L 2 U 129/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 68 U 754/98
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 129/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juni 2001 und der Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. August 1998 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Anerkennung einer Be- rufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur Berufskrankheitenverord- nung Verletztenteilrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. ab Januar 2000 zu gewähren. Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu er- statten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung einer Meniskuserkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) und die Gewährung einer Verletztenteilrente.

Der 1941 geborene Kläger war von 1956 bis 1967 bei verschiedenen Firmen als Rohrleger/Klempner und zuletzt vom 14. Februar 1967 bis zum 31. Juli 1997 als Rohrleger/Meister bei der Firma C GmbH & Co. Rohrbau beschäftigt.

Bei einem Arbeitsunfall am 10. Februar 1995, bei dem Kläger von einer Leiter abrutschte und aus einer Höhe von etwa 2,50 m mit beiden Füßen auf den Boden aufgeprallt war, erlitt er eine Distorsion des linken Kniegelenks. In der Folgezeit wurde am 1. März 1995 im Rahmen einer Arthroskopie des linken Kniegelenks ein medialer Meniskuslappenriss im Hinterhornbereich links, ein Knorpelschaden 1. bis 2. Grades im Femurcondylus festgestellt und eine partielle mediale Meniskektomie vorgenommen. Der Histologiebefund ergab eine geringgradige degenerative Meniskopathie. Im Rahmen der Feststellung der Folgen dieses Arbeitsunfalles gelangten Prof. Dr. W/Dr. S in einem orthopädischen Zusammenhangsgutachten vom 12. Oktober 1996 zu dem Ergebnis, es seien degenerative Veränderungen im Kniebinnenraum nachgewiesen, so dass bei Vorliegen einer offensichtlich beide Kniegelenke betreffenden Verschleißerscheinung und einer entsprechenden Berufsanamnese eine Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV zu überprüfen sei.

Die Beklagte leitete ein Berufskrankheitenverfahren ein und befragte den Kläger zu den ausgeübten Tätigkeiten, die dieser als Rohrlegerarbeiten, Klempnerarbeiten, Kanal-Tiefbauarbeiten, Heizungsbau, Rohrleitungsbau, asbestverarbeitende Tätigkeiten angab. Seine sportlichen Aktivitäten beschrieb er mit ein- bis zweimal pro Woche Tennis, Schwimmen und Wandern.

Der ebenfalls befragte Arbeitgeber des Klägers schätzte in seiner Auskunft vom 11. März 1997 die kniebelastenden Tätigkeiten als Tiefbauarbeiter mit "10 bis 12 Stunden" pro Arbeitsschicht von 8 Stunden ein, während als Rohrleger und Heizungsrohrleger ca. 6 Stunden kniebelastend gearbeitet werde. Die Beklagte nahm ein Vorerkrankungsverzeichnis der AOK, bei der der Kläger seit dem 1. Juni 1970 versichert war, vom 25. Juli 1997 und eine Auskunft des TAD zu den Akten. Dieser schätzte in einer Stellungnahme vom 23. Juni 1997 die meniskusbelastenden Tätigkeiten aufgrund eigener Erkenntnisse aus Betriebsbegehungen an Vergleichsarbeitsplätzen mit 30 % der üblichen Arbeitszeit ein.

Die von der Beklagten gehörte Gewerbeärztin N empfahl am 26. August 1997 die Ablehnung einer Berufskrankheit nach Nr. 2102, da die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Berufskrankheit nicht erfüllt seien.

Mit Bescheid vom 10. Dezember 1997 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung wegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 ab. Der für die Berufskrankheit erforderte Sachverhalt einer kniebelastenden Dauerzwangshaltung sei nicht erfüllt, weil der Zeitanteil während der Arbeitsschichten nicht den erforderlichen Umfang von mehr als einem Drittel erreicht habe.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, die Angabe des zeitlichen Anteils erscheine ihm völlig aus der Luft gegriffen und entspreche nicht den praktischen Realitäten des Berufsbildes.

Durch Widerspruchsbescheid vom 28. August 1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Als belastende Tätigkeiten gälten nicht pauschal alle kniebelastenden Arbeiten, sondern nur diejenigen in einer meniskusbelastenden Dauerzwangshaltung. Dazu zählten insbesondere Arbeiten überwiegend im Fersensitz, Hocken und Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung. Die arbeitstechnische Bewertung der Expositionsverhältnisse im Beruf des Installateurs könne vom Kläger nicht in Zweifel gezogen werden.

Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht medizinische Unterlagen der Landesversicherungsanstalt Berlin zur Akte genommen, die dem Kläger seit dem 1. August 1997 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt, und zwar den Heilverfahrens-Arztbericht der Ärzte für Orthopädie Dr. E und Dr. R vom 13. Februar 1995 und einen MRT-Befund des linken Kniegelenks vom 18. Februar 1995. Des Weiteren hat es einen Befundbericht des den Kläger seit dem 6.März 1995 behandelnden Orthopäden B vom 4. Oktober 1999 eingeholt. In einem vom Kläger vorgelegten Schreiben des Arbeitgebers an seinen Prozessbevollmächtigten vom 21. September 1999 hat dieser angegeben, der Kläger habe stets mit ganzer Kraft mitgearbeitet und den größten Teil seiner Arbeitszeit im Rohrgraben verbracht, der kleinere Teil habe aus der Verlegung schwerer Ringleitungen an halben Decken der Industriebetriebe bestanden. Die leichteren Arbeiten, wie Verteilungsleitungen, Objektmontagen und dergleichen habe er seinen Untergebenen übertragen. Der Kläger habe täglich 6 bis 7 Stunden im Rohrgraben und in kniender Haltung verbracht und 1 bis 2 Stunden bei der Verlegung von Ringleitungen, darüber hinaus habe er auch die Planungs- und Schreibarbeiten in täglich zusätzlicher Arbeitsleistung abgewickelt. Hierzu hat der TAD in einer Stellungnahme vom 17. November 1999 eingewandt, dass die lichten Mindestbreiten für verbaute Gräben mit betretbarem Arbeitsraum in Abhängigkeit von den Rohrdurchmessern zu sehen seien. Rechts und links vom Rohr stehe ein Raum von maximal 35 cm zur Verfügung. Dies bedeute, dass es anhand der beengten Verhältnisse im Rohrgraben und der einzelnen Arbeitsabläufe nicht möglich und nötig sei, meniskusbelastende Tätigkeiten (Fersensitz, Hocken, Knien) von bis zu 7 Stunden täglich auszuführen. Als Meister sei der Kläger sicherlich zu anderen Arbeiten herangezogen worden als ständig im Rohrgraben zu arbeiten, wie z.B. für Koordinierung von Baumaßnahmen, Meisterführungsarbeiten, Bürotätigkeiten etc.

Anschließend hat das Sozialgericht ein Gutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. Mvom 20. Juli 2000 eingeholt. Dieser ist unter Berücksichtigung der Vorgabe des Sozialgerichts, es sei zu unterstellen, der Kläger habe im geforderten Umfang meniskusbelastende Dauerzwangshaltungen einnehmen müssen, zu dem Ergebnis gelangt, beim Kläger läge sowohl im linken als auch im rechten Knie eine chronische Meniskopathie vor. Dabei hat er die Ergebnisse einer am 6. Januar 1999 und einer am 31. Januar 2000 durchgeführten Arthroskopie des rechten Knies und einer am 18. November 1999 durchgeführten Arthroskopie des linken Knies berücksichtigt. Da sowohl 1995 als auch 1999 die Knorpelbefunde als altersentsprechend zu betrachten und nur eine geringe Zunahme der arthroskopischen Veränderungen festzustellen sei, liege in beiden Kniegelenken eine primäre Meniskopathie im Bereich der medialen Menisken vor. Diese seien ursächlich auf die berufliche Tätigkeit als Rohrleger und Installateur zurückzuführen. Bei einem Bewegungsumfang im rechten Kniegelenk von 0-0-120 und im linken Kniegelenk von 0-0-135 sei die Minderung der Erwerbsfähigkeit -MdE- jeweils mit 10 v.H. zu bewerten, die Gesamt-MdE betrage wegen der wechselseitigen negativen Auswirkungen ab Januar 2000, als die Meniskopathie des rechten Kniegelenks festgestellt worden sei, 20 v.H.

Die Beklagte hat eine gutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage vom Facharzt für Orthopädie Dr. O vom 5. Dezember 2000 eingeholt, der darauf verwiesen hat, dass unter biomechanischen Aspekten schadensrelevant Dauerzwangshaltungen insbesondere in maximaler Knieanwinkelung mit zusätzlicher Torsionsbelastung zwischen Oberschenkel und Unterschenkel und erheblicher zusätzlicher Kraftaufwendungen seien. Vorrangig seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen zu prüfen; der Gutachter könne allenfalls zu einer schädigenden Relevanz der Einzelbelastungen ergänzend Stellung nehmen. Auch die MdE-Einschätzung sei bei einem Gangbild mit regelrechter Abrollbewegung in den Kniegelenken nicht nachvollziehbar.

Das Sozialgericht hat den Geschäftsführer des Arbeitgebers des Klägers H C als Zeugen vernommen. Dieser hat angegeben, der Kläger habe schwerpunktmäßig im Tiefbau gearbeitet, weil sich dies zu einem Schwerpunkt des Unternehmens entwickelt habe. Kniende Haltungen seien zum einen bei der Errichtung des so genannten Verbaues (Herstellung der Stützwände mit Schalung) einzunehmen. Der Boden sei unter Zuhilfenahme z.B. eines Spatens zu begradigen. Dabei bewege sich naturgemäß im Knien der gesamte Oberkörper. Es werde eine senkrechte Wand geschaffen. Die Kunst bestehe darin, ausgehend von der obersten Bohle beispielsweise über eine Länge bis zu 6,5 m eine Wand zu schaffen, die bis unten exakt eben sei. Eine kniende Haltung sei insbesondere beim Unterstopfen von Rohren einzunehmen. Wenn Rohre exakt gerade liegen müssten, werde Sand in den Zwischenraum zur Wandseite oder nach unten neben das Rohr verbracht, wobei es wichtig sei, nicht mit zuviel Druck zu arbeiten, weil das Rohr sonst beschädigt werde oder hoch komme. Dabei knie der Mitarbeiter über dem Rohr oder knie daneben, um den Sand zu verstopfen. Es sei aber zu betonen, dass kniende Arbeiten insbesondere bei der Schaffung des Verbaues anfielen. Der Mitarbeiter knie, könne sich mit einer Hand oder einem Arm abstützen und schaffe mit der Arbeitshand und einem Werkzeug die ebene senkrechte Fläche und bringe natürlich mit zwei Händen die Bohle ein. Die Tätigkeit ähnele sehr einem Krabbeln, ein Sitzen auf den Fersen mit Gewichtsverlagerung nach hinten sei ihm als Arbeitshaltung kaum vorstellbar. Der Kläger habe sehr viel im Rohrgraben gearbeitet. Der Zeuge RZ, der in der Kolonne des Klägers gearbeitet hat, hat angegeben, während des Kniens verschiedene Positionen einzunehmen, Knien mit abgestützten Füßen, Knien auf nur einem Knie mit angebeugtem anderen Bein, Sitzen mit hinten verschränkten Beinen. Es fielen bestimmt 2 bis 3 Stunden kniende Haltungen an, bei dem Kläger dürften längere Zeiten vorliegen.

Durch Urteil vom 26. Juni 2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Voraussetzung für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr.2102 sei es, dass der Erkrankte eine andauernde oder häufig wiederkehrende, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastende Tätigkeit verrichtet habe. Charakteristisch sei eine Arbeit unter räumlich eng begrenzten Verhältnissen mit einer Dauerzwangshaltung in physiologisch ungünstiger Position der Kniegelenke, nämlich im Hocken, im Knien mit aktiver Gelenkarbeit, also einer Arbeit mit Kraftaufwendung unter Einsatz von Werkzeug. Diese Voraussetzung werde durch die kniende Tätigkeit des Klägers nicht erfüllt. Vielmehr habe der Kläger selbst in Würdigung der Zeugenaussagen ausgeführt, er habe sich insbesondere durch das feuchte Erdreich beeinträchtigt gefühlt, habe oft eine vorgebeugte Haltung eingenommen, wenn er auf den Knien gewesen sei. Auch der Zeuge C habe für die Kammer nachvollziehbar dargelegt, dass die Tätigkeit des Klägers einem Krabbeln geähnelt habe, und insbesondere durch die engen Verhältnisse im Rohrgraben geboten gewesen sei.

Mit seiner Berufung vom 1. Oktober 2001 (Montag) gegen das am 29. August 2001 zugestellte Urteil macht der Kläger geltend, das Sozialgericht habe die Ergebnisse der Beweisaufnahme falsch gewürdigt. Seine Tätigkeiten seien gerade mit der Arbeitsweise eines Bergbauarbeiters vergleichbar, da er bei der Begradigung der Grubenwände eine Arbeit mit Kraftaufwand unter Einsatz von Werkzeug verrichtet habe. Auch sei das Kriterium einer starren Dauerzwangshaltung nicht nachvollziehbar.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juni 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 1997 in der Fassung des Widerspruchs- bescheides vom 28. August 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung eine Verletztenteilrente nach einer Minde- rung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. ab Januar 2000 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

In einer Stellungnahme zu der Zeugenaussage hat der TAD am 30. Juli 2002 ausgeführt, bei einem Tiefbauer bestünden 60 bis 70 % der Tätigkeit im normalen Knien und maximal 15 % der Gesamtarbeitszeit würden Tätigkeit in Dauerzwangshaltung bei maximaler Kniegelenksbeugung, d.h. beim Knien mit Fersensitz oder bei maximaler Kniehocke ausgeführt. Der Senat hat die vom TAD in seiner Stellungnahme im Verwaltungsverfahren angeführte "Bildmappe über die kniebelastenden Tätigkeiten des Installateurs" beigezogen und eine Stellungnahme der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt vom 18. Dezember 2002 sowie eine ergänzende Stellungnahme des TAD vom 22. Juli 2003 zur Akte genommen. In dieser Stellungnahme verweist der TAD auf einen Forschungsbericht der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, in der für Tiefbauer und Kanalbauer die Verlegearbeiten aller Rohrmaterialien mit maximal 11 % der Gesamtarbeitszeit angegeben wurden.

Anschließend hat er Prof. em.Dr. Z, Arzt für Orthopädie und Physikalische Therapie, mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 20. Februar 2004 dargelegt, dass bei mehrfacher arthroskopischer Intervention komplexe Rissformen in Form von Lappen- bzw. Zungenrissen, Schrägrissen oder horizontal verlaufenden Rissformen nachgewiesen worden seien, welche insgesamt auf eine degenerative Verursachung rückschließen ließen, auch wenn lediglich in einem Fall eine entsprechende histologische Befunderhebung durchgeführt worden sei. Beweisend seien in diesem Zusammenhang die Ergebnisse der zahlreichen kernspintomographischen Untersuchungen. Bei dem Kläger sei jeweils ein Schädigungsgrad der Schwere III bzw. sogar III b festzustellen und damit degenerative Rissbildungen in den Meniskushinterhörnern sowohl im rechten als auch im linken Kniegelenk zweifelsfrei belegt. Konkurrierende Einflussfaktoren für das Entstehen einer Meniskusläsion seien auszuschließen. Freizeitaktivitäten in Form von Wandern, Schwimmen und Radfahren seien nicht geeignet, eine degenerative Meniskusbeschädigung zu verursachen. Die minimale, kaum nachweisbare Varusdeformierung im proximalen Unterschenkelbereich bei an sich geraden Beinachsen sei nicht geeignet, eine durch statische Einflüsse hervorgerufene überhöhte Meniskusschädigung der Innenmenisken auszulösen. Primäre Meniskopathien bei Dauerzwangshaltungen der Kniegelenke, die über die gesamte Tagesarbeitszeit notwendig würden, führten bereits schon nach wenigen Jahren zu einer Krankheitsmanifestierung. Eine primäre Meniskopathie könne allerdings auch dann zur Krankheitsmanifestation führen, wenn nur ein Teil der täglich zu verrichtenden Berufsaufgaben unter knie- und damit meniskusstrapazierenden Tätigkeitsmerkmalen ausgeführt werde. Im konkreten Fall sei eine meniskusbelastende Tätigkeit von 30 % der täglichen Arbeitszeit beziffert, obwohl diese zwischen 20 und 40 % der Tagesarbeitszeit gelegen haben dürfe. Völlig unberücksichtigt sei geblieben, dass der Kläger seit über 4 Jahrzehnten entsprechenden Tätigkeitsmerkmalen ausgesetzt gewesen sei. Die MdE beziffere er in Übereinstimmung mit dem Gutachten von Dr. M ab Januar 2000 mit 20 v.H.

Der daraufhin von der Beklagten mit einer chirurgischen gutachtlichen Stellungnahme beauftragte Dr. S hat hiergegen am 22. Juni 2004 eingewandt, als meniskusschädigende Arbeitshaltung gelte eine Dauerzwangshaltung, aus der heraus unter Einsatz der Kniegelenke Kraft aufgebracht werde, wobei es zu einer Druckerhöhung im Kniegelenk und einer andauernden Zugspannung der Menisken in der so genannten Knochenzange komme. Durch eine derartige Belastung werde der Meniskus insgesamt belastet und geschädigt. Im Übrigen sei das pathologische Schadensbild stets in Vollbeweis durch den Pathologen durch die pathologische feingewebliche Untersuchung zu sichern. Auch der klinische Verlauf spreche gegen eine Zerrüttung des Meniskusgewebes durch chronische mechanische Beanspruchungen, weil jeweils nur Meniskusteilentfernungen durchgeführt worden seien. Auch seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt. Es seien keine wesentlichen Gesichtspunkte erkennbar, die Anlass zu Zweifeln an den Feststellungen des Sozialgerichts ergäben.

Hierzu gehört hat Prof. Dr. Z ausgeführt, bei operativen Eingriffen am Meniskus werde seit Jahrzehnten keine mehr oder weniger vollständige Entfernung des Meniskus vorgenommen, sondern es würden nur wenige Abschnitte des Meniskus entfernt. Über den tatsächlichen Erhaltungs- bzw. Degenerationszustand des Meniskus sei anhand der histologischen Untersuchung des abgerissenen Fragmentes keine Aussage zu treffen. Der Wert kernspintomographischer subtiler Untersuchungstechniken sei dem Wert der histologischen Befundmuster zweifelsfrei überlegen.

Dem konnte sich Dr. S in einer ergänzenden Stellungnahme vom 20. September 2004 nicht anschließen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akten des Sozialgerichts - S 68 U 754/98 -) und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Anerkennung seiner Meniskuserkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV und Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. ab Januar 2000.

Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebentes Buch -SGB VII - die Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII bezeichneten Tätigkeiten erleidet. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören nach der Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV "Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten". Nachgewiesen werden muss insoweit das Vorliegen einer so genannten primären Meniskopathie als Krankheit und die Intensität der schädigenden Einwirkungen, während für den ursächlichen Zusammenhang zwischen den schädigenden Einwirkungen und der Krankheit die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich ist. Nach dem vom Bundesministerium für Arbeit herausgegebenen Merkblatt zur Berufskrankheit Nr. 2102 (Bundesarbeitsblatt 2/1990 S. 134 f.) sind andauernde oder häufig wiederkehrende, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastende Tätigkeiten solche mit einer Dauerzwangshaltung, die überwiegend im Fersensitz, Hocken und Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung verrichtet werden. Mit einer überdurchschnittlichen Belastung muss dem Merkblatt zufolge im Bergbau untertage, ferner bei Ofenmaurern, Fliesen- oder Parkettlegern, bei Rangierarbeitern, bei Berufssportlern und bei Tätigkeiten unter besonders beengten Raumverhältnissen gerechnet werden. Unter den Umständen einer Dauerzwangshaltung bei gleichzeitiger Kraftaufwendung werden insbesondere der Innenmeniskus in verstärktem Maße belastet. Dabei verdeutlicht nach den Ausführungen von Mertens/Perlebach im Kommentar zur Berufskrankheitenverordnung zu M 2102 unter Rdnr. 3 der Begriff "belastende Tätigkeit", dass nicht allein die extreme Gelenkstellung maßgebend ist, sondern die dynamische Belastung der Menisken durch unphysiologische Bewegungsabläufe. Das ist dann der Fall, wenn die Menisken durch extreme in der Regel endgradige Beugung und Drehung im Kniegelenk zwischen den Gelenkenden fixiert werden, dabei einer erheblichen Druck- und Zugbeanspruchung ausgesetzt sind und gleichzeitig eine starke "aktive Gelenkarbeit" erfolgt. Dabei muss der Versicherte während eines wesentlichen Teils seiner täglichen Arbeitszeit in Zwangshaltungen gearbeitet haben. Ist die zeitliche Belastung geringer als ein Drittel der Schicht, haben die Menisken ausreichend Zeit sich zu erholen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, 2003 unter 8.10.5.5.2.2 S. 709 am Ende). Eine wissenschaftlich gesicherte Dosis-Wirkung-Beziehung zwischen der beruflichen Belastung und Meniskopathie ist andererseits nicht bekannt (vgl. Steger, Meniskuserkrankungen unter besonderer Berücksichtigung der Berufskrankheit Nr. 2102, Zentralblatt für Arbeitsmedizin 2003, S. 34 ff.).

Unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger jedenfalls ein Drittel belastende Tätigkeit in einer Dauerzwangshaltung verrichtet hat. Der Zeuge C hat als Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers die Errichtung des so genannten Verbaues dargestellt und für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass die Wände unter Zuhilfenahme eines Spatens zu begradigen sind, wobei im Knien der gesamte Oberkörper bewegt wird. Dem steht nicht entgegen, dass der Zeuge zugleich angegeben hat, die Tätigkeit des Klägers ähnele sehr einem Krabbeln, ein Sitzen auf den Fersen mit Gewichtsverlagerung nach hinten sei ihm dagegen kaum vorstellbar. Auch wenn die Tätigkeit einem Krabbeln ähnelt, ändert dies nichts daran, dass zugleich mit dem Knien eine Kraftaufwendung in der Form verbunden ist, dass Erdreich unter Zuhilfenahme von Werkzeug begradigt wird. Auch die Tatsache, dass ein Sitzen auf den Fersen nicht stattgefunden hat, spricht nicht gegen eine dauerhafte Zwangshaltung, da der so genannte Fersensitz nur eine der möglichen Arbeitshaltungen der Kniegelenke ist.

Die Einwände der Beklagten hiergegen überzeugen nicht. Soweit der TAD im Verwaltungsverfahren pauschal von 30 % belastender Tätigkeit ausgegangen ist, ist nicht ersichtlich, dass er sich mit der speziellen Tätigkeit des Klägers auseinandergesetzt hat. Auch soweit der TAD in seiner Stellungnahme vom 30. Juli 2002 zu dem Ergebnis gelangt, 60 bis 70 % der knienden Tätigkeit erfolgten im normalen Knien in rechtwinkliger Stellung des Gelenkes, kann dem nicht gefolgt werden. Diese Ausführungen sind unter Berücksichtigung der als kniebelastend beschriebenen Tätigkeiten der Bildmappe zum Installateur nicht nachvollziehbar, da unter Berücksichtigung der Ausführungen des Zeugen C eine im rechten Winkel von Ober- zu Unterschenkel verrichtete Tätigkeit nicht ausgeübt wurde.

Auch die Bezugnahme in der Stellungnahme vom 22. Juli 2003 zur Tätigkeit des Tiefbauers und Kanalbauers führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch sie lässt die Besonderheiten des Einzelfalles außer Acht.

Abgesehen davon, dass der Zeuge C das spezielle Einsatzfeld des Klägers geschildert hat, der gerade nicht mit dem gesamten Tätigkeitsbild eines Tiefbauers und Kanalbauers befasst war, ergibt sich auch aus der beigefügten Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin kein Anhaltspunkt dafür, dass die Tätigkeit des Klägers weniger als ein Drittel kniebelastend gewesen ist. Die Studie setzt sich mit den Aufgaben des Rohrnetzbauers bei den Berliner Wasserwerken auseinander und beschreibt einleitend, dass Arbeiten wie Aufbruch der Straßenecke, Grob- und Feingrabungen, Freilegung der entsprechenden Anschlüsse oder Rohre, Austausch defekter Teile oder Erneuerung von Anlagen, Pflastern bzw. Aufbringen einer provisorischen Schwarzdecke, allgemeine Baustellensicherung, Maurerarbeiten, Hebe- und Tragearbeiten im breiten Umfang ausgeführt würden. Die Tätigkeit ist u.a. davon geprägt, dass maximal 82,4 % der Arbeitszeit durch Fahren, Unterbrechungen und Pausen vergehen. Dass die Tätigkeit des Klägers in derartig großem Umfang mit Pausen verbunden war, ist im Gegensatz zu dem in dem Bericht geschilderten Einsatz u.a. bei Havarien nicht ersichtlich. Abgesehen davon wird als ein Teil der Tätigkeit die Montage von Rohren angegeben. Demgegenüber war die Tätigkeit des Klägers gerade nicht überwiegend mit dem Einbau neuer Rohrteile verbunden, sondern - wie der Zeuge C dargelegt hat - mit der Herstellung des Verbaues. Soweit die Beklagte des Weiteren auf die Stellung des Klägers als Meister abstellt und hierin eine Tätigkeit sieht, die die Belastung durch Knien in Dauerzwangshaltung eingeschränkt hat, ergibt sich hierfür kein Anhalt, da der Arbeitgeber hierzu in seiner Stellungnahme vom 21. September 1999 angegeben hat, der Kläger habe die Planungs- und Schreibarbeiten in täglicher zusätzlicher Arbeitsleistung abgewickelt.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist eine primäre Meniskopathie im Sinne des Vollbeweises festgestellt worden. Sowohl Dr. M als auch Prof. Dr. Z sind nach einer jeweiligen Untersuchung des Klägers unter eingehender Berücksichtigung der Arthroskopieberichte und der Kernspintomographien zu dem Ergebnis gekommen, dass eine primäre Meniskopathie vorliege. Dabei hat insbesondere Dr. M dargelegt, dass die Stärke der Ausbildung der Chondromalazie insgesamt und der Ausbildung in den beiden Compartments der Kniegelenke in Form von Knorpelveränderungen I. bis II. Grades das altersübliche Maß in keiner Weise überschritten, während erhebliche gewebliche Veränderungen im Innenmeniskus beider Kniegelenke festgestellt worden seien. Die Einwände von Dr. O hiergegen sind nicht geeignet, zu einer anderen Bewertung zu kommen. Aufgrund der eigenen Untersuchung ist nämlich Prof. Dr. Z zu dem Ergebnis gekommen, dass als konkurrierende Ursache die O-Bein-Stellung ausgeschlossen sei, da diese minimal sei. Dass Dr. Onach seinen Angaben zur Beurteilung bildgebende Befunde durch konventionelle Röntgentechnik fehlten, erschüttert den Beweiswert des Gutachtens von Dr. M schon deswegen nicht, weil dieser den Röntgenbefund vom 13. Februar 1995, in dem ausgeführt wird, dass bei einer Aufnahme in drei Ebenen keine degenerativen Veränderungen gefunden werden konnten, berücksichtigt hat. Auch die Einwände von Dr. S gegen das Gutachten von Prof. Dr. Z überzeugen den Senat nicht. Vielmehr hat Prof. Dr. Z in seiner Gegenäußerung darauf hingewiesen, dass die Tatsache, dass nur Meniskusteilentfernungen vorgenommen worden seien, nicht gegen eine Zerrüttung des Meniskusgewebes spreche, da dies fortschrittlichen Operationsmethoden entspreche. Auch der Einwand, es könne nicht rückgeschlossen werden, dass die Knorpelschäden sekundäre Folge des Meniskusschadens sind, überzeugt unter Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. M, der die degenerativen Veränderungen am Knorpel als altersentsprechend gewertet hat, nicht. Ergänzend war zu berücksichtigen, dass entgegen den Ausführungen von Dr. S der juristisch-medizinischen Literatur kein Hinweis zu entnehmen ist, dass die Meniskopathie jeweils durch einen histologischen Befund gesichert werden muss. Dass man im Einzelfall aufgrund eines MRTs zu einer falschen Wertung gelangen kann, steht einer Beweisführung im vorliegenden Fall nicht entgegen. Denn die Vielzahl der durchgeführten Kernspintomogramme und der Arthroskopien hat übereinstimmend die jeweils beschriebenen Meniskusschäden gezeigt.

Vor diesem Hintergrund war auch die haftungsausfüllende Kausalität zwischen den schädigenden Einwirkungen und dem Erkrankungsbild des Klägers zu bejahen. Wenn auch die Ausführungen von Dr. M in seinem Gutachten insoweit recht kurz sind, hat jedenfalls Prof. Dr. Z dargelegt, dass die Wahrscheinlichkeit der Kausalität ausschließende Faktoren nicht festgestellt werden konnten. Gegen diesen Schluss als solchen hat auch Dr. S keine Einwendungen erhoben.

Nach alledem war bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV anzuerkennen.

Diese bedingt auch eine MdE von 20 v.H. ab Januar 2000, da ab diesem Zeitpunkt eine Meniskopathie an beiden Knien von beiden Sachverständigen übereinstimmend festgestellt worden ist. Die Bewertung der MdE mit 10 v.H. pro Knie entspricht den Vorgaben u.a. in Schönberger/Mehrtens/Valentin unter 8.10.4.5 bei einer endgradigen Behinderung der Beugung/Streckung mit muskulär kompensierbaren instabilen Bandverhältnissen. Auch Mehrhof/Murr bewertet eine Restbeweglichkeit des Kniegelenks bei 0/0/120° mit einer MdE von 10.

Nach alledem hatte die Berufung des Klägers Erfolg. Ihm war für die Zeit ab Januar 2000 eine Verletztenteilrente nach einer MdE von 20 v.H. zuzuerkennen.

Die Kostenentscheidung folgt dem Ergebnis in der Hauptsache und berücksichtigt, dass der Kläger jedenfalls im Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides einen Anspruch auf Anerkennung seines Meniskusschadens im linken Knie als Berufskrankheit nach Nr. 2102 hatte.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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