Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
31
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 167 AS 469/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 31 AS 800/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Der Umstand, dass der Hilfebedürftige nach Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente beziehen wird, die die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II entfallen lässt, ist bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn die Fallgestaltung in der Unbilligkeitsverordnung nicht geregelt ist.
Bemerkung
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. Februar 2014 aufgehoben und die aufschiebende Wirkung der Klage vom 27. November 2013 angeordnet. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen einen Bescheid, mit dem der Antragsgegner sie zur Stellung eines Antrages auf vorzeitige Gewährung einer Altersrente für Frauen (mit Abschlägen) aufgefordert hat. Sie wendet sich außerdem gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die 1950 geborene Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) bewohnt eine 91,67 m² große Mietwohnung, für die die Gesamtmiete ab 1. Januar 2014 544,04 EUR (Nettokaltmiete in Höhe von 435,43 EUR zuzüglich kalte Nebenkosten in Höhe von 87,00 EUR und Heizkosten in Höhe von 20,00 EUR sowie Gebühren für die Antennenanlage in Höhe von 1,61 EUR) beträgt.
Sie steht seit November 2012 im Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II), nachdem sie zuvor Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bezogen hatte. Der Antragsgegner gewährt ihr dabei seit dem 01. Mai 2013 Kosten der Unterkunft nicht in der tatsächlichen Höhe, sondern hat diese auf die angemessenen Kosten von zunächst 405,00 EUR bzw. ab 01. September 2013 von 423,00 EUR begrenzt (Bescheide vom 22. März 2013 bzw. 26. September 2013).
Laut einer am 4. Juni 2012 erteilten Auskunft der deutschen Rentenversicherung Bund könnte die Antragstellerin ab dem 1. April 2013 eine Altersrente für Frauen erhalten, die unter Berücksichtigung der für die vorzeitige Inanspruchnahme vorzunehmenden Abschläge monatlich brutto 826,23 EUR betragen würde.
Ausweislich einer weiteren Information der deutschen Rentenversicherung Bund vom 23. August 2013 könnte die Antragstellerin ab dem 1. August 2015 eine abschlagsfreie Brutto-Regelaltersrente in Höhe von 955,24 EUR monatlich erzielen, wenn bis zum Rentenbeginn Beiträge wie im Durchschnitt der letzten fünf Kalenderjahre gezahlt würden. Angesichts der zum 1. Januar 2011 abgeschafften Pflichtmitgliedschaft von Beziehern von Leistungen nach dem SGB II in der gesetzlichen Rentenversicherung betrüge eine abschlagsfreie Brutto-Regelaltersrente zum 1. August 2013 mindestens 917,75 EUR, die sich zum späteren Rentenbeginn noch um die zwischenzeitlichen Rentenerhöhungen erhöhen würde.
Ab 1. Januar 2017 würde der Antragstellerin aus einer privaten Altersvorsorge (Riester-Rente Vertrag) eine garantierte Rente in Höhe von 15,96 EUR monatlich zur Verfügung stehen.
Mit Bescheid vom 8. August 2013 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin zur Stellung eines Rentenantrages gemäß § 12 a SGB II auf. Zur Begründung führte er unter anderem aus, es liege keine Unbilligkeit im Sinne der Verordnung zu § 13 Abs. 2 SGB II vor. Von seinem Ermessen habe er Gebrauch gemacht. Im Rahmen der Ermessensentscheidung habe er folgende Gesichtspunkte berücksichtigt: Gemäß der eingereichten Rentenauskunft vom 4. Juni 2012 hätte die Antragstellerin bei Erreichen des 63. Lebensjahres ab 1. April 2013 einen Rentenanspruch von monatlich 826,23 EUR. Die Prüfung habe ergeben, dass sie bei Erreichen der Regelaltersgrenze (65 Jahre) ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten könne und auch im Alter auf Leistungen der Grundsicherung vom Sozialamt angewiesen sei. Daher sei es keine Unbilligkeit die Antragstellerin schon jetzt zum Rentenbezug aufzufordern, da bei gemindertem Rentenanspruch auch ein Anspruch auf Grundsicherung nach dem SGB XII beim Sozialamt bestehe.
Den Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2013 zurück und führte zur Begründung erneut aus, auch beim Bezug der ungeminderten Rente ergebe sich im Falle der Antragstellerin ein ergänzender Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII, denn der monatliche Bedarf der Antragstellerin liege zurzeit bei 917,75 EUR (382,00 EUR Regelsatz zzgl. 535,75 EUR tatsächliche Kosten der Unterkunft). Laut Kurzauskunft der deutschen Rentenversicherung vom 4. Juni 2012 habe die Antragstellerin ab 1. April 2015 einen Anspruch auf eine ungeminderte Altersrente in Höhe von 880,33 EUR. Auch unter Berücksichtigung der aus der von ihr abgeschlossenen privaten Altersvorsorge garantierten monatlichen Rente in Höhe von 12,64 EUR könne die Antragstellerin den Bedarf nicht decken und sei auf ergänzende Leistungen nach dem SGB XII angewiesen. Die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Rente wegen Alters sei daher nicht unbillig.
Am 27. November 2013 hat die Antragstellerin Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben und die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sowie von Prozesskostenhilfe beantragt. Zur Begründung führt sie unter anderem aus, die vorzeitige Inanspruchnahme der Regelaltersrente stelle für sie eine unbillige Härte dar, denn tatsächlich habe sie bei Erreichen der Altersgrenze am 1. August 2015 einen Rentenanspruch, welcher den Anspruch auf Grundsicherung übersteige. Der Antragsgegner gehe von einem Bedarf von 917,75 EUR aus. Dem stehe ausweislich der aktuellen Rentenauskunft der deutschen Rentenversicherung vom 23. August 2013 eine künftige Altersrente in Höhe von 917,75 EUR gegenüber. Hierzu komme die monatlich garantierte private Rente in Höhe von 15,56 EUR aus einer privaten Altersvorsorge (Riesterrentenversicherung), so dass sie über Einkommen in Höhe von 933,71 EUR verfüge. Dieser Betrag übersteige den vom Antragsgegner genannten Bedarf.
Dem hat der Antragsgegner unter anderem entgegengehalten, der aktuelle Bedarf nach dem SGB II der Klägerin betrage 945,04 EUR (391,00 EUR Regelleistung zzgl. 544,04 EUR Kosten der Unterkunft), so dass selbst bei einem monatlichen Rentenanspruch von insgesamt 933,71 EUR ergänzende Leistungen nach dem SGB XII bezogen werden müssten.
Mit Beschluss vom 10. Februar 2014 hat das Sozialgericht Berlin den Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz und Prozesskostenhilfe abgelehnt und zur Begründung unter anderem ausgeführt, die bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung vorzunehmende Abwägung des Interesses der Antragstellerin, die Wirkung des angefochtenen Bescheides (zunächst) zu unterbinden (Aussetzungsantrag), mit dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners gehe zulasten der Antragstellerin aus, da die angefochtenen Bescheide keinen durchgreifenden Bedenken begegnen würden. Dabei könne es vorliegend offen gelassen werden, ob neben den in der Unbilligkeitsverordnung geregelten Fällen (wie die Antragstellerin meine) auch weitere Fallgruppen, in denen die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente möglicherweise eine besondere Härte für den Betroffenen darstelle, im Rahmen des § 12 a Satz 2 Nr. 1 SGB II zu berücksichtigen seien (so etwa Geiger, in: Münder, Kommentar zum SGB II, 4. Auflage, § 12 a Rn. 6) oder ob die in den §§ 2 bis 5 der Unbilligkeitsverordnung geregelten Fälle abschließend seien (so wohl Striebinger, in: Gagel, SGB II/SGB III, § 12 a Rn. 9 ff.) und ob der Antragsgegner diese Ausführungen in seine Ermessenserwägungen hätte einbeziehen müssen, denn jedenfalls liege eine besondere Härte, die sich nach dem Vortrag der Antragstellerin nur daraus ergeben könne, dass sie befürchte, durch die bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente sich ergebenden Abschläge dauerhaft grundsicherungsbedürftig zu sein, nicht vor. Dies folge daraus, dass auch im Falle der Inanspruchnahme der Regelaltersrente, welche nach der vorliegenden Renteninformation vom 23. August 2013 maximal 917,75 EUR betragen würde, eine weitergehende Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB XII nicht vermieden würde (vergleiche hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Mai 2013, L 7 AS 525/13 B ER, zitiert nach Juris Rn. 22). Auch unter Berücksichtigung der weiteren Rente aus der privaten Altersvorsorge von (derzeit) 15,56 EUR ergebe sich ein Rentenanspruch in Höhe von lediglich 933,71 EUR, wohingegen der Bedarf der Antragstellerin bei derzeit 954,04 EUR liege (391,00 EUR Regelbedarf zzgl. 544,04 EUR Kosten der Unterkunft). Der Bedarf wäre somit nicht durch die Regelaltersrente gedeckt. Es sei auch nicht zu erwarten, dass die Rente aus der privaten Altersvorsorge bis zum Rentenbeginn am 1. Januar 2017 durch weitere Zahlungen die hier erforderliche Höhe von insgesamt 35,89 EUR erreiche.
Gegen den ihr am 14. Februar 2014 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 14. März 2014 Beschwerde bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt und weiterhin die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sowie von Prozesskostenhilfe begehrt. Zur Begründung führt die Antragstellerin aus, bei Erreichen der Altersgrenze für den Bezug einer Regelaltersrente könne unter Inanspruchnahme von Wohngeld der Bezug ergänzender Leistungen nach dem SGB XII vermieden werden. Sie habe einen (fiktiven) Anspruch auf Wohngeld in Höhe von 102,00 EUR. Nunmehr macht die Antragstellerin geltend, unter Berücksichtigung des ab 01. Juli 2014 geltenden Rechts könne sie mit einer erheblichen Rentensteigerung rechnen, da sie drei Kinder erzogen habe. Da von einer Rentensteigerung von 25,00 EUR auszugehen sei, sei eine Rente von mehr als 1.000,00 EUR zu erwarten, so dass sie dann unter Berücksichtigung einer fiktiven Wohngeldzahlung dauerhaft unabhängig von Sozialleistungen leben könne. Einem Vergleich dahingehend, dass sie sich bereit erkläre einen Rentenantrag zum 01. Juli 2014 zu stellen, könne sie nicht zustimmen, da sie nunmehr – ab 01. Juni 2014 - zunächst geringfügig, aber mit Aussicht auf eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit beschäftigt sein werde. Ergänzend hat sie ein Schreiben der H und L Steuerberatungsgesellschaft mbH vom 14. Mai 2014 über eine entsprechende beabsichtigte Einstellung übersandt (hinsichtlich der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Blatt 82 der Gerichtsakte verwiesen).
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. Februar 2014 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 8. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2013 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegner verweist auf die den erstinstanzlichen Beschluss tragenden Gründe. Er hat mit Schreiben vom 22. Mai 2014 mitgeteilt, dass er grundsätzlich bereit sei, sich mit der Antragstellerin dahingehend zu einigen, dass sie nunmehr unverzüglich einen Altersrentenantrag mit einem Rentenbeginn 01. Juli 2014 stelle. Auch unter Berücksichtigung des Schreibens der Steuerberatergesellschaft liege keine Unbilligkeit vor. Da die Antragstellerin zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein Interesse an einem Vergleich habe, verbleibe es seinerseits bei dem Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte des Antragsgegners.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet, denn sie hat – anders als vom Sozialgericht angenommen - gemäß §§ 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 86a Abs. 2 Nr. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 39 Nr. 3 SGB II einen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vom 27. November 2013.
Bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das Gericht eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, die Wirkung des angefochtenen Bescheides (zunächst) zu unterbinden (Aussetzungsinteresse) mit dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners vorzunehmen. Die aufschiebende Wirkung der Klage ist anzuordnen, wenn das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse überwiegt. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in der vorliegenden Fallgestaltung ein Regel-/Ausnahmeverhältnis angeordnet hat. In der Regel überwiegt das Vollzugsinteresse des Antragsgegners, da der Gesetzgeber die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen ausgeschlossen hat (vgl. BSG Beschluss vom 29.08.2011 - B 6 KA 18/11 R = juris Rn 12; vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b Rn 12c).
Diese Abwägung geht zur Überzeugung des Senates zu Gunsten der Antragstellerin aus, da der angefochtene Bescheid durchgreifenden Bedenken begegnet.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung ist bei einer Anfechtungsklage – die in der Hauptsache richtige Klageart wäre – die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Verwaltungsaktes bzw. des Widerspruchsbescheides (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage München 2012, § 54 RN 33), hier also der Oktober 2013.
Rechtsgrundlage für die hier streitige Aufforderung des Antragsgegners an die Antragstellerin, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen, ist § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Danach können die Leistungsträger nach diesem Buch einen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen, wenn der Leistungsberechtigte einen solchen Antrag trotz Aufforderung nicht selbst stellt. Auch die Aufforderung zur Stellung des Rentenantrags steht im Ermessen des Leistungsträgers (vgl. LSG NRW Beschluss vom 12. Juni 2012, L 7 AS 916/12 B ER, zitiert nach Juris Rn 6; Hessisches LSG Beschluss vom 24. Mai 2011, L 7 AS 88/11 B ER, zitiert nach Juris Rn 21; Bieback, in: Gagel SGB II/III, Juni 2011, § 5 SGB II Rn 84, 94 f.; Geiger, in: LPK-SGB II, 4. Auflage 2011, § 12a Rn 7; Burkiczak, in: BeckOK-SGB II, Stand: 01. März 2013, § 5 Rn 5).
§ 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II setzt dabei eine Pflicht des Leistungsberechtigten zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen - hier der Rente - voraus. Diese bereits zuvor in §§ 5, 7 und 9 SGB II vorausgesetzte Pflicht zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen wird durch § 12a SGB II konkretisiert (vgl. BT-Drs 16/7460 S 12 zu § 12a). § 12a SGB II betrifft unter Berücksichtigung von § 65 Abs. 4 SGB II alle Leistungsberechtigten, die nach dem 01. Januar 2008 das 58. Lebensjahr vollendet haben und damit nicht mehr in den Genuss der sogenannten 58er-Regelung kommen (vgl. Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, VI/08, § 12 a SGB II Rn 30; Luthe, in: Hauck/Noftz, VIII/10, § 5 SGB II Rn 119; Meyerhoff, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 5 Rn 98). Gemäß § 12 a Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres gilt dies aber nicht für eine vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente. Auch nach Vollendung des 63. Lebensjahres muss eine Rente ausnahmsweise dann nicht vorzeitig in Anspruch genommen werden, wenn dies eine Unbilligkeit im Sinne der auf Grundlage von § 13 Abs. 2 SGB II mit Wirkung ab dem 01. Januar 2008 erlassenen Unbilligkeitsverordnung darstellt. Nach der gesetzlichen Konzeption stellt die Verpflichtung zur Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente den Grundsatz und die fehlende Pflicht bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres bzw. bei Unbilligkeit die Ausnahme dar (vgl. zu letzterem BT-Drs 16/7460 S 12 zu § 13; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, VI/08, § 12a SGB II Rn 32).
Die Antragstellerin hat am 05. März 2008 (also nach dem 01. Januar 2008) das 58. Lebensjahr vollendet. Die Eingliederung in den Arbeitsmarkt war zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung im Oktober 2013 gescheitert (vgl. hierzu Luthe, in: Hauck/Noftz, XII/08, § 5 SGB II Rn 114).
Es liegt kein Fall von §§ 2 bis 5 Unbilligkeitsverordnung vor.
Das gilt zunächst für § 3 Unbilligkeitsverordnung, der eine Inanspruchnahme einer Rente dann für unbillig erklärt, wenn der Hilfebedürftige in nächster Zukunft die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen kann. Ausweislich der Verordnungsbegründung ist ein Zeitraum von längstens drei Monaten gemeint (vgl. Referentenentwurf zur Unbilligkeitsverordnung Seite 8, http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/ PDF-Gesetze/unbilligkeitsverordnung-begruendung.pdf?-blob=publicationFile; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, XI/12, § 13 SGB II Rn 307). Die Antragstellerin wird die (abschlagsfreie) Regelaltersrente erst ab dem 01. April 2015 beziehen können, d. h. bis zu einem Beginn einer abschlagsfreien Rente läge – ausgehend von dem frühestmöglichen Rentenbeginn am 01. April 2013 – noch ein Zeitraum von 24 Monaten. Die Altersrente wäre daher nicht in nächster Zukunft abschlagsfrei in Anspruch zu nehmen.
Auch eine Unbilligkeit gemäß § 4 der Unbilligkeitsverordnung liegt nicht vor. Danach ist die Inanspruchnahme unbillig, solange der Hilfebedürftige sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist oder aus sonstiger Erwerbstätigkeit ein entsprechend hohes Einkommen erzielt. Eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung lag nach der Vollendung des 63. Lebensjahres und bis zur Entscheidung über den Widerspruch im Oktober 2013 zu keinem Zeitpunkt vor.
Gemäß § 5 der Unbilligkeitsverordnung liegt Unbilligkeit bei bevorstehender Erwerbstätigkeit vor. Dazu müssen Hilfebedürftige durch die Vorlage eines Arbeitsvertrages oder anderer ebenso verbindlicher, schriftlicher Zusagen glaubhaft machen, dass sie in nächster Zukunft eine Erwerbstätigkeit gemäß § 4 – also sozialversicherungspflichtig - aufnehmen und nicht nur vorübergehend ausüben werden (Abs. 1). Ausgehend von der Sachlage im Oktober 2013 stand eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung der Antragstellerin nicht bevor, so dass sie von dem Antragsgegner zu diesem Zeitpunkt nicht berücksichtigt werden konnte.
Ob weitere Erwägungen zur Unbilligkeit führen können, ist streitig (siehe hierzu beispielhaft die Darstellung im Beschluss des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Mai 2013, Az. L 19 AS 291/13 B ER, zitiert nach juris). Nach einer Ansicht soll ein weiterer Ausnahmefall dann vorliegen, wenn der Hilfebedürftige aufgrund der mit der vorzeitigen Inanspruchnahme verbundenen Abschläge dauerhaft hilfebedürftig nach dem SGB II oder dem SGB XII bliebe (vgl. Bieback in Gagel SGB II/III, Juni 2011, § 5 SGB II Rn 95), dies aber nicht der Fall wäre, wenn er – zu einem späteren Zeitpunkt - eine abschlagsfreie Rente in Anspruch nehmen könnte.
Unstreitig würde die Antragstellerin bei Bezug einer Altersrente mit Vollendung des 63. Lebensjahres unter Berücksichtigung der damit einhergehenden Abschläge dauerhaft hilfebedürftig bleiben; dies sieht sowohl die Antragstellerin als auch der Antragsgegner so. Die Beteiligten streiten lediglich darum, ob eine Hilfebedürftigkeit auch bei Bezug einer abschlagsfreien Altersrente bestehen würde (und um die Frage, ob dies zu Gunsten der Antragstellerin zu berücksichtigen wäre).
Vorliegend geht der Senat davon aus, dass die Antragstellerin bei Inanspruchnahme einer abschlagsfreien Regelaltersrente nach Vollendung des 65. Lebensjahres nicht dauerhaft hilfebedürftig wäre.
Ausweislich der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung vom 23. August 2013 hätte die Antragstellerin – wovon auch der Antragsgegner ausgeht - ab 1. April 2015 eine abschlagsfreie Regelaltersrente in Höhe von 917,75 EUR beziehen können (diese würde sich wegen der nach Erlass des Widerspruchsbescheides im Oktober 2013 zum 01. Juli 2014 beschlossenen Änderungen der Rentenberechnung – Stichwort: Mütterrente – jetzt sogar, wie von der Antragstellerin im Berufungsverfahren zutreffend vorgetragen, sogar noch erhöhen). Bei der Berechnung des Einkommens der Antragstellerin hätte im Oktober 2013 (Widerspruchsbescheid) zwar nicht dieser Brutto-Betrag der Rente zugrunde gelegt werden können. Berücksichtigung konnte lediglich der um die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung verminderte Netto-Zahlbetrag der Rente in Höhe von 837,75 EUR (917,75 EUR abzüglich 80,00 EUR - 917,75 durch 100 × 8,725) finden. Hierzu war der zum damaligen Zeitpunkt bescheinigte Betrag der Rente aus der privaten Altersvorsorge (Riester-Rente) in Höhe von 15,56 EUR hinzuzuzählen, so dass sich ein Einkommen in Höhe von 853,31 EUR ergab. Diesem Einkommen hätte der Antragsgegner jedoch nicht einen Bedarf in Höhe von 935,04 EUR (391,00 EUR Regelsatz zzgl. 544,04 EUR Kosten der Unterkunft) gegenüberstellen dürfen, der zu einer Differenz und somit einem Leistungsanspruch gegen den Träger der Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII in Höhe von 81,73 EUR führen würde. Der Antragsgegner hätte vielmehr als Bedarf lediglich einen sich aus den tatsächlich gewährten Kosten der Unterkunft und dem Regelbedarf ergebenden Betrag in Höhe von 814,00 EUR (391,00 EUR Regelsatz zzgl. 423,00 EUR angemessene Kosten der Unterkunft) berücksichtigen dürfen. Der Vergleich dieser Beträge hätte gezeigt, dass die Antragstellerin bei Bezug einer ungeminderten Altersrente nicht dauerhaft hilfebedürftig bleiben würde.
Es kann im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dahinstehen, ob es sich hierbei um einen weiteren Unbilligkeitsgrund hinsichtlich der Aufforderung eines Leistungsbeziehers zur Rentenantragstellung handelt, denn jedenfalls fehlt es an solchen Überlegungen des Antragsgegners bei seinen im Bescheid vom 8. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2013 angestellten Ermessenserwägungen. Diesen Aspekt hat er nicht nur nicht ausreichend, sondern gar nicht berücksichtigt.
Der Antragsgegner gewährt der Antragstellerin bereits seit dem 01. April 2013 die Kosten der Unterkunft nicht in Höhe der tatsächlichen, sondern lediglich in Höhe der angemessenen Kosten. Warum er dann im Rahmen der Ausübung seines Ermessens nicht die gewährten Unterkunftskosten, sondern nunmehr – zu Ungunsten der Antragstellerin – die tatsächlichen Unterkunftskosten berücksichtigt, hätte zumindest zu umfassenden Darlegungen Anlass gegeben, denn es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen unterstellt werden sollte, dass die Antragstellerin als Rentenbezieherin plötzlich wieder einen Anspruch auf Gewährung der tatsächlichen und nicht bloß der angemessenen Kosten der Unterkunft haben sollte. Dem dürfte im SGB XII die – im Wesentlichen mit § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II, nach der vorliegend die Kosten der Unterkunft der Antragstellerin gemindert worden sind, identische – Vorschrift des § 35 Abs. 2 Satz 1 und 2 entgegenstehen.
Da somit – jedenfalls - die im Bescheid vom 08. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2013 vorgenommene Ermessensausübung schwerwiegenden Bedenken begegnet, fällt die Interessenabwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners zu Gunsten der Antragstellerin aus.
Nach alledem war auf die Beschwerde der Antragstellerin die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Der Antrag auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, da nachdem eine für die Antragstellerin günstige Kostenentscheidung für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren ergangen ist, aufgrund derer sie in der Lage ist, insoweit die Kosten der Prozessführung aufzubringen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht mehr in Betracht kam. Insoweit war daher auch die diesbezügliche Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung zurückzuweisen.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde zum Bundessozialgericht nicht statthaft (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen einen Bescheid, mit dem der Antragsgegner sie zur Stellung eines Antrages auf vorzeitige Gewährung einer Altersrente für Frauen (mit Abschlägen) aufgefordert hat. Sie wendet sich außerdem gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die 1950 geborene Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) bewohnt eine 91,67 m² große Mietwohnung, für die die Gesamtmiete ab 1. Januar 2014 544,04 EUR (Nettokaltmiete in Höhe von 435,43 EUR zuzüglich kalte Nebenkosten in Höhe von 87,00 EUR und Heizkosten in Höhe von 20,00 EUR sowie Gebühren für die Antennenanlage in Höhe von 1,61 EUR) beträgt.
Sie steht seit November 2012 im Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II), nachdem sie zuvor Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bezogen hatte. Der Antragsgegner gewährt ihr dabei seit dem 01. Mai 2013 Kosten der Unterkunft nicht in der tatsächlichen Höhe, sondern hat diese auf die angemessenen Kosten von zunächst 405,00 EUR bzw. ab 01. September 2013 von 423,00 EUR begrenzt (Bescheide vom 22. März 2013 bzw. 26. September 2013).
Laut einer am 4. Juni 2012 erteilten Auskunft der deutschen Rentenversicherung Bund könnte die Antragstellerin ab dem 1. April 2013 eine Altersrente für Frauen erhalten, die unter Berücksichtigung der für die vorzeitige Inanspruchnahme vorzunehmenden Abschläge monatlich brutto 826,23 EUR betragen würde.
Ausweislich einer weiteren Information der deutschen Rentenversicherung Bund vom 23. August 2013 könnte die Antragstellerin ab dem 1. August 2015 eine abschlagsfreie Brutto-Regelaltersrente in Höhe von 955,24 EUR monatlich erzielen, wenn bis zum Rentenbeginn Beiträge wie im Durchschnitt der letzten fünf Kalenderjahre gezahlt würden. Angesichts der zum 1. Januar 2011 abgeschafften Pflichtmitgliedschaft von Beziehern von Leistungen nach dem SGB II in der gesetzlichen Rentenversicherung betrüge eine abschlagsfreie Brutto-Regelaltersrente zum 1. August 2013 mindestens 917,75 EUR, die sich zum späteren Rentenbeginn noch um die zwischenzeitlichen Rentenerhöhungen erhöhen würde.
Ab 1. Januar 2017 würde der Antragstellerin aus einer privaten Altersvorsorge (Riester-Rente Vertrag) eine garantierte Rente in Höhe von 15,96 EUR monatlich zur Verfügung stehen.
Mit Bescheid vom 8. August 2013 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin zur Stellung eines Rentenantrages gemäß § 12 a SGB II auf. Zur Begründung führte er unter anderem aus, es liege keine Unbilligkeit im Sinne der Verordnung zu § 13 Abs. 2 SGB II vor. Von seinem Ermessen habe er Gebrauch gemacht. Im Rahmen der Ermessensentscheidung habe er folgende Gesichtspunkte berücksichtigt: Gemäß der eingereichten Rentenauskunft vom 4. Juni 2012 hätte die Antragstellerin bei Erreichen des 63. Lebensjahres ab 1. April 2013 einen Rentenanspruch von monatlich 826,23 EUR. Die Prüfung habe ergeben, dass sie bei Erreichen der Regelaltersgrenze (65 Jahre) ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten könne und auch im Alter auf Leistungen der Grundsicherung vom Sozialamt angewiesen sei. Daher sei es keine Unbilligkeit die Antragstellerin schon jetzt zum Rentenbezug aufzufordern, da bei gemindertem Rentenanspruch auch ein Anspruch auf Grundsicherung nach dem SGB XII beim Sozialamt bestehe.
Den Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2013 zurück und führte zur Begründung erneut aus, auch beim Bezug der ungeminderten Rente ergebe sich im Falle der Antragstellerin ein ergänzender Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII, denn der monatliche Bedarf der Antragstellerin liege zurzeit bei 917,75 EUR (382,00 EUR Regelsatz zzgl. 535,75 EUR tatsächliche Kosten der Unterkunft). Laut Kurzauskunft der deutschen Rentenversicherung vom 4. Juni 2012 habe die Antragstellerin ab 1. April 2015 einen Anspruch auf eine ungeminderte Altersrente in Höhe von 880,33 EUR. Auch unter Berücksichtigung der aus der von ihr abgeschlossenen privaten Altersvorsorge garantierten monatlichen Rente in Höhe von 12,64 EUR könne die Antragstellerin den Bedarf nicht decken und sei auf ergänzende Leistungen nach dem SGB XII angewiesen. Die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Rente wegen Alters sei daher nicht unbillig.
Am 27. November 2013 hat die Antragstellerin Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben und die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sowie von Prozesskostenhilfe beantragt. Zur Begründung führt sie unter anderem aus, die vorzeitige Inanspruchnahme der Regelaltersrente stelle für sie eine unbillige Härte dar, denn tatsächlich habe sie bei Erreichen der Altersgrenze am 1. August 2015 einen Rentenanspruch, welcher den Anspruch auf Grundsicherung übersteige. Der Antragsgegner gehe von einem Bedarf von 917,75 EUR aus. Dem stehe ausweislich der aktuellen Rentenauskunft der deutschen Rentenversicherung vom 23. August 2013 eine künftige Altersrente in Höhe von 917,75 EUR gegenüber. Hierzu komme die monatlich garantierte private Rente in Höhe von 15,56 EUR aus einer privaten Altersvorsorge (Riesterrentenversicherung), so dass sie über Einkommen in Höhe von 933,71 EUR verfüge. Dieser Betrag übersteige den vom Antragsgegner genannten Bedarf.
Dem hat der Antragsgegner unter anderem entgegengehalten, der aktuelle Bedarf nach dem SGB II der Klägerin betrage 945,04 EUR (391,00 EUR Regelleistung zzgl. 544,04 EUR Kosten der Unterkunft), so dass selbst bei einem monatlichen Rentenanspruch von insgesamt 933,71 EUR ergänzende Leistungen nach dem SGB XII bezogen werden müssten.
Mit Beschluss vom 10. Februar 2014 hat das Sozialgericht Berlin den Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz und Prozesskostenhilfe abgelehnt und zur Begründung unter anderem ausgeführt, die bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung vorzunehmende Abwägung des Interesses der Antragstellerin, die Wirkung des angefochtenen Bescheides (zunächst) zu unterbinden (Aussetzungsantrag), mit dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners gehe zulasten der Antragstellerin aus, da die angefochtenen Bescheide keinen durchgreifenden Bedenken begegnen würden. Dabei könne es vorliegend offen gelassen werden, ob neben den in der Unbilligkeitsverordnung geregelten Fällen (wie die Antragstellerin meine) auch weitere Fallgruppen, in denen die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente möglicherweise eine besondere Härte für den Betroffenen darstelle, im Rahmen des § 12 a Satz 2 Nr. 1 SGB II zu berücksichtigen seien (so etwa Geiger, in: Münder, Kommentar zum SGB II, 4. Auflage, § 12 a Rn. 6) oder ob die in den §§ 2 bis 5 der Unbilligkeitsverordnung geregelten Fälle abschließend seien (so wohl Striebinger, in: Gagel, SGB II/SGB III, § 12 a Rn. 9 ff.) und ob der Antragsgegner diese Ausführungen in seine Ermessenserwägungen hätte einbeziehen müssen, denn jedenfalls liege eine besondere Härte, die sich nach dem Vortrag der Antragstellerin nur daraus ergeben könne, dass sie befürchte, durch die bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente sich ergebenden Abschläge dauerhaft grundsicherungsbedürftig zu sein, nicht vor. Dies folge daraus, dass auch im Falle der Inanspruchnahme der Regelaltersrente, welche nach der vorliegenden Renteninformation vom 23. August 2013 maximal 917,75 EUR betragen würde, eine weitergehende Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB XII nicht vermieden würde (vergleiche hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Mai 2013, L 7 AS 525/13 B ER, zitiert nach Juris Rn. 22). Auch unter Berücksichtigung der weiteren Rente aus der privaten Altersvorsorge von (derzeit) 15,56 EUR ergebe sich ein Rentenanspruch in Höhe von lediglich 933,71 EUR, wohingegen der Bedarf der Antragstellerin bei derzeit 954,04 EUR liege (391,00 EUR Regelbedarf zzgl. 544,04 EUR Kosten der Unterkunft). Der Bedarf wäre somit nicht durch die Regelaltersrente gedeckt. Es sei auch nicht zu erwarten, dass die Rente aus der privaten Altersvorsorge bis zum Rentenbeginn am 1. Januar 2017 durch weitere Zahlungen die hier erforderliche Höhe von insgesamt 35,89 EUR erreiche.
Gegen den ihr am 14. Februar 2014 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 14. März 2014 Beschwerde bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt und weiterhin die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sowie von Prozesskostenhilfe begehrt. Zur Begründung führt die Antragstellerin aus, bei Erreichen der Altersgrenze für den Bezug einer Regelaltersrente könne unter Inanspruchnahme von Wohngeld der Bezug ergänzender Leistungen nach dem SGB XII vermieden werden. Sie habe einen (fiktiven) Anspruch auf Wohngeld in Höhe von 102,00 EUR. Nunmehr macht die Antragstellerin geltend, unter Berücksichtigung des ab 01. Juli 2014 geltenden Rechts könne sie mit einer erheblichen Rentensteigerung rechnen, da sie drei Kinder erzogen habe. Da von einer Rentensteigerung von 25,00 EUR auszugehen sei, sei eine Rente von mehr als 1.000,00 EUR zu erwarten, so dass sie dann unter Berücksichtigung einer fiktiven Wohngeldzahlung dauerhaft unabhängig von Sozialleistungen leben könne. Einem Vergleich dahingehend, dass sie sich bereit erkläre einen Rentenantrag zum 01. Juli 2014 zu stellen, könne sie nicht zustimmen, da sie nunmehr – ab 01. Juni 2014 - zunächst geringfügig, aber mit Aussicht auf eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit beschäftigt sein werde. Ergänzend hat sie ein Schreiben der H und L Steuerberatungsgesellschaft mbH vom 14. Mai 2014 über eine entsprechende beabsichtigte Einstellung übersandt (hinsichtlich der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Blatt 82 der Gerichtsakte verwiesen).
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. Februar 2014 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 8. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2013 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegner verweist auf die den erstinstanzlichen Beschluss tragenden Gründe. Er hat mit Schreiben vom 22. Mai 2014 mitgeteilt, dass er grundsätzlich bereit sei, sich mit der Antragstellerin dahingehend zu einigen, dass sie nunmehr unverzüglich einen Altersrentenantrag mit einem Rentenbeginn 01. Juli 2014 stelle. Auch unter Berücksichtigung des Schreibens der Steuerberatergesellschaft liege keine Unbilligkeit vor. Da die Antragstellerin zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein Interesse an einem Vergleich habe, verbleibe es seinerseits bei dem Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte des Antragsgegners.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet, denn sie hat – anders als vom Sozialgericht angenommen - gemäß §§ 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 86a Abs. 2 Nr. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 39 Nr. 3 SGB II einen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vom 27. November 2013.
Bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das Gericht eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, die Wirkung des angefochtenen Bescheides (zunächst) zu unterbinden (Aussetzungsinteresse) mit dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners vorzunehmen. Die aufschiebende Wirkung der Klage ist anzuordnen, wenn das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse überwiegt. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in der vorliegenden Fallgestaltung ein Regel-/Ausnahmeverhältnis angeordnet hat. In der Regel überwiegt das Vollzugsinteresse des Antragsgegners, da der Gesetzgeber die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen ausgeschlossen hat (vgl. BSG Beschluss vom 29.08.2011 - B 6 KA 18/11 R = juris Rn 12; vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b Rn 12c).
Diese Abwägung geht zur Überzeugung des Senates zu Gunsten der Antragstellerin aus, da der angefochtene Bescheid durchgreifenden Bedenken begegnet.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung ist bei einer Anfechtungsklage – die in der Hauptsache richtige Klageart wäre – die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Verwaltungsaktes bzw. des Widerspruchsbescheides (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage München 2012, § 54 RN 33), hier also der Oktober 2013.
Rechtsgrundlage für die hier streitige Aufforderung des Antragsgegners an die Antragstellerin, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen, ist § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Danach können die Leistungsträger nach diesem Buch einen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen, wenn der Leistungsberechtigte einen solchen Antrag trotz Aufforderung nicht selbst stellt. Auch die Aufforderung zur Stellung des Rentenantrags steht im Ermessen des Leistungsträgers (vgl. LSG NRW Beschluss vom 12. Juni 2012, L 7 AS 916/12 B ER, zitiert nach Juris Rn 6; Hessisches LSG Beschluss vom 24. Mai 2011, L 7 AS 88/11 B ER, zitiert nach Juris Rn 21; Bieback, in: Gagel SGB II/III, Juni 2011, § 5 SGB II Rn 84, 94 f.; Geiger, in: LPK-SGB II, 4. Auflage 2011, § 12a Rn 7; Burkiczak, in: BeckOK-SGB II, Stand: 01. März 2013, § 5 Rn 5).
§ 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II setzt dabei eine Pflicht des Leistungsberechtigten zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen - hier der Rente - voraus. Diese bereits zuvor in §§ 5, 7 und 9 SGB II vorausgesetzte Pflicht zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen wird durch § 12a SGB II konkretisiert (vgl. BT-Drs 16/7460 S 12 zu § 12a). § 12a SGB II betrifft unter Berücksichtigung von § 65 Abs. 4 SGB II alle Leistungsberechtigten, die nach dem 01. Januar 2008 das 58. Lebensjahr vollendet haben und damit nicht mehr in den Genuss der sogenannten 58er-Regelung kommen (vgl. Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, VI/08, § 12 a SGB II Rn 30; Luthe, in: Hauck/Noftz, VIII/10, § 5 SGB II Rn 119; Meyerhoff, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 5 Rn 98). Gemäß § 12 a Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres gilt dies aber nicht für eine vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente. Auch nach Vollendung des 63. Lebensjahres muss eine Rente ausnahmsweise dann nicht vorzeitig in Anspruch genommen werden, wenn dies eine Unbilligkeit im Sinne der auf Grundlage von § 13 Abs. 2 SGB II mit Wirkung ab dem 01. Januar 2008 erlassenen Unbilligkeitsverordnung darstellt. Nach der gesetzlichen Konzeption stellt die Verpflichtung zur Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente den Grundsatz und die fehlende Pflicht bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres bzw. bei Unbilligkeit die Ausnahme dar (vgl. zu letzterem BT-Drs 16/7460 S 12 zu § 13; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, VI/08, § 12a SGB II Rn 32).
Die Antragstellerin hat am 05. März 2008 (also nach dem 01. Januar 2008) das 58. Lebensjahr vollendet. Die Eingliederung in den Arbeitsmarkt war zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung im Oktober 2013 gescheitert (vgl. hierzu Luthe, in: Hauck/Noftz, XII/08, § 5 SGB II Rn 114).
Es liegt kein Fall von §§ 2 bis 5 Unbilligkeitsverordnung vor.
Das gilt zunächst für § 3 Unbilligkeitsverordnung, der eine Inanspruchnahme einer Rente dann für unbillig erklärt, wenn der Hilfebedürftige in nächster Zukunft die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen kann. Ausweislich der Verordnungsbegründung ist ein Zeitraum von längstens drei Monaten gemeint (vgl. Referentenentwurf zur Unbilligkeitsverordnung Seite 8, http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/ PDF-Gesetze/unbilligkeitsverordnung-begruendung.pdf?-blob=publicationFile; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, XI/12, § 13 SGB II Rn 307). Die Antragstellerin wird die (abschlagsfreie) Regelaltersrente erst ab dem 01. April 2015 beziehen können, d. h. bis zu einem Beginn einer abschlagsfreien Rente läge – ausgehend von dem frühestmöglichen Rentenbeginn am 01. April 2013 – noch ein Zeitraum von 24 Monaten. Die Altersrente wäre daher nicht in nächster Zukunft abschlagsfrei in Anspruch zu nehmen.
Auch eine Unbilligkeit gemäß § 4 der Unbilligkeitsverordnung liegt nicht vor. Danach ist die Inanspruchnahme unbillig, solange der Hilfebedürftige sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist oder aus sonstiger Erwerbstätigkeit ein entsprechend hohes Einkommen erzielt. Eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung lag nach der Vollendung des 63. Lebensjahres und bis zur Entscheidung über den Widerspruch im Oktober 2013 zu keinem Zeitpunkt vor.
Gemäß § 5 der Unbilligkeitsverordnung liegt Unbilligkeit bei bevorstehender Erwerbstätigkeit vor. Dazu müssen Hilfebedürftige durch die Vorlage eines Arbeitsvertrages oder anderer ebenso verbindlicher, schriftlicher Zusagen glaubhaft machen, dass sie in nächster Zukunft eine Erwerbstätigkeit gemäß § 4 – also sozialversicherungspflichtig - aufnehmen und nicht nur vorübergehend ausüben werden (Abs. 1). Ausgehend von der Sachlage im Oktober 2013 stand eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung der Antragstellerin nicht bevor, so dass sie von dem Antragsgegner zu diesem Zeitpunkt nicht berücksichtigt werden konnte.
Ob weitere Erwägungen zur Unbilligkeit führen können, ist streitig (siehe hierzu beispielhaft die Darstellung im Beschluss des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Mai 2013, Az. L 19 AS 291/13 B ER, zitiert nach juris). Nach einer Ansicht soll ein weiterer Ausnahmefall dann vorliegen, wenn der Hilfebedürftige aufgrund der mit der vorzeitigen Inanspruchnahme verbundenen Abschläge dauerhaft hilfebedürftig nach dem SGB II oder dem SGB XII bliebe (vgl. Bieback in Gagel SGB II/III, Juni 2011, § 5 SGB II Rn 95), dies aber nicht der Fall wäre, wenn er – zu einem späteren Zeitpunkt - eine abschlagsfreie Rente in Anspruch nehmen könnte.
Unstreitig würde die Antragstellerin bei Bezug einer Altersrente mit Vollendung des 63. Lebensjahres unter Berücksichtigung der damit einhergehenden Abschläge dauerhaft hilfebedürftig bleiben; dies sieht sowohl die Antragstellerin als auch der Antragsgegner so. Die Beteiligten streiten lediglich darum, ob eine Hilfebedürftigkeit auch bei Bezug einer abschlagsfreien Altersrente bestehen würde (und um die Frage, ob dies zu Gunsten der Antragstellerin zu berücksichtigen wäre).
Vorliegend geht der Senat davon aus, dass die Antragstellerin bei Inanspruchnahme einer abschlagsfreien Regelaltersrente nach Vollendung des 65. Lebensjahres nicht dauerhaft hilfebedürftig wäre.
Ausweislich der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung vom 23. August 2013 hätte die Antragstellerin – wovon auch der Antragsgegner ausgeht - ab 1. April 2015 eine abschlagsfreie Regelaltersrente in Höhe von 917,75 EUR beziehen können (diese würde sich wegen der nach Erlass des Widerspruchsbescheides im Oktober 2013 zum 01. Juli 2014 beschlossenen Änderungen der Rentenberechnung – Stichwort: Mütterrente – jetzt sogar, wie von der Antragstellerin im Berufungsverfahren zutreffend vorgetragen, sogar noch erhöhen). Bei der Berechnung des Einkommens der Antragstellerin hätte im Oktober 2013 (Widerspruchsbescheid) zwar nicht dieser Brutto-Betrag der Rente zugrunde gelegt werden können. Berücksichtigung konnte lediglich der um die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung verminderte Netto-Zahlbetrag der Rente in Höhe von 837,75 EUR (917,75 EUR abzüglich 80,00 EUR - 917,75 durch 100 × 8,725) finden. Hierzu war der zum damaligen Zeitpunkt bescheinigte Betrag der Rente aus der privaten Altersvorsorge (Riester-Rente) in Höhe von 15,56 EUR hinzuzuzählen, so dass sich ein Einkommen in Höhe von 853,31 EUR ergab. Diesem Einkommen hätte der Antragsgegner jedoch nicht einen Bedarf in Höhe von 935,04 EUR (391,00 EUR Regelsatz zzgl. 544,04 EUR Kosten der Unterkunft) gegenüberstellen dürfen, der zu einer Differenz und somit einem Leistungsanspruch gegen den Träger der Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII in Höhe von 81,73 EUR führen würde. Der Antragsgegner hätte vielmehr als Bedarf lediglich einen sich aus den tatsächlich gewährten Kosten der Unterkunft und dem Regelbedarf ergebenden Betrag in Höhe von 814,00 EUR (391,00 EUR Regelsatz zzgl. 423,00 EUR angemessene Kosten der Unterkunft) berücksichtigen dürfen. Der Vergleich dieser Beträge hätte gezeigt, dass die Antragstellerin bei Bezug einer ungeminderten Altersrente nicht dauerhaft hilfebedürftig bleiben würde.
Es kann im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dahinstehen, ob es sich hierbei um einen weiteren Unbilligkeitsgrund hinsichtlich der Aufforderung eines Leistungsbeziehers zur Rentenantragstellung handelt, denn jedenfalls fehlt es an solchen Überlegungen des Antragsgegners bei seinen im Bescheid vom 8. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2013 angestellten Ermessenserwägungen. Diesen Aspekt hat er nicht nur nicht ausreichend, sondern gar nicht berücksichtigt.
Der Antragsgegner gewährt der Antragstellerin bereits seit dem 01. April 2013 die Kosten der Unterkunft nicht in Höhe der tatsächlichen, sondern lediglich in Höhe der angemessenen Kosten. Warum er dann im Rahmen der Ausübung seines Ermessens nicht die gewährten Unterkunftskosten, sondern nunmehr – zu Ungunsten der Antragstellerin – die tatsächlichen Unterkunftskosten berücksichtigt, hätte zumindest zu umfassenden Darlegungen Anlass gegeben, denn es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen unterstellt werden sollte, dass die Antragstellerin als Rentenbezieherin plötzlich wieder einen Anspruch auf Gewährung der tatsächlichen und nicht bloß der angemessenen Kosten der Unterkunft haben sollte. Dem dürfte im SGB XII die – im Wesentlichen mit § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II, nach der vorliegend die Kosten der Unterkunft der Antragstellerin gemindert worden sind, identische – Vorschrift des § 35 Abs. 2 Satz 1 und 2 entgegenstehen.
Da somit – jedenfalls - die im Bescheid vom 08. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2013 vorgenommene Ermessensausübung schwerwiegenden Bedenken begegnet, fällt die Interessenabwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners zu Gunsten der Antragstellerin aus.
Nach alledem war auf die Beschwerde der Antragstellerin die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Der Antrag auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, da nachdem eine für die Antragstellerin günstige Kostenentscheidung für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren ergangen ist, aufgrund derer sie in der Lage ist, insoweit die Kosten der Prozessführung aufzubringen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht mehr in Betracht kam. Insoweit war daher auch die diesbezügliche Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung zurückzuweisen.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde zum Bundessozialgericht nicht statthaft (§ 177 SGG).
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