Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 210 KR 67/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 221/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Allein die ordentliche Minderung der Rente nach den Vorschriften über den Zugangsfaktor verpflichtet eine Krankenkasse nicht, dem Widerruf eines Rentenantrags zuzustimmen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Juli 2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Zustimmung der Beklagten zur Rücknahme eines Rentenantrages.
Die Klägerin ist die Ehefrau und Sonderrechtsnachfolgerin des im Januar 1949 geborenen und am 2013 verstorbenen G R, der bei der Beklagten versichert war (nachfolgend: Versicherter). Der Versicherte war wegen einer Krebserkrankung seit dem 21. Juli 2010 arbeitsunfähig und bezog Krankengeld. Er war anerkannter Schwerbe-hinderter mit einem GdB von 100. In einem mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen Schreiben vom 12. Januar 2011 forderte die Beklagte ihn auf, wegen einer erheblichen Gefährdung bzw. Minderung seiner Erwerbsfähigkeit einen Antrag auf Gewährung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme bei seinem Rentenversicherungsträger zu stellen. Anderenfalls werde der Anspruch auf Krankengeld am 28. März 2011 erlöschen. Auf den entsprechend am 21. Februar 2011 gestellten Antrag hin gewährte die Beigeladene dem Versicherten in der Zeit vom 17. Mai 2011 bis zum 7. Juni 2011 ein stationäres Heilverfahren. Nach dem Entlassungsbericht blieb das verbleibende Leistungsvermögen auch nach dem Heilverfahren dauerhaft auf weniger als drei Stunden am Tag eingeschränkt.
Durch Schreiben vom 23. Juni 2011 informierte die Beklagte den Versicherten, dass der Antrag auf Rehabilitation als Rentenantrag gelte, weil die Rehabilitationsmaßnahme nicht zur Beseitigung der bestehenden Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit geführt habe. Durch Bescheid vom 26. Juli 2011 forderte die Beklagte ihn ausdrück-lich auf, einen Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu stellen. Anderenfalls werde der Anspruch auf Krankengeld am 23. August 2011 erlöschen.
Dagegen erhob der Versicherte Widerspruch und beantragte, ihm die Zustimmung zum Verzicht auf die Umdeutung des Rehabilitationsantrags vom 21. Februar 2011 in einen Rentenantrag zu erteilen. Der Bescheid vom 26. Juli 2011 sei rechtswidrig, weil er nicht seine berechtigten Interessen berücksichtige. Die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab dem 1. Februar 2011 führe zu einer dauerhaften Kürzung der persönlichen Entgeltpunkte um 3,6 Prozent. Das gelte gleichermaßen für die erwartete Betriebsrente der E Zusatzversorgungskasse. Insgesamt sei auf der Grundlage der vorhandenen Rentenauskünfte ein Kürzungsbetrag von monatlich 65,20 EUR zu erwarten. Es bestehe danach ein schützenswertes, berechtigtes und die Belange der Versichertengemeinschaft überwiegendes Interesse am Hinausschieben des Rentenbeginns. Bei einer abschlagsfreien Versorgung würden der Beklagten auch dauerhaft höhere Beiträge zufließen.
Durch Bescheid vom 23. August 2011 lehnte die Beklagte ab, einer Rücknahme des Antrags auf Erwerbsminderungsrente zuzustimmen. Zwar könne ein Versicherter nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine förmliche Entscheidung der Krankenkasse dazu herbeiführen, ob sie nach erfolgter Aufforderung, einen Rehabilitationsantrag zu stellen, dem Verzicht des Versicherten auf die Umdeutung des gestellten Antrags in einen Rentenantrag zustimmt. Ein im Wege einer Ermessensentscheidung zu berücksichtigendes berechtigtes Interesse des Versicherten am Hinausschieben des Rentenbeginns, das die Belange der Krankenkasse überwiege, liege hier aber nicht vor. Die notwendigen Mindestanwartschaftszeiten seien bereits erfüllt. Das Interesse, möglichst lange das höhere Krankengeld in Anspruch nehmen zu können, sei nicht schützenswert. Ein berechtigtes Interesse des Versicherten setze voraus, dass die Befugnisse der Krankenkasse nicht geschmälert würden. Es käme etwa in Betracht, wenn der Anspruch auf Betriebsrente durch den frühzeitigen Rentenbeginn verloren ginge, eine qualifizierte Wartezeit noch erreicht werden könnte oder die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner noch erfüllt werden könnten. Ein solcher Sachverhalt sei nicht gegeben. Unerheblich sei die niedrigere gesetzliche und betriebliche Rente. Eine niedrigere Rente sei systemimmanent und vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen worden. Eine Enteignung liege nicht vor, die Existenz des Versicherten sei offensichtlich gesichert. Die Entscheidung des LSG Niedersachsen, auf die sich der Versicherte noch beziehe, sei überholt.
Mit Bescheid vom 16. September 2011 bewilligte die Beigeladene dem Versicherten Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Februar 2011 mit einem monatlichen Zahlbetrag von 1.201,80 EUR. Gegen den Rentenbescheid legte der Versicherte Widerspruch ein.
Der von dem Versicherten gegen den Bescheid der Beklagten vom 23. August 2011 erhobene Widerspruch wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2012 zurückgewiesen. Zur Begründung wiederholte und vertiefte die Beklagte ihre Ausführungen aus dem Bescheid vom 23. August 2011.
Dagegen richtet sich die am 10. Januar 2012 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene Klage. Die Beklagte habe bei ihrer Entscheidung die Interessen des Versicherten vernachlässigt. Die von ihr geforderte Umdeutung des Reha-Antrags in einen Rentenantrag hätte die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit ab dem 21. Februar 2011 zur Folge. Gegenüber der - nunmehr ab dem 1. September 2011 bewilligten - Altersrente für schwerbehinderte Menschen führe dies zu einer dauerhaften Kürzung der persönlichen Entgeltpunkte um 3,6 Prozent zur Folge. Der Versicherte habe nach der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf Urt. v. 7. Dezember 2004 - B 1 KR 6/03 R) ein berechtigtes und schützenswertes Interesse am Hinausschieben des Rentenbeginns, da nur so eine erhebliche Verbesserung des Rentenanspruchs erreicht werden könne. Das LSG Niedersachsen (Hinweis auf Urteil v. 28. November 1985 - L 2 J 181/84) habe bereits bei einer Steigerung des monatlichen Rentenzahlbetrags um 19,60 DM eine erhebliche Verbesserung des Rentenanspruchs anerkannt. Die beim Versicherten eingetretene Einbuße betrage mehr als das Doppelte dieses auf heutige Verhältnisse weiter zu rechnenden Betrags in Höhe von 14,16 EUR.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 10. Juli 2013 abgewiesen. Der Versicherte habe keinen Anspruch auf Zustimmung der Beklagten zur Rücknahme des Rentenantrages oder auch nur auf erneute Bescheidung. Zur Begründung hat das Sozialgericht zunächst auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Die Beklagte habe in den angefochtenen Bescheiden ihre Zustimmung nicht ermessensfehlerhaft verweigert. Sie habe den gesetzlich vorgegebenen Zweck verfolgt, die Bezugsdauer des Krankengelds zu verkürzen. Bei ihrer Ermessensentscheidung habe sie berücksichtigt, dass sich durch den früheren Rentenbeginn für den Versicherten eine verringerte Rentenhöhe sowie mittelbare Auswirkungen auf die Betriebsrente ergeben. Vor dem Hintergrund der verbleibenden Rentenansprüche sei nicht entscheidend, dass der Versicherte kurze Zeit später eine abschlagsfreie Altersrente erreichen konnte. Es komme auch nicht darauf an, dass Krankengeld nur für kurze Zeit bezogen wurde und dass aus einer höheren Rente auch höhere Beiträge zur Krankenversicherung zu entrichten wären.
Gegen das ihm am 19. Juli 2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 23. Juli 2013 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung des Versicherten, die nach seinem Tod von seiner Ehefrau weiter fortgeführt wird. Verwiesen wird auf den Inhalt der Klageschrift. Das Sozialgericht habe sich nicht hinreichend mit der Frage auseinandergesetzt, ob die lebenslange Rentenminderung nicht vorrangig zu beachten sei. Das LSG Niedersachsen und das BSG hätten eine erhebliche Verbesserung des Rentenanspruchs ausdrücklich als Grund anerkannt, der auf Seiten eines Versicherten ein berechtigtes Interesse an der Zustimmung zur Antragsrücknahme begründen könne. Entgegen dem Sozialgericht sei eine lebenslange Rentenminderung nach der Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht als systemimmanent hinzunehmen. In den meisten Fällen sorge nämlich die Gewährung einer Zurechnungszeit dafür, dass überhaupt keine oder nur eine minimale Verringerung des Rentenanspruchs eintrete. Bei dem Versicherten sei aber wegen der bereits erfolgen Vollendung des 60. Lebensjahres keine Zurechnungszeit mehr zu berücksichtigen, so dass er bei einem Rentenbeginn am 1. Februar 2011 die Kürzung seiner Rentenanwartschaften um 3,6 Prozent hinnehmen müsse, obwohl er ab dem 1. Februar 2012 eine Rente ohne jeden Abschlag hätte beanspruchen können. Tatsächlich habe der Versicherte wegen des Rentenbeginns ab dem 1. Oktober 2011 ausweislich des Rentenbescheides der DRV-Bund vom 18. Oktober 2011 einen Abschlagsfaktor von 3,6 Prozent auf 51,1537 Entgeltpunkte und von 1,2 Prozent auf weitere 0,5581 Entgeltpunkte hinnehmen müssen. Es liege zumindest ein Abwägungsdefizit vor, das einen rechtserheblichen Ermessensfehler begründe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Juli 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Rücknahme des fingierten Rentenantrags vom 21. Februar 2011 zuzustimmen, hilfsweise über die Zustimmung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 23. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2012 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte der Erklärung des Verzichts auf die Umdeutung des Antrags auf Leistungen der Rehabilitation in einen Rentenantrag zustimmt oder darüber unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entscheidet.
Nach § 116 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) gilt ein Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation als Antrag auf Rente, wenn Versicherte vermindert erwerbsfähig sind und Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht erfolgreich gewesen sind, weil sie die verminderte Erwerbsfähigkeit nicht verhindert haben. Diese Wirkung eines Antrags auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation kann von dem Versicherten ausgeschlossen werden, indem er gegenüber der Rentenversicherung einen entsprechenden Verzicht erklärt. Ein solcher Verzicht auf die einem Rehabilitationsantrag von Gesetzes wegen grundsätzlich beigemessen Wirkung lässt den für die Gewährung einer Rente nach § 115 SGB VI notwendigen Rentenantrag entfallen, so dass dann eine Voraussetzung für das Entstehen eines Rentenanspruchs fehlt. Die Rücknahme eines Rentenantrags und damit auch der Verzicht auf die gesetzlich angeordnete Umdeutung ist grundsätzlich bis zum Eintritt der Bestandskraft eines Rentenbescheides wirksam möglich. Indessen ist die Dispositionsbefugnis des Versicherten über die von ihm gestellten Anträge eingeschränkt, wenn er von seiner Krankenkasse bereits nach § 51 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - zur Stellung eines Antrags auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation aufgefordert worden ist. Unter diesen Voraussetzungen kann er auch gegenüber der Rentenversicherung nur wirksam auf die Umdeutung seines Rehabilitationsantrags in einen Rentenantrag verzichten, wenn die Krankenkasse diesem Verzicht zustimmt. Die Erteilung der Zustimmung steht im Ermessen der Krankenkasse, welche die Interessen des Versicherten mit denen der Krankenversicherung abwägen muss. Die Bedeutung des Rentenanspruchs für die Interessen der Krankenversicherung ergibt sich aus § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V, wonach der Anspruch auf Krankengeld nach Beginn einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung endet (vgl. BSG v. 7. Dezember 2014 - B 1 KR 6/03 R - juris Rn. 20-24).
Die Beklagte war danach gehalten, nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob sie einem Verzicht des Versicherten auf die nach § 116 Abs. 2 SGB VI eintretende Umdeutung seines Rehabilitationsantrages zustimmt. An sich lagen die Voraussetzungen für eine Umdeutung in einen Rentenantrag vor. Der Versicherte war voll erwerbsgemindert, ohne dass die ihm gewährten medizinischen Rehabilitationsleistungen den Eintritt der vollen Erwerbsminderung verhindern konnten. Die Beklagte hatte ihn durch bestandskräftigen Bescheid zu einem Rehabilitationsantrag aufgefordert, der auch gestellt worden war. Der in den Rehabilitationsantrag liegende Rentenantrag konnte noch wirksam zurückgenommen werden, da der Rentenbescheid wegen des gegen ihn erhobenen Widerspruchs noch nicht bestandskräftig geworden war.
Die eine Zustimmung zur Rücknahme verweigernde Entscheidung der Beklagten ist nicht ermessensfehlerhaft. Insbesondere liegt kein Ermessenausfall vor. Der Begründung des Bescheides lässt sich hinreichend deutlich entnehmen, dass die Beklagte sich bei ihrer Entscheidung des Umstandes bewusst war, dass sie eine Er-messensentscheidung zu treffen und dass sie bei der zu findenden Entscheidung das Interesse des Versicherten an einer höheren Rente zu berücksichtigen hatte. Zu Unrecht wirft die Klägerin dem Sozialgericht und der Beklagten vor, sie hätten beide verkannt, dass der Versicherte bei einem Rentenbeginn ab dem 1. Februar 2012 Altersrente für schwerbehinderte Menschen ohne jeden Abschlag hätte beanspruchen können. Dieser spätere Rentenbeginn hätte vermieden, dass der Zugangsfaktor von 1 um 0,036 gekürzt wird. Weitere Auswirkungen eines späteren Rentenbeginns als diese über den Zugangsfaktor eintretende Minderung der Höhe des Rentenzahlbetrages sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Auf den durch den geänderten Zugangsfaktor bewirkten Rentenabschlag nimmt die Beklagte aber in ihrem Widerspruchsbescheid Bezug, indem sie ausführt, dass die geltend gemachte dauerhaft niedrigere gesetzliche oder betriebliche Rente keine andere Entscheidung rechtfertige. Zu berücksichtigen war nämlich auch, dass durch einen späteren Rentenbeginn nicht nur die Erstattungsansprüche gegen die Beigeladene für bereits gezahltes Krankengeld wegfallen sondern auch weitere Ansprüche auf Krankengeld entstehen würden.
Die Entscheidung der Beklagten berücksichtigt damit nicht nur alle erheblichen Umstände des Sachverhaltes, sie ist auch im Ergebnis nicht zu beanstanden. Aus der Rechtsprechung des BSG ergibt sich, dass nur der Eintritt einer erheblichen Verbesserung des Rentenanspruchs eine Ermessensentscheidung zu Gunsten des Versi-cherten nahe legen kann (BSG v. 7. Dezember 2014 - B 1 KR 6/03 R - juris Rn 24). In diesem Zusammengang ist aber zu beachten, dass der Gesetzgeber es nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI regelmäßig für eine zumutbare Belastung hält, dass Versicherte bei Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit einen Rentenabschlag für jeden Monat der Inanspruchnahme der Rente ab dem 62. Lebensjahr bis zu Vollendung des 65. Lebensjahres in Höhe von 0,3 Prozent hinnehmen müssen. Dies rechtfertigt die Annahme, dass eine entsprechende Minderung des Zahlbetrags der Rente grundsätzlich nicht als wesentliche Belastung anzusehen ist. Ihre Abwendung durch einen späteren Rentenbeginn kann demnach im Allgemeinen nicht als erhebliche Verbesserung angesehen werden, welche eine Verschiebung des Rentenbeginns zu Lasten der Krankenkasse rechtfertigt. Nur ausnahmsweise kann etwas anderes gelten, nämlich wenn ein Sonderfall vorliegt und der betroffene Versicherte aus bestimmten Gründen durch die Regelungen über den Zugangsfaktor stärker belastet wird als andere Versicherte. Das ist hier aber nicht der Fall. Der verstorbene Versicherte wurde durch den Zugangsfaktor eher weniger stark belastet als andere Versicherte. Wegen des vor dem Jahr 2012 liegenden Rentenbeginns bestimmt sich der Zeitraum, für den nach § 77 SGB VI gegebenenfalls Abschläge zu berechnen sind, nach § 264d SGB VI vom 60 bis zum 63 Lebensjahr. Grundsätzlich möglich wäre demnach eine Minderung der Entgeltpunkte bei einem Rentenbeginn vor oder mit Vollendung des 60. Lebensjahres um bis zu 10,8 Prozent gewesen. Tatsächlich musste der Versicherte dagegen angesichts des Beginns der Rente wegen voller Erwerbsminderung im Monat nach Vollendung des 62. Lebensjahres nur eine Minderung seiner Entgeltpunkte um 3,6 Prozent hinnehmen und bewegte sich damit im unteren Bereich des Möglichen. Die eingetretene Kürzung war demnach von dem Versicherten hinzunehmen. Das Gleiche gilt für die Kürzung der Betriebsrente, die nach dem Vortrag der Klägerin nach entsprechenden Grundsätzen vorgenommen wurde.
Auch die ohne einen wirksam gestellten Rentenantrag fortdauernde Möglichkeit des Bezugs von Krankengeld begründet keine erhebliche Belastung des Versicherten. § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V zeigt nämlich, dass der Gesetzgeber dem Rentenbezug den Vorrang vor dem Krankengeld einräumen will. Daran ist auch nach Einführung des Zugangsfaktors im Rentenrecht nichts geändert worden. Zutreffend hat also die Beklagte darauf hingewiesen, dass das Gesetz davon ausgeht, dass im Interesse der Gesamtheit der Krankenversicherten der Anspruch auf Krankengeld wegfällt, sobald ein Rentenanspruch besteht.
Schließlich hat die Beklagte auch nicht deswegen ihre Zustimmung zum Verzicht auf die Umdeutung zu erteilen, weil anderenfalls ein verfassungswidriger Eingriff in die Rentenanwartschaften des Versicherten drohte. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich bereits entscheiden, dass die gesetzlichen Regelungen über den Zugangsfaktor bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrenten mit dem Grundgesetz vereinbar sind (BVerfG v. 11. Januar 2011 - 1 BvR 3588/08; 1 BvR 555/09).
Ist die Ermessensausübung danach nicht zu beanstanden, besteht kein Anlass, die getroffene Entscheidung aufzuheben und die Beklagte auch nur zur Neubescheidung zu verurteilen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Zustimmung der Beklagten zur Rücknahme eines Rentenantrages.
Die Klägerin ist die Ehefrau und Sonderrechtsnachfolgerin des im Januar 1949 geborenen und am 2013 verstorbenen G R, der bei der Beklagten versichert war (nachfolgend: Versicherter). Der Versicherte war wegen einer Krebserkrankung seit dem 21. Juli 2010 arbeitsunfähig und bezog Krankengeld. Er war anerkannter Schwerbe-hinderter mit einem GdB von 100. In einem mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen Schreiben vom 12. Januar 2011 forderte die Beklagte ihn auf, wegen einer erheblichen Gefährdung bzw. Minderung seiner Erwerbsfähigkeit einen Antrag auf Gewährung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme bei seinem Rentenversicherungsträger zu stellen. Anderenfalls werde der Anspruch auf Krankengeld am 28. März 2011 erlöschen. Auf den entsprechend am 21. Februar 2011 gestellten Antrag hin gewährte die Beigeladene dem Versicherten in der Zeit vom 17. Mai 2011 bis zum 7. Juni 2011 ein stationäres Heilverfahren. Nach dem Entlassungsbericht blieb das verbleibende Leistungsvermögen auch nach dem Heilverfahren dauerhaft auf weniger als drei Stunden am Tag eingeschränkt.
Durch Schreiben vom 23. Juni 2011 informierte die Beklagte den Versicherten, dass der Antrag auf Rehabilitation als Rentenantrag gelte, weil die Rehabilitationsmaßnahme nicht zur Beseitigung der bestehenden Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit geführt habe. Durch Bescheid vom 26. Juli 2011 forderte die Beklagte ihn ausdrück-lich auf, einen Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu stellen. Anderenfalls werde der Anspruch auf Krankengeld am 23. August 2011 erlöschen.
Dagegen erhob der Versicherte Widerspruch und beantragte, ihm die Zustimmung zum Verzicht auf die Umdeutung des Rehabilitationsantrags vom 21. Februar 2011 in einen Rentenantrag zu erteilen. Der Bescheid vom 26. Juli 2011 sei rechtswidrig, weil er nicht seine berechtigten Interessen berücksichtige. Die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab dem 1. Februar 2011 führe zu einer dauerhaften Kürzung der persönlichen Entgeltpunkte um 3,6 Prozent. Das gelte gleichermaßen für die erwartete Betriebsrente der E Zusatzversorgungskasse. Insgesamt sei auf der Grundlage der vorhandenen Rentenauskünfte ein Kürzungsbetrag von monatlich 65,20 EUR zu erwarten. Es bestehe danach ein schützenswertes, berechtigtes und die Belange der Versichertengemeinschaft überwiegendes Interesse am Hinausschieben des Rentenbeginns. Bei einer abschlagsfreien Versorgung würden der Beklagten auch dauerhaft höhere Beiträge zufließen.
Durch Bescheid vom 23. August 2011 lehnte die Beklagte ab, einer Rücknahme des Antrags auf Erwerbsminderungsrente zuzustimmen. Zwar könne ein Versicherter nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine förmliche Entscheidung der Krankenkasse dazu herbeiführen, ob sie nach erfolgter Aufforderung, einen Rehabilitationsantrag zu stellen, dem Verzicht des Versicherten auf die Umdeutung des gestellten Antrags in einen Rentenantrag zustimmt. Ein im Wege einer Ermessensentscheidung zu berücksichtigendes berechtigtes Interesse des Versicherten am Hinausschieben des Rentenbeginns, das die Belange der Krankenkasse überwiege, liege hier aber nicht vor. Die notwendigen Mindestanwartschaftszeiten seien bereits erfüllt. Das Interesse, möglichst lange das höhere Krankengeld in Anspruch nehmen zu können, sei nicht schützenswert. Ein berechtigtes Interesse des Versicherten setze voraus, dass die Befugnisse der Krankenkasse nicht geschmälert würden. Es käme etwa in Betracht, wenn der Anspruch auf Betriebsrente durch den frühzeitigen Rentenbeginn verloren ginge, eine qualifizierte Wartezeit noch erreicht werden könnte oder die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner noch erfüllt werden könnten. Ein solcher Sachverhalt sei nicht gegeben. Unerheblich sei die niedrigere gesetzliche und betriebliche Rente. Eine niedrigere Rente sei systemimmanent und vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen worden. Eine Enteignung liege nicht vor, die Existenz des Versicherten sei offensichtlich gesichert. Die Entscheidung des LSG Niedersachsen, auf die sich der Versicherte noch beziehe, sei überholt.
Mit Bescheid vom 16. September 2011 bewilligte die Beigeladene dem Versicherten Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Februar 2011 mit einem monatlichen Zahlbetrag von 1.201,80 EUR. Gegen den Rentenbescheid legte der Versicherte Widerspruch ein.
Der von dem Versicherten gegen den Bescheid der Beklagten vom 23. August 2011 erhobene Widerspruch wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2012 zurückgewiesen. Zur Begründung wiederholte und vertiefte die Beklagte ihre Ausführungen aus dem Bescheid vom 23. August 2011.
Dagegen richtet sich die am 10. Januar 2012 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene Klage. Die Beklagte habe bei ihrer Entscheidung die Interessen des Versicherten vernachlässigt. Die von ihr geforderte Umdeutung des Reha-Antrags in einen Rentenantrag hätte die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit ab dem 21. Februar 2011 zur Folge. Gegenüber der - nunmehr ab dem 1. September 2011 bewilligten - Altersrente für schwerbehinderte Menschen führe dies zu einer dauerhaften Kürzung der persönlichen Entgeltpunkte um 3,6 Prozent zur Folge. Der Versicherte habe nach der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf Urt. v. 7. Dezember 2004 - B 1 KR 6/03 R) ein berechtigtes und schützenswertes Interesse am Hinausschieben des Rentenbeginns, da nur so eine erhebliche Verbesserung des Rentenanspruchs erreicht werden könne. Das LSG Niedersachsen (Hinweis auf Urteil v. 28. November 1985 - L 2 J 181/84) habe bereits bei einer Steigerung des monatlichen Rentenzahlbetrags um 19,60 DM eine erhebliche Verbesserung des Rentenanspruchs anerkannt. Die beim Versicherten eingetretene Einbuße betrage mehr als das Doppelte dieses auf heutige Verhältnisse weiter zu rechnenden Betrags in Höhe von 14,16 EUR.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 10. Juli 2013 abgewiesen. Der Versicherte habe keinen Anspruch auf Zustimmung der Beklagten zur Rücknahme des Rentenantrages oder auch nur auf erneute Bescheidung. Zur Begründung hat das Sozialgericht zunächst auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Die Beklagte habe in den angefochtenen Bescheiden ihre Zustimmung nicht ermessensfehlerhaft verweigert. Sie habe den gesetzlich vorgegebenen Zweck verfolgt, die Bezugsdauer des Krankengelds zu verkürzen. Bei ihrer Ermessensentscheidung habe sie berücksichtigt, dass sich durch den früheren Rentenbeginn für den Versicherten eine verringerte Rentenhöhe sowie mittelbare Auswirkungen auf die Betriebsrente ergeben. Vor dem Hintergrund der verbleibenden Rentenansprüche sei nicht entscheidend, dass der Versicherte kurze Zeit später eine abschlagsfreie Altersrente erreichen konnte. Es komme auch nicht darauf an, dass Krankengeld nur für kurze Zeit bezogen wurde und dass aus einer höheren Rente auch höhere Beiträge zur Krankenversicherung zu entrichten wären.
Gegen das ihm am 19. Juli 2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 23. Juli 2013 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung des Versicherten, die nach seinem Tod von seiner Ehefrau weiter fortgeführt wird. Verwiesen wird auf den Inhalt der Klageschrift. Das Sozialgericht habe sich nicht hinreichend mit der Frage auseinandergesetzt, ob die lebenslange Rentenminderung nicht vorrangig zu beachten sei. Das LSG Niedersachsen und das BSG hätten eine erhebliche Verbesserung des Rentenanspruchs ausdrücklich als Grund anerkannt, der auf Seiten eines Versicherten ein berechtigtes Interesse an der Zustimmung zur Antragsrücknahme begründen könne. Entgegen dem Sozialgericht sei eine lebenslange Rentenminderung nach der Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht als systemimmanent hinzunehmen. In den meisten Fällen sorge nämlich die Gewährung einer Zurechnungszeit dafür, dass überhaupt keine oder nur eine minimale Verringerung des Rentenanspruchs eintrete. Bei dem Versicherten sei aber wegen der bereits erfolgen Vollendung des 60. Lebensjahres keine Zurechnungszeit mehr zu berücksichtigen, so dass er bei einem Rentenbeginn am 1. Februar 2011 die Kürzung seiner Rentenanwartschaften um 3,6 Prozent hinnehmen müsse, obwohl er ab dem 1. Februar 2012 eine Rente ohne jeden Abschlag hätte beanspruchen können. Tatsächlich habe der Versicherte wegen des Rentenbeginns ab dem 1. Oktober 2011 ausweislich des Rentenbescheides der DRV-Bund vom 18. Oktober 2011 einen Abschlagsfaktor von 3,6 Prozent auf 51,1537 Entgeltpunkte und von 1,2 Prozent auf weitere 0,5581 Entgeltpunkte hinnehmen müssen. Es liege zumindest ein Abwägungsdefizit vor, das einen rechtserheblichen Ermessensfehler begründe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Juli 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Rücknahme des fingierten Rentenantrags vom 21. Februar 2011 zuzustimmen, hilfsweise über die Zustimmung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 23. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2012 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte der Erklärung des Verzichts auf die Umdeutung des Antrags auf Leistungen der Rehabilitation in einen Rentenantrag zustimmt oder darüber unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entscheidet.
Nach § 116 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) gilt ein Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation als Antrag auf Rente, wenn Versicherte vermindert erwerbsfähig sind und Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht erfolgreich gewesen sind, weil sie die verminderte Erwerbsfähigkeit nicht verhindert haben. Diese Wirkung eines Antrags auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation kann von dem Versicherten ausgeschlossen werden, indem er gegenüber der Rentenversicherung einen entsprechenden Verzicht erklärt. Ein solcher Verzicht auf die einem Rehabilitationsantrag von Gesetzes wegen grundsätzlich beigemessen Wirkung lässt den für die Gewährung einer Rente nach § 115 SGB VI notwendigen Rentenantrag entfallen, so dass dann eine Voraussetzung für das Entstehen eines Rentenanspruchs fehlt. Die Rücknahme eines Rentenantrags und damit auch der Verzicht auf die gesetzlich angeordnete Umdeutung ist grundsätzlich bis zum Eintritt der Bestandskraft eines Rentenbescheides wirksam möglich. Indessen ist die Dispositionsbefugnis des Versicherten über die von ihm gestellten Anträge eingeschränkt, wenn er von seiner Krankenkasse bereits nach § 51 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - zur Stellung eines Antrags auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation aufgefordert worden ist. Unter diesen Voraussetzungen kann er auch gegenüber der Rentenversicherung nur wirksam auf die Umdeutung seines Rehabilitationsantrags in einen Rentenantrag verzichten, wenn die Krankenkasse diesem Verzicht zustimmt. Die Erteilung der Zustimmung steht im Ermessen der Krankenkasse, welche die Interessen des Versicherten mit denen der Krankenversicherung abwägen muss. Die Bedeutung des Rentenanspruchs für die Interessen der Krankenversicherung ergibt sich aus § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V, wonach der Anspruch auf Krankengeld nach Beginn einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung endet (vgl. BSG v. 7. Dezember 2014 - B 1 KR 6/03 R - juris Rn. 20-24).
Die Beklagte war danach gehalten, nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob sie einem Verzicht des Versicherten auf die nach § 116 Abs. 2 SGB VI eintretende Umdeutung seines Rehabilitationsantrages zustimmt. An sich lagen die Voraussetzungen für eine Umdeutung in einen Rentenantrag vor. Der Versicherte war voll erwerbsgemindert, ohne dass die ihm gewährten medizinischen Rehabilitationsleistungen den Eintritt der vollen Erwerbsminderung verhindern konnten. Die Beklagte hatte ihn durch bestandskräftigen Bescheid zu einem Rehabilitationsantrag aufgefordert, der auch gestellt worden war. Der in den Rehabilitationsantrag liegende Rentenantrag konnte noch wirksam zurückgenommen werden, da der Rentenbescheid wegen des gegen ihn erhobenen Widerspruchs noch nicht bestandskräftig geworden war.
Die eine Zustimmung zur Rücknahme verweigernde Entscheidung der Beklagten ist nicht ermessensfehlerhaft. Insbesondere liegt kein Ermessenausfall vor. Der Begründung des Bescheides lässt sich hinreichend deutlich entnehmen, dass die Beklagte sich bei ihrer Entscheidung des Umstandes bewusst war, dass sie eine Er-messensentscheidung zu treffen und dass sie bei der zu findenden Entscheidung das Interesse des Versicherten an einer höheren Rente zu berücksichtigen hatte. Zu Unrecht wirft die Klägerin dem Sozialgericht und der Beklagten vor, sie hätten beide verkannt, dass der Versicherte bei einem Rentenbeginn ab dem 1. Februar 2012 Altersrente für schwerbehinderte Menschen ohne jeden Abschlag hätte beanspruchen können. Dieser spätere Rentenbeginn hätte vermieden, dass der Zugangsfaktor von 1 um 0,036 gekürzt wird. Weitere Auswirkungen eines späteren Rentenbeginns als diese über den Zugangsfaktor eintretende Minderung der Höhe des Rentenzahlbetrages sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Auf den durch den geänderten Zugangsfaktor bewirkten Rentenabschlag nimmt die Beklagte aber in ihrem Widerspruchsbescheid Bezug, indem sie ausführt, dass die geltend gemachte dauerhaft niedrigere gesetzliche oder betriebliche Rente keine andere Entscheidung rechtfertige. Zu berücksichtigen war nämlich auch, dass durch einen späteren Rentenbeginn nicht nur die Erstattungsansprüche gegen die Beigeladene für bereits gezahltes Krankengeld wegfallen sondern auch weitere Ansprüche auf Krankengeld entstehen würden.
Die Entscheidung der Beklagten berücksichtigt damit nicht nur alle erheblichen Umstände des Sachverhaltes, sie ist auch im Ergebnis nicht zu beanstanden. Aus der Rechtsprechung des BSG ergibt sich, dass nur der Eintritt einer erheblichen Verbesserung des Rentenanspruchs eine Ermessensentscheidung zu Gunsten des Versi-cherten nahe legen kann (BSG v. 7. Dezember 2014 - B 1 KR 6/03 R - juris Rn 24). In diesem Zusammengang ist aber zu beachten, dass der Gesetzgeber es nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI regelmäßig für eine zumutbare Belastung hält, dass Versicherte bei Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit einen Rentenabschlag für jeden Monat der Inanspruchnahme der Rente ab dem 62. Lebensjahr bis zu Vollendung des 65. Lebensjahres in Höhe von 0,3 Prozent hinnehmen müssen. Dies rechtfertigt die Annahme, dass eine entsprechende Minderung des Zahlbetrags der Rente grundsätzlich nicht als wesentliche Belastung anzusehen ist. Ihre Abwendung durch einen späteren Rentenbeginn kann demnach im Allgemeinen nicht als erhebliche Verbesserung angesehen werden, welche eine Verschiebung des Rentenbeginns zu Lasten der Krankenkasse rechtfertigt. Nur ausnahmsweise kann etwas anderes gelten, nämlich wenn ein Sonderfall vorliegt und der betroffene Versicherte aus bestimmten Gründen durch die Regelungen über den Zugangsfaktor stärker belastet wird als andere Versicherte. Das ist hier aber nicht der Fall. Der verstorbene Versicherte wurde durch den Zugangsfaktor eher weniger stark belastet als andere Versicherte. Wegen des vor dem Jahr 2012 liegenden Rentenbeginns bestimmt sich der Zeitraum, für den nach § 77 SGB VI gegebenenfalls Abschläge zu berechnen sind, nach § 264d SGB VI vom 60 bis zum 63 Lebensjahr. Grundsätzlich möglich wäre demnach eine Minderung der Entgeltpunkte bei einem Rentenbeginn vor oder mit Vollendung des 60. Lebensjahres um bis zu 10,8 Prozent gewesen. Tatsächlich musste der Versicherte dagegen angesichts des Beginns der Rente wegen voller Erwerbsminderung im Monat nach Vollendung des 62. Lebensjahres nur eine Minderung seiner Entgeltpunkte um 3,6 Prozent hinnehmen und bewegte sich damit im unteren Bereich des Möglichen. Die eingetretene Kürzung war demnach von dem Versicherten hinzunehmen. Das Gleiche gilt für die Kürzung der Betriebsrente, die nach dem Vortrag der Klägerin nach entsprechenden Grundsätzen vorgenommen wurde.
Auch die ohne einen wirksam gestellten Rentenantrag fortdauernde Möglichkeit des Bezugs von Krankengeld begründet keine erhebliche Belastung des Versicherten. § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V zeigt nämlich, dass der Gesetzgeber dem Rentenbezug den Vorrang vor dem Krankengeld einräumen will. Daran ist auch nach Einführung des Zugangsfaktors im Rentenrecht nichts geändert worden. Zutreffend hat also die Beklagte darauf hingewiesen, dass das Gesetz davon ausgeht, dass im Interesse der Gesamtheit der Krankenversicherten der Anspruch auf Krankengeld wegfällt, sobald ein Rentenanspruch besteht.
Schließlich hat die Beklagte auch nicht deswegen ihre Zustimmung zum Verzicht auf die Umdeutung zu erteilen, weil anderenfalls ein verfassungswidriger Eingriff in die Rentenanwartschaften des Versicherten drohte. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich bereits entscheiden, dass die gesetzlichen Regelungen über den Zugangsfaktor bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrenten mit dem Grundgesetz vereinbar sind (BVerfG v. 11. Januar 2011 - 1 BvR 3588/08; 1 BvR 555/09).
Ist die Ermessensausübung danach nicht zu beanstanden, besteht kein Anlass, die getroffene Entscheidung aufzuheben und die Beklagte auch nur zur Neubescheidung zu verurteilen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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