Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 3 RA 478/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 RA 14/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Januar 2004 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger in der DDR in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) hätte einbezogen werden müssen und ihm deshalb Rechte nach dem Anspruchs? und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) zustehen.
Der 1935 geborene Kläger erwarb am 18. Juli 1969 das Recht, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits beim volkseigenen Bkombinat O (VE B) ? Betriebsteil (BT) I ? als Elektroingenieur beschäftigt. Die dortige Beschäftigung endete am 15. Mai 1976. Vom 17. Mai 1976 bis 30. April 1980 arbeitete er beim VEB W (W) B als Ingenieur "für Elektro", vom 15. Mai 1980 bis 30. September 1982 beim VEB R F als Gruppenleiter Projektierung E?Technik/"MSR"-Technik, vom 1. Oktober 1982 bis 31. Oktober 1988 beim VEB S B als Abteilungsleiter des Aufbaustabes der Investabteilung Projektierung/Realisierung sowie vom 1. November 1988 bis 30. Juni 1990 beim VEB K B im VEB E B (nach eigenen Angaben) in entsprechender Tätigkeit. Seit dem 1. Mai 1979 hatte er auch Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) entrichtet.
Durch Bescheid vom 2. Mai 2002 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom Juli 2000 auf Feststellung der Beschäftigungszeit vom 18. Juli 1969 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (= AVItech) ab. Im bestätigenden Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2002 führte die Beklagte näher aus, der Kläger habe bei In-Kraft-Treten des AAÜG am 1. August 1991 keine Versorgungsanwartschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes gehabt. Die gesetzlichen, durch die Rechtsprechung näher bestimmten Voraussetzungen seien nicht erfüllt gewesen. Der Kläger sei weder zum Zeitpunkt der Schließung der Zusatzversorgungssysteme am 30. Juni 1990 in ein Versorgungssystem einbezogen gewesen oder habe eine solche Einbeziehung nachträglich durch Rehabilitierung oder durch eine Entscheidung nach Art. 19 Satz 2 oder 3 des Einigungsvertrages erlangt noch habe er im Juli 1991 aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt. Im Juni 1990 habe er zwar als Ingenieur eine seiner Qualifikation entsprechende Beschäftigung beim VEB K ausgeübt. Es habe sich hierbei jedoch weder um einen volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) noch um einen im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung (2. DB) vom 24. Mai 1951 (zur Verordnung über die AVItech) gleichgestellten Betrieb gehandelt.
Das dagegen angerufene Sozialgericht (SG) Berlin gab dem Kläger Recht und verpflichtete die Beklagte durch Urteil vom 12. Januar 2004, den Bestand einer Versorgungsberechtigung des Klägers im Sinne von § 1 AAÜG zum 1. August 1991 und den Zeitraum vom 18. Juli 1969 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech (Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Entgegen den angefochtenen Bescheiden sei der VEB K ein gleichgestellter Betrieb im Sinne der Versorgungsordnung gewesen. Gleichgestellt seien u.a. ? was hier allein in Betracht komme ? Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser und Energie) gewesen. Der VEB K sei nach Ansicht der Kammer ein Energieversorgungsbetrieb gewesen. Zwar habe die DDR unter einem Energieversorgungsbetrieb einen Betrieb der Energieversorgung verstanden, dessen Aufgabe hauptsächlich darin bestanden habe, die Energieabnehmer mit Elektroenergie, Gas und Wärmeenergie aus Versorgungsnetzen zu beliefern. Auch habe sie in ihrem Sprachgebrauch, auf den hinsichtlich der Auslegung der Versorgungsordnung und der 2. DB zurückgegriffen werden müsse, zwischen Energie und Energieträgern unterschieden und seien nach dem ausdrücklichen Wortlaut der 2. DB nur Versorgungsbetriebe für Gas, Wasser und Energie gleichgestellt gewesen, nicht dagegen solche für (sonstige) Energieträger. Auch eingedenk dessen, dass eine nachträgliche Korrektur der im Bereich der Zusatzversorgungssysteme am 30. Juni 1990 gegebenen abstrakt-generellen Regelungen der DDR nicht zulässig sei, sei die Kammer dennoch der Ansicht, dass der VEB K ein Energieversorgungsbetrieb im Sinne der 2. DB gewesen sei, weil Kohle die Hauptenergiequelle der DDR dargestellt habe, und er damit als Lieferant derselben in den Geltungsbereich der Versorgungsordnung für die AVItech fallen müsse. Dafür spreche auch, dass der VEB K dem VEB E B unterstanden habe.
Mit der Berufung macht die Beklagte geltend, der VEB K sei trotz seiner Unterstellung unter ein Energiekombinat kein Betrieb der Energieversorgung gewesen. Energieversorgung sei auch in der DDR jener Bereich der Volkswirtschaft gewesen, der durch eine effektive Gewinnung der Rohenergie, ihre wirtschaftliche Umwandlung, Fortleitung und Verteilung sowie durch Bereitstellung von Gebrauchsenergie den Bedarf an Nutzenergie zu befriedigen gehabt habe. Energieversorgungsunternehmen seien dementsprechend Betriebe gewesen, die die Versorgung mit den bereits in Energie umgewandelten Rohstoffen zur Aufgabe gehabt hätten. Diese Betriebe hätten leitungsgebundene Energie ? nämlich Strom, Gas und Fernwärme ? hergestellt oder verteilt. Demgegenüber sei der VEB K ein Betrieb gewesen, dessen Hauptzweck der Handel mit einem Rohstoff zur Energiegewinnung gewesen sei.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Januar 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. In § 1 Abs. 2 2. DB sei nicht die Rede von Energiebetrieben oder Energieversorgungsbetrieben, sondern nur von Versorgungsbetrieben. Da der VEB K die Aufgabe gehabt habe, sowohl die Bevölkerung als auch die Industrie mit dem wichtigsten Energieträger zu versorgen, habe es sich hierbei um einen Versorgungsbetrieb im Bereich Energie im Sinne des § 1 Abs. 2 2. DB gehandelt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akte des SG ? S 3 RA 478/03 ?) und Beklagtenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet.
Entgegen dem angefochtenen Urteil steht dem Kläger die begehrte Feststellung (nach § 8 AAÜG) nicht zu, weil das AAÜG auf ihn keine Anwendung findet.
Nach § 1 Abs. 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz? und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2). Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen ist die Vorschrift im Hinblick auf deren Satz 2 darüber hinaus verfassungskonform ausdehnend dahin auszulegen, dass die Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nicht nur durch die tatsächliche Einbeziehung zu DDR-Zeiten bis zur Schließung der Versorgungssysteme (am 30. Juni 1990) bzw. danach aufgrund besonderer gesetzlicher Vorschriften (Rehabilitierungsentscheidung) begründet wird, sondern auch dadurch, dass jemand aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage nach der am 1. August 1991 gegebenen Rechtslage einen "Anspruch auf Versorgungszusage" nach den bundesrechtlich fortgeltenden leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme gehabt hätte (vgl. Urteile des Bundessozialgerichts [BSG] vom 9. April 2002 ? B 4 RA 31/01 R ? = SozR 3?8570 § 1 Nr. 2 S. 12/13 und ? B 4 RA 3/02 R ? = SozR 3 a.a.O. Nr. 7 S. 54, ständige Rechtsprechung). Zu den in diesem Sinne fortgeltenden leistungsrechtlichen Regelungen gehört die ? für den Kläger allein in Betracht kommende ? Vorschrift des § 1 der Verordnung über die AVItech vom 17. August 1950 (vgl. Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 AAÜG) in der Bedeutung, die sie durch § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der 2. DB gefunden hat (vgl. BSG a.a.O. Nr. 2 S. 13).
Voraussetzung für den Anspruch auf Versorgungszusage war danach außer der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen ? u.a. die des Ingenieurs ? (persönliche Voraussetzung), und der tatsächlichen Ausübung der entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung), dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine solche in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb ? betriebliche Voraussetzung ? handelte (vgl. BSG-Urteile vom 9. April 2002 ? B 4 RA 41/01 R ? = SozR 3 a.a.O. Nr. 6 S. 40 und SozR 3 a.a.O. Nr. 7 S. 60).
Der Kläger erfüllte zwar die persönliche, möglicherweise auch die sachliche, nicht aber die betriebliche Voraussetzung, und zwar deshalb, weil er am 30. Juni 1990 weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb noch in einem gleichgestellten Betrieb nach § 1 Abs. 2 der 2. DB beschäftigt war.
Keiner weiteren Darlegung bedarf, dass der Kläger in keinem volkseigenen Produktionsbetrieb beschäftigt war. Das ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Der Kläger war jedoch auch nicht Arbeitnehmer in einem gleichgestellten Betrieb.
Der VEB K gehörte nicht zu den gleichgestellten "Versorgungsbetrieben (Gas, Wasser, Energie)" im Sinne des § 1 Abs. 2 2. DB. Er mag zwar auch als Versorgungsbetrieb bezeichnet werden können. So spricht die Energieverordnung (EnergieVO) vom 30. Oktober 1980 (GBl. I S. 321) etwa von der "Versorgung mit festen und flüssigen Brennstoffen" (§ 7 Abs. 1), wobei unter festen Brennstoffen insbesondere Kohle und Kokse zu verstehen waren (§ 1 Nr. 6 1. DB zur EnergieVO vom 10. November 1980 [GBl. I S. 330]). Der VEB K war jedoch weder ein Gas? noch ein Wasser? noch ? was allein in Betracht kommt ? ein Energieversorgungsbetrieb. Zwar gehörte auch die Kohle ? als fester Brennstoff ? neben Elektroenergie, Gas, Wärmeenergie und flüssigen Brennstoffen zu den "Energieträgern" im Geltungsbereich der EnergieVO (§ 1 Nr. 6 a.a.O.) und war damit auch Gegenstand der "Energieträgerversorgung" (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 EnergieVO). Ihr kam aber ? anders als Elektroenergie, Gas und Wärmeenergie ? keine Doppelfunktion als Energieträger und zugleich als Energie, d.h. als Produkt der Umwandlung von Energieträgern zu. Insofern heißt es in § 1 Nr. 5 a.a.O. ausschließlich: "Energieerzeugung ist Umwandlung von Energieträgern in Elektroenergie, Gas oder Wärmeenergie". (Dabei gehörten ? wie gesagt ? zu den Energieträgern im Sinne dieser Begriffsbestimmung zugleich auch die vorgenannten Energien selbst insofern, als sie untereinander umwandelbar waren [: Elektroenergie in Wärmeenergie und umgekehrt, Gas in Wärmeenergie].)
Der Umstand, dass ? im Gegensatz zu Elektroenergie und Wärmeenergie ? Gas ebenso wenig wie Kohle "Energie" (aus dem Griechischen: "wirkende Kraft") im engeren Sinne des Wortes ist, vielmehr eigentlich ? wie Kohle ? nur Energieträger, kann nicht dazu führen, auch die Kohle dem Begriff "Energie" im Sinne der 2. DB zuzuordnen und damit die Kohleversorgung (Kohlehandel) der Energieversorgung. Zum einen nennt die 2. DB Gasversorgungsbetriebe gesondert neben den Energieversorgungsbetrieben, woraus zu schließen ist, dass Energieversorgungsbetriebe in einem engeren Sinne ? unter Ausschluss von Gasversorgungsbetrieben ? gemeint sind. Zum anderen spricht die Zusammenstellung von Versorgungsbetrieben in der 2. DB ? nämlich solche für die Versorgung mit Gas, Wasser und Energie ? dafür, dass nur Versorgungsbetriebe für leitungsgebundene Versorgungsgüter gemeint sind. Danach lassen sich in beiderlei Hinsicht Kohleversorgungsbetriebe (Kohlehandelsbetriebe) nicht dem Begriff der Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser, Energie) im Sinne der 2. DB zuordnen.
Hierfür sprechen schließlich auch weitere Indizien: So fasste die Anordnung über die Lieferung von Elektroenergie, Gas und Wärmeenergie an die Bevölkerung ?ELB? vom 18. November 1976 (GBl. I S. 571) diese drei (leitungsgebundenen) Versorgungsgüter unter dem Begriff "Energie" zusammen (§ 1 Abs. 1) und führte der für die Energieversorgung zuständige Minister die Amtsbezeichnung "Minister für Kohle und Energie" (vgl. § 1 Abs. 3 EnergieVO).
Die Kostenentscheidung nach § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger in der DDR in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) hätte einbezogen werden müssen und ihm deshalb Rechte nach dem Anspruchs? und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) zustehen.
Der 1935 geborene Kläger erwarb am 18. Juli 1969 das Recht, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits beim volkseigenen Bkombinat O (VE B) ? Betriebsteil (BT) I ? als Elektroingenieur beschäftigt. Die dortige Beschäftigung endete am 15. Mai 1976. Vom 17. Mai 1976 bis 30. April 1980 arbeitete er beim VEB W (W) B als Ingenieur "für Elektro", vom 15. Mai 1980 bis 30. September 1982 beim VEB R F als Gruppenleiter Projektierung E?Technik/"MSR"-Technik, vom 1. Oktober 1982 bis 31. Oktober 1988 beim VEB S B als Abteilungsleiter des Aufbaustabes der Investabteilung Projektierung/Realisierung sowie vom 1. November 1988 bis 30. Juni 1990 beim VEB K B im VEB E B (nach eigenen Angaben) in entsprechender Tätigkeit. Seit dem 1. Mai 1979 hatte er auch Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) entrichtet.
Durch Bescheid vom 2. Mai 2002 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom Juli 2000 auf Feststellung der Beschäftigungszeit vom 18. Juli 1969 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (= AVItech) ab. Im bestätigenden Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2002 führte die Beklagte näher aus, der Kläger habe bei In-Kraft-Treten des AAÜG am 1. August 1991 keine Versorgungsanwartschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes gehabt. Die gesetzlichen, durch die Rechtsprechung näher bestimmten Voraussetzungen seien nicht erfüllt gewesen. Der Kläger sei weder zum Zeitpunkt der Schließung der Zusatzversorgungssysteme am 30. Juni 1990 in ein Versorgungssystem einbezogen gewesen oder habe eine solche Einbeziehung nachträglich durch Rehabilitierung oder durch eine Entscheidung nach Art. 19 Satz 2 oder 3 des Einigungsvertrages erlangt noch habe er im Juli 1991 aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt. Im Juni 1990 habe er zwar als Ingenieur eine seiner Qualifikation entsprechende Beschäftigung beim VEB K ausgeübt. Es habe sich hierbei jedoch weder um einen volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) noch um einen im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung (2. DB) vom 24. Mai 1951 (zur Verordnung über die AVItech) gleichgestellten Betrieb gehandelt.
Das dagegen angerufene Sozialgericht (SG) Berlin gab dem Kläger Recht und verpflichtete die Beklagte durch Urteil vom 12. Januar 2004, den Bestand einer Versorgungsberechtigung des Klägers im Sinne von § 1 AAÜG zum 1. August 1991 und den Zeitraum vom 18. Juli 1969 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech (Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Entgegen den angefochtenen Bescheiden sei der VEB K ein gleichgestellter Betrieb im Sinne der Versorgungsordnung gewesen. Gleichgestellt seien u.a. ? was hier allein in Betracht komme ? Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser und Energie) gewesen. Der VEB K sei nach Ansicht der Kammer ein Energieversorgungsbetrieb gewesen. Zwar habe die DDR unter einem Energieversorgungsbetrieb einen Betrieb der Energieversorgung verstanden, dessen Aufgabe hauptsächlich darin bestanden habe, die Energieabnehmer mit Elektroenergie, Gas und Wärmeenergie aus Versorgungsnetzen zu beliefern. Auch habe sie in ihrem Sprachgebrauch, auf den hinsichtlich der Auslegung der Versorgungsordnung und der 2. DB zurückgegriffen werden müsse, zwischen Energie und Energieträgern unterschieden und seien nach dem ausdrücklichen Wortlaut der 2. DB nur Versorgungsbetriebe für Gas, Wasser und Energie gleichgestellt gewesen, nicht dagegen solche für (sonstige) Energieträger. Auch eingedenk dessen, dass eine nachträgliche Korrektur der im Bereich der Zusatzversorgungssysteme am 30. Juni 1990 gegebenen abstrakt-generellen Regelungen der DDR nicht zulässig sei, sei die Kammer dennoch der Ansicht, dass der VEB K ein Energieversorgungsbetrieb im Sinne der 2. DB gewesen sei, weil Kohle die Hauptenergiequelle der DDR dargestellt habe, und er damit als Lieferant derselben in den Geltungsbereich der Versorgungsordnung für die AVItech fallen müsse. Dafür spreche auch, dass der VEB K dem VEB E B unterstanden habe.
Mit der Berufung macht die Beklagte geltend, der VEB K sei trotz seiner Unterstellung unter ein Energiekombinat kein Betrieb der Energieversorgung gewesen. Energieversorgung sei auch in der DDR jener Bereich der Volkswirtschaft gewesen, der durch eine effektive Gewinnung der Rohenergie, ihre wirtschaftliche Umwandlung, Fortleitung und Verteilung sowie durch Bereitstellung von Gebrauchsenergie den Bedarf an Nutzenergie zu befriedigen gehabt habe. Energieversorgungsunternehmen seien dementsprechend Betriebe gewesen, die die Versorgung mit den bereits in Energie umgewandelten Rohstoffen zur Aufgabe gehabt hätten. Diese Betriebe hätten leitungsgebundene Energie ? nämlich Strom, Gas und Fernwärme ? hergestellt oder verteilt. Demgegenüber sei der VEB K ein Betrieb gewesen, dessen Hauptzweck der Handel mit einem Rohstoff zur Energiegewinnung gewesen sei.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Januar 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. In § 1 Abs. 2 2. DB sei nicht die Rede von Energiebetrieben oder Energieversorgungsbetrieben, sondern nur von Versorgungsbetrieben. Da der VEB K die Aufgabe gehabt habe, sowohl die Bevölkerung als auch die Industrie mit dem wichtigsten Energieträger zu versorgen, habe es sich hierbei um einen Versorgungsbetrieb im Bereich Energie im Sinne des § 1 Abs. 2 2. DB gehandelt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akte des SG ? S 3 RA 478/03 ?) und Beklagtenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet.
Entgegen dem angefochtenen Urteil steht dem Kläger die begehrte Feststellung (nach § 8 AAÜG) nicht zu, weil das AAÜG auf ihn keine Anwendung findet.
Nach § 1 Abs. 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz? und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2). Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen ist die Vorschrift im Hinblick auf deren Satz 2 darüber hinaus verfassungskonform ausdehnend dahin auszulegen, dass die Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nicht nur durch die tatsächliche Einbeziehung zu DDR-Zeiten bis zur Schließung der Versorgungssysteme (am 30. Juni 1990) bzw. danach aufgrund besonderer gesetzlicher Vorschriften (Rehabilitierungsentscheidung) begründet wird, sondern auch dadurch, dass jemand aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage nach der am 1. August 1991 gegebenen Rechtslage einen "Anspruch auf Versorgungszusage" nach den bundesrechtlich fortgeltenden leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme gehabt hätte (vgl. Urteile des Bundessozialgerichts [BSG] vom 9. April 2002 ? B 4 RA 31/01 R ? = SozR 3?8570 § 1 Nr. 2 S. 12/13 und ? B 4 RA 3/02 R ? = SozR 3 a.a.O. Nr. 7 S. 54, ständige Rechtsprechung). Zu den in diesem Sinne fortgeltenden leistungsrechtlichen Regelungen gehört die ? für den Kläger allein in Betracht kommende ? Vorschrift des § 1 der Verordnung über die AVItech vom 17. August 1950 (vgl. Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 AAÜG) in der Bedeutung, die sie durch § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der 2. DB gefunden hat (vgl. BSG a.a.O. Nr. 2 S. 13).
Voraussetzung für den Anspruch auf Versorgungszusage war danach außer der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen ? u.a. die des Ingenieurs ? (persönliche Voraussetzung), und der tatsächlichen Ausübung der entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung), dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine solche in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb ? betriebliche Voraussetzung ? handelte (vgl. BSG-Urteile vom 9. April 2002 ? B 4 RA 41/01 R ? = SozR 3 a.a.O. Nr. 6 S. 40 und SozR 3 a.a.O. Nr. 7 S. 60).
Der Kläger erfüllte zwar die persönliche, möglicherweise auch die sachliche, nicht aber die betriebliche Voraussetzung, und zwar deshalb, weil er am 30. Juni 1990 weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb noch in einem gleichgestellten Betrieb nach § 1 Abs. 2 der 2. DB beschäftigt war.
Keiner weiteren Darlegung bedarf, dass der Kläger in keinem volkseigenen Produktionsbetrieb beschäftigt war. Das ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Der Kläger war jedoch auch nicht Arbeitnehmer in einem gleichgestellten Betrieb.
Der VEB K gehörte nicht zu den gleichgestellten "Versorgungsbetrieben (Gas, Wasser, Energie)" im Sinne des § 1 Abs. 2 2. DB. Er mag zwar auch als Versorgungsbetrieb bezeichnet werden können. So spricht die Energieverordnung (EnergieVO) vom 30. Oktober 1980 (GBl. I S. 321) etwa von der "Versorgung mit festen und flüssigen Brennstoffen" (§ 7 Abs. 1), wobei unter festen Brennstoffen insbesondere Kohle und Kokse zu verstehen waren (§ 1 Nr. 6 1. DB zur EnergieVO vom 10. November 1980 [GBl. I S. 330]). Der VEB K war jedoch weder ein Gas? noch ein Wasser? noch ? was allein in Betracht kommt ? ein Energieversorgungsbetrieb. Zwar gehörte auch die Kohle ? als fester Brennstoff ? neben Elektroenergie, Gas, Wärmeenergie und flüssigen Brennstoffen zu den "Energieträgern" im Geltungsbereich der EnergieVO (§ 1 Nr. 6 a.a.O.) und war damit auch Gegenstand der "Energieträgerversorgung" (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 EnergieVO). Ihr kam aber ? anders als Elektroenergie, Gas und Wärmeenergie ? keine Doppelfunktion als Energieträger und zugleich als Energie, d.h. als Produkt der Umwandlung von Energieträgern zu. Insofern heißt es in § 1 Nr. 5 a.a.O. ausschließlich: "Energieerzeugung ist Umwandlung von Energieträgern in Elektroenergie, Gas oder Wärmeenergie". (Dabei gehörten ? wie gesagt ? zu den Energieträgern im Sinne dieser Begriffsbestimmung zugleich auch die vorgenannten Energien selbst insofern, als sie untereinander umwandelbar waren [: Elektroenergie in Wärmeenergie und umgekehrt, Gas in Wärmeenergie].)
Der Umstand, dass ? im Gegensatz zu Elektroenergie und Wärmeenergie ? Gas ebenso wenig wie Kohle "Energie" (aus dem Griechischen: "wirkende Kraft") im engeren Sinne des Wortes ist, vielmehr eigentlich ? wie Kohle ? nur Energieträger, kann nicht dazu führen, auch die Kohle dem Begriff "Energie" im Sinne der 2. DB zuzuordnen und damit die Kohleversorgung (Kohlehandel) der Energieversorgung. Zum einen nennt die 2. DB Gasversorgungsbetriebe gesondert neben den Energieversorgungsbetrieben, woraus zu schließen ist, dass Energieversorgungsbetriebe in einem engeren Sinne ? unter Ausschluss von Gasversorgungsbetrieben ? gemeint sind. Zum anderen spricht die Zusammenstellung von Versorgungsbetrieben in der 2. DB ? nämlich solche für die Versorgung mit Gas, Wasser und Energie ? dafür, dass nur Versorgungsbetriebe für leitungsgebundene Versorgungsgüter gemeint sind. Danach lassen sich in beiderlei Hinsicht Kohleversorgungsbetriebe (Kohlehandelsbetriebe) nicht dem Begriff der Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser, Energie) im Sinne der 2. DB zuordnen.
Hierfür sprechen schließlich auch weitere Indizien: So fasste die Anordnung über die Lieferung von Elektroenergie, Gas und Wärmeenergie an die Bevölkerung ?ELB? vom 18. November 1976 (GBl. I S. 571) diese drei (leitungsgebundenen) Versorgungsgüter unter dem Begriff "Energie" zusammen (§ 1 Abs. 1) und führte der für die Energieversorgung zuständige Minister die Amtsbezeichnung "Minister für Kohle und Energie" (vgl. § 1 Abs. 3 EnergieVO).
Die Kostenentscheidung nach § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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