L 7 KA 257/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 71 KA 56/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 257/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. April 2002 wird zurückgewiesen. Die Klägerinnen haben der Beklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Vergütung für im I. Quartal 1997 erbrachte Leistungen aus dem Bereich der ambulanten Operationen.

Die Klägerinnen sind als Ärztinnen für Anästhesiologie in Gemeinschaftspraxis mit Arztsitz in Berlin-Szur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Ihre Vergütung wurde in den Jahren 1995 und 1996 auf der Basis von Honorarverteilungsmaßstäben (HVM) berechnet, die für die Leistungen aus dem Bereich der ambulanten Operationen die Bildung eines separaten Teilbudgets vorsahen. Aus diesem Teilbudget, dem nach den Regelungen des jeweils maßgeblichen HVM die von den Krankenkassen nach § 85 Abs. 3 a Satz 6 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) zu zahlenden Steigerungsbeträge zugeschlagen werden mussten, waren arztgruppenübergreifend alle Leistungen aus dem Bereich der ambulanten Operationen zu vergüten. Hierbei musste in den Quartalen II bis IV/1996 für die vorgenannten Leistungen mindestens der Punktwert der "übrigen Leistungen" zur Auszahlung gelangen. Am 28. November 1996 beschloss die Vertreterversammlung der Beklagten einen neuen HVM, der im Januar 1997 im Mitteilungsblatt der Beklagten veröffentlicht wurde (S.A 63) und am 1. Januar 1997 in Kraft trat. Dieser HVM sah in seinem § 10 die Bildung von Teilbudgets für die hausärztliche Grundvergütung sowie die ihrerseits nach den einzelnen Fachrichtungen gegliederten Fachgruppenleistungen vor (z.B. Ziff. 2.4 Anästhesie). Nicht mehr vorgesehen war die Bildung eines Teilbudgets für die Leistungen aus dem Bereich der ambulanten Operationen, die nunmehr wie die übrigen Leistungen der jeweiligen Fachgruppe vergütet werden mussten.

Gegen den auf der Grundlage dieses HVM erstellten Honorarbescheid für das I. Quartal 1997 legten die Klägerinnen Widerspruch ein und machten geltend, mit der Vergütung der von ihnen erbrachten Leistungen aus dem Bereich der ambulanten Operationen habe die Beklagte die Entscheidung des Gesetzgebers unterlaufen, diese Leistungen besonders zu fördern. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit ihrem Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 1999 mit der Begründung zurück: Die Vergütung der in Rede stehenden Leistungen mit dem Punktwert, der auch für die übrigen Leistungen der jeweiligen Fachgruppe zur Auszahlung gelange, sei rechtmäßig. Denn das Gesetz verlange nicht, dass die Mittel, die für die Leistungen aus dem Bereich der ambulanten Operationen aufzuwenden seien, auch weiterhin ausschließlich für diese Leistungen zur Verfügung stehen müssten. Vielmehr genüge es, diese Mittel im Rahmen des Honorarkontingents der jeweiligen Fachgruppentöpfe bereitzustellen.

Mit ihrer daraufhin erhobenen Klage haben die Klägerinnen vorgetragen: Der Honorarbescheid für das I. Quartal 1997 sei rechtswidrig. Denn der am 1. Januar 1997 in Kraft getretene HVM verstoße gegen höherrangiges Recht. Er stelle nicht sicher, dass der nach dem Gesetz für die Leistungen aus dem Bereich der ambulanten Operationen zusätzlich bereitzustellende Anteil an der Gesamtvergütung für diese Leistungen verwendet werde. Dass die Gesamtvergütung nur bis Ende 1995 budgetiert gewesen sei, führe insoweit zu keinem anderen Ergebnis, weil die Verpflichtung, die Zuschläge bei der Honorarverteilung nur zur Vergütung der privilegierten Leistungen zu verwenden, in zeitlicher Hinsicht nicht an die gesetzliche Budgetierung gebunden sei.

Das Sozialgericht hat die Klage mit seinem Urteil vom 24. April 2002 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der angegriffene Honorarbescheid sei rechtmäßig. Denn der am 1. Januar 1997 in Kraft getretene HVM entspreche den gesetzlichen Vorgaben. Hiernach sei die Bildung von Honorartöpfen zulässig, so dass gegen die in § 10 HVM vorgeschriebene Einrichtung von Teilbudgets für die hausärztliche Grundvergütung sowie die ihrerseits nach den einzelnen Fachrichtungen gegliederten Fachgruppenleistungen keine Bedenken bestünden. Ferner sei es nicht zu beanstanden, dass die Leistungen aus dem Bereich der ambulanten Operationen den Leistungen der jeweiligen Fachgruppe zugeordnet worden seien. Denn die Krankenkassen hätten die Gesamtvergütung im Jahre 1997 nicht mehr um Zuschläge für diese Leistungen erhöhen müssen. Da vor diesem Hintergrund ein von den Krankenkassen zu entrichtender Mehrbetrag nicht mehr zur Verfügung gestanden habe, sei die Verpflichtung der Beklagten entfallen, die Zuschläge in vergütungsrechtlicher Hinsicht besonders zu behandeln. Im Übrigen fehle es an einer gesetzlichen Regelung, den Bereich der ambulanten Operationen, in dem es bereits in den Jahren bis Ende 1996 zu einem erheblichen Leistungsanstieg und einer Verlagerung aus dem stationären Bereich gekommen sei, von jeder Mengensteuerung freizustellen oder in diesem Bereich eine Mengenausweitung ohne Rücksicht auf den möglichen Punktwertverfall in anderen Leistungsbereichen zuzulassen. Ohne eine solche gesetzliche Regelung sei eine unmittelbar auf den Punktwert durchgreifende Privilegierung der Leistungen aus dem Bereich der ambulanten Operationen nicht möglich. Bezüglich dieser Leistungen seien im Übrigen nach dem Auslaufen der gesetzlichen Förderungsmaßnahmen zwischen der Beklagten und den Krankenkassenverbänden Strukturverträge zur Verbesserung der Honorarsituation geschlossen worden, so dass diese Leistungen auch weiterhin gefördert worden seien.

Gegen dieses ihnen am 5. Juni 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 2. Juli 2002 bei Gericht eingegangene Berufung. Mit ihr betonen die Klägerinnen nochmals, dass die Verpflichtung der Beklagten, die ab 1996 in der Gesamtleistung aufgegangenen Zuschläge für die Leistungen aus dem Bereich der ambulanten Operationen bei der Honorarverteilung nur zur Vergütung dieser Leistungen zu verwenden, durch die Beendigung der gesetzlichen Budgetierung nicht entfallen sei.

Die Klägerinnen beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. April 2002 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Honorarbescheides für das I. Quartal 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 1999 zu verurteilen, sie hinsichtlich ihrer Honoraransprüche für dieses Quartal unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie den die Klägerinnen betreffenden Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das mit ihr angegriffene Urteil des Sozialgerichts ist zutreffend.

Der Honorarbescheid der Beklagten für das I. Quartal 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 1999, den die Klägerinnen allein mit Blick auf die Honorierung der von ihnen erbrachten Leistungen aus dem Bereich der ambulanten Operationen angefochten haben, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten. Sie haben keinen Anspruch auf Neubescheidung ihrer Honoraransprüche, soweit diese auf den vorgenannten Leistungen beruhen. Der zum 1. Januar 1997 in Kraft getretene HVM der Beklagten, auf dessen Grundlage das Honorar der Klägerinnen im I. Quartal 1997 für diese Leistungen berechnet worden ist, steht mit höherrangigem Recht im Einklang.

Wie das Sozialgericht mit Recht ausgeführt hat, sind Honorarverteilungsregelungen an den gesetzlichen Vorgaben des § 85 Abs. 4 SGB V in Verbindung mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, der sich aus Art. 12 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ergibt, zu messen. Dabei kommt der Bestimmung des § 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V zentrale Bedeutung zu, nach der bei der Verteilung der Gesamtvergütung Art und Umfang der Leistungen des Vertragsarztes zugrunde zu legen sind. Dieser Vorschrift kann nicht die Forderung entnommen werden, die Leistungen müssten nach ihrer Art und ihrem Umfang stets gleichmäßig, d.h. mit einem für alle Leistungen einheitlichen Punktwert, honoriert werden. Das Gesetz schließt eine Aufteilung der Gesamtvergütung in Teilbudgets mit der Folge, dass die vertragsärztlichen Leistungen nicht mehr entsprechend dem einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) im selben Verhältnis, sondern, abhängig von der Mengenentwicklung im jeweiligen Leistungsbereich, unterschiedlich hoch vergütet werden, nicht grundsätzlich aus. Im Hinblick auf die berufsregelnde Tendenz von Honorarverteilungsvorschriften darf die Kassenärztliche Vereinigung (KV) die Verteilung allerdings nicht frei nach ihrem Ermessen gestalten; sie ist vielmehr an den Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung gebunden, wonach die ärztlichen Leistungen prinzipiell gleichmäßig zu vergüten sind. Der normsetzenden Körperschaft bleibt jedoch ein Spielraum für sachlich gerechtfertigte Abweichungen von diesem Grundsatz, der es ihr ermöglicht, ihrem Sicherstellungsauftrag und ihren sonstigen vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen gerecht zu werden (vgl. z.B. BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 26).

§ 85 Abs. 4 Satz 5 SGB V in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992 -GSG- (BGBl. I S. 2266) gestattet ausdrücklich eine "nach Arztgruppen unterschiedliche" Honorarverteilung. Dementsprechend ist es grundsätzlich zulässig, im HVM gesonderte Honorartöpfe für die verschiedenen Fachgruppen zu bilden, um Vorsorge dagegen zu treffen, dass durch eine unterschiedliche Mengendynamik in den verschiedenen Fachgruppen das Honorargefüge ungerechtfertigt zugunsten einzelner und zum Nachteil anderer Arztgruppen verändert wird (vgl. BSG wie zuvor). Ausgehend hiervon ist die in § 10 HVM vorgeschriebene Bildung von Teilbudgets für die hausärztliche Grundvergütung sowie die ihrerseits nach den einzelnen Fachrichtungen gegliederten Fachgruppenleistungen nicht zu beanstanden.

Ferner begegnet es keinen Bedenken, die Leistungen aus dem Bereich der ambulanten Operationen den Leistungen der jeweiligen Fachgruppe zuzuordnen. In der Absicht, die Verlagerung von Operationen aus dem stationären in den ambulanten Bereich zu fördern, hat der Gesetzgeber zwar mit § 85 Abs. 3 a Satz 6 SGB V in der zum 1. Januar 1993 rückwirkend in Kraft getretenen Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des SGB V vom 10. Mai 1995 (BGBl. I S. 678) bestimmt, dass der Teil der Gesamtvergütung, der auf die Leistungen des ambulanten Operierens entfällt, zusätzlich zu der Erhöhung nach § 85 Abs. 3 a Satz 1 SGB V (Steigerung der Grundlohnsumme) für 1993 um 10 v.H. und für 1994 und weitere 20 v.H. erhöht wird. Des Weiteren hat er ergänzend hierzu bereits mit § 85 Abs. 4 a Satz 3 SGB V in der Fassung des GSG vorgeschrieben, dass der gemäß § 85 Abs. 3 a Satz 6 SGB V von den Krankenkassen zu entrichtende zusätzliche Vergütungsanteil bei der Honorarverteilung den Leistungen zuzurechnen ist, für die Zuschläge nach den Abschnitten B VI und B VII EBM gezahlt werden, um auf diese Weise die bestimmungsgemäße Verwendung der zusätzlich bereitgestellten Mittel sicherzustellen. Auf diese Vorschriften können sich die Klägerinnen hier jedoch nicht mit Erfolg stützen. Denn sie verkennen in diesem Zusammenhang, dass sich diese Vorschriften - ebenso wie die sonstigen Regelungen des § 85 Abs. 3 a SGB V - schon nach ihrem Wortlaut nur auf den Zeitraum der vom Gesetz verpflichtend vorgegebenen Begrenzung des Anstiegs der vertraglich zu vereinbarenden Gesamtvergütung auf die Steigerung der Grundlohnsumme beziehen, d.h. allein die Jahre 1993 bis 1995 betreffen. Sie können mithin von vornherein keine Verpflichtung der KV begründen, die in Rede stehenden Leistungen noch im I. Quartal 1997 besonders zu behandeln (vgl. hierzu das bereits vom Sozialgericht angeführte Urteil des BSG vom 8. März 2000 - B 6 KA 7/99 R -, abgedruckt in SozR 3-2500 § 87 Nr. 23, siehe dort S. 123 zu den in § 85 Abs. 3 a Satz 7, Abs. 4 a Satz 3, 2. Halbsatz SGB V in der Fassung des GSG geregelten Präventionsleistungen). Vor diesem Hintergrund kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Entscheidung der Beklagten, die Leistungen aus dem Bereich der ambulanten Operationen den Leistungen der jeweiligen Fachgruppe gleichzustellen, Bestand haben könnte, würde der sich aus § 85 Abs. 4 a Satz 3 SGB V ergebende Auftrag für das hier streitbefangene I. Quartal 1997 noch gelten. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung nimmt der Senat nach § 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Bezug auf die zutreffenden Gründe des angegriffenen Urteils und sieht zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen von einer eigenen Darstellung der weiteren Entscheidungsgründe ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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