Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 U 922/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 147/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juni 2010 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe einer dem Kläger seit 1999 wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls aus dem Jahr 1996 gewährten Verletztenrente streitig.
Der im Jahr 1969 geborene Kläger erlitt am 20. Juni 1996 einen anerkannten Arbeitsunfall, als er bei seiner Arbeit als Landschaftsgärtner von seinem umstürzenden Radlader eingeklemmt wurde und sich eine komplexe Becken-C-Fraktur zuzog. Der Durchgangsarzt vermerkte, dass der Patient ansprechbar und neurologische Ausfälle nicht feststellbar seien. Anschließend wurde der Kläger in das R-Klinikum verlegt, wo eine Osteosynthese und eine Revision durchgeführt wurden (vgl. Bericht vom 31. Juli 1996). Die neurologische Diagnostik ergab eine schwere Plexus lumbalis-Läsion rechts, wobei alle Nerven des Beines mehr oder weniger stark betroffen seien. Im Verlauf intensiver medizinischer und physiotherapeutischer Betreuung teilte der Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Prof. Dr. H, Campus V-Klinikum, mit, der Kläger sei mittlerweile ohne Zuhilfenahme von Gehstützen in der Lage, 30 bis 60 Minuten spazieren zu gehen, habe nur noch leichte Schmerzen in der rechten Hüfte, die Kraft im rechten Bein sei aber noch deutlich herabgesetzt. Zusätzlich klage er über Blaseninkontinenz und Erektionsstörungen. Von der Neurologischen Klinik des V-Klinikums wurde mitgeteilt, dass sich der nach dem Unfall schwer gelähmte Adduktorenmuskel am rechten Oberschenkel gut erholt habe und funktionell nicht mehr auffällig sei, wogegen die Fuß- und Zehenhebermuskulatur am rechten Unterschenkel zum Teil noch keine Zeichen für eine Reinnervation zeige. Hierdurch sei die Belastbarkeit des rechten Sprunggelenkes erheblich behindert. Die bei dem Unfall aufgetretene Blasenstörung habe sich nach Angaben des Klägers weitgehend gebessert. Die jetzt noch bestehende Parese am rechten Unterschenkel bedinge eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von etwa 25 v. H. (Prof. Dr. E, OA PD Dr. B, Campus V-Klinikum, Bericht vom 02. Dezember 1997)
Prof. Dr. H erstattete am 31. Januar 1998 ein Erstes Rentengutachten, in welchem er zur Feststellung folgender Unfallfolgen gelangte: - in Fehlstellung verheilte komplexe Becken-C-Verletzung mit Inkongruenz der rechten gegenüber der linken Beckenhälfte, - verschiedene, in situ verbliebene, regelrecht sitzende, nicht gelockerte Platten und Schrauben in beiden Beckenhälften, - verknöcherte rechte Iliosakralfuge, - knöcherne Anbauten an der rechten Beckenschaufel und am rechten Sitzbein, - beginnende Arthrose rechtes Hüftgelenk, - reizlose, 40 cm. lange Wunde nach zweimaliger Beckenoperation, - eingeschränkte Beweglichkeit des rechten Hüftgelenks, - Sensibilitätsminderung über dem rechten Hüftgelenk und am rechten Unterschenkel, - Fußheberschwäche rechts, - erektive Dysfunktion.
Mit dem Tag der Untersuchung werde die Arbeitsunfähigkeit (AU) beendet. Die MdE aus unfallchirurgischer Sicht werde vom 27. Januar 1998 bis zum 26. Januar 1999 und bis zur Beendigung des zweiten Jahres nach dem Unfall auf 20 v. H. und die Gesamt-MdE unter Einbeziehung des neurologischen Gebietes (s. Bericht von Prof. Dr. E, OA PD Dr. B vom 02. Dezember 1997: MdE 25 v. H.) auf 30 v. H. eingeschätzt.
In einem urologischen Zusatzgutachten vom 28. Oktober 1998 gelangte Prof. Dr. L zu dem Ergebnis, dass die Abklärung der vom Kläger angegebenen Ejakulationsstörungen keinen Anhalt für vaskuläre Schäden aufgrund des Unfallereignisses ergeben, sondern ausschließlich nervale Ursachen und einen psychogenen Hintergrund habe. Außerdem seien die hierfür verantwortlichen Nervenbahnen im Bereich Th12-L3 lokalisiert, was in keinem Zusammenhang zum Unfallgeschehen stehe. Urologisch-andrologisch lägen keine pathologischen Befunde und damit keine MdE vor.
Mit Bericht vom 17. November 1998 stellte Prof. Dr. E (OA PD Dr. B) fest, dass sich die Fuß- und Zehenheberlähmung geringgradig gebessert habe, wogegen die noch vorhandenen neurologischen Ausfälle am rechten Unterschenkel und Fuß wahrscheinlich als Defekt bestehen bleiben würden. Aus neurologischer Sicht betrage die MdE nunmehr 20 v. H. Im Auftrag der Beklagten erstattete die Fachärztin für Neurologie, Psychiaterin und Sozialmedizinerin Dr. K am 19. Dezember 1998 ein neuro-psychiatrisches Gutachten nach Aktenlage, in welchem sie zu dem Ergebnis gelangte, dass die unfallchirurgischen, neurologischen und urologischen Gutachten angesichts der unfallbedingten Schädigung gut nachvollziehbar seien, dasselbe gelte für die von den jeweiligen Gutachtern festgesetzte Einzel- und Gesamt-MdE. Die vorliegende erektive Dysfunktion sei unfallunabhängig. Die Gesamt-MdE aller Unfallfolgen betrage 30 v. H.
Mit Bescheid vom 16. Februar 1999 gewährte die Beklagte dem Kläger daraufhin unter Anerkennung der von Prof. Dr. H im Ersten Rentengutachten vom 31. Januar 1998 aufgeführten Unfallfolgen mit Ausnahme der erektive Dysfunktion eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 30 v. H.
Mit seinem Widerspruch legte der Kläger ein Attest des Arztes für Neurologie Dr. de B vom 01. April 1999 vor, demzufolge die Blasen-, Erektions- und Ejakulationsstörungen sowie die Paresen der Fußheber, der Fußaußenrotation, der Beinadduktion rechts neurogen und damit unfallbedingt und auf eine Nervenläsion der betreffenden Bereiche zurückzuführen seien. Der behandelnde Arzt für Neurologie und Psychiatrie P bescheinigte unter dem 26. Mai 1999 eine reaktive depressive Entwicklung, die medikamentös behandelt werde, und empfahl eine Behandlung bei einem türkischsprachigen Psychotherapeuten.
Am 25. Juni 1999 erstattete Prof. Dr. E(PD Dr. B), auf Anforderung von Prof. Dr. H ein neurophysiologisches Zusatzgutachten, in welchem er zu der Auffassung gelangte, dass die noch bestehenden neurologischen Ausfälle und Störungen am rechten Unterschenkel, deren Besserung drei Jahre nach dem Unfall nicht mehr zu erwarten sei, eine MdE von 20 v. H. bedingen würden.
Nach Einholung einer weiteren neuro-psychiatrischen Stellungnahme nach Aktenlage der Frau Dr. K vom 25. Juni 1999 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 1999 als unbegründet zurück.
Hiergegen erhob der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Berlin (S 8 U 665/99) Klage und begehrte, ihm über die bereits festgestellte MdE von 30 v. H. hinaus eine weitere MdE i. H. v. 10 v. H. aufgrund der neurologischen Befunde zuzubilligen und legte ein im Rechtsstreit gegen die ARAG Allgemeine Versicherungs AG (Landgericht Berlin, ) erstelltes Gutachten von Prof. Dr. R, Chirurgische Klinik des Klinikum B, vom 11. Mai 1999 vor, in welchem auch eine erektive Dysfunktion und eine Blasenentleerungsstörung als neurologische Unfallfolgen festgestellt seien. Aus unfallchirurgischer Sicht ergebe sich eine Invalidität von 20 %, die sich bis zum Ablauf des 3. Jahres nach dem Unfall nicht ändern werde. Nicht berücksichtigt seien hierbei die Unfallfolgen auf neurologischem und urologischem Gebiet. Nach einer Stellungnahme von Prof. Dr. H vom 19. Juli 1997 an die ARAG Allgemeine Versicherungs AG sei der Grad der Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit mit 30 % auf Dauer anzusetzen.
Nach Einholung von Befundberichten (BB) des Orthopäden Dr. M vom 30. November 1999, des Neurologen und Psychiaters Dr. D vom 06. Januar 2000 und des Prof. Dr. E vom 23. Oktober 2000, die eine im Wesentlichen unveränderte Befundlage schilderten, beauftragte das SG Berlin den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. A vom Krankenhaus S mit der Begutachtung des Klägers.
In seinem Gutachten vom 06. April 2001 gelangte Prof. Dr. A ohne Erhebung neuer Befunde zu der Einschätzung, dass beim Kläger nach einer Nervus ischiadicus-Läsion ein Residualeffekt mit einer motorisch und sensibel diskret ausgeprägten Nervus peronaeus-Störung mit entsprechendem neurophysiologischem Korrelat bestehe. Von den Beurteilungen von Prof. Dr. H, Prof. Dr. L, Dr. K und Dr. B werde nicht abgewichen. Eine abweichende Einschätzung ergebe sich gegenüber den behandelnden Ärzten Dr. de B und Herrn P. Die Symptomatik einer Ejaculatio praecox sei nicht mit der Nervenläsion bzw. dem Relikt einer Plexus lumbosacralis-Läsion vereinbar. Die MdE ab dem 21. April 1998 sei mit 30 v. H. insgesamt zu bemessen und setze sich aus der unfallchirurgischen sowie aus der neurologischen Einschätzung zusammen.
In dem vom Kläger beim SG Berlin betriebenen Rentenverfahren (S 15 RJ 209/00-21) erstattete der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G am 22. November 2001 ein Sachverständigengutachten, in welchem er zur Diagnose einer starkgradig ausgeprägten psychosomatischen/somatoformen Schmerzstörung und einer depressiven/dysthymen Störung gelangte. Darüber hinaus bestünde noch ein Restdefekt nach einer Nervus ischiadicus-Läsion mit Zeichen einer Nervus peronaeus-Störung rechts, Ejakulations- und Miktionsstörungen und eine chronische Hepatitis. Dem Kausalitätsgutachten von Prof. Dr. A von April 2001 sei hinsichtlich der Befunde und Diagnosen voll und ganz zu folgen.
Der Kläger wurde seit dem Jahr 2000 in der Klinik für Interventionelle Schmerztherapie des Campus V-Klinikums mehrfach schmerztherapeutisch behandelt, wodurch eine kurzfristige Schmerzlinderung bewirkt wurde (vgl. z. B. Bericht der Charité vom 02./05. November 2001 und vom 03. Dezember 2003).
Im Auftrag des SG Berlin (S 67 U 665/99-8) erstattete der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G am 14. Oktober 2002 ein neurologisch-psychisches Sachverständigengutachten nach Aktenlage sowie eine ergänzende Stellungnahme vom 11. April 2003, in welchen er zu der Auffassung gelangte, dass ein Restdefekt nach einer Nervus-ischiadicus-Läsion mit Zeichen einer Nervus-peroneus-Störung rechts ursächlich auf den Unfall zurückzuführen sei. Trotz Stabilisierung der organmedizinisch relevanten Unfallfolgen habe der psychoreaktive Störungskomplex einen zunehmend schweren Verlauf genommen. Für diese psychische Fehlverarbeitung des Unfalles seien, wie bereits Dr. K ausgeführt habe, ausschließlich die auf der Primär-Persönlichkeitsstruktur des Klägers fußenden Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung seit dem Unfall verantwortlich. Eine Primär-Persönlichkeitsstörung von Krankheitswert oder eine vor dem Unfall 1996 bestehende psychische/psychosomatische Störung sei beim Kläger nicht festzustellen. Die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) seien beim Kläger nicht erfüllt. Die MdE betrage unter Einbeziehung der unfallchirurgischen und neurologischen Feststellungen in den Gutachten von Prof. Dr. H und Prof. A ab dem 21. April 1998 fortlaufend 30 v. H ...
Der Kläger rügte unter Vorlage einer Stellungnahme des psychologischen Psychotherapeuten K vom 25. Juni 2003, bei dem er von Oktober 1999 bis November 2000 wegen einer PTBS in Behandlung gewesen sei, gerügt, dass der Sachverständige Dr. G die Auswirkungen seines Unfalls mit Zertrümmerung des Beckens auf sein Selbstwertempfinden insbesondere unter Berücksichtigung des soziokulturellen Umfeldes und seiner Herkunft nicht ausreichend gewürdigt habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 09. September 2003 wies das SG Berlin (S 67 U 655/99) die Klage unter Bezugnahme auf die Sachverständigengutachten von Prof. Dr. H vom 31. Januar 1998, Prof. Dr. E vom 17. November 1998 und vom 25. Juni 1999, auf die gutachterlichen Stellungnahmen nach Aktenlage der Neurologin Dr. K vom 19. Dezember 1998 und vom 25. Juni 1999 sowie auf die im Klageverfahren eingeholten Gutachten von Prof. Dr. A vom 06. April 2001 und von Dr. G vom 14. Oktober 2002 nebst ergänzender Stellungnahme vom 11. April 2003 ab. Zur Begründung führte es aus, die beim Kläger bestehenden Funktionseinschränkungen wegen noch bestehender Folgen der Plexus lumbalis-Läsion würden bei Gesamtbewertung eine MdE von 30 v. H. ergeben. Ob der Kläger tatsächlich unter einer Blasenentleerung- sowie Erektions- und Ejakulationsstörung leide, sei aufgrund mangelhafter Mitarbeit bei der urologischen Begutachtung durch Prof. Dr. L und der Befunde, u. a. einer restfreien Blasenentleerung, nicht abschließend zu beurteilen. Aufgrund der urologischen und neurologischen Gutachten stehe aber ohnehin fest, dass es keine organmedizinische Ursache der urogenitalen Symptomatik gebe, sondern, dass diese entsprechend den Gutachten von Dr. G vom 20. November 2001 und vom 14. Oktober 2002 allenfalls Ausdruck einer psychiatrisch-psychosomatischen Störung sei. Ein rechtlich wesentlicher Ursachenzusammenhang mit dem Arbeitsunfall könne nicht hergestellt werden. Nicht nachvollziehbar sei, warum Prof. Dr. H bei gleichbleibenden Befunden die MdE in einem Bericht vom 13. April 1999, anders als in seinem Ersten Rentengutachten, nicht mehr mit 30 v. H., sondern mit 40 v. H. bewerte.
Hiergegen legte der Kläger Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Berlin ein (L 2 U 63/03).
Am 19. Februar 2004 wurde beim Kläger in der Klinik für Orthopädie der Charité eine Arthrodese des Iliosacralgelenks vorgenommen. Im Zwischenbericht vom 07. Juli 2004 teilte Prof. Dr. H (Dr. S) mit, dass die Beschwerden linksseitig deutlich rückläufig wären, rechtsseitig noch ab und an bestünden. Der Kläger wurde weiterhin über die Schmerzambulanz behandelt.
In dem auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom LSG eingeholten psychiatrisch-neurologischen Gutachten vom 11. November 2004 schätzte der Facharzt für Neurologie Dr. F (Dr. H) unter Bezugnahme auf die erstatteten Gutachten (Dr. K, Dr. G, Prof. Dr. A), in denen überwiegend ein Zusammenhang zwischen der beklagten Sexualfunktionsstörung und dem Unfall ausgeschlossen worden sei, die MdE auf psychiatrischem Gebiet auf 0 v. H ... Die depressive Entwicklung sei zwar infolge des Unfalles entstanden, fuße jedoch auf einer entsprechenden Primärpersönlichkeit und sei somit nicht unfallabhängig zu berenten. Die entgegen lautenden ärztlichen Stellungnahmen (Dr. P, Dr. de B, Dr. R) postulierten eine Neurogenese, ohne diese näher zu begründen. Es sei auch nicht von einer Ejaculatio praecox auszugehen, vielmehr werde diese Annahme stark von subjektiven Eindrücken abhängig gemacht. Der Kläger schildere nachhaltig, wie prägend sein kultureller Hintergrund mit seinem strikten Männlichkeitsbild für ihn sei und dass er deshalb so leicht verletzbar sei. Die entsprechende Primärpersönlichkeit begünstige auch das Auftreten einer depressiven Entwicklung stark.
Am 21. September 2005 beantragte der Kläger, der sich seit Juli 2005 in psychotherapeutischer Behandlung in den Sankt H Kliniken B befand, bei der Beklagten, ihn unter Verweis auf die am 17. Februar 2004 durchgeführte Arthrodese wegen möglicher Änderung der Unfallfolgen zu begutachten.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG Berlin-Brandenburg vom 27. September 2005 nahm der Kläger die Berufung (L 2 U 63/03) zurück.
Im Rahmen des Verschlimmerungsantrages des Klägers erstattete Prof. Dr. H (Dr. M) am 02. Januar 2007 (Untersuchung des Klägers am 13. September 2006) ein Zweites Rentengutachten, in welchem er - mit Ausnahme der zeitlich danach erfolgten Arthrodese der Iliosakralfugen beidseits - zur Feststellung derselben Unfallfolgen gelangte wie bereits im Ersten Rentengutachten vom 31. Januar 1998 und darauf hinwies, dass in den für die Höhe der Rente maßgebenden Verhältnissen keine Änderung gegenüber früheren Befunden eingetreten sei.
Am 25. Juli 2007 erstattete Prof. Dr. E (PD Dr. P, Dr. E) ein neurologisches Gutachten, in welchem er nach Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis gelangte, dass die vorliegende chronisch-neurogene Schädigungen im Musculus tibialis anterior und geringer im Musculus gastrocnemius als Dauerzustand einer Nervus Ischiadicus-Läsion zu werten seien. Eine Änderung der für die Rente maßgebenden Verhältnisse sei im Vergleich zum früheren Befund nicht eingetreten. Die MdE auf neurologischem Gebiet betrage wegen leichtgradiger Fußheber- und Fußsenkerparese 20 v. H.
Mit Bericht der Sankt H Kliniken B vom 13. August 2007 teilte die Fachärztin für Psychiatrie Dr. S mit, der Kläger befinde sich seit dem 14. Juli 2005 in ambulanter psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung in der Muttersprache. Diagnostisch handele es sich am ehesten um eine somatoforme anhaltende Schmerzstörung, die nicht als Unfallfolge anzusehen sei.
Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K gab am 21. September 2007 eine beratungsärztliche Stellungnahme nach Aktenlage ab, in der sie zu der Auffassung gelangte, dass aus neurologischer Sicht als Unfallfolgen ein Residualzustand einer Nervus Ischiadicus-Schädigung rechts mit alter, chronisch-neurogener Schädigung im Musculus tibialis anterior und Musculus gastrocnemius festzustellen seien. Die Einzel MdE auf neurologischem Gebiet werde in Abweichung zu dem Gutachten von Prof. Dr. E vom 25. Juli 2007 mit 10 v. H. bemessen.
Mit Schreiben vom 19. November 2007 führte Prof. Dr. H (Dr. M) aus, dass der Kläger aufgrund seiner Beschwerden nicht in seinem vormals ausgeübten Beruf wieder eingegliedert werden könne. Nach Zusammenführung des unfallchirurgischen und des neurologischen Gutachtens betrage die MdE 30 v. H.
Der beratende Arzt der Beklagten (Dr. K) erklärte in seiner Stellungnahme vom 04. Februar 2008, dass von einer Besserung auf nervenärztlichem Fachgebiet auszugehen sei und dass unter Berücksichtigung der Funktionsbefunde für die Wirbelsäule und die unteren Gliedmaßen eine Gesamt-MdE von 20 v. H. angemessen erscheine.
Die Beklagte setzte nach Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 19. Februar 2008 mit dem hier angefochtenen Bescheid nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), § 73 SGB VII vom 24. April 2008 die Rente ab dem 01. Mai 2008 auf monatlich 251,75 EUR herab und stellte die MdE auf 20 v. H. neu fest. Die dem Bescheid vom 16. Februar 1999 zu Grunde liegenden Verhältnisse hätten sich wesentlich geändert, und zwar in Form von rückläufigen Ausfallerscheinungen nach Schädigung der zum Sitzbein gehörenden Nerven.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03. September 2008 als unbegründet zurück.
Mit der vorliegenden, vor dem SG Berlin erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte habe sich bei ihrer ablehnenden Entscheidung zu Unrecht auf die Einschätzung einer Gesamt-MdE von 20 v. H. durch den Beratungsarzt Dr. K gestützt, obgleich zuvor Prof. Dr. H die MdE mit Schreiben vom 19. November 2007 zutreffend auf 30 v. H. eingeschätzt habe.
Im Auftrag des SG hat der Facharzt für Orthopädie Dr. W am 11. Februar 2009 ein Gutachten erstattet und folgende unfallbedingte Erkrankungen festgestellt: - Verheilte Beckenverletzung mit verbliebener, leichtgradiger Inkongruenz der Beckenhälften, operativ arthrodisierte Iliosakralfugen beidseits, reizlos, - verheilte Op-Narbe im Beckenbereich, - Sensibilitätsstörungen im Bereich des Nervus cutaneus femoris laterales rechts, - Residualläsionen, Nervus ischiadicus-Läsion rechts, - erektive Dysfunktion.
Die MdE auf chirurgisch-orthopädischem Gebiet sei mit 20 v. H. einzuschätzen. Die Beckenstatik habe keine hochgradige Asymmetrie und keine Auswirkungen auf das Achsenorgan selber, eine negative Einwirkung der Beckenfraktur auf die Hüftgelenke, die Beinlänge oder -statik liege nicht vor, der Zustand der Muskulatur im Becken- und Hüftgelenksbereich sei gut. Auf neurologischem Gebiet sei eine deutliche Verbesserung zu verzeichnen, wobei sich in den letzten zwei Jahren ein einheitlicher Befund dargestellt habe. Die Hypästhesie am Nervus cutaneus femoris lateralis bewirke keine eigenständige MdE, da hieraus keine messbaren Funktionsdefizite abzuleiten seien. Die ehemalige Ischiadicus-Läsion habe nur noch Residuen in Form einer umschriebenen Hypästhesie am Unterschenkel und Fußrücken hinterlassen. Der Fußheber und -senker und die Zehen rechts seien geringgradig abgeschwächt (4/5-Wert), substantielle Muskeldefizite bestünden nicht. Bei der letzten EMG- und NLG-Untersuchung durch Prof. Dr. E vom 24. Mai 2007 habe sich eine alte chronische neurogene Schädigung im Musculus tibialis anterior und gering im Musculus gastrocnemius gefunden. Die motorische Problematik sei geringgradig und nicht vergleichbar mit einem kompletten Ausfall des Nervus peronaeus profundus oder des distalen Nervus radialis. Es sei beim Kläger keine neuropathische Problematik erkennbar. Insgesamt sei der Einschätzung der Fachärztin für Neurologie Dr. K zu folgen, dass bei einem geringen objektiven neurologischen Defizit eine MdE von 20 v. H. zu hoch sei, sie sei vielmehr in neurologischer Hinsicht zutreffend mit 10 v. H. bemessen worden. Hieraus ergebe sich eine Gesamt-MdE von 20 v. H ... Soweit im Ersten Rentengutachten die MdE i. H. v. 30 v. H. geschätzt worden sei, sei dies das Ergebnis höhergradiger neurologischer Veränderungen im Zuge der Ischiadicus- und Plexus lumbalis-Läsion gewesen. Eine Nachuntersuchung habe erst bei der Begutachtung durch Prof. Dr. H und Prof. Dr. E im Jahr 2007 statt gefunden. Deren klinische Untersuchungsergebnisse unterschieden sich nicht von der heutigen Erhebung.
Das SG hat BB des Psychologischen Psychotherapeuten K vom 15. Juni 2009, des Arztes für Neurologie und Psychiatrie P vom 14. Juli 2009 sowie des Anästhesiologen Dr. F vom 30. Juli 2009 eingeholt und des Weiteren den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. A mit der Begutachtung des Klägers beauftragt.
In seinem Gutachten vom 06. Januar 2010 ist Dr. A zur Diagnose anhaltender Schmerzen im Rahmen einer chronifizierten Anpassungsstörung mit Elementen der Frustration und Resignation gelangt. Diese Störung sei nicht unfallbedingt, sondern erst vor etwa vier Jahren aufgetreten und in erster Linie auf die von zeitweiligen Ehekonflikten und Arbeitslosigkeit charakterisierte Lebenssituation des Klägers ursächlich zurückzuführen. Die MdE auf psychiatrischem Gebiet sei mit 0 v. H. zu bemessen. Der Einschätzung von Prof. Dr. E sei insoweit nicht zuzustimmen, als er allein für die gering ausgeprägten neurologischen Defizite eine MdE von 20 v. H. in Ansatz bringe. Nur gemeinsam mit den orthopädischen Unfallfolgen ergebe sich MdE von 20 v. H.
Der Kläger hat eine weitere Stellungnahme von Dr. S vom 26. April 2010 vorgelegt, aus der sich ergibt, dass er seit dem 14. Juli 2005 regelmäßig psychiatrisch-psychotherapeutisch behandelt werde. Aktuell bestehe eine mittel- bis schwere depressive Episode, so dass der Kläger in seiner Erwerbsfähigkeit auf psychiatrischen Gebiet als eingeschränkt einzustufen sei.
Dr. A hat in seiner Stellungnahme vom 10. Mai 2010 an seiner Auffassung festgehalten und betont, dass bei ihm der psychopathologische Befund außer einer gewissen Frustrationshaltung gänzlich unauffällig gewesen sei. Die erektive Dysfunktion bzw. die vom Kläger beschriebene Ejaculatio praecox und die Libidoeinbuße seien nicht als Unfallfolgen zu betrachten, da die unfallbedingte neurologische Schädigung diese Beschwerden nicht bedingen könne.
Wegen der vom Kläger geäußerten Kritik an den ohne Dolmetscher durchgeführten Begutachtungen hat das SG gesonderte Stellungnahmen von Dr. A vom 26. Juni 2010 und Dr. W vom 23. Juni 2010 eingeholt.
Mit Urteil vom 28. Juni 2010 hat das SG Berlin die Klage unter Bezugnahme auf die Gutachten von Dr. W und von Dr. A abgewiesen. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei infolge des Arbeitsunfalls von 1996 ab dem 01. Mai 2008 nur noch in Höhe von 20 v. H. gemindert. Die Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S vom 26. April 2010 stehe nach der Einschätzung von Dr. A in seiner Stellungnahme vom 10. Mai 2010 dessen Beurteilung nicht entgegen. Es fänden sich unter Berücksichtigung der einhelligen Angaben von Dr. W und Dr. A auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in der Begutachtungssituation eines Dolmetschers bedurft hätte. Auch in der Gerichtsverhandlung habe die Kammer den Eindruck gewonnen, dass der Kläger, dem es offenbar keine Schwierigkeiten bereitet habe, der Verhandlung in ihren Grundzügen zu folgen, der deutschen Sprache hinreichend mächtig sei.
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren auf Aufhebung des Bescheides nach § 48 Abs. 1 SGB X, § 73 SGB VII vom 24. April 2008 weiter, da sich sein gesundheitlicher Zustand seit Erteilung des Bescheides vom 16. Februar 1999 nicht wesentlich gebessert habe.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. S am 03. März 2012 ein Gutachten erstattet, in welchem er folgende unfallbedingte Diagnosen gestellt hat: Beckeninkongruenz bei Z. n. komplexer Becken-C-Verletzung, operative Arthrodese der Iliosakralgelenke beidseits mit Störung der lumbo-pelvinen Rhythmik, muskuläre vertebro-pelvine Dysbalance, erektive Dysfunktion, Ejaculatio praecox, Harninkontinenz, Plexus-lumbale-Läsion rechts mit Fuß- und Zehenheberschwäche sowie Fußsenkerschwäche rechts, Hypästhesie der Dermatome L 5 und S1 rechts, Hypästhesie Oberschenkel rechts lateral (Läsion Nervus cutaneus femoris lateralis). Der Kläger gebe persistierende, progrediente Schmerzen in der BWS, der LWS, im Kreuzbein, sowie Belastungs- und teilweise Ruheschmerzen, ferner Dys-/Hypästhesien der rechten unteren Extremität sowie Kraftmangel am rechten Unterschenkel und Fuß an. Die Gehstrecke sei schmerzbedingt auf etwa 100 m eingeschränkt. Zudem bestünden Harninkontinenz, erektive Dysfunktion mit Ejaculatio praecox, Schlafstörungen, Lustlosigkeit, verminderter Lebensantrieb. Eine Besserung sei trotz der seit Jahren laufenden Therapiemaßnahmen nicht eingetreten. Die MdE betrage spätestens ab Mai 2008 für die Zukunft und als Dauerschäden insgesamt 50 v. H ... Die Beurteilung von Dr. A, eine psychiatrische Teil-MdE bestehe nicht, werde bestritten. Die anteiligen MdE-Werte seien wie folgt zu schätzen: orthopädisch-unfallchirurgisch MdE 30 v. H., urologisch-genitalisch MdE 20 v. H., neurologisch MdE 20 v. H., psychiatrische Teil-MdE: Zusatzgutachten empfohlen.
Auf Anforderung des Senats hat Dr. W am 08. September 2012 zu dem Gutachten von Dr. S Stellungnahme genommen. Die MdE-Einschätzung habe anhand objektivierbarer Funktionsdefizite zu erfolgen, die vorliegend nur eine Gesamt-MdE von 20 v. H. ergäben.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juni 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. September 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Chirurgen Dr. K vom 20. Mai 2012 vor, dass sich die von Dr. S vorgeschlagene MdE von 50 v. H. außerhalb der einschlägigen tabellarischen Vorgaben bewege. Vielmehr sei in Übereinstimmung mit den Gutachten von Dr. W und Dr. A davon auszugehen, dass sich die Unfallfolgen auf chirurgischem und neurologischem Fachgebiet überlappen würden. Die psychiatrische Problematik erscheine ausreichend geklärt. Dr. S dokumentiere als Folge der Beckenverletzung lediglich eine endgradige Funktionsstörung des rechten Hüftgelenkes, die Umfangmessung der Beine sei unvollständig, so dass ein Vergleich mit früheren Gutachten nicht möglich sei, und eine Befundbeschreibung des Beckens fehle. Der aktuell dokumentierte Befund auf chirurgischem/orthopädischem Fachgebiet lasse allenfalls eine MdE von 10 v. H. zu. Der neurologische Befund sei weitgehend identisch mit den Vorbefunden, auf die Überschneidung zu den unfallchirurgischen Unfallfolgen werde nur ungenügend eingegangen. Die Einschätzung auf urologischem Fachgebiet sei ausschließlich auf die Angaben des Klägers gestützt, differenzierte urologische Befunde seien nicht erhoben worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten (9 Bände) verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG Berlin hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. September 2008 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat zutreffend die Rente nach einer MdE von nunmehr 20 v. H. mit Ablauf des Monats April 2008 wegen einer wesentlichen Besserung in den Unfallfolgen neu festgestellt.
Rechtsgrundlage für den Bescheid vom 24. April 2008 ist § 48 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine Verschlimmerung oder Besserung der Folgen eines Arbeitsunfalls ist gemäß § 73 Abs. 3 SGB VII nur dann wesentlich, wenn sich hierdurch der Grad der MdE um mehr als 5 v. H. erhöht oder senkt. Ob eine wesentliche Änderung in diesem Sinne vorliegt, ist durch Vergleich der für die letzte bindend gewordene Feststellung maßgebenden Befunde mit denjenigen zu ermitteln, die bei der Prüfung der Neufeststellung vorliegen. Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit einer Änderung in den Unfallfolgen ist von der bindend festgestellten Gesamt-MdE, und nicht von den für die einzelnen Körperschäden angenommenen Graden der MdE auszugehen (vgl. zu allem Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 13. Februar 2013, B 2 U 25/11 R, in juris).
Aufgrund des Gesamtergebnisses der medizinischen Beweisaufnahme ist zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers, die dem Bescheid vom 16. Februar 1999 zu Grunde gelegen haben, eine wesentliche Besserung eingetreten ist, so dass anstelle der in diesem Ausgangsbescheid festgestellten Gesamt-MdE von 30 v. H. ab dem 01. Mai 2008 nur noch eine MdE von 20 v. H. gerechtfertigt ist.
Die im Bescheid vom 16. Februar 1999 nach Zurücknahme der Berufung des Klägers (LSG Berlin, L 2 U 63/03) bindend festgestellte Gesamt-MdE von 30 v. H. rechtfertigte sich aufgrund des damaligen schlechteren Gesundheitszustandes des Klägers. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf das der ursprünglichen Festsetzung der Dauerrente zugrunde liegende Erste Rentengutachten des Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Prof. Dr. H vom 31. Januar 1998, den Bericht des Facharztes für Neurologie Prof. Dr. E (OA PD Dr. B) vom 17. November 1998, bestätigt durch die Fachärztin für Neurologie Psychiatrie Dr. K in den nach Aktenlage erstellten Gutachten vom 19. Dezember 1998 und Stellungnahme vom 25. Juni 1999, das neurophysiologische Zusatzgutachten von Prof. Dr. E(OA PD Dr. B) vom 25. Juni 1999, die vom SG Berlin (S 69 U 665/99-6) eingeholten Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. A vom 06. April 2001 und des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G vom 14. Oktober 2002 (unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse aus dem im Verfahren S 15 RJ 209/00-21 erstellten Gutachten vom 22. November 2001), ferner auch auf das Gutachten nach § 109 SGG des Facharztes für Neurologie Dr. F (Dr. H) vom 11. November 2004
Ausgehend von der vielfach ärztlich bestätigten und im Bescheid vom 16. Februar 1999 bindend festgestellten Gesamt-MdE von 30 v. H. ist von einer wesentlichen Besserung bei den unfallbedingten Gesundheitsstörungen des Klägers jedenfalls in dem hier relevanten Zeitraum ab dem 01. Mai 2008 auszugehen.
Zwar hatten die im Rahmen des Verschlimmerungsantrages des Klägers beauftragten Gutachter Prof. Dr. H (Dr. M) im Zweiten Rentengutachten vom 02. Januar 2007 (Untersuchung des Klägers am 13. September 2006) und Prof. Dr. E (PD Dr. P, Dr. E) im neurologischen Gutachten vom 25. Juli 2007 die Gesamt-MdE weiterhin mit 30 v. H. eingeschätzt. Allerdings hatte Prof. Dr. H (Dr. M) keine ausdrückliche chirurgische Teil-MdE eingeschätzt. Seinem Gutachten lässt sich entnehmen, dass die körperliche Untersuchung keine wesentlichen pathologischen Befunde mehr ergeben hat. So lässt sich aus dem Umstand, dass der Kläger seitengleich abgelaufene Turnschuhe getragen hat, durchaus die Annahme begründen, der Kläger habe aggraviert, als er bei der Untersuchung zunächst gehinkt habe. Beim Barfußgang war kein wesentliches Hinken mehr erkennbar, die Fußsohlen waren seitengleich beschwielt, der Einbein- und Zehenspitzenstand war beidseits möglich ebenso wie auch das Absinken und Gehen in der Hocke. Die Einschätzung einer Gesamt-MdE von 30 v. H. hatte ihre wesentliche Grundlage in der Beurteilung der Unfallfolgen auf neurologischem Gebiet durch Prof. Dr. E (PD Dr. P, Dr. E). Der neurologische Gutachter war zu dem Ergebnis gelangt, dass die Folgen der unfallbedingten Nervus Ischiadicus-Läsion, nämlich eine leichtgradige Fußheber- und Fußsenkerparese (4/5) eine MdE auf neurologischem Gebiet von 20 v. H. rechtfertige (Gutachten vom 25. Juli 2007).
Dieser Bewertung ist die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme nach Aktenlage vom 21. September 2007, der sich der beratende Arzt der Beklagten Dr. K in seiner Stellungnahme vom 04. Februar 2008 angeschlossen hat, mit überzeugenden Gründen entgegen getreten. Ihre Einschätzung, dass der Residualzustand einer Nervus Ischiadicus-Schädigung auf neurologischem Gebiet nur eine Einzel-MdE von 10 v. H. zulasse, ist beizutreten. So weist Dr. K zu Recht darauf hin, dass sich die Beschreibung der Muskeltrophik im Ergebnis mit den chirurgischen Befunden überschneidet. Auch ist die Differenz der Muskelumfänge zwischen dem rechten und dem linken Bein von 1 cm leichtgradig. Vor allem ist die Beeinträchtigung der Fußhebung und -senkung rechts mit einem Kraftgrad von 4/5 als gering einzustufen.
Der Senat stützt seine Überzeugung von einer Besserung des Gesundheitszustandes des Klägers vor allem auf das nach umfänglicher Untersuchung und Befunderhebung erstattete Gutachten vom 11. Februar 2009 des vom SG beauftragten Sachverständigen Dr. W. Soweit er eingangs darauf hinweist, dass die komplexe und durch Osteosynthesematerial stabilisierte Beckenringfraktur knöchern und reizfrei verheilt sei, ist dies auch bereits von Prof. Dr. H im Ersten Rentengutachten vom 31. Januar 1998 festgestellt worden. Dr. W führt des Weiteren aus, dass sich trotz der Beckenringfraktur keine Beckenfehlstatik entwickelt habe und die Symmetrie bis auf eine leichtgradige Inkongruenz der Beckenhälften insgesamt gut sei. Eine Beinlängendifferenz habe sich nicht entwickelt, ein Einfluss auf die Beinstatik sei nicht erkennbar. Die Hüftgelenkstatik sei nicht betroffen. Abweichend zu den Bewertungen durch die Vorgutachter werde auch keine relevante bzw. altersüberschreitende subchondrale Sklerosierung der Hüftgelenke festgestellt. Bei den Aufnahmen vom 12. November 2007 (Prof. Dr. H) seien keine posttraumatischen pathologischen Veränderungen und keine Mineralisationsstörung sichtbar gewesen. Die Beweglichkeit der Hüftgelenke sei normal (links 130-0-0°, rechts 120-0-0°), die Muskeln seien nicht atrophiert gewesen, die Umfänge an Oberschenkel, Knie und Waden nahezu seitengleich. Die Untersuchung der Fuß- und Sprunggelenke habe äußerlich keine Auffälligkeiten und am linken Fuß normale Messwerte bei der Fußhebung/-senkung ergeben (20-0-50°), rechts sei dies passiv ebenfalls, aktiv nur bis 10-0-40 möglich gewesen, wobei sich eine leichte Fuß-/Zehenheber- und -senkerschwäche in Höhe eines 4/5-Wertes, also niedriggradig, nachweisen lasse. Gefühlsstörungen hätten sich nur in einigen Bereichen am Oberschenkel sowie der rechten Wade und des Fußes gezeigt. Das Achsenorgan habe keine skoliotische Verbiegung und keine Verkippung bis auf eine anlagebedingte Verkippung der LWS am Übergang in die untere BWS aufgewiesen. Obgleich der Kläger Bewegungen im Bereich der LWS bei subjektiver Körperinstabilität nur angedeutet habe, sei es ihm möglich gewesen, sich zum Schuhe-Anziehen tief herab zu beugen. Die Bewegungsabläufe wie Hinsetzen, -legen und Wiederaufstehen sowie Be- und Entkleiden seien zwar nicht völlig unauffällig, jedoch eigenständig und nur mit leichtgradigen Bewegungsverzögerungen verbunden gewesen. Beim Laufen habe der Kläger ein Entlastungshinken des rechten Beines mit leichtgradigem Nachziehen gezeigt, er sei aber in der Lage gewesen, beide Beine einseitig zu belasten, auch seien Zehenspitzengang, einseitiges Hinknien, in die Hocke gehen und Wiederaufrichten möglich gewesen. Ein auffälliges Schlackern und Kreisen des Beckens und der Oberschenkel, das keinem Krankheitsbild zuzuordnen und keinesfalls das Resultat einer neurologischen Grunderkrankung sei, habe der Kläger selbstständig stabilisieren können. Zwar habe der Kläger des Öfteren eine Schonhaltung eingenommen, aber er aggraviere erheblich. Dies zeige auch die Überprüfung der normal entwickelten Hüft- und Gesäßmuskulatur und der Umstand, dass bei der Austestung des Trendelenburg-Zeichens eine Insuffizienz nicht nachweisbar gewesen sei. Es sei daher von einer psychischen Überlagerung auszugehen. Für ein nahezu ungestörtes Gehvermögen spricht auch, dass der Kläger nach seinen Angaben mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Untersuchung gekommen ist und als alleiniges Hilfsmittel ab und an orthopädische Maßschuhe verwendet. Dass der Sachverständige Dr. W hiernach die MdE auf unfallchirurgisch-orthopädischem Gebiet mit maximal 20 v. H. einschätzt, hält der Senat für gut nachvollziehbar. Die Annahme einer Teil-MdE von 10 v. H. für die Gesundheitsstörungen auf neurologischem Gebiet ist angesichts der deutlichen und seit 2008 stabilen Verbesserung ebenso wenig zu beanstanden. Die in den Hüftgelenken bestehende Gefühlsabschwächung im Ausbreitungsgebiet des Nervus cutaneus femoris lateralis bewirkt nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. W keine Einschränkung der Bewegungsführung. Die ehemalige Ischiadicus-Läsion hat nur noch Residuen in Form einer umschriebenen Hypästhesie an Unterschenkel und Fußrücken hinterlassen. Der Fußheber und –senker als auch der Großzehenheber rechts sind nur noch geringgradig abgeschwächt gewesen (4/5-Wert), substantielle Muskeldefizite haben nicht bestanden. Auch bei der letzten EMG- und NLG-Untersuchung von Prof. Dr. E vom 24. Mai 2007 hat sich lediglich eine alte chronische neurogene Schädigung im Musculus tibialis anterior und gering im Musculus gastrocnemius gefunden. Dem Resumée des Sachverständigen Dr. W, dass nur noch geringgradige motorische Einschränkungen ohne neuropathische Problematik vorliegen würden und dass die hieraus resultierende Funktionsstörung nicht umfassend und keinesfalls mit einem kompletten Ausfall der betreffenden Nerven vergleichbar sei, schließt sich der Senat hiernach an. In gleicher Weise hat sich zudem auch die Fachärztin für Neurologie Dr. K in ihrer oben bereits erwähnten gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage vom 21. September 2007 mit überzeugendem Hinweis darauf geäußert, dass die noch bestehenden Beeinträchtigungen in neurologischer Hinsicht deutlich geringer seien und dass die MdE insoweit nicht mehr als 10 v. H. betrage.
Dass Dr. W die Gesamt-MdE auf unfallchirurgisch-orthopädischem und neurologischem Gebiet i. H. v. 20 v. H. einschätzt, trägt der beschriebenen Besserung des Gesundheitszustandes und dem Umstand, dass sich die Unfallfolgen auf unfallchirurgisch-orthopädischem und neurologischem Gebiet zum Teil überschneiden, Rechnung.
Auf psychiatrischem Gebiet können Unfallfolgen nicht festgestellt werden. Der Senat folgt dem vom SG eingeholten Gutachten von Dr. A vom 6. Januar 2010 nebst Stellungnahme vom 10. Mai 2010, der zur Diagnose einer chronifizierten Anpassungsstörung mit Elementen der Frustration und Resignation gelangt ist. Diese Störung ist als unfallunabhängig zu werten, denn sie ist wesentlich mit beeinflusst durch Züge in der Persönlichkeit des Klägers, die zu einer Fehlreaktion auf die als unzureichend empfundene Wiederherstellung der eigenen Funktionalität mit Ehekonflikten und Arbeitslosigkeit geführt haben. Die Unfallunabhängigkeit der bereits 1999 vom behandelnden Psychiater und Neurologen P (Attest vom 26. Mai 1999) beschriebenen reaktiven depressiven Entwicklung und Schmerzsymptomatik wird zudem bestätigt durch die Einschätzung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G im Gutachten nach Aktenlage vom 14. Oktober 2002 (S 67 U 665/99-8). Dies gründet auch auf den bei der persönlichen Untersuchung des Klägers (mit Dolmetscher) am 02. November 2001 erhobenen Befunden in dem im Verfahren S 15 RJ 209/00-21 erstellten Gutachten vom 22. November 2001. Der Sachverständige hat für den Senat überzeugend dargelegt, dass allein der Restdefekt nach einer Nervus-ischiadicus-Läsion mit Zeichen einer Nervus-peroneus-Störung ursächlich auf den Unfall zurückzuführen ist, dass aber für die beim Kläger bestehende Schmerzstörung und depressive Störung einschließlich erektiler und ejaculativer sowie Miktions-Dysfunktion die auf der Persönlichkeitsstruktur des Klägers fußenden Schwierigkeiten und Probleme bei der Lebensbewältigung seit dem Unfall verantwortlich sind. Eine Hauptsymptomgruppenkonstellation, die für eine PTBS sprechen könnte, ließ sich beim Kläger nicht feststellen. Demgegenüber erscheint die Diagnose von Dr. S-O vom 28. April 2010, beim Kläger liege eine mittel- bis schwere depressive Episode vor, zum einen unter Berücksichtigung der andernorts geschilderten Lebensumstände des Klägers (2 Kinder, die beide zur Schule gehen, 3-Zimmer-Wohnung, in der man sich wohlfühle, Betätigung im Haushalt, gute Integration in die Gemeinschaft von Landsleuten, rege Anteilnahme am Fußballspiel des Sohnes, keine unmittelbaren finanziellen Schwierigkeiten, eigener Pkw, alle zwei Jahre Reisen für 6 bis 8 Wochen in die Türkei) wenig überzeugend, zum anderen hat sich Dr. S-O auch nicht mit einer Kausalitätsbeurteilung befasst.
Soweit der Kläger rügt, es sei bei den Begutachtungen durch die Sachverständigen Dr. W und Dr. A kein Dolmetscher für die türkische Sprache hinzugezogen worden, haben beide Sachverständige in ihren Stellungnahmen vom 26. Juni 2010 und vom 23. Juni 2011 übereinstimmend angegeben, der Kläger habe mit ihnen problemlos in der deutschen Sprache kommunizieren können.
Auch die vom Kläger geltend gemachten urologischen Störungen (erektive Dysfunktion, Ejaculatio praecox, Harninkontinenz) können zur Überzeugung des Senats nicht als Unfallfolgen festgestellt werden. So legte bereits Prof. Dr. L in seinem urologischen Zusatzgutachten vom 28. Oktober 1998 dar, dass sich bei beim Kläger keine urologisch-pathologischen Befunde und Veränderungen feststellen ließen. Die Abklärung der vom Kläger angegebenen Sexualfunktionsstörung ergab ebenfalls keinen Anhalt für vaskulär bedingte Schäden aufgrund des Unfallereignisses. Nach Prof. Dr. L haben Ejakulationsstörungen ausschließlich nervale Ursachen und immer einen psychogenen Hintergrund. Außerdem sind die hierfür verantwortlichen Nervenbahnen im Bereich Th12-L3 lokalisiert, der beim Kläger vom Unfallgeschehen nicht betroffen war. Urologisch-andrologisch liegt daher keine Teil-MdE vor. Diese Auffassung wurde von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K in dem im Auftrag der Beklagten am 19. Dezember 1998 erstellten neuro-psychiatrischen Gutachten nach Aktenlage bestätigt.
Der Senat folgt schließlich nicht der Einschätzung in dem nach § 109 GG eingeholten Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. S vom 03. März 2012, der die Gesamt-MdE ab Mai 2008 mit 50 v. H. eingeschätzt hat. Das Gutachten imponiert zwar mit zahlreichen Teildiagnosen (etwa Störung der lumbo-pelvinen Rhythmik) und deren Bewertung, allerdings auch auf außerhalb der Kompetenz des Sachverständigen liegenden Gebieten. Dr. S beschränkt sich darauf, die Ergebnisse der früheren Gutachten aufzuführen, ohne sich mit ihnen unter Abgleich mit der eigenen Befunderhebung kritisch auseinanderzusetzen und ohne selbst andere Untersuchungsergebnisse zu erzielen. So hat auch die von ihm vorgenommene Funktions- und Beweglichkeitsprüfung keine von den Messungen von Dr. W wesentlich abweichenden Werte ergeben, es wurde z. B. keine Beckenverkippung, Beinlängendifferenz oder sekundäre Fehlstatik der angrenzenden Wirbelsäule festgestellt. Gleichwohl hat Dr. S die orthopädisch-unfallchirurgische Teil-MdE mit 30 v. H. höher eingeschätzt als für die unmittelbar nach dem Unfall bestehenden stärkeren Funktionsdefizite in den früheren Begutachtungen von Prof. Dr. H festgestellt worden ist. Von daher ist dem Sachverständigen Dr. W zuzustimmen, wenn er in seiner Stellungnahme vom 08. September 2012 zum Gutachten von Dr. S darauf hinweist, dass es für die MdE-Einschätzung entscheidend auf die festgestellten Funktionsdefizite ankomme und dass die Leidensbezeichnung nicht mit einer bestimmten MdE-Höhe gleichzusetzen sei. Soweit Dr. S schließlich eine urologische Bewertung vornimmt, fehlt es nicht nur an einer entsprechenden Befunderhebung sondern auch an einer Auseinandersetzung mit dem fachspezifischen Gutachten von Prof. Dr. Le, der ausführlich und nachvollziehbar dargelegt hat, dass es sich bei der behaupteten erektiven Dysfunktion, der Ejaculatio praecox sowie der Harninkontinenz nicht um Unfallfolgen handelt. Auch in neurologischer Hinsicht zählt nur das Ausmaß der nach einer Plexus-Lumbalis-Schädigung verbliebenen Defizite. Die Vorgutachter haben übereinstimmend anhand von objektiven Messparametern dargelegt, dass die sensormotorischen Veränderungen niedriggradig sind. So ist der von Dr. S festgestellte Kraftgrad für den Fußheber und -senker rechts mit 4/5 mit den Voruntersuchungen identisch, entspricht nur leichter Beeinträchtigung und begründet in Verbindung mit leichten Hypästhesien im Oberschenkelbereich keine höhere MdE als 10 v. H. Auch die von Dr. S hervorgehobene Herkunft des Klägers aus einem anderen Kulturkreis stellt letztlich kein Bewertungskriterium dar.
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Vergleich zu der im Ausgangsbescheid vom 16. Februar 1999 zu Grunde liegenden Gesamt-MdE von 30 v. H. eingetreten ist, so dass die Beklagte zu Recht mit Ablauf des Monats April 2008 die Rente nach einer MdE von nunmehr 20 v. H. wegen einer wesentlichen Besserung in den Unfallfolgen neu festgestellt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine Revisionszulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe einer dem Kläger seit 1999 wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls aus dem Jahr 1996 gewährten Verletztenrente streitig.
Der im Jahr 1969 geborene Kläger erlitt am 20. Juni 1996 einen anerkannten Arbeitsunfall, als er bei seiner Arbeit als Landschaftsgärtner von seinem umstürzenden Radlader eingeklemmt wurde und sich eine komplexe Becken-C-Fraktur zuzog. Der Durchgangsarzt vermerkte, dass der Patient ansprechbar und neurologische Ausfälle nicht feststellbar seien. Anschließend wurde der Kläger in das R-Klinikum verlegt, wo eine Osteosynthese und eine Revision durchgeführt wurden (vgl. Bericht vom 31. Juli 1996). Die neurologische Diagnostik ergab eine schwere Plexus lumbalis-Läsion rechts, wobei alle Nerven des Beines mehr oder weniger stark betroffen seien. Im Verlauf intensiver medizinischer und physiotherapeutischer Betreuung teilte der Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Prof. Dr. H, Campus V-Klinikum, mit, der Kläger sei mittlerweile ohne Zuhilfenahme von Gehstützen in der Lage, 30 bis 60 Minuten spazieren zu gehen, habe nur noch leichte Schmerzen in der rechten Hüfte, die Kraft im rechten Bein sei aber noch deutlich herabgesetzt. Zusätzlich klage er über Blaseninkontinenz und Erektionsstörungen. Von der Neurologischen Klinik des V-Klinikums wurde mitgeteilt, dass sich der nach dem Unfall schwer gelähmte Adduktorenmuskel am rechten Oberschenkel gut erholt habe und funktionell nicht mehr auffällig sei, wogegen die Fuß- und Zehenhebermuskulatur am rechten Unterschenkel zum Teil noch keine Zeichen für eine Reinnervation zeige. Hierdurch sei die Belastbarkeit des rechten Sprunggelenkes erheblich behindert. Die bei dem Unfall aufgetretene Blasenstörung habe sich nach Angaben des Klägers weitgehend gebessert. Die jetzt noch bestehende Parese am rechten Unterschenkel bedinge eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von etwa 25 v. H. (Prof. Dr. E, OA PD Dr. B, Campus V-Klinikum, Bericht vom 02. Dezember 1997)
Prof. Dr. H erstattete am 31. Januar 1998 ein Erstes Rentengutachten, in welchem er zur Feststellung folgender Unfallfolgen gelangte: - in Fehlstellung verheilte komplexe Becken-C-Verletzung mit Inkongruenz der rechten gegenüber der linken Beckenhälfte, - verschiedene, in situ verbliebene, regelrecht sitzende, nicht gelockerte Platten und Schrauben in beiden Beckenhälften, - verknöcherte rechte Iliosakralfuge, - knöcherne Anbauten an der rechten Beckenschaufel und am rechten Sitzbein, - beginnende Arthrose rechtes Hüftgelenk, - reizlose, 40 cm. lange Wunde nach zweimaliger Beckenoperation, - eingeschränkte Beweglichkeit des rechten Hüftgelenks, - Sensibilitätsminderung über dem rechten Hüftgelenk und am rechten Unterschenkel, - Fußheberschwäche rechts, - erektive Dysfunktion.
Mit dem Tag der Untersuchung werde die Arbeitsunfähigkeit (AU) beendet. Die MdE aus unfallchirurgischer Sicht werde vom 27. Januar 1998 bis zum 26. Januar 1999 und bis zur Beendigung des zweiten Jahres nach dem Unfall auf 20 v. H. und die Gesamt-MdE unter Einbeziehung des neurologischen Gebietes (s. Bericht von Prof. Dr. E, OA PD Dr. B vom 02. Dezember 1997: MdE 25 v. H.) auf 30 v. H. eingeschätzt.
In einem urologischen Zusatzgutachten vom 28. Oktober 1998 gelangte Prof. Dr. L zu dem Ergebnis, dass die Abklärung der vom Kläger angegebenen Ejakulationsstörungen keinen Anhalt für vaskuläre Schäden aufgrund des Unfallereignisses ergeben, sondern ausschließlich nervale Ursachen und einen psychogenen Hintergrund habe. Außerdem seien die hierfür verantwortlichen Nervenbahnen im Bereich Th12-L3 lokalisiert, was in keinem Zusammenhang zum Unfallgeschehen stehe. Urologisch-andrologisch lägen keine pathologischen Befunde und damit keine MdE vor.
Mit Bericht vom 17. November 1998 stellte Prof. Dr. E (OA PD Dr. B) fest, dass sich die Fuß- und Zehenheberlähmung geringgradig gebessert habe, wogegen die noch vorhandenen neurologischen Ausfälle am rechten Unterschenkel und Fuß wahrscheinlich als Defekt bestehen bleiben würden. Aus neurologischer Sicht betrage die MdE nunmehr 20 v. H. Im Auftrag der Beklagten erstattete die Fachärztin für Neurologie, Psychiaterin und Sozialmedizinerin Dr. K am 19. Dezember 1998 ein neuro-psychiatrisches Gutachten nach Aktenlage, in welchem sie zu dem Ergebnis gelangte, dass die unfallchirurgischen, neurologischen und urologischen Gutachten angesichts der unfallbedingten Schädigung gut nachvollziehbar seien, dasselbe gelte für die von den jeweiligen Gutachtern festgesetzte Einzel- und Gesamt-MdE. Die vorliegende erektive Dysfunktion sei unfallunabhängig. Die Gesamt-MdE aller Unfallfolgen betrage 30 v. H.
Mit Bescheid vom 16. Februar 1999 gewährte die Beklagte dem Kläger daraufhin unter Anerkennung der von Prof. Dr. H im Ersten Rentengutachten vom 31. Januar 1998 aufgeführten Unfallfolgen mit Ausnahme der erektive Dysfunktion eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 30 v. H.
Mit seinem Widerspruch legte der Kläger ein Attest des Arztes für Neurologie Dr. de B vom 01. April 1999 vor, demzufolge die Blasen-, Erektions- und Ejakulationsstörungen sowie die Paresen der Fußheber, der Fußaußenrotation, der Beinadduktion rechts neurogen und damit unfallbedingt und auf eine Nervenläsion der betreffenden Bereiche zurückzuführen seien. Der behandelnde Arzt für Neurologie und Psychiatrie P bescheinigte unter dem 26. Mai 1999 eine reaktive depressive Entwicklung, die medikamentös behandelt werde, und empfahl eine Behandlung bei einem türkischsprachigen Psychotherapeuten.
Am 25. Juni 1999 erstattete Prof. Dr. E(PD Dr. B), auf Anforderung von Prof. Dr. H ein neurophysiologisches Zusatzgutachten, in welchem er zu der Auffassung gelangte, dass die noch bestehenden neurologischen Ausfälle und Störungen am rechten Unterschenkel, deren Besserung drei Jahre nach dem Unfall nicht mehr zu erwarten sei, eine MdE von 20 v. H. bedingen würden.
Nach Einholung einer weiteren neuro-psychiatrischen Stellungnahme nach Aktenlage der Frau Dr. K vom 25. Juni 1999 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 1999 als unbegründet zurück.
Hiergegen erhob der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Berlin (S 8 U 665/99) Klage und begehrte, ihm über die bereits festgestellte MdE von 30 v. H. hinaus eine weitere MdE i. H. v. 10 v. H. aufgrund der neurologischen Befunde zuzubilligen und legte ein im Rechtsstreit gegen die ARAG Allgemeine Versicherungs AG (Landgericht Berlin, ) erstelltes Gutachten von Prof. Dr. R, Chirurgische Klinik des Klinikum B, vom 11. Mai 1999 vor, in welchem auch eine erektive Dysfunktion und eine Blasenentleerungsstörung als neurologische Unfallfolgen festgestellt seien. Aus unfallchirurgischer Sicht ergebe sich eine Invalidität von 20 %, die sich bis zum Ablauf des 3. Jahres nach dem Unfall nicht ändern werde. Nicht berücksichtigt seien hierbei die Unfallfolgen auf neurologischem und urologischem Gebiet. Nach einer Stellungnahme von Prof. Dr. H vom 19. Juli 1997 an die ARAG Allgemeine Versicherungs AG sei der Grad der Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit mit 30 % auf Dauer anzusetzen.
Nach Einholung von Befundberichten (BB) des Orthopäden Dr. M vom 30. November 1999, des Neurologen und Psychiaters Dr. D vom 06. Januar 2000 und des Prof. Dr. E vom 23. Oktober 2000, die eine im Wesentlichen unveränderte Befundlage schilderten, beauftragte das SG Berlin den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. A vom Krankenhaus S mit der Begutachtung des Klägers.
In seinem Gutachten vom 06. April 2001 gelangte Prof. Dr. A ohne Erhebung neuer Befunde zu der Einschätzung, dass beim Kläger nach einer Nervus ischiadicus-Läsion ein Residualeffekt mit einer motorisch und sensibel diskret ausgeprägten Nervus peronaeus-Störung mit entsprechendem neurophysiologischem Korrelat bestehe. Von den Beurteilungen von Prof. Dr. H, Prof. Dr. L, Dr. K und Dr. B werde nicht abgewichen. Eine abweichende Einschätzung ergebe sich gegenüber den behandelnden Ärzten Dr. de B und Herrn P. Die Symptomatik einer Ejaculatio praecox sei nicht mit der Nervenläsion bzw. dem Relikt einer Plexus lumbosacralis-Läsion vereinbar. Die MdE ab dem 21. April 1998 sei mit 30 v. H. insgesamt zu bemessen und setze sich aus der unfallchirurgischen sowie aus der neurologischen Einschätzung zusammen.
In dem vom Kläger beim SG Berlin betriebenen Rentenverfahren (S 15 RJ 209/00-21) erstattete der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G am 22. November 2001 ein Sachverständigengutachten, in welchem er zur Diagnose einer starkgradig ausgeprägten psychosomatischen/somatoformen Schmerzstörung und einer depressiven/dysthymen Störung gelangte. Darüber hinaus bestünde noch ein Restdefekt nach einer Nervus ischiadicus-Läsion mit Zeichen einer Nervus peronaeus-Störung rechts, Ejakulations- und Miktionsstörungen und eine chronische Hepatitis. Dem Kausalitätsgutachten von Prof. Dr. A von April 2001 sei hinsichtlich der Befunde und Diagnosen voll und ganz zu folgen.
Der Kläger wurde seit dem Jahr 2000 in der Klinik für Interventionelle Schmerztherapie des Campus V-Klinikums mehrfach schmerztherapeutisch behandelt, wodurch eine kurzfristige Schmerzlinderung bewirkt wurde (vgl. z. B. Bericht der Charité vom 02./05. November 2001 und vom 03. Dezember 2003).
Im Auftrag des SG Berlin (S 67 U 665/99-8) erstattete der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G am 14. Oktober 2002 ein neurologisch-psychisches Sachverständigengutachten nach Aktenlage sowie eine ergänzende Stellungnahme vom 11. April 2003, in welchen er zu der Auffassung gelangte, dass ein Restdefekt nach einer Nervus-ischiadicus-Läsion mit Zeichen einer Nervus-peroneus-Störung rechts ursächlich auf den Unfall zurückzuführen sei. Trotz Stabilisierung der organmedizinisch relevanten Unfallfolgen habe der psychoreaktive Störungskomplex einen zunehmend schweren Verlauf genommen. Für diese psychische Fehlverarbeitung des Unfalles seien, wie bereits Dr. K ausgeführt habe, ausschließlich die auf der Primär-Persönlichkeitsstruktur des Klägers fußenden Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung seit dem Unfall verantwortlich. Eine Primär-Persönlichkeitsstörung von Krankheitswert oder eine vor dem Unfall 1996 bestehende psychische/psychosomatische Störung sei beim Kläger nicht festzustellen. Die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) seien beim Kläger nicht erfüllt. Die MdE betrage unter Einbeziehung der unfallchirurgischen und neurologischen Feststellungen in den Gutachten von Prof. Dr. H und Prof. A ab dem 21. April 1998 fortlaufend 30 v. H ...
Der Kläger rügte unter Vorlage einer Stellungnahme des psychologischen Psychotherapeuten K vom 25. Juni 2003, bei dem er von Oktober 1999 bis November 2000 wegen einer PTBS in Behandlung gewesen sei, gerügt, dass der Sachverständige Dr. G die Auswirkungen seines Unfalls mit Zertrümmerung des Beckens auf sein Selbstwertempfinden insbesondere unter Berücksichtigung des soziokulturellen Umfeldes und seiner Herkunft nicht ausreichend gewürdigt habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 09. September 2003 wies das SG Berlin (S 67 U 655/99) die Klage unter Bezugnahme auf die Sachverständigengutachten von Prof. Dr. H vom 31. Januar 1998, Prof. Dr. E vom 17. November 1998 und vom 25. Juni 1999, auf die gutachterlichen Stellungnahmen nach Aktenlage der Neurologin Dr. K vom 19. Dezember 1998 und vom 25. Juni 1999 sowie auf die im Klageverfahren eingeholten Gutachten von Prof. Dr. A vom 06. April 2001 und von Dr. G vom 14. Oktober 2002 nebst ergänzender Stellungnahme vom 11. April 2003 ab. Zur Begründung führte es aus, die beim Kläger bestehenden Funktionseinschränkungen wegen noch bestehender Folgen der Plexus lumbalis-Läsion würden bei Gesamtbewertung eine MdE von 30 v. H. ergeben. Ob der Kläger tatsächlich unter einer Blasenentleerung- sowie Erektions- und Ejakulationsstörung leide, sei aufgrund mangelhafter Mitarbeit bei der urologischen Begutachtung durch Prof. Dr. L und der Befunde, u. a. einer restfreien Blasenentleerung, nicht abschließend zu beurteilen. Aufgrund der urologischen und neurologischen Gutachten stehe aber ohnehin fest, dass es keine organmedizinische Ursache der urogenitalen Symptomatik gebe, sondern, dass diese entsprechend den Gutachten von Dr. G vom 20. November 2001 und vom 14. Oktober 2002 allenfalls Ausdruck einer psychiatrisch-psychosomatischen Störung sei. Ein rechtlich wesentlicher Ursachenzusammenhang mit dem Arbeitsunfall könne nicht hergestellt werden. Nicht nachvollziehbar sei, warum Prof. Dr. H bei gleichbleibenden Befunden die MdE in einem Bericht vom 13. April 1999, anders als in seinem Ersten Rentengutachten, nicht mehr mit 30 v. H., sondern mit 40 v. H. bewerte.
Hiergegen legte der Kläger Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Berlin ein (L 2 U 63/03).
Am 19. Februar 2004 wurde beim Kläger in der Klinik für Orthopädie der Charité eine Arthrodese des Iliosacralgelenks vorgenommen. Im Zwischenbericht vom 07. Juli 2004 teilte Prof. Dr. H (Dr. S) mit, dass die Beschwerden linksseitig deutlich rückläufig wären, rechtsseitig noch ab und an bestünden. Der Kläger wurde weiterhin über die Schmerzambulanz behandelt.
In dem auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom LSG eingeholten psychiatrisch-neurologischen Gutachten vom 11. November 2004 schätzte der Facharzt für Neurologie Dr. F (Dr. H) unter Bezugnahme auf die erstatteten Gutachten (Dr. K, Dr. G, Prof. Dr. A), in denen überwiegend ein Zusammenhang zwischen der beklagten Sexualfunktionsstörung und dem Unfall ausgeschlossen worden sei, die MdE auf psychiatrischem Gebiet auf 0 v. H ... Die depressive Entwicklung sei zwar infolge des Unfalles entstanden, fuße jedoch auf einer entsprechenden Primärpersönlichkeit und sei somit nicht unfallabhängig zu berenten. Die entgegen lautenden ärztlichen Stellungnahmen (Dr. P, Dr. de B, Dr. R) postulierten eine Neurogenese, ohne diese näher zu begründen. Es sei auch nicht von einer Ejaculatio praecox auszugehen, vielmehr werde diese Annahme stark von subjektiven Eindrücken abhängig gemacht. Der Kläger schildere nachhaltig, wie prägend sein kultureller Hintergrund mit seinem strikten Männlichkeitsbild für ihn sei und dass er deshalb so leicht verletzbar sei. Die entsprechende Primärpersönlichkeit begünstige auch das Auftreten einer depressiven Entwicklung stark.
Am 21. September 2005 beantragte der Kläger, der sich seit Juli 2005 in psychotherapeutischer Behandlung in den Sankt H Kliniken B befand, bei der Beklagten, ihn unter Verweis auf die am 17. Februar 2004 durchgeführte Arthrodese wegen möglicher Änderung der Unfallfolgen zu begutachten.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG Berlin-Brandenburg vom 27. September 2005 nahm der Kläger die Berufung (L 2 U 63/03) zurück.
Im Rahmen des Verschlimmerungsantrages des Klägers erstattete Prof. Dr. H (Dr. M) am 02. Januar 2007 (Untersuchung des Klägers am 13. September 2006) ein Zweites Rentengutachten, in welchem er - mit Ausnahme der zeitlich danach erfolgten Arthrodese der Iliosakralfugen beidseits - zur Feststellung derselben Unfallfolgen gelangte wie bereits im Ersten Rentengutachten vom 31. Januar 1998 und darauf hinwies, dass in den für die Höhe der Rente maßgebenden Verhältnissen keine Änderung gegenüber früheren Befunden eingetreten sei.
Am 25. Juli 2007 erstattete Prof. Dr. E (PD Dr. P, Dr. E) ein neurologisches Gutachten, in welchem er nach Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis gelangte, dass die vorliegende chronisch-neurogene Schädigungen im Musculus tibialis anterior und geringer im Musculus gastrocnemius als Dauerzustand einer Nervus Ischiadicus-Läsion zu werten seien. Eine Änderung der für die Rente maßgebenden Verhältnisse sei im Vergleich zum früheren Befund nicht eingetreten. Die MdE auf neurologischem Gebiet betrage wegen leichtgradiger Fußheber- und Fußsenkerparese 20 v. H.
Mit Bericht der Sankt H Kliniken B vom 13. August 2007 teilte die Fachärztin für Psychiatrie Dr. S mit, der Kläger befinde sich seit dem 14. Juli 2005 in ambulanter psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung in der Muttersprache. Diagnostisch handele es sich am ehesten um eine somatoforme anhaltende Schmerzstörung, die nicht als Unfallfolge anzusehen sei.
Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K gab am 21. September 2007 eine beratungsärztliche Stellungnahme nach Aktenlage ab, in der sie zu der Auffassung gelangte, dass aus neurologischer Sicht als Unfallfolgen ein Residualzustand einer Nervus Ischiadicus-Schädigung rechts mit alter, chronisch-neurogener Schädigung im Musculus tibialis anterior und Musculus gastrocnemius festzustellen seien. Die Einzel MdE auf neurologischem Gebiet werde in Abweichung zu dem Gutachten von Prof. Dr. E vom 25. Juli 2007 mit 10 v. H. bemessen.
Mit Schreiben vom 19. November 2007 führte Prof. Dr. H (Dr. M) aus, dass der Kläger aufgrund seiner Beschwerden nicht in seinem vormals ausgeübten Beruf wieder eingegliedert werden könne. Nach Zusammenführung des unfallchirurgischen und des neurologischen Gutachtens betrage die MdE 30 v. H.
Der beratende Arzt der Beklagten (Dr. K) erklärte in seiner Stellungnahme vom 04. Februar 2008, dass von einer Besserung auf nervenärztlichem Fachgebiet auszugehen sei und dass unter Berücksichtigung der Funktionsbefunde für die Wirbelsäule und die unteren Gliedmaßen eine Gesamt-MdE von 20 v. H. angemessen erscheine.
Die Beklagte setzte nach Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 19. Februar 2008 mit dem hier angefochtenen Bescheid nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), § 73 SGB VII vom 24. April 2008 die Rente ab dem 01. Mai 2008 auf monatlich 251,75 EUR herab und stellte die MdE auf 20 v. H. neu fest. Die dem Bescheid vom 16. Februar 1999 zu Grunde liegenden Verhältnisse hätten sich wesentlich geändert, und zwar in Form von rückläufigen Ausfallerscheinungen nach Schädigung der zum Sitzbein gehörenden Nerven.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03. September 2008 als unbegründet zurück.
Mit der vorliegenden, vor dem SG Berlin erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte habe sich bei ihrer ablehnenden Entscheidung zu Unrecht auf die Einschätzung einer Gesamt-MdE von 20 v. H. durch den Beratungsarzt Dr. K gestützt, obgleich zuvor Prof. Dr. H die MdE mit Schreiben vom 19. November 2007 zutreffend auf 30 v. H. eingeschätzt habe.
Im Auftrag des SG hat der Facharzt für Orthopädie Dr. W am 11. Februar 2009 ein Gutachten erstattet und folgende unfallbedingte Erkrankungen festgestellt: - Verheilte Beckenverletzung mit verbliebener, leichtgradiger Inkongruenz der Beckenhälften, operativ arthrodisierte Iliosakralfugen beidseits, reizlos, - verheilte Op-Narbe im Beckenbereich, - Sensibilitätsstörungen im Bereich des Nervus cutaneus femoris laterales rechts, - Residualläsionen, Nervus ischiadicus-Läsion rechts, - erektive Dysfunktion.
Die MdE auf chirurgisch-orthopädischem Gebiet sei mit 20 v. H. einzuschätzen. Die Beckenstatik habe keine hochgradige Asymmetrie und keine Auswirkungen auf das Achsenorgan selber, eine negative Einwirkung der Beckenfraktur auf die Hüftgelenke, die Beinlänge oder -statik liege nicht vor, der Zustand der Muskulatur im Becken- und Hüftgelenksbereich sei gut. Auf neurologischem Gebiet sei eine deutliche Verbesserung zu verzeichnen, wobei sich in den letzten zwei Jahren ein einheitlicher Befund dargestellt habe. Die Hypästhesie am Nervus cutaneus femoris lateralis bewirke keine eigenständige MdE, da hieraus keine messbaren Funktionsdefizite abzuleiten seien. Die ehemalige Ischiadicus-Läsion habe nur noch Residuen in Form einer umschriebenen Hypästhesie am Unterschenkel und Fußrücken hinterlassen. Der Fußheber und -senker und die Zehen rechts seien geringgradig abgeschwächt (4/5-Wert), substantielle Muskeldefizite bestünden nicht. Bei der letzten EMG- und NLG-Untersuchung durch Prof. Dr. E vom 24. Mai 2007 habe sich eine alte chronische neurogene Schädigung im Musculus tibialis anterior und gering im Musculus gastrocnemius gefunden. Die motorische Problematik sei geringgradig und nicht vergleichbar mit einem kompletten Ausfall des Nervus peronaeus profundus oder des distalen Nervus radialis. Es sei beim Kläger keine neuropathische Problematik erkennbar. Insgesamt sei der Einschätzung der Fachärztin für Neurologie Dr. K zu folgen, dass bei einem geringen objektiven neurologischen Defizit eine MdE von 20 v. H. zu hoch sei, sie sei vielmehr in neurologischer Hinsicht zutreffend mit 10 v. H. bemessen worden. Hieraus ergebe sich eine Gesamt-MdE von 20 v. H ... Soweit im Ersten Rentengutachten die MdE i. H. v. 30 v. H. geschätzt worden sei, sei dies das Ergebnis höhergradiger neurologischer Veränderungen im Zuge der Ischiadicus- und Plexus lumbalis-Läsion gewesen. Eine Nachuntersuchung habe erst bei der Begutachtung durch Prof. Dr. H und Prof. Dr. E im Jahr 2007 statt gefunden. Deren klinische Untersuchungsergebnisse unterschieden sich nicht von der heutigen Erhebung.
Das SG hat BB des Psychologischen Psychotherapeuten K vom 15. Juni 2009, des Arztes für Neurologie und Psychiatrie P vom 14. Juli 2009 sowie des Anästhesiologen Dr. F vom 30. Juli 2009 eingeholt und des Weiteren den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. A mit der Begutachtung des Klägers beauftragt.
In seinem Gutachten vom 06. Januar 2010 ist Dr. A zur Diagnose anhaltender Schmerzen im Rahmen einer chronifizierten Anpassungsstörung mit Elementen der Frustration und Resignation gelangt. Diese Störung sei nicht unfallbedingt, sondern erst vor etwa vier Jahren aufgetreten und in erster Linie auf die von zeitweiligen Ehekonflikten und Arbeitslosigkeit charakterisierte Lebenssituation des Klägers ursächlich zurückzuführen. Die MdE auf psychiatrischem Gebiet sei mit 0 v. H. zu bemessen. Der Einschätzung von Prof. Dr. E sei insoweit nicht zuzustimmen, als er allein für die gering ausgeprägten neurologischen Defizite eine MdE von 20 v. H. in Ansatz bringe. Nur gemeinsam mit den orthopädischen Unfallfolgen ergebe sich MdE von 20 v. H.
Der Kläger hat eine weitere Stellungnahme von Dr. S vom 26. April 2010 vorgelegt, aus der sich ergibt, dass er seit dem 14. Juli 2005 regelmäßig psychiatrisch-psychotherapeutisch behandelt werde. Aktuell bestehe eine mittel- bis schwere depressive Episode, so dass der Kläger in seiner Erwerbsfähigkeit auf psychiatrischen Gebiet als eingeschränkt einzustufen sei.
Dr. A hat in seiner Stellungnahme vom 10. Mai 2010 an seiner Auffassung festgehalten und betont, dass bei ihm der psychopathologische Befund außer einer gewissen Frustrationshaltung gänzlich unauffällig gewesen sei. Die erektive Dysfunktion bzw. die vom Kläger beschriebene Ejaculatio praecox und die Libidoeinbuße seien nicht als Unfallfolgen zu betrachten, da die unfallbedingte neurologische Schädigung diese Beschwerden nicht bedingen könne.
Wegen der vom Kläger geäußerten Kritik an den ohne Dolmetscher durchgeführten Begutachtungen hat das SG gesonderte Stellungnahmen von Dr. A vom 26. Juni 2010 und Dr. W vom 23. Juni 2010 eingeholt.
Mit Urteil vom 28. Juni 2010 hat das SG Berlin die Klage unter Bezugnahme auf die Gutachten von Dr. W und von Dr. A abgewiesen. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei infolge des Arbeitsunfalls von 1996 ab dem 01. Mai 2008 nur noch in Höhe von 20 v. H. gemindert. Die Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S vom 26. April 2010 stehe nach der Einschätzung von Dr. A in seiner Stellungnahme vom 10. Mai 2010 dessen Beurteilung nicht entgegen. Es fänden sich unter Berücksichtigung der einhelligen Angaben von Dr. W und Dr. A auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in der Begutachtungssituation eines Dolmetschers bedurft hätte. Auch in der Gerichtsverhandlung habe die Kammer den Eindruck gewonnen, dass der Kläger, dem es offenbar keine Schwierigkeiten bereitet habe, der Verhandlung in ihren Grundzügen zu folgen, der deutschen Sprache hinreichend mächtig sei.
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren auf Aufhebung des Bescheides nach § 48 Abs. 1 SGB X, § 73 SGB VII vom 24. April 2008 weiter, da sich sein gesundheitlicher Zustand seit Erteilung des Bescheides vom 16. Februar 1999 nicht wesentlich gebessert habe.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. S am 03. März 2012 ein Gutachten erstattet, in welchem er folgende unfallbedingte Diagnosen gestellt hat: Beckeninkongruenz bei Z. n. komplexer Becken-C-Verletzung, operative Arthrodese der Iliosakralgelenke beidseits mit Störung der lumbo-pelvinen Rhythmik, muskuläre vertebro-pelvine Dysbalance, erektive Dysfunktion, Ejaculatio praecox, Harninkontinenz, Plexus-lumbale-Läsion rechts mit Fuß- und Zehenheberschwäche sowie Fußsenkerschwäche rechts, Hypästhesie der Dermatome L 5 und S1 rechts, Hypästhesie Oberschenkel rechts lateral (Läsion Nervus cutaneus femoris lateralis). Der Kläger gebe persistierende, progrediente Schmerzen in der BWS, der LWS, im Kreuzbein, sowie Belastungs- und teilweise Ruheschmerzen, ferner Dys-/Hypästhesien der rechten unteren Extremität sowie Kraftmangel am rechten Unterschenkel und Fuß an. Die Gehstrecke sei schmerzbedingt auf etwa 100 m eingeschränkt. Zudem bestünden Harninkontinenz, erektive Dysfunktion mit Ejaculatio praecox, Schlafstörungen, Lustlosigkeit, verminderter Lebensantrieb. Eine Besserung sei trotz der seit Jahren laufenden Therapiemaßnahmen nicht eingetreten. Die MdE betrage spätestens ab Mai 2008 für die Zukunft und als Dauerschäden insgesamt 50 v. H ... Die Beurteilung von Dr. A, eine psychiatrische Teil-MdE bestehe nicht, werde bestritten. Die anteiligen MdE-Werte seien wie folgt zu schätzen: orthopädisch-unfallchirurgisch MdE 30 v. H., urologisch-genitalisch MdE 20 v. H., neurologisch MdE 20 v. H., psychiatrische Teil-MdE: Zusatzgutachten empfohlen.
Auf Anforderung des Senats hat Dr. W am 08. September 2012 zu dem Gutachten von Dr. S Stellungnahme genommen. Die MdE-Einschätzung habe anhand objektivierbarer Funktionsdefizite zu erfolgen, die vorliegend nur eine Gesamt-MdE von 20 v. H. ergäben.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juni 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. September 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Chirurgen Dr. K vom 20. Mai 2012 vor, dass sich die von Dr. S vorgeschlagene MdE von 50 v. H. außerhalb der einschlägigen tabellarischen Vorgaben bewege. Vielmehr sei in Übereinstimmung mit den Gutachten von Dr. W und Dr. A davon auszugehen, dass sich die Unfallfolgen auf chirurgischem und neurologischem Fachgebiet überlappen würden. Die psychiatrische Problematik erscheine ausreichend geklärt. Dr. S dokumentiere als Folge der Beckenverletzung lediglich eine endgradige Funktionsstörung des rechten Hüftgelenkes, die Umfangmessung der Beine sei unvollständig, so dass ein Vergleich mit früheren Gutachten nicht möglich sei, und eine Befundbeschreibung des Beckens fehle. Der aktuell dokumentierte Befund auf chirurgischem/orthopädischem Fachgebiet lasse allenfalls eine MdE von 10 v. H. zu. Der neurologische Befund sei weitgehend identisch mit den Vorbefunden, auf die Überschneidung zu den unfallchirurgischen Unfallfolgen werde nur ungenügend eingegangen. Die Einschätzung auf urologischem Fachgebiet sei ausschließlich auf die Angaben des Klägers gestützt, differenzierte urologische Befunde seien nicht erhoben worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten (9 Bände) verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG Berlin hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. September 2008 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat zutreffend die Rente nach einer MdE von nunmehr 20 v. H. mit Ablauf des Monats April 2008 wegen einer wesentlichen Besserung in den Unfallfolgen neu festgestellt.
Rechtsgrundlage für den Bescheid vom 24. April 2008 ist § 48 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine Verschlimmerung oder Besserung der Folgen eines Arbeitsunfalls ist gemäß § 73 Abs. 3 SGB VII nur dann wesentlich, wenn sich hierdurch der Grad der MdE um mehr als 5 v. H. erhöht oder senkt. Ob eine wesentliche Änderung in diesem Sinne vorliegt, ist durch Vergleich der für die letzte bindend gewordene Feststellung maßgebenden Befunde mit denjenigen zu ermitteln, die bei der Prüfung der Neufeststellung vorliegen. Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit einer Änderung in den Unfallfolgen ist von der bindend festgestellten Gesamt-MdE, und nicht von den für die einzelnen Körperschäden angenommenen Graden der MdE auszugehen (vgl. zu allem Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 13. Februar 2013, B 2 U 25/11 R, in juris).
Aufgrund des Gesamtergebnisses der medizinischen Beweisaufnahme ist zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers, die dem Bescheid vom 16. Februar 1999 zu Grunde gelegen haben, eine wesentliche Besserung eingetreten ist, so dass anstelle der in diesem Ausgangsbescheid festgestellten Gesamt-MdE von 30 v. H. ab dem 01. Mai 2008 nur noch eine MdE von 20 v. H. gerechtfertigt ist.
Die im Bescheid vom 16. Februar 1999 nach Zurücknahme der Berufung des Klägers (LSG Berlin, L 2 U 63/03) bindend festgestellte Gesamt-MdE von 30 v. H. rechtfertigte sich aufgrund des damaligen schlechteren Gesundheitszustandes des Klägers. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf das der ursprünglichen Festsetzung der Dauerrente zugrunde liegende Erste Rentengutachten des Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Prof. Dr. H vom 31. Januar 1998, den Bericht des Facharztes für Neurologie Prof. Dr. E (OA PD Dr. B) vom 17. November 1998, bestätigt durch die Fachärztin für Neurologie Psychiatrie Dr. K in den nach Aktenlage erstellten Gutachten vom 19. Dezember 1998 und Stellungnahme vom 25. Juni 1999, das neurophysiologische Zusatzgutachten von Prof. Dr. E(OA PD Dr. B) vom 25. Juni 1999, die vom SG Berlin (S 69 U 665/99-6) eingeholten Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. A vom 06. April 2001 und des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G vom 14. Oktober 2002 (unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse aus dem im Verfahren S 15 RJ 209/00-21 erstellten Gutachten vom 22. November 2001), ferner auch auf das Gutachten nach § 109 SGG des Facharztes für Neurologie Dr. F (Dr. H) vom 11. November 2004
Ausgehend von der vielfach ärztlich bestätigten und im Bescheid vom 16. Februar 1999 bindend festgestellten Gesamt-MdE von 30 v. H. ist von einer wesentlichen Besserung bei den unfallbedingten Gesundheitsstörungen des Klägers jedenfalls in dem hier relevanten Zeitraum ab dem 01. Mai 2008 auszugehen.
Zwar hatten die im Rahmen des Verschlimmerungsantrages des Klägers beauftragten Gutachter Prof. Dr. H (Dr. M) im Zweiten Rentengutachten vom 02. Januar 2007 (Untersuchung des Klägers am 13. September 2006) und Prof. Dr. E (PD Dr. P, Dr. E) im neurologischen Gutachten vom 25. Juli 2007 die Gesamt-MdE weiterhin mit 30 v. H. eingeschätzt. Allerdings hatte Prof. Dr. H (Dr. M) keine ausdrückliche chirurgische Teil-MdE eingeschätzt. Seinem Gutachten lässt sich entnehmen, dass die körperliche Untersuchung keine wesentlichen pathologischen Befunde mehr ergeben hat. So lässt sich aus dem Umstand, dass der Kläger seitengleich abgelaufene Turnschuhe getragen hat, durchaus die Annahme begründen, der Kläger habe aggraviert, als er bei der Untersuchung zunächst gehinkt habe. Beim Barfußgang war kein wesentliches Hinken mehr erkennbar, die Fußsohlen waren seitengleich beschwielt, der Einbein- und Zehenspitzenstand war beidseits möglich ebenso wie auch das Absinken und Gehen in der Hocke. Die Einschätzung einer Gesamt-MdE von 30 v. H. hatte ihre wesentliche Grundlage in der Beurteilung der Unfallfolgen auf neurologischem Gebiet durch Prof. Dr. E (PD Dr. P, Dr. E). Der neurologische Gutachter war zu dem Ergebnis gelangt, dass die Folgen der unfallbedingten Nervus Ischiadicus-Läsion, nämlich eine leichtgradige Fußheber- und Fußsenkerparese (4/5) eine MdE auf neurologischem Gebiet von 20 v. H. rechtfertige (Gutachten vom 25. Juli 2007).
Dieser Bewertung ist die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme nach Aktenlage vom 21. September 2007, der sich der beratende Arzt der Beklagten Dr. K in seiner Stellungnahme vom 04. Februar 2008 angeschlossen hat, mit überzeugenden Gründen entgegen getreten. Ihre Einschätzung, dass der Residualzustand einer Nervus Ischiadicus-Schädigung auf neurologischem Gebiet nur eine Einzel-MdE von 10 v. H. zulasse, ist beizutreten. So weist Dr. K zu Recht darauf hin, dass sich die Beschreibung der Muskeltrophik im Ergebnis mit den chirurgischen Befunden überschneidet. Auch ist die Differenz der Muskelumfänge zwischen dem rechten und dem linken Bein von 1 cm leichtgradig. Vor allem ist die Beeinträchtigung der Fußhebung und -senkung rechts mit einem Kraftgrad von 4/5 als gering einzustufen.
Der Senat stützt seine Überzeugung von einer Besserung des Gesundheitszustandes des Klägers vor allem auf das nach umfänglicher Untersuchung und Befunderhebung erstattete Gutachten vom 11. Februar 2009 des vom SG beauftragten Sachverständigen Dr. W. Soweit er eingangs darauf hinweist, dass die komplexe und durch Osteosynthesematerial stabilisierte Beckenringfraktur knöchern und reizfrei verheilt sei, ist dies auch bereits von Prof. Dr. H im Ersten Rentengutachten vom 31. Januar 1998 festgestellt worden. Dr. W führt des Weiteren aus, dass sich trotz der Beckenringfraktur keine Beckenfehlstatik entwickelt habe und die Symmetrie bis auf eine leichtgradige Inkongruenz der Beckenhälften insgesamt gut sei. Eine Beinlängendifferenz habe sich nicht entwickelt, ein Einfluss auf die Beinstatik sei nicht erkennbar. Die Hüftgelenkstatik sei nicht betroffen. Abweichend zu den Bewertungen durch die Vorgutachter werde auch keine relevante bzw. altersüberschreitende subchondrale Sklerosierung der Hüftgelenke festgestellt. Bei den Aufnahmen vom 12. November 2007 (Prof. Dr. H) seien keine posttraumatischen pathologischen Veränderungen und keine Mineralisationsstörung sichtbar gewesen. Die Beweglichkeit der Hüftgelenke sei normal (links 130-0-0°, rechts 120-0-0°), die Muskeln seien nicht atrophiert gewesen, die Umfänge an Oberschenkel, Knie und Waden nahezu seitengleich. Die Untersuchung der Fuß- und Sprunggelenke habe äußerlich keine Auffälligkeiten und am linken Fuß normale Messwerte bei der Fußhebung/-senkung ergeben (20-0-50°), rechts sei dies passiv ebenfalls, aktiv nur bis 10-0-40 möglich gewesen, wobei sich eine leichte Fuß-/Zehenheber- und -senkerschwäche in Höhe eines 4/5-Wertes, also niedriggradig, nachweisen lasse. Gefühlsstörungen hätten sich nur in einigen Bereichen am Oberschenkel sowie der rechten Wade und des Fußes gezeigt. Das Achsenorgan habe keine skoliotische Verbiegung und keine Verkippung bis auf eine anlagebedingte Verkippung der LWS am Übergang in die untere BWS aufgewiesen. Obgleich der Kläger Bewegungen im Bereich der LWS bei subjektiver Körperinstabilität nur angedeutet habe, sei es ihm möglich gewesen, sich zum Schuhe-Anziehen tief herab zu beugen. Die Bewegungsabläufe wie Hinsetzen, -legen und Wiederaufstehen sowie Be- und Entkleiden seien zwar nicht völlig unauffällig, jedoch eigenständig und nur mit leichtgradigen Bewegungsverzögerungen verbunden gewesen. Beim Laufen habe der Kläger ein Entlastungshinken des rechten Beines mit leichtgradigem Nachziehen gezeigt, er sei aber in der Lage gewesen, beide Beine einseitig zu belasten, auch seien Zehenspitzengang, einseitiges Hinknien, in die Hocke gehen und Wiederaufrichten möglich gewesen. Ein auffälliges Schlackern und Kreisen des Beckens und der Oberschenkel, das keinem Krankheitsbild zuzuordnen und keinesfalls das Resultat einer neurologischen Grunderkrankung sei, habe der Kläger selbstständig stabilisieren können. Zwar habe der Kläger des Öfteren eine Schonhaltung eingenommen, aber er aggraviere erheblich. Dies zeige auch die Überprüfung der normal entwickelten Hüft- und Gesäßmuskulatur und der Umstand, dass bei der Austestung des Trendelenburg-Zeichens eine Insuffizienz nicht nachweisbar gewesen sei. Es sei daher von einer psychischen Überlagerung auszugehen. Für ein nahezu ungestörtes Gehvermögen spricht auch, dass der Kläger nach seinen Angaben mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Untersuchung gekommen ist und als alleiniges Hilfsmittel ab und an orthopädische Maßschuhe verwendet. Dass der Sachverständige Dr. W hiernach die MdE auf unfallchirurgisch-orthopädischem Gebiet mit maximal 20 v. H. einschätzt, hält der Senat für gut nachvollziehbar. Die Annahme einer Teil-MdE von 10 v. H. für die Gesundheitsstörungen auf neurologischem Gebiet ist angesichts der deutlichen und seit 2008 stabilen Verbesserung ebenso wenig zu beanstanden. Die in den Hüftgelenken bestehende Gefühlsabschwächung im Ausbreitungsgebiet des Nervus cutaneus femoris lateralis bewirkt nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. W keine Einschränkung der Bewegungsführung. Die ehemalige Ischiadicus-Läsion hat nur noch Residuen in Form einer umschriebenen Hypästhesie an Unterschenkel und Fußrücken hinterlassen. Der Fußheber und –senker als auch der Großzehenheber rechts sind nur noch geringgradig abgeschwächt gewesen (4/5-Wert), substantielle Muskeldefizite haben nicht bestanden. Auch bei der letzten EMG- und NLG-Untersuchung von Prof. Dr. E vom 24. Mai 2007 hat sich lediglich eine alte chronische neurogene Schädigung im Musculus tibialis anterior und gering im Musculus gastrocnemius gefunden. Dem Resumée des Sachverständigen Dr. W, dass nur noch geringgradige motorische Einschränkungen ohne neuropathische Problematik vorliegen würden und dass die hieraus resultierende Funktionsstörung nicht umfassend und keinesfalls mit einem kompletten Ausfall der betreffenden Nerven vergleichbar sei, schließt sich der Senat hiernach an. In gleicher Weise hat sich zudem auch die Fachärztin für Neurologie Dr. K in ihrer oben bereits erwähnten gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage vom 21. September 2007 mit überzeugendem Hinweis darauf geäußert, dass die noch bestehenden Beeinträchtigungen in neurologischer Hinsicht deutlich geringer seien und dass die MdE insoweit nicht mehr als 10 v. H. betrage.
Dass Dr. W die Gesamt-MdE auf unfallchirurgisch-orthopädischem und neurologischem Gebiet i. H. v. 20 v. H. einschätzt, trägt der beschriebenen Besserung des Gesundheitszustandes und dem Umstand, dass sich die Unfallfolgen auf unfallchirurgisch-orthopädischem und neurologischem Gebiet zum Teil überschneiden, Rechnung.
Auf psychiatrischem Gebiet können Unfallfolgen nicht festgestellt werden. Der Senat folgt dem vom SG eingeholten Gutachten von Dr. A vom 6. Januar 2010 nebst Stellungnahme vom 10. Mai 2010, der zur Diagnose einer chronifizierten Anpassungsstörung mit Elementen der Frustration und Resignation gelangt ist. Diese Störung ist als unfallunabhängig zu werten, denn sie ist wesentlich mit beeinflusst durch Züge in der Persönlichkeit des Klägers, die zu einer Fehlreaktion auf die als unzureichend empfundene Wiederherstellung der eigenen Funktionalität mit Ehekonflikten und Arbeitslosigkeit geführt haben. Die Unfallunabhängigkeit der bereits 1999 vom behandelnden Psychiater und Neurologen P (Attest vom 26. Mai 1999) beschriebenen reaktiven depressiven Entwicklung und Schmerzsymptomatik wird zudem bestätigt durch die Einschätzung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G im Gutachten nach Aktenlage vom 14. Oktober 2002 (S 67 U 665/99-8). Dies gründet auch auf den bei der persönlichen Untersuchung des Klägers (mit Dolmetscher) am 02. November 2001 erhobenen Befunden in dem im Verfahren S 15 RJ 209/00-21 erstellten Gutachten vom 22. November 2001. Der Sachverständige hat für den Senat überzeugend dargelegt, dass allein der Restdefekt nach einer Nervus-ischiadicus-Läsion mit Zeichen einer Nervus-peroneus-Störung ursächlich auf den Unfall zurückzuführen ist, dass aber für die beim Kläger bestehende Schmerzstörung und depressive Störung einschließlich erektiler und ejaculativer sowie Miktions-Dysfunktion die auf der Persönlichkeitsstruktur des Klägers fußenden Schwierigkeiten und Probleme bei der Lebensbewältigung seit dem Unfall verantwortlich sind. Eine Hauptsymptomgruppenkonstellation, die für eine PTBS sprechen könnte, ließ sich beim Kläger nicht feststellen. Demgegenüber erscheint die Diagnose von Dr. S-O vom 28. April 2010, beim Kläger liege eine mittel- bis schwere depressive Episode vor, zum einen unter Berücksichtigung der andernorts geschilderten Lebensumstände des Klägers (2 Kinder, die beide zur Schule gehen, 3-Zimmer-Wohnung, in der man sich wohlfühle, Betätigung im Haushalt, gute Integration in die Gemeinschaft von Landsleuten, rege Anteilnahme am Fußballspiel des Sohnes, keine unmittelbaren finanziellen Schwierigkeiten, eigener Pkw, alle zwei Jahre Reisen für 6 bis 8 Wochen in die Türkei) wenig überzeugend, zum anderen hat sich Dr. S-O auch nicht mit einer Kausalitätsbeurteilung befasst.
Soweit der Kläger rügt, es sei bei den Begutachtungen durch die Sachverständigen Dr. W und Dr. A kein Dolmetscher für die türkische Sprache hinzugezogen worden, haben beide Sachverständige in ihren Stellungnahmen vom 26. Juni 2010 und vom 23. Juni 2011 übereinstimmend angegeben, der Kläger habe mit ihnen problemlos in der deutschen Sprache kommunizieren können.
Auch die vom Kläger geltend gemachten urologischen Störungen (erektive Dysfunktion, Ejaculatio praecox, Harninkontinenz) können zur Überzeugung des Senats nicht als Unfallfolgen festgestellt werden. So legte bereits Prof. Dr. L in seinem urologischen Zusatzgutachten vom 28. Oktober 1998 dar, dass sich bei beim Kläger keine urologisch-pathologischen Befunde und Veränderungen feststellen ließen. Die Abklärung der vom Kläger angegebenen Sexualfunktionsstörung ergab ebenfalls keinen Anhalt für vaskulär bedingte Schäden aufgrund des Unfallereignisses. Nach Prof. Dr. L haben Ejakulationsstörungen ausschließlich nervale Ursachen und immer einen psychogenen Hintergrund. Außerdem sind die hierfür verantwortlichen Nervenbahnen im Bereich Th12-L3 lokalisiert, der beim Kläger vom Unfallgeschehen nicht betroffen war. Urologisch-andrologisch liegt daher keine Teil-MdE vor. Diese Auffassung wurde von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K in dem im Auftrag der Beklagten am 19. Dezember 1998 erstellten neuro-psychiatrischen Gutachten nach Aktenlage bestätigt.
Der Senat folgt schließlich nicht der Einschätzung in dem nach § 109 GG eingeholten Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. S vom 03. März 2012, der die Gesamt-MdE ab Mai 2008 mit 50 v. H. eingeschätzt hat. Das Gutachten imponiert zwar mit zahlreichen Teildiagnosen (etwa Störung der lumbo-pelvinen Rhythmik) und deren Bewertung, allerdings auch auf außerhalb der Kompetenz des Sachverständigen liegenden Gebieten. Dr. S beschränkt sich darauf, die Ergebnisse der früheren Gutachten aufzuführen, ohne sich mit ihnen unter Abgleich mit der eigenen Befunderhebung kritisch auseinanderzusetzen und ohne selbst andere Untersuchungsergebnisse zu erzielen. So hat auch die von ihm vorgenommene Funktions- und Beweglichkeitsprüfung keine von den Messungen von Dr. W wesentlich abweichenden Werte ergeben, es wurde z. B. keine Beckenverkippung, Beinlängendifferenz oder sekundäre Fehlstatik der angrenzenden Wirbelsäule festgestellt. Gleichwohl hat Dr. S die orthopädisch-unfallchirurgische Teil-MdE mit 30 v. H. höher eingeschätzt als für die unmittelbar nach dem Unfall bestehenden stärkeren Funktionsdefizite in den früheren Begutachtungen von Prof. Dr. H festgestellt worden ist. Von daher ist dem Sachverständigen Dr. W zuzustimmen, wenn er in seiner Stellungnahme vom 08. September 2012 zum Gutachten von Dr. S darauf hinweist, dass es für die MdE-Einschätzung entscheidend auf die festgestellten Funktionsdefizite ankomme und dass die Leidensbezeichnung nicht mit einer bestimmten MdE-Höhe gleichzusetzen sei. Soweit Dr. S schließlich eine urologische Bewertung vornimmt, fehlt es nicht nur an einer entsprechenden Befunderhebung sondern auch an einer Auseinandersetzung mit dem fachspezifischen Gutachten von Prof. Dr. Le, der ausführlich und nachvollziehbar dargelegt hat, dass es sich bei der behaupteten erektiven Dysfunktion, der Ejaculatio praecox sowie der Harninkontinenz nicht um Unfallfolgen handelt. Auch in neurologischer Hinsicht zählt nur das Ausmaß der nach einer Plexus-Lumbalis-Schädigung verbliebenen Defizite. Die Vorgutachter haben übereinstimmend anhand von objektiven Messparametern dargelegt, dass die sensormotorischen Veränderungen niedriggradig sind. So ist der von Dr. S festgestellte Kraftgrad für den Fußheber und -senker rechts mit 4/5 mit den Voruntersuchungen identisch, entspricht nur leichter Beeinträchtigung und begründet in Verbindung mit leichten Hypästhesien im Oberschenkelbereich keine höhere MdE als 10 v. H. Auch die von Dr. S hervorgehobene Herkunft des Klägers aus einem anderen Kulturkreis stellt letztlich kein Bewertungskriterium dar.
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Vergleich zu der im Ausgangsbescheid vom 16. Februar 1999 zu Grunde liegenden Gesamt-MdE von 30 v. H. eingetreten ist, so dass die Beklagte zu Recht mit Ablauf des Monats April 2008 die Rente nach einer MdE von nunmehr 20 v. H. wegen einer wesentlichen Besserung in den Unfallfolgen neu festgestellt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine Revisionszulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG vorliegen.
Rechtskraft
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