB IX vorsieht. Damit stellt der in § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V normierte verschuldensunabhängige Schadensersatzanspruch aus Garantiehaftung (vgl. auch BSG Urteil vom 24. September 1996 - 1 RK 33/95, abgedruckt in BSGE 79, 125, 126) eine abschließende gesetzliche Regelung dar (so ausdrücklich im Verhältnis zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch: BSGE 79, 125, 126; insoweit aber differenzierend Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, SGB V, 37. Ergänzungslieferung, Höfler, § 13 Rdnr. 22; vgl. auch Hauck/Haines-Noftz, Sozialgesetzbuch SGB V, K § 13 Rdnr. 48 im Sinne einer umfassenden und abschließenden Regelung).

Im Rahmen des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V gibt es kein Bedürfnis, dem Versicherten einen Anspruch auf Freistellung von einer Verbindlichkeit einzuräumen, wenn er eine Leistung in schutzwürdigem Vertrauen als Kassenleistung in Anspruch genommen hat. In einem solchen Fall fehlt es schon an einer vertraglichen oder gesetzlichen Anspruchsgrundlage, aus der sich eine solche Verbindlichkeit ergeben könnte (vgl. BSG, Urteil vom 09. Oktober 2001 - B 1 KR 6/01 R).

Der Senat geht allerdings entgegen der Ansicht des Sozialgerichts davon aus, dass ein privatärztlicher Behandlungsvertrag zustande gekommen ist. Es steht zwar aufgrund des Vortrages des Klägers und der Auskunft der Beigeladenen vom 22. April 2002 fest, dass eine schriftliche Vereinbarung über eine privatärztliche Behandlung nicht getroffen wurde. Dies schließt jedoch nicht das Zustandekommen eines privatärztlichen Behandlungsvertrages aus. Angesichts der von der Beklagten erklärten Weigerung, die Behandlung als Sachleistung durch die Beigeladenen erbringen zu lassen, wovon der Kläger und die Beigeladenen ausgingen und ausgehen mussten, ist in der gleichwohl vorgenommenen Behandlung ein Vertrag durch schlüssiges Verhalten zustande gekommen (vgl. dazu Palandt-Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 63. Auflage, Einführung vor § 116 Rdnr. 6). Einerseits konnte der Kläger nicht erwarten, dass ihm die Behandlung durch die Beigeladenen kostenfrei zur Verfügung gestellt wird. Andererseits deutet nichts darauf hin, dass die Beigeladenen die Behandlung kostenfrei gewähren würden. Wie die Beigeladenen in ihrer Auskunft vom 22. April 2002 angegeben haben, wurde der Kläger ausdrücklich darüber aufgeklärt, dass er bei Ablehnung der Kosten diese selber tragen müsse. Dies sah der Kläger durchaus ebenso, wie seinem Hinweis auf einen eingetretenen Kostendruck im Schreiben an den AOK Bundesverband vom 13. Oktober 1999 zu entnehmen ist. Mit der Inanspruchnahme der ärztlichen Behandlung durch den Kläger wurde daher konkludent ein privatärztlicher Behandlungsvertrag geschlossen.

Der privatärztliche Behandlungsvertrag ist auch nicht wegen Formmangels unwirksam.

Nach § 125 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, nichtig. Der Mangel, der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.

Weder gibt es eine gesetzliche Regelung, die eine bestimmte Form, insbesondere Schriftform (§ 126 BGB) des privatärztlichen Behandlungsvertrages verlangt, noch bestehen Anhaltspunkte dafür, dass Kläger und Beigeladene Schriftform für einen solchen Vertrag ausbedungen haben. Soweit § 3 Abs. 1 Satz 3 BMV-Ä eine Pflicht zum Abschluss schriftlicher Behandlungsverträge vorsieht, besteht diese Pflicht nur gegenüber den Krankenkassen. Ein Verstoß gegen diese Pflicht mag das Verhältnis zwischen Arzt und Krankenkassen berühren (§ 60 BMV-Ä), er führt jedoch gleichwohl nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages, weil § 127 BGB unter Bezugnahme auf § 126 BGB dies nur bei rechtsgeschäftlicher Vereinbarung der Schriftform, also bei einer Vereinbarung zwischen den Beteiligten des Rechtsgeschäfts vorsieht.

Der Vergütungsanspruch der Beigeladenen ist jedoch gegenüber dem Kläger nicht durchsetzbar gewesen, weil dem Kläger insoweit eine dauernde die Vergütung verweigernde Einrede zustand.

Dies folgt aus § 18 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 BMV-Ä. Danach darf der Vertragsarzt von einem Versicherten eine Vergütung nur fordern, wenn und soweit der Versicherte vor Beginn der Behandlung ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden, und dieses dem Vertragsarzt schriftlich bestätigt oder wenn für Leistungen, die nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind, vorher die schriftliche Zustimmung des Versicherten eingeholt und dieser auf die Pflicht zur Übernahme der Kosten hingewiesen wurde.

Das BSG ist im Urteil vom 15. April 1997 - 1 RK 4/96, abgedruckt in SozR 3-2500 § 13 Nr. 14 sogar noch darüber hinausgegangen und hat das Entstehen des Vergütungsanspruchs von der Erfüllung der Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift (seinerzeit § 17 Abs. 1 Nr. 2) abhängig gemacht (unklar insoweit BSG, Urteil vom 28. März 2000 - B 1 KR 21/99 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 13 Nr. 21). Dieser Ansicht vermag sich der Senat im Hinblick auf den Wortlaut nicht anzuschließen. Danach darf der Vertragsarzt die Vergütung nur unter den genannten Voraussetzungen "fordern", also geltend machen. Dies setzt begrifflich das Bestehen des Vergütungsanspruchs voraus. Der Vergütungsanspruch entsteht mit dem Zustandekommen des privatärztlichen Behandlungsvertrages und der entsprechenden Durchführung der Behandlung.
Rechtskraft
Aus
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