Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 SO 243/14 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beschluss der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII im Land Brandenburg vom 10. Juni 2014 wird aufgehoben. Der Beschluss der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII im Land Brandenburg vom 11. Juli 2014 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen Schiedsspruch der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII (Sozialgesetzbuch/Zwölftes Buch) im Land Brandenburg (im Folgenden: Schiedsstelle), mit dem die Anträge auf Festsetzung der Vergütung für den Zeitraum vom 13. Februar 2014 bis zum 31. Dezember 2014 für die A Fachkliniken T und L als unzulässig abgelehnt wurden.
Die Klägerin betreibt (unter anderem) zwei Fachkliniken, nämlich das A Fachklinikum T und das A Fachklinikum L, welche jeweils Fachbereiche für sozialpsychiatrische Rehabilitation haben. Dabei handelt es sich bei der Einrichtung in T um eine Wohnstätte für chronisch psychisch kranke Menschen, speziell für Menschen mit schweren Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen sowie Doppeldiagnosen und bei der Einrichtung in L um eine Wohnstätte für chronisch psychisch kranke Menschen mit zusätzlichen Verhaltensauffälligkeiten/Behinderungen/Erkrankungen und/oder geistig behinderte und geistig/schwermehrfachbehinderte erwachsene Menschen.
Die Klägerin und der Beklagte schlossen am 28. Juni 2013 jeweils Vereinbarungen gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII für die Einrichtungen L und T. Diese enthielten jeweils eine Leistungsvereinbarung, eine Prüfungsvereinbarung und eine Vergütungsvereinbarung, wobei die Vergütungsvereinbarungen jeweils aufgrund von Beschlüssen der Schiedsstelle vom 13. März 2013 zustande gekommen waren. Grundlage für die Leistungsvereinbarung sollten die §§ 75ff SGB XII und der Rahmenvertrag sowie die Rahmenleistungsvereinbarungen sein. In der Leistungsvereinbarung wurde für die Einrichtung T die Zahl der Betreuten mit 38 angegeben und für L mit 34. In den Leistungsvereinbarungen, die jeweils in der Anlage 1 zu der Vereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII geregelt sind, heißt es jeweils unter Pkt. 2b: ("Darstellung von Anzahl, Funktion und Qualifikation der Mitarbeiter in VK [Vollkraftanteilen] bezogen auf Pkt. 2a" gegebenenfalls als Anlage) - Einhaltung einer Personal- und Qualifikationsstruktur entsprechend den differenzierten Betreuungsanforderungen; - siehe Anlage". In der jeweiligen Anlage "Personelle Ausstattung der Behinderteneinrichtung" wurde für die Einrichtung T zum Stichtag 31. Mai 2002 von insgesamt 42,3 VK und für die Einrichtung L zum Stichtag 1. Januar 2003 von 22,99 VK ausgegangen.
Bezüglich der Vergütungsvereinbarung heißt es jeweils: "Zur Vergütung der in der Anlage 1 beschriebenen Leistungen wird auf Grundlage der §§ 75ff SGB XII und des Rahmenvertrages eine Vereinbarung mit den in der Anlage 2 ausgewiesenen Tagessätzen getroffen ( ). Mit den Vergütungen werden die in der Leistungsvereinbarung (Anlage 1) beschriebenen Leistungen abgegolten". Als Vergütung war für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis zum 30. Juni 2013 für T ein Kostensatz pro Anwesenheitstag (AN) von 140,22 Euro und pro Abwesenheitstag (AB) von 119,66 Euro vereinbart bzw. festgesetzt worden und für L von 105,56 Euro pro AN und von 90,32 Euro pro AB.
Unter Punkt 5 "Vereinbarungszeitraum/ordentliche Kündigung" heißt es jeweils: "Vereinbarungsbeginn ist laut Beschluss der Schiedsstelle vom 25. März 2013 (siehe Anlage 4) der 11. Juli 2012". Unter Punkt 5.2 heißt es jeweils: "Die Vergütungsvereinbarung ist seitens der Vertragspartner frühestens zum 30.06.2013 mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende (Posteingang) kündbar. Bis zum Inkrafttreten einer neuen Vergütungsvereinbarung gelten die vereinbarten Vergütungssätze gemäß § 77 Abs. 2 Satz 4 SGB XII weiter". Unter Punkt 5.4 heißt es jeweils: "Das Recht des örtlichen Trägers der Sozialhilfe zur fristlosen Kündigung dieser Vereinbarung (§ 78 SGB XII) bleibt unberührt".
Mit Schreiben vom 24. September 2013, überschrieben mit "Kündigung der bestehenden Kostensatzvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII für die Einrichtungen: • Fachbereich für Sozialpsychiatrische Rehabilitation des A Fachklinikums L – ( ), • Fachbereich für Sozialpsychiatrische Rehabilitation des A Fachklinikums T ( )", kündigte der Beklagte die "o.g. Vereinbarungen für die Einrichtungen in T und L. In den nächsten Tagen würden dazu die jeweiligen neuen Kostenangebote übersandt. Diese beinhalteten eine Neukalkulation der Personal-VK aufgrund der nicht nachgewiesenen Belegung der bisher vereinbarten und vergüteten Personalstellen.
Mit Schreiben vom 15. November 2013 bezeichnete der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Kündigung als haltlos und wies sie für seine Mandantschaft vollumfänglich zurück. Die abgeschlossenen Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII gälten daher fort. Er legte einen Vorschlag für die Vergütungen für die Zeit ab 1. Januar 2014 vor. Anschließende Verhandlungen scheiterten am 10. Februar 2014. Der Beklagte sei nicht bereit, dem Vorschlag des Einrichtungsträgers zu folgen, in einem gemeinsamen Verfahren den Bedarf der betreuten Klientel und den sich daraus ergebenden Personalbedarf prospektiv zu ermitteln. In den Verhandlungen hatte die Klägerin angegeben, die Platzzahl [der Betreuten] in L sei auf 30 gesunken.
Mit Schreiben vom 13. Februar 2014 stellte die Klägerin einen Antrag auf Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII. Es wurde die Festsetzung der Entgeltsätze nach § 75 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII beantragt, und zwar für das Fachklinikum T ein Entgeltsatz von 154,06 Euro pro AN und von 131,44 Euro pro AB sowie für das Fachklinikum L ein Entgeltsatz von 116,67 Euro pro AN und von 99,84 pro AB.
In ihrer Erwiderung bezüglich der Schiedsstellenanträge trug der Beklagte mit Schriftsätzen vom 7. April 2014 u.a. vor, dass bei Prüfungen im Rahmen der Verhandlungen eine anlassbezogene Qualitätsprüfung in beiden Fachkliniken stattgefunden habe. Dabei habe sich ergeben, dass eine Unterbesetzung der Personalstellen in allen Dienstarten im Gesamtumfang von 15,106 VK (für L) und von 15,198 VK (für T) vorläge. Die Klägerin sei beauflagt worden, die Differenz umgehend nachzubesetzen. Dies sei nicht geschehen. Am 24. September 2013 seien daher durch den Beklagten die bisher gültigen Vergütungsvereinbarungen gekündigt worden. Die offensichtlich unzureichende Personalbesetzung sei bisher durch den Beklagten vollumfänglich refinanziert worden. Es hätten dann Nachbesserungen durch die Klägerin stattgefunden, was aber immer noch eine Unterbesetzung von 3,381 VK (für L) und von 7,618 VK (für T) ergeben habe. Dies entspreche einer Differenz von 130 nicht geleisteten - jedoch mit 130.087,81 Euro pro Jahr vergüteten - Betreuungsstunden (für L) und 316 nicht geleisteten - jedoch mit 332.750,28 Euro pro Jahr vergüteten - Betreuungsstunden (für T). Für den Sonderdienst würden nochmal 5.342,04 Euro (für L) bzw. 22.185,16 Euro (für T) pro Jahr anfallen. Der Beklagte habe ein Angebot unterbreitet, und zwar in Höhe von 94,63 Euro pro AN und 81,03 Euro pro AB für L und 133,07 pro AN und 113,58 pro AB für T, jeweils für den Zeitraum Dezember 2013 bis Dezember 2014. Die Klägerin halte das bisher vereinbarte Personal nicht vor. Sie meine, dass die Qualität auch mit weniger Personal erbracht werden könne. Die Betreuungsdienste seien von der Klägerin ordnungsgemäß gestellt worden.
Im Schiedsstellenverfahren trug die Klägerin mit Schriftsatz vom 28. Mai 2014 vor, dass es nicht Gegenstand einer Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII sein könne, dass die Klägerin eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern beschäftigen müsse. Auch wenn diese kalkulatorisch zugrunde gelegt werde, gehe damit keineswegs eine irgendwie geartete vertragliche Verpflichtung der Klägerin gegenüber dem Beklagten einher. Eine solche Verpflichtung kollidiere mit dem Grundrecht der betroffenen Arbeitnehmer auf Vertragsfreiheit.
In der mündlichen Verhandlung vor der Schiedsstelle am 11. Juni 2014 wurde über die Frage diskutiert, ob das Kündigungsschreiben vom 24. September 2013 auch als Kündigung der Leistungsvereinbarung zu verstehen sei. Dies wurde von dem Vertreter des Beklagten bejaht. Dem wurde durch die Klägerin widersprochen. Zu keinem Zeitpunkt sei vom Beklagten zu verstehen gegeben worden, dass diese Kündigung allumfassend ausgesprochen worden sei. Auch hätte durch den Beklagten dann anders agiert werden müssen und dieser wäre wohl auch nicht in Verhandlungen mit der Klägerin gegangen.
Mit Beschluss vom 10. Juni 2014 hat die Schiedsstelle die Anträge auf Festsetzung von Entgeltsätzen für die A Fachkliniken L und T als unzulässig abgelehnt. Die Schiedsstelle habe sich eingehend mit der Kündigung durch den Antragsgegner (Beklagten) befasst. Wenn diese Kündigung als Kündigung der Leistungsvereinbarung zu verstehen sei, sei das Schiedsverfahren bereits deshalb unzulässig, da ohne gültige Leistungsvereinbarung keine Vergütung festgesetzt werden könne und eine Leistungsvereinbarung nach herrschender Ansicht nicht schiedsstellenfähig sei. Die Klägerin sei der Ansicht, die Kündigung betreffe nur die Vergütungsvereinbarungen. Ebenso lese sich die Formulierung in den Antragserwiderungen des Beklagten, wo ausdrücklich davon die Rede sei, dass die "Vergütungsvereinbarung" gekündigt worden sei. In der Verhandlung vor der Schiedsstelle habe der Beklagte allerdings auf Befragen ausgeführt, dass seine Kündigung sich auch auf die Leistungsvereinbarung beziehe. Dem habe die Klägerin widersprochen und gerügt, dass der Vorsitzende der Schiedsstelle dies dem Beklagten gleichsam in den Mund gelegt habe. Die Schiedsstelle sei der Ansicht, vor dem Hintergrund der grundlegenden Differenzen zwischen den Vertragsparteien über den Personaleinsatz, der zu refinanzieren sei, komme aus Rechtsgründen konsequenterweise nur eine Kündigung der Leistungsvereinbarungen in Betracht. Der Beklagte scheine diesen Zusammenhang aber nicht ausreichend verstanden zu haben. Trotz der Verhandlungen über den Personaleinsatz, der auf der Ebene einer Leistungsvereinbarung zu führen wäre, scheine der Beklagte die Verhandlungen wie Verhandlungen über Entgelte geführt zu haben. Dieses Missverständnis beruhe auf der engen sachlichen Verknüpfung zwischen Leistungs- und Vergütungsvereinbarung. Dennoch müssten beide Vereinbarungen nach herrschender Auffassung getrennt betrachtet und beurteilt werden. Die Schiedsstelle gehe letztlich davon aus, dass dem Beklagten nicht bewusst gewesen sei, die Leistungsvereinbarungen nach Lage der Dinge kündigen zu müssen. Dies ändere indes nichts daran, dass der Sache nach zwischen den Vertragsparteien keine Einigkeit über den Personaleinsatz in den Einrichtungen bestünde. Die Klägerin führe selbst aus, der Personalbedarf sei prospektiv zu ermitteln. Damit scheine auch die Klägerin der Auffassung zuzuneigen, der Personalbedarf gehöre in die Kalkulation der Vergütung. Dies sei indes unzutreffend. Der Inhalt ("mindestens") einer Leistungsvereinbarung sei in § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB XII festgelegt. Danach gehörten dazu u.a. "die Qualifikation des Personals" sowie die "personelle Ausstattung" der Einrichtung. Es sei abwegig zu meinen, diese Verpflichtung, die ein Leistungserbringer eingehe, könne grundgesetzwidrig sein. Es bleibe festzuhalten, dass sich die Vertragsparteien über den Umfang des zu refinanzierenden Personals nicht einig seien. Auch die Klägerin wolle sich gar nicht auf die früher abgeschlossenen Leistungsvereinbarungen berufen. Ihre in den Vertragsverhandlungen vorgelegten Kostenaufteilungen gingen nicht mehr von den Parametern der Leistungsvereinbarungen aus. Die Schiedsstelle könne sie daher nicht zugrunde legen. Vor diesem Hintergrund könne die Schiedsstelle nicht beurteilen, welcher Personalaufwand zu refinanzieren wäre. Mangels einer Einigung der Vertragsparteien über die zu refinanzierenden Leistungen sei der Schiedsstellenantrag unzulässig.
Mit Beschluss vom 11. Juli 2014 hat der Vorsitzende der Schiedsstelle die Gebühr für die Verfahren, die die Klägerin trage, auf je 2.000,00 Euro für jedes Verfahren festgesetzt.
Gegen die am 16. Juli 2014 zugestellten Beschlüsse hat die Klägerin am 18. August 2014, einem Montag, Klage bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erhoben. Die Schiedsstelle habe die Kündigung dahingehend ausgelegt, dass auch die Leistungsvereinbarung gekündigt sein sollte. Die Auslegung gebe dies jedoch nicht her.
In der Leistungsvereinbarung sei keine Regelung über die Anzahl der einzusetzenden Vollkräfte getroffen worden. Es gebe keine verbindliche Vereinbarung, die der Klägerin eine bestimmte Anzahl aufgeben würde. Auch die Anlage könne nicht als bindend verstanden werden. Sinke die Auslastung, sinke auch der Bedarf an VK, so dass eine verbindliche Vereinbarung, wonach immer eine Mindestzahl an VK bereitzuhalten sei, jeder betriebswirtschaftlichen Logik widerspräche. Im Übrigen stamme diese Vereinbarung aus dem Jahr 2003. Die Schiedsstelle hätte zur Ermittlung des leistungsgerechten Entgelts im Rahmen der Vergütungsvereinbarung eine bestimmte VK-Zahl zugrunde legen müssen, um kalkulatorisch prospektiv den Entgeltsatz zu ermitteln. Denn in der Anlage 1 zur Leistungsvereinbarung sei die "Stellenbesetzung" beschrieben und könne als prospektive Kalkulationsgrundlage herangezogen werden. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seinen Urteilen vom 7. Oktober 2015, Az. B 8 SO 1/14 R und B 8 SO 19/14 R, klargestellt, dass das Bestehen einer Leistungs- und Prüfungsvereinbarung für die Zulässigkeit des Schiedsstellenantrags keine Voraussetzung sei. Im Übrigen gelte nicht nur die Vergütungsvereinbarung, sondern auch die Leistungsvereinbarung über einen Beendigungszeitpunkt hinaus fort (Hinweis auf das Urteil des Sozialgerichts – SG - Altenburg vom 31. Mai 2016, Az. S 21 SO 1198/16 ER).
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII im Land Brandenburg vom 10. Juni 2014 aufzuheben,
sowie
den Kostenbeschluss der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII im Land Brandenburg vom 11. Juli 2014 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entgegen der Ansicht der Klägerin habe der Schiedsstellenvorsitzende in der Sitzung am 10. Juni 2014 der Beklagtenvertreterin die von ihm vertretene Auslegung des Kündigungsschreibens des Beklagten vom 24. September 2013 nicht "in den Mund gelegt". Richtig sei, dass er diese Auffassung bereits aufgrund des Wortlautes des Kündigungsschreibens gewonnen und die Vertreterin des Beklagten diese Ansicht lediglich bestätigt habe. Außerdem entspreche diese Auslegung der Rechtslage. Die Kündigungen erstreckten sich auf sämtliche Vereinbarungen, sowohl auf die Vergütungsvereinbarungen als auch auf die Leistungsvereinbarungen. Denn Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen bildeten aufgrund teleologischer und entstehungsgeschichtlicher Erwägungen eine logische Einheit. Es werde sogar ein unauflöslicher Zusammenhang zwischen Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung angenommen. Die Vergütung einer Leistung könne nämlich erst ausgehandelt werden, wenn Klarheit über Inhalt und Umfang der Leistung bestünde. Denn erst dann stünden die für die Leistungsvereinbarungen notwendigen personellen und sächlichen Mittel und somit die preisbildenden Faktoren fest. Die Beklagte habe die Vereinbarungen ausschließlich aufgrund der unzureichenden Besetzung gekündigt. Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB XII lege die Vereinbarung über die Leistung die wesentlichen Leistungsmerkmale, u.a. auch die personelle Ausstattung, fest. Die unzureichende personelle Besetzung in beiden Einrichtungen der Klägerin habe bereinigt werden sollen, so dass die ausschließliche Kündigung der Vergütungsvereinbarungen nicht zu dem vom Beklagten angestrebten Ziel geführt hätte. Bei beiden Einrichtungen habe die Leistungsvereinbarung die personelle Ausstattung zum Gegenstand. Diese enthalte die vollständigen Angaben zum Personal; diese Angaben seien als Anlage zur Leistungsvereinbarung auch bindend. Die rechnerische Anpassung an die tatsächliche stichtagsbezogene Belegung erfolge bei den Auswertungen im Rahmen der Qualitätsprüfungen. Dennoch seien durch die Klägerin keine Nachbesserungen vorgenommen worden, so dass der Beklagte nur noch durch die Kündigungen aller Vereinbarungen eine Anpassung der personellen Ausstattungen sowie der entsprechenden Vergütungen habe erreichen können. Daher hätten beide Parteien gewusst, dass es ausschließlich um die Korrektur der personellen Ausstattungen gehe und sich die Kündigung des Beklagten deshalb sowohl auf die Leistungs- als auch die Vergütungsvereinbarungen beziehe. Es werde bestritten, dass die Parteien nur über die Vergütungsvereinbarungen gestritten hätten und die jeweiligen Leistungsvereinbarungen hätten fortbestehen sollen. Die Schiedsstelle habe die Anträge aufgrund der mangelnden Schiedsstellenfähigkeit von Leistungsvereinbarungen auch zutreffend als unzulässig zurückgewiesen.
In einem Erörterungstermin am 12. Januar 2015 hat die Vertreterin des Beklagten mitgeteilt, dass die Leistungsvereinbarung zwischenzeitlich nicht (ggf. nochmal) gekündigt worden sei. Der Beklagte gehe davon aus, dass die Leistungsvereinbarung bereits gekündigt sei und dass auch die Schiedsstelle hiervon ausgegangen sei.
Mit Schreiben vom 14. Januar 2015 hat der Beklagte die Leistungsvereinbarungen gemäß § 75 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XII für die Einrichtungen in T und L gekündigt. Wörtlich heißt es: "vorsorglich kündige ich gemäß § 77 Abs. 3 SGB XII und § 78 SGB XII i. V. m. § 76 Abs. 3 SGB XII erneut die mit ihnen abgeschlossenen Leistungsvereinbarungen aus dem Jahr 2003 für die Einrichtungen" T und L "mit sofortiger Wirkung". Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 14. Januar 2015 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
Die Verwaltungsakten des Beklagten und die Akten der Schiedsstellehaben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 4 SGB XII ist gegen die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben, und zwar gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstinstanzlich zum Landessozialgericht.
Örtlich zuständig ist gemäß § 57 Abs. 1 SGG das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, da die Klägerin ihren Sitz in B hat.
Die Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG ist die richtige Klageart. Bei dem Beschluss der Schiedsstelle handelt es sich wegen seiner Funktion als Interessenausgleich um einen vertragsgestaltenden Verwaltungsakt, den die Schiedsstelle als Behörde im Sinne des § 31 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) erlassen hat. Hat die Anfechtungsklage Erfolg, ist nach Aufhebung des Schiedsspruchs das Schiedsverfahren wiedereröffnet, so dass es einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Schiedsstelle im Rahmen einer Verpflichtungsbescheidungs-klage auch in der Sache nicht bedarf. Eine Bindung der Schiedsstelle an die Begründung des Anfechtungsausspruchs des Gerichts wird mittelbar dadurch bewirkt, dass die Schiedsstelle ihre Rechte nur von den Beteiligten des gerichtlichen Verfahrens ableitet, die wiederum an den Urteilsausspruch gebunden sind (vgl. Urteil des BSG vom 23. Juli 2014, Az. B 8 SO 2/13 R, juris Rn. 11 und 12 mit zahlreichen weiteren Nachweisen = SozR 4-3500 § 77 Nr. 1).
Eines Vorverfahrens bedurfte es gemäß § 77 Abs. 1 Satz 6 SGG nicht.
Die sachliche Zuständigkeit des örtlichen Trägers der Sozialhilfe, hier des Beklagten, folgt aus § 97 Abs. 1 und 2 SGB XII i.V. mit § 5 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (AG-SGB XII) des Landes Brandenburg vom 3. November 2010, (GVBl. I/10, [Nr. 36]), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 10. Juli 2014 (GVBl. I/14, [Nr. 29]), i.V. mit § 1 Nr. 1 der Verordnung zur Übertragung der Zuständigkeiten nach § 5 Abs. 4 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (ZustÜV) vom 15. April 2011, (GVBl. II/11, [Nr. 21]). Danach wurde die sachliche Zuständigkeit für den Abschluss von Leistungs-, Prüfungs- und Vergütungsvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 und 5 des SGB XII auf die örtlichen Träger der Sozialhilfe übertragen.
Der Beklagte ist auch für den Abschluss von Vergütungs- (und Leistungs-) Vereinbarungen zuständig. Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 2 SGB XII sind Vertragsparteien der Vereinbarungen der Träger der Einrichtung und der für den Sitz der Einrichtung zuständige Träger der Sozialhilfe. Es wird also bzgl. des Vertragspartners des Trägers der Einrichtung darauf abgestellt, wo die Einrichtung selbst gelegen ist, nicht auf den Sitz des Trägers der Einrichtung (vgl. Urteil des BSG vom 7. Oktober 2015, Az. B 8 SO 1/14 R, juris Rn. 13 = SozR 4-3500 § 77 Nr. 2). Da die Einrichtungen in L und T gelegen sind, die wiederum zum Landkreis Dahme-Spreewald gehören, ist der Beklagte die richtige Vertragspartei.
Der Klage war stattzugeben, weil die Schiedsstelle zu Unrecht von einer Unzulässigkeit der Anträge auf Festsetzung von Entgeltsätzen ausgegangen ist.
Gegenstand des Verfahrens vor der Schiedsstelle war der Abschluss einer Vergütungsvereinbarung nach § 76 Abs. 2 Satz 1, 75 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII. Eine solche war zwischen der Klägerin und dem Beklagten innerhalb von sechs Wochen nach Eingang des Antrags auf Abschluss einer Vergütungsvereinbarung am 15. November 2013 nicht zustande gekommen, so dass gemäß § 77 Abs. 1 Satz 3 SGB XII auf Antrag der Klägerin die Schiedsstelle zu entscheiden hatte. Diese entscheidet nach dieser Vorschrift unverzüglich über die Gegenstände, über die keine Einigung erreicht werden konnte.
Die Anträge der Klägerin auf Festsetzung von Entgeltsätzen sind nicht deshalb unzulässig, weil Leistungsvereinbarungen nicht (mehr) bestünden. Diese sind nicht gekündigt. Zutreffend hat die Schiedsstelle jedoch angenommen, dass der Personalbedarf in der Leistungsvereinbarung festzulegen ist. Letzteres ergibt sich aus § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 10 des Rahmenvertrages nach § 79 Abs. 1 SGB XII des Landes Brandenburg vom 1. Januar 1999 in der überarbeiteten Fassung vom 20. Mai 2011 (Rahmenvertrag). § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB XII lautet:
Die Vereinbarung über die Leistung muss die wesentlichen Leistungsmerkmale festlegen, mindestens jedoch die betriebsnotwendigen Anlagen der Einrichtung, den von ihr zu betreuenden Personenkreis, Art, Ziel und Qualität der Leistung, Qualifikation des Personals sowie die erforderliche sächliche und personelle Ausstattung.
§ 10 Abs. 2 Satz 5 des Rahmenvertrages lautet:
Die personelle Ausstattung ist Teil der Leistungsvereinbarung.
Nicht zuzustimmen ist der Auffassung der Klägerin, die personelle Ausstattung sei nicht in der Leistungsvereinbarung geregelt bzw. die Anlage "Personelle Ausstattung der Behinderteneinrichtung" zur Leistungsvereinbarung sei nicht verbindlich, was bedeuten würde, es käme auf das Vorliegen von Leistungsvereinbarungen hier gar nicht an, da die personelle Ausstattung Streitpunkt zwischen den Beteiligten ist. Das Vorliegen einer Leistungsvereinbarung ist erforderlich, aber hier auch gegeben. Die Leistungsvereinbarungen für die Einrichtungen T und L sind nach wie vor gültig und nicht - rechtswirksam - gekündigt, weder durch das Schreiben des Beklagten vom 24. September 2013 noch durch das vom 14. Januar 2015. Bei der Kündigung einer Vereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung (vgl. Urteil des Landessozialgerichts - LSG - Berlin-Brandenburg vom 5. Dezember 2013, Az. L 23 SO 38/10 KL, juris Rn. 56), für die Auslegung ist auf die Grundsätze des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abzustellen. Diese Vorschrift lautet:
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Maßstab für die Auslegung ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde erkennen kann (Urteil des BSG vom 23. März 2010, Az. B 8 SO 2/09 R, juris Rn. 14 = SozR 4-5910 § 92c Nr. 1). Der Wortlaut des Kündigungsschreibens des Beklagten vom 24. September 2013 deutet darauf hin, dass nur die Vergütungsvereinbarungen gekündigt werden sollten, da er den Begriff "Kostensatzvereinbarung" verwendet. Die Verwendung der Mehrzahl ("kündige ich die o.g. Vereinbarungen") kann sich auch nur auf die beiden Vergütungsvereinbarungen und muss sich nicht auch auf die Leistungsvereinbarungen beziehen. Auch aus der Nennung der Vorschrift des § 75 Abs. 3 SGB XII in der Überschrift ("Kündigung der bestehenden Kostensatzvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII") ergibt sich nicht, dass auch die Leistungsvereinbarungen gekündigt werden sollten. Allein aus der Mitteilung, dass der Klägerin in den nächsten Tagen die jeweiligen neuen Kostenangebote übersandt werden sollten, die "eine Neukalkulation der Personal-Vollkräfte (VK), auf Grund der nicht nachgewiesenen Belegung der bisher vereinbarten und vergüteten Personalstellen" beinhalten sollten, kann man ersehen, dass der Beklagte an der bisher vereinbarten Personalausstattung nicht festhalten wollte. Da die Klägerin sachkundig ist, kann man davon ausgehen, dass sie erkennen konnte, dass damit auch die Leistungsvereinbarungen betroffen sein mussten. Nicht dagegen konnte sie ohne weiteres daraus schließen, dass diese gekündigt werden sollten. Vielmehr konnte dies auch ein Angebot oder ein Verlangen nach Anpassung des Vertragsinhaltes bzgl. der Leistungsvereinbarungen darstellen, das z.B. gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) möglich ist. Im Zweifel sollte, wenn ein auf die Fortsetzung einer Vereinbarung unter geänderten Bedingungen gerichtetes Begehren erkennbar wird, dieses als Verlangen nach Neuverhandlung und nicht als Kündigung der bestehenden Vereinbarung ausgelegt werden (so - allerdings zur entsprechenden Auslegung als Neuverhandlungsbegehren gemäß § 77 Abs. 3 SGB XII - Jaritz/Eicher in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, Stand 3. November 2016, § 77 Rn. 137). Grund hierfür ist, einen vertragslosen Zustand mit seinen negativen Konsequenzen zu vermeiden. Eine Kündigung der Leistungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII entzieht der Einrichtung den Rechtsstatus des zugelassenen Leistungserbringers und greift in ihr Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit ein. Sie ist nur unter strengen Rechtfertigungsanforderungen möglich, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten. Angesichts der Schwere des Eingriffs ist eine Kündigung im Regelfall nur dann verhältnismäßig, wenn zuvor eine einverständliche Lösung gesucht wurde (vgl. - allerdings zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 78 SGB XII, die noch strengeren Anforderungen unterliegt als eine ordentliche Kündigung, letztendlich aber die gleichen Konsequenzen hat -: Neumann in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB XII, Stand November 2015, § 78 Rn. 3 m.w. N.).
Nach Wortlaut und Umständen des Kündigungsschreibens ist dieses nicht als Kündigung auch der Leistungsvereinbarungen zu verstehen. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass der Beklagte selbst ausweislich seiner Erwiderungen im Schiedsstellenverfahren lediglich von einer Kündigung der Vergütungsvereinbarungen ausging.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Kündigungsschreiben vom 14. Januar 2015. Die darin ausgesprochene Kündigung ist unwirksam, so dass sich das vorliegende Verfahren nicht erledigt hat.
Der Beklagte hat mit dem Schreiben vom 14. Januar 2015 eine außerordentliche Kündigung vorgenommen. Dies ergibt sich daraus, dass er die Kündigung "mit sofortiger Wirkung" ausgesprochen und sich (u.a.) auf die Vorschrift des § 78 SGB XII berufen hat sowie aus der Begründung der Kündigung. § 78 SGB XII lautet:
Ist wegen einer groben Verletzung der gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Leistungsberechtigten und deren Kostenträgern durch die Einrichtung ein Festhalten an den Vereinbarungen nicht zumutbar, kann der Träger der Sozialhilfe die Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Das gilt insbesondere dann, wenn in der Prüfung nach § 76 Abs. 3 oder auf andere Weise festgestellt wird, dass Leistungsberechtigte infolge der Pflichtverletzung zu Schaden kommen, gravierende Mängel bei der Leistungserbringung vorhanden sind, dem Träger der Einrichtung nach heimrechtlichen Vorschriften die Betriebserlaubnis entzogen oder der Betrieb der Einrichtung untersagt wird oder die Einrichtung nicht erbrachte Leistungen gegenüber den Kostenträgern abrechnet. Die Kündigung bedarf der Schriftform. § 59 des Zehnten Buches bleibt unberührt.
Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung liegen jedoch nicht vor. Die beispielhaft in der Vorschrift benannten Kündigungsgründe sind nicht gegeben, auch und insbesondere der von dem Beklagten in Bezug genommene Grund nicht, dass nicht erbrachte Leistungen gegenüber den Kostenträgern abgerechnet werden. Diese Alternative ist erfüllt, wenn die Einrichtung Leistungen abrechnet, die sie gegenüber dem Hilfebedürftigen nicht erbracht hat. Dass dies hier der Fall wäre, behauptet jedoch auch der Beklagte nicht. Es liegt auch in der Berechnung der Leistungen unter Berücksichtigung des in der Leistungsvereinbarung festgelegten Personalschlüssels keine ähnlich schwerwiegende Verfehlung der Einrichtungen oder der Klägerin als deren Träger. Eine sonstige grobe Pflichtverletzung, die zur fristlosen Kündigung berechtigen würde, muss mit den Regelbeispielen vergleichbar sein, d.h., die Pflichtverletzung des Leistungserbringers muss die Erbringung bedarfsdeckender Leistungen gefährdet oder verhindert haben (Münder in LPK-SGB XII, § 78 Rn. 1; ähnlich H. Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, Kommentar zum SGB XII, 19. Auflage, § 78 Rn. 4). Der Beklagte wirft der Klägerin jedoch nicht vor, die Hilfebedürftigen in ihren Einrichtungen nicht ausreichend versorgt zu haben, sondern mit einem Entgeltsatz abzurechnen, der unter Berücksichtigung einer Personalausstattung berechnet wurde, die von der Klägerin nicht vorgehalten werde. Dies betrifft aber eben gerade die Leistungsvereinbarung. Es wäre ein Zirkelschluss, wollte man die – außerordentliche – Kündigung einer Leistungsvereinbarung damit rechtfertigen, dass in der Leistungsvereinbarung eine bestimmte Personalausstattung vereinbart ist.
Im Übrigen hat der Beklagte auch kein Ermessen ausgeübt, dies ist jedoch wegen der oben bereits angesprochenen negativen Konsequenzen eines vertragslosen Zustandes notwendig, bei der Ausübung des Ermessens ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (Neumann, aaO., § 78 Rn. 3 m.w.N.).
Auch die Voraussetzungen einer Kündigung gemäß § 77 Abs. 3 SGB XII, auf die sich der Beklagte ebenfalls berufen hat, liegen nicht vor. Diese Vorschrift lautet:
Bei unvorhersehbaren wesentlichen Veränderungen der Annahmen, die der Vereinbarung oder Entscheidung über die Vergütung zu Grunde lagen, sind die Vergütungen auf Verlangen einer Vertragspartei für den laufenden Vereinbarungszeitraum neu zu verhandeln. Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend.
Bei der Nichteinhaltung der personellen Ausstattung handelt es sich nicht um eine "unvorhersehbare wesentliche Veränderung", da diese von der Klägerin beeinflussbar ist. Im Übrigen gilt § 77 Abs. 3 SGB XII nach seinem Wortlaut nur für die Vergütungsvereinbarung. Es wird zwar in der Literatur vertreten, dass § 77 Abs. 3 SGB XII auch auf die Leistungsvereinbarung anwendbar sei (vgl. Jaritz/Eicher, aaO., § 77 Rn. 133). Dem vermag sich der Senat jedoch wegen des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift nicht anzuschließen.
Auch die Voraussetzungen für eine Kündigung nach § 59 Abs. 1 SGB X sind nicht erfüllt. Diese Vorschrift ist zwar in dem Kündigungsschreiben vom 14. Januar 2015 nicht genannt, das Kündigungsschreiben könnte jedoch nach den oben dargelegten Auslegungsregelungen so auszulegen sein, dass eine solche Kündigung gemeint wäre. Selbst wenn dies jedoch der Fall wäre, wäre auch eine Kündigung nach § 59 Abs. 1 SGB X rechtswidrig. Die genannte Vorschrift lautet:
Haben die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, sich seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, so kann diese Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen. Die Behörde kann den Vertrag auch kündigen, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
Wenn man davon ausgehen würde, dass eine Änderung in den Verhältnissen dadurch eingetreten ist, dass die ursprünglich vereinbarte Personalausstattung nicht eingehalten wird, so wäre zu beachten, dass die Kündigung nur erfolgen darf, wenn eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist. Dabei entspricht "nicht möglich" der Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und umfasst alle Fälle einer objektiven und subjektiven Unmöglichkeit der Anpassung (vgl. Becker in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB X, Stand September 2014, § 59 Rn. 91). Dies ist hier nicht der Fall. Die Anpassung wäre auch für keine der Vertragsparteien unzumutbar. Der Beklagte könnte und müsste vor einer Kündigung - wegen der oben geschilderten gravierenden Auswirkungen einer Kündigung für die Klägerin - eine Anpassung ggfs. durch Leistungsklage vor den Sozialgerichten durchsetzen (vgl. zur Möglichkeit der Durchsetzung mittels Leistungsklage Becker aaO., § 59 Rn. 78ff, insbesondre Rn. 81 m.w.N.). Im Übrigen hätte der Beklagte auch bzgl. einer Kündigung nach § 59 Abs. 1 SGB X Ermessen ausüben müssen, was er nicht getan hat.
Entgegen der Auffassung der Schiedsstelle und ausweislich der Klagebegründung will sich die Klägerin auch auf die früher abgeschlossenen Leistungsvereinbarungen berufen.
Es zeigt sich an diesem Fall das in der Literatur wiederholt dargestellte Dilemma, dass Leistungs- und Vergütungsvereinbarung so eng miteinander verknüpft sind, dass ohne eine Leistungsvereinbarung bzw. ohne eine Einigung über sämtliche der darin enthaltenen Leistungsmerkmale die Festsetzung einer Vergütung nicht möglich ist, das Gesetz aber (in § 77 Abs. 1 Satz 3 SGB XII, der nur auf § 76 Abs. 2 SGB XII und damit auf die Vergütungsvereinbarungen verweist) eine Entscheidung der Schiedsstelle nur für Vergütungsvereinbarungen vorsieht. Dies ist eine problematische Situation: Um zu Leistungs- und Prüfungsvereinbarungen zu kommen, wäre der Weg zu den Sozialgerichten notwendig und erst im Anschluss daran könnte - bei nicht zu Stande gekommener Entgeltvereinbarung - die Schiedsstelle angerufen werden. Dies führt dazu, dass Leistungsanbieter durch das Verweigern von Vertragsabschlüssen faktisch vom Markt ausgeschlossen werden [können] (Münder in LPK-SGB XII, 10. Auflage, § 77 Rn. 5). Im vorliegenden Fall führt es dazu, dass eine schnelle und effektive Einigung - durch die Schiedsstelle - nicht möglich ist, sondern der Sozialhilfeträger auf eine Klage zur Anpassung zu verweisen ist (s.o.), wenn Verhandlungen nicht zu einer Einigung führen. Der - vom Ergebnis her vorzuziehenden und wünschenswerten - Lösung, entgegen dem Wortlaut des § 77 Abs. 1 Satz 3 SGB XII eine Schiedsstellenfähigkeit der Leistungsvereinbarung anzunehmen (so Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 77 SGB XII, Rn. 37ff), vermag sich der Senat auf Grund der Tatsache, dass dem Gesetzgeber die Problematik bekannt war (vgl. zum Gesetzgebungsverfahren die Schilderung bei Jaritz/Eicher aaO., § 77 SGB XII, Rn. 39, und bei H. Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, Kommentar zum SGB XII, 19. Auflage, § 77 Rn. 4), er aber trotzdem keine Schiedsstellenfähigkeit der Leistungsvereinbarung normiert hat, nicht anzuschließen (so auch Münder, aaO., § 77 Rn. 5 m.w N.; Flint, aaO., § 77 Rn. 10; Neumann, aaO., § 77, Rn. 8.). Letztlich kann die Begrenzung der Schiedsstellen auf die Vergütungsvereinbarungen nur vom Gesetzgeber wieder beseitigt werden (H. Schellhorn, aaO., § 77 Rn. 4).
Da der Spruch der Schiedsstelle damit rechtswidrig ist, ist auch die Kostenentscheidung des Vorsitzenden der Schiedsstelle, der der Klägerin die Gebühr des Schiedsstellenverfahrens auferlegt hat, rechtswidrig und war aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG i.Vm. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zuzulassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen Schiedsspruch der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII (Sozialgesetzbuch/Zwölftes Buch) im Land Brandenburg (im Folgenden: Schiedsstelle), mit dem die Anträge auf Festsetzung der Vergütung für den Zeitraum vom 13. Februar 2014 bis zum 31. Dezember 2014 für die A Fachkliniken T und L als unzulässig abgelehnt wurden.
Die Klägerin betreibt (unter anderem) zwei Fachkliniken, nämlich das A Fachklinikum T und das A Fachklinikum L, welche jeweils Fachbereiche für sozialpsychiatrische Rehabilitation haben. Dabei handelt es sich bei der Einrichtung in T um eine Wohnstätte für chronisch psychisch kranke Menschen, speziell für Menschen mit schweren Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen sowie Doppeldiagnosen und bei der Einrichtung in L um eine Wohnstätte für chronisch psychisch kranke Menschen mit zusätzlichen Verhaltensauffälligkeiten/Behinderungen/Erkrankungen und/oder geistig behinderte und geistig/schwermehrfachbehinderte erwachsene Menschen.
Die Klägerin und der Beklagte schlossen am 28. Juni 2013 jeweils Vereinbarungen gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII für die Einrichtungen L und T. Diese enthielten jeweils eine Leistungsvereinbarung, eine Prüfungsvereinbarung und eine Vergütungsvereinbarung, wobei die Vergütungsvereinbarungen jeweils aufgrund von Beschlüssen der Schiedsstelle vom 13. März 2013 zustande gekommen waren. Grundlage für die Leistungsvereinbarung sollten die §§ 75ff SGB XII und der Rahmenvertrag sowie die Rahmenleistungsvereinbarungen sein. In der Leistungsvereinbarung wurde für die Einrichtung T die Zahl der Betreuten mit 38 angegeben und für L mit 34. In den Leistungsvereinbarungen, die jeweils in der Anlage 1 zu der Vereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII geregelt sind, heißt es jeweils unter Pkt. 2b: ("Darstellung von Anzahl, Funktion und Qualifikation der Mitarbeiter in VK [Vollkraftanteilen] bezogen auf Pkt. 2a" gegebenenfalls als Anlage) - Einhaltung einer Personal- und Qualifikationsstruktur entsprechend den differenzierten Betreuungsanforderungen; - siehe Anlage". In der jeweiligen Anlage "Personelle Ausstattung der Behinderteneinrichtung" wurde für die Einrichtung T zum Stichtag 31. Mai 2002 von insgesamt 42,3 VK und für die Einrichtung L zum Stichtag 1. Januar 2003 von 22,99 VK ausgegangen.
Bezüglich der Vergütungsvereinbarung heißt es jeweils: "Zur Vergütung der in der Anlage 1 beschriebenen Leistungen wird auf Grundlage der §§ 75ff SGB XII und des Rahmenvertrages eine Vereinbarung mit den in der Anlage 2 ausgewiesenen Tagessätzen getroffen ( ). Mit den Vergütungen werden die in der Leistungsvereinbarung (Anlage 1) beschriebenen Leistungen abgegolten". Als Vergütung war für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis zum 30. Juni 2013 für T ein Kostensatz pro Anwesenheitstag (AN) von 140,22 Euro und pro Abwesenheitstag (AB) von 119,66 Euro vereinbart bzw. festgesetzt worden und für L von 105,56 Euro pro AN und von 90,32 Euro pro AB.
Unter Punkt 5 "Vereinbarungszeitraum/ordentliche Kündigung" heißt es jeweils: "Vereinbarungsbeginn ist laut Beschluss der Schiedsstelle vom 25. März 2013 (siehe Anlage 4) der 11. Juli 2012". Unter Punkt 5.2 heißt es jeweils: "Die Vergütungsvereinbarung ist seitens der Vertragspartner frühestens zum 30.06.2013 mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende (Posteingang) kündbar. Bis zum Inkrafttreten einer neuen Vergütungsvereinbarung gelten die vereinbarten Vergütungssätze gemäß § 77 Abs. 2 Satz 4 SGB XII weiter". Unter Punkt 5.4 heißt es jeweils: "Das Recht des örtlichen Trägers der Sozialhilfe zur fristlosen Kündigung dieser Vereinbarung (§ 78 SGB XII) bleibt unberührt".
Mit Schreiben vom 24. September 2013, überschrieben mit "Kündigung der bestehenden Kostensatzvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII für die Einrichtungen: • Fachbereich für Sozialpsychiatrische Rehabilitation des A Fachklinikums L – ( ), • Fachbereich für Sozialpsychiatrische Rehabilitation des A Fachklinikums T ( )", kündigte der Beklagte die "o.g. Vereinbarungen für die Einrichtungen in T und L. In den nächsten Tagen würden dazu die jeweiligen neuen Kostenangebote übersandt. Diese beinhalteten eine Neukalkulation der Personal-VK aufgrund der nicht nachgewiesenen Belegung der bisher vereinbarten und vergüteten Personalstellen.
Mit Schreiben vom 15. November 2013 bezeichnete der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Kündigung als haltlos und wies sie für seine Mandantschaft vollumfänglich zurück. Die abgeschlossenen Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII gälten daher fort. Er legte einen Vorschlag für die Vergütungen für die Zeit ab 1. Januar 2014 vor. Anschließende Verhandlungen scheiterten am 10. Februar 2014. Der Beklagte sei nicht bereit, dem Vorschlag des Einrichtungsträgers zu folgen, in einem gemeinsamen Verfahren den Bedarf der betreuten Klientel und den sich daraus ergebenden Personalbedarf prospektiv zu ermitteln. In den Verhandlungen hatte die Klägerin angegeben, die Platzzahl [der Betreuten] in L sei auf 30 gesunken.
Mit Schreiben vom 13. Februar 2014 stellte die Klägerin einen Antrag auf Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII. Es wurde die Festsetzung der Entgeltsätze nach § 75 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII beantragt, und zwar für das Fachklinikum T ein Entgeltsatz von 154,06 Euro pro AN und von 131,44 Euro pro AB sowie für das Fachklinikum L ein Entgeltsatz von 116,67 Euro pro AN und von 99,84 pro AB.
In ihrer Erwiderung bezüglich der Schiedsstellenanträge trug der Beklagte mit Schriftsätzen vom 7. April 2014 u.a. vor, dass bei Prüfungen im Rahmen der Verhandlungen eine anlassbezogene Qualitätsprüfung in beiden Fachkliniken stattgefunden habe. Dabei habe sich ergeben, dass eine Unterbesetzung der Personalstellen in allen Dienstarten im Gesamtumfang von 15,106 VK (für L) und von 15,198 VK (für T) vorläge. Die Klägerin sei beauflagt worden, die Differenz umgehend nachzubesetzen. Dies sei nicht geschehen. Am 24. September 2013 seien daher durch den Beklagten die bisher gültigen Vergütungsvereinbarungen gekündigt worden. Die offensichtlich unzureichende Personalbesetzung sei bisher durch den Beklagten vollumfänglich refinanziert worden. Es hätten dann Nachbesserungen durch die Klägerin stattgefunden, was aber immer noch eine Unterbesetzung von 3,381 VK (für L) und von 7,618 VK (für T) ergeben habe. Dies entspreche einer Differenz von 130 nicht geleisteten - jedoch mit 130.087,81 Euro pro Jahr vergüteten - Betreuungsstunden (für L) und 316 nicht geleisteten - jedoch mit 332.750,28 Euro pro Jahr vergüteten - Betreuungsstunden (für T). Für den Sonderdienst würden nochmal 5.342,04 Euro (für L) bzw. 22.185,16 Euro (für T) pro Jahr anfallen. Der Beklagte habe ein Angebot unterbreitet, und zwar in Höhe von 94,63 Euro pro AN und 81,03 Euro pro AB für L und 133,07 pro AN und 113,58 pro AB für T, jeweils für den Zeitraum Dezember 2013 bis Dezember 2014. Die Klägerin halte das bisher vereinbarte Personal nicht vor. Sie meine, dass die Qualität auch mit weniger Personal erbracht werden könne. Die Betreuungsdienste seien von der Klägerin ordnungsgemäß gestellt worden.
Im Schiedsstellenverfahren trug die Klägerin mit Schriftsatz vom 28. Mai 2014 vor, dass es nicht Gegenstand einer Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII sein könne, dass die Klägerin eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern beschäftigen müsse. Auch wenn diese kalkulatorisch zugrunde gelegt werde, gehe damit keineswegs eine irgendwie geartete vertragliche Verpflichtung der Klägerin gegenüber dem Beklagten einher. Eine solche Verpflichtung kollidiere mit dem Grundrecht der betroffenen Arbeitnehmer auf Vertragsfreiheit.
In der mündlichen Verhandlung vor der Schiedsstelle am 11. Juni 2014 wurde über die Frage diskutiert, ob das Kündigungsschreiben vom 24. September 2013 auch als Kündigung der Leistungsvereinbarung zu verstehen sei. Dies wurde von dem Vertreter des Beklagten bejaht. Dem wurde durch die Klägerin widersprochen. Zu keinem Zeitpunkt sei vom Beklagten zu verstehen gegeben worden, dass diese Kündigung allumfassend ausgesprochen worden sei. Auch hätte durch den Beklagten dann anders agiert werden müssen und dieser wäre wohl auch nicht in Verhandlungen mit der Klägerin gegangen.
Mit Beschluss vom 10. Juni 2014 hat die Schiedsstelle die Anträge auf Festsetzung von Entgeltsätzen für die A Fachkliniken L und T als unzulässig abgelehnt. Die Schiedsstelle habe sich eingehend mit der Kündigung durch den Antragsgegner (Beklagten) befasst. Wenn diese Kündigung als Kündigung der Leistungsvereinbarung zu verstehen sei, sei das Schiedsverfahren bereits deshalb unzulässig, da ohne gültige Leistungsvereinbarung keine Vergütung festgesetzt werden könne und eine Leistungsvereinbarung nach herrschender Ansicht nicht schiedsstellenfähig sei. Die Klägerin sei der Ansicht, die Kündigung betreffe nur die Vergütungsvereinbarungen. Ebenso lese sich die Formulierung in den Antragserwiderungen des Beklagten, wo ausdrücklich davon die Rede sei, dass die "Vergütungsvereinbarung" gekündigt worden sei. In der Verhandlung vor der Schiedsstelle habe der Beklagte allerdings auf Befragen ausgeführt, dass seine Kündigung sich auch auf die Leistungsvereinbarung beziehe. Dem habe die Klägerin widersprochen und gerügt, dass der Vorsitzende der Schiedsstelle dies dem Beklagten gleichsam in den Mund gelegt habe. Die Schiedsstelle sei der Ansicht, vor dem Hintergrund der grundlegenden Differenzen zwischen den Vertragsparteien über den Personaleinsatz, der zu refinanzieren sei, komme aus Rechtsgründen konsequenterweise nur eine Kündigung der Leistungsvereinbarungen in Betracht. Der Beklagte scheine diesen Zusammenhang aber nicht ausreichend verstanden zu haben. Trotz der Verhandlungen über den Personaleinsatz, der auf der Ebene einer Leistungsvereinbarung zu führen wäre, scheine der Beklagte die Verhandlungen wie Verhandlungen über Entgelte geführt zu haben. Dieses Missverständnis beruhe auf der engen sachlichen Verknüpfung zwischen Leistungs- und Vergütungsvereinbarung. Dennoch müssten beide Vereinbarungen nach herrschender Auffassung getrennt betrachtet und beurteilt werden. Die Schiedsstelle gehe letztlich davon aus, dass dem Beklagten nicht bewusst gewesen sei, die Leistungsvereinbarungen nach Lage der Dinge kündigen zu müssen. Dies ändere indes nichts daran, dass der Sache nach zwischen den Vertragsparteien keine Einigkeit über den Personaleinsatz in den Einrichtungen bestünde. Die Klägerin führe selbst aus, der Personalbedarf sei prospektiv zu ermitteln. Damit scheine auch die Klägerin der Auffassung zuzuneigen, der Personalbedarf gehöre in die Kalkulation der Vergütung. Dies sei indes unzutreffend. Der Inhalt ("mindestens") einer Leistungsvereinbarung sei in § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB XII festgelegt. Danach gehörten dazu u.a. "die Qualifikation des Personals" sowie die "personelle Ausstattung" der Einrichtung. Es sei abwegig zu meinen, diese Verpflichtung, die ein Leistungserbringer eingehe, könne grundgesetzwidrig sein. Es bleibe festzuhalten, dass sich die Vertragsparteien über den Umfang des zu refinanzierenden Personals nicht einig seien. Auch die Klägerin wolle sich gar nicht auf die früher abgeschlossenen Leistungsvereinbarungen berufen. Ihre in den Vertragsverhandlungen vorgelegten Kostenaufteilungen gingen nicht mehr von den Parametern der Leistungsvereinbarungen aus. Die Schiedsstelle könne sie daher nicht zugrunde legen. Vor diesem Hintergrund könne die Schiedsstelle nicht beurteilen, welcher Personalaufwand zu refinanzieren wäre. Mangels einer Einigung der Vertragsparteien über die zu refinanzierenden Leistungen sei der Schiedsstellenantrag unzulässig.
Mit Beschluss vom 11. Juli 2014 hat der Vorsitzende der Schiedsstelle die Gebühr für die Verfahren, die die Klägerin trage, auf je 2.000,00 Euro für jedes Verfahren festgesetzt.
Gegen die am 16. Juli 2014 zugestellten Beschlüsse hat die Klägerin am 18. August 2014, einem Montag, Klage bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erhoben. Die Schiedsstelle habe die Kündigung dahingehend ausgelegt, dass auch die Leistungsvereinbarung gekündigt sein sollte. Die Auslegung gebe dies jedoch nicht her.
In der Leistungsvereinbarung sei keine Regelung über die Anzahl der einzusetzenden Vollkräfte getroffen worden. Es gebe keine verbindliche Vereinbarung, die der Klägerin eine bestimmte Anzahl aufgeben würde. Auch die Anlage könne nicht als bindend verstanden werden. Sinke die Auslastung, sinke auch der Bedarf an VK, so dass eine verbindliche Vereinbarung, wonach immer eine Mindestzahl an VK bereitzuhalten sei, jeder betriebswirtschaftlichen Logik widerspräche. Im Übrigen stamme diese Vereinbarung aus dem Jahr 2003. Die Schiedsstelle hätte zur Ermittlung des leistungsgerechten Entgelts im Rahmen der Vergütungsvereinbarung eine bestimmte VK-Zahl zugrunde legen müssen, um kalkulatorisch prospektiv den Entgeltsatz zu ermitteln. Denn in der Anlage 1 zur Leistungsvereinbarung sei die "Stellenbesetzung" beschrieben und könne als prospektive Kalkulationsgrundlage herangezogen werden. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seinen Urteilen vom 7. Oktober 2015, Az. B 8 SO 1/14 R und B 8 SO 19/14 R, klargestellt, dass das Bestehen einer Leistungs- und Prüfungsvereinbarung für die Zulässigkeit des Schiedsstellenantrags keine Voraussetzung sei. Im Übrigen gelte nicht nur die Vergütungsvereinbarung, sondern auch die Leistungsvereinbarung über einen Beendigungszeitpunkt hinaus fort (Hinweis auf das Urteil des Sozialgerichts – SG - Altenburg vom 31. Mai 2016, Az. S 21 SO 1198/16 ER).
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII im Land Brandenburg vom 10. Juni 2014 aufzuheben,
sowie
den Kostenbeschluss der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII im Land Brandenburg vom 11. Juli 2014 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entgegen der Ansicht der Klägerin habe der Schiedsstellenvorsitzende in der Sitzung am 10. Juni 2014 der Beklagtenvertreterin die von ihm vertretene Auslegung des Kündigungsschreibens des Beklagten vom 24. September 2013 nicht "in den Mund gelegt". Richtig sei, dass er diese Auffassung bereits aufgrund des Wortlautes des Kündigungsschreibens gewonnen und die Vertreterin des Beklagten diese Ansicht lediglich bestätigt habe. Außerdem entspreche diese Auslegung der Rechtslage. Die Kündigungen erstreckten sich auf sämtliche Vereinbarungen, sowohl auf die Vergütungsvereinbarungen als auch auf die Leistungsvereinbarungen. Denn Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen bildeten aufgrund teleologischer und entstehungsgeschichtlicher Erwägungen eine logische Einheit. Es werde sogar ein unauflöslicher Zusammenhang zwischen Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung angenommen. Die Vergütung einer Leistung könne nämlich erst ausgehandelt werden, wenn Klarheit über Inhalt und Umfang der Leistung bestünde. Denn erst dann stünden die für die Leistungsvereinbarungen notwendigen personellen und sächlichen Mittel und somit die preisbildenden Faktoren fest. Die Beklagte habe die Vereinbarungen ausschließlich aufgrund der unzureichenden Besetzung gekündigt. Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB XII lege die Vereinbarung über die Leistung die wesentlichen Leistungsmerkmale, u.a. auch die personelle Ausstattung, fest. Die unzureichende personelle Besetzung in beiden Einrichtungen der Klägerin habe bereinigt werden sollen, so dass die ausschließliche Kündigung der Vergütungsvereinbarungen nicht zu dem vom Beklagten angestrebten Ziel geführt hätte. Bei beiden Einrichtungen habe die Leistungsvereinbarung die personelle Ausstattung zum Gegenstand. Diese enthalte die vollständigen Angaben zum Personal; diese Angaben seien als Anlage zur Leistungsvereinbarung auch bindend. Die rechnerische Anpassung an die tatsächliche stichtagsbezogene Belegung erfolge bei den Auswertungen im Rahmen der Qualitätsprüfungen. Dennoch seien durch die Klägerin keine Nachbesserungen vorgenommen worden, so dass der Beklagte nur noch durch die Kündigungen aller Vereinbarungen eine Anpassung der personellen Ausstattungen sowie der entsprechenden Vergütungen habe erreichen können. Daher hätten beide Parteien gewusst, dass es ausschließlich um die Korrektur der personellen Ausstattungen gehe und sich die Kündigung des Beklagten deshalb sowohl auf die Leistungs- als auch die Vergütungsvereinbarungen beziehe. Es werde bestritten, dass die Parteien nur über die Vergütungsvereinbarungen gestritten hätten und die jeweiligen Leistungsvereinbarungen hätten fortbestehen sollen. Die Schiedsstelle habe die Anträge aufgrund der mangelnden Schiedsstellenfähigkeit von Leistungsvereinbarungen auch zutreffend als unzulässig zurückgewiesen.
In einem Erörterungstermin am 12. Januar 2015 hat die Vertreterin des Beklagten mitgeteilt, dass die Leistungsvereinbarung zwischenzeitlich nicht (ggf. nochmal) gekündigt worden sei. Der Beklagte gehe davon aus, dass die Leistungsvereinbarung bereits gekündigt sei und dass auch die Schiedsstelle hiervon ausgegangen sei.
Mit Schreiben vom 14. Januar 2015 hat der Beklagte die Leistungsvereinbarungen gemäß § 75 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XII für die Einrichtungen in T und L gekündigt. Wörtlich heißt es: "vorsorglich kündige ich gemäß § 77 Abs. 3 SGB XII und § 78 SGB XII i. V. m. § 76 Abs. 3 SGB XII erneut die mit ihnen abgeschlossenen Leistungsvereinbarungen aus dem Jahr 2003 für die Einrichtungen" T und L "mit sofortiger Wirkung". Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 14. Januar 2015 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
Die Verwaltungsakten des Beklagten und die Akten der Schiedsstellehaben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 4 SGB XII ist gegen die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben, und zwar gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstinstanzlich zum Landessozialgericht.
Örtlich zuständig ist gemäß § 57 Abs. 1 SGG das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, da die Klägerin ihren Sitz in B hat.
Die Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG ist die richtige Klageart. Bei dem Beschluss der Schiedsstelle handelt es sich wegen seiner Funktion als Interessenausgleich um einen vertragsgestaltenden Verwaltungsakt, den die Schiedsstelle als Behörde im Sinne des § 31 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) erlassen hat. Hat die Anfechtungsklage Erfolg, ist nach Aufhebung des Schiedsspruchs das Schiedsverfahren wiedereröffnet, so dass es einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Schiedsstelle im Rahmen einer Verpflichtungsbescheidungs-klage auch in der Sache nicht bedarf. Eine Bindung der Schiedsstelle an die Begründung des Anfechtungsausspruchs des Gerichts wird mittelbar dadurch bewirkt, dass die Schiedsstelle ihre Rechte nur von den Beteiligten des gerichtlichen Verfahrens ableitet, die wiederum an den Urteilsausspruch gebunden sind (vgl. Urteil des BSG vom 23. Juli 2014, Az. B 8 SO 2/13 R, juris Rn. 11 und 12 mit zahlreichen weiteren Nachweisen = SozR 4-3500 § 77 Nr. 1).
Eines Vorverfahrens bedurfte es gemäß § 77 Abs. 1 Satz 6 SGG nicht.
Die sachliche Zuständigkeit des örtlichen Trägers der Sozialhilfe, hier des Beklagten, folgt aus § 97 Abs. 1 und 2 SGB XII i.V. mit § 5 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (AG-SGB XII) des Landes Brandenburg vom 3. November 2010, (GVBl. I/10, [Nr. 36]), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 10. Juli 2014 (GVBl. I/14, [Nr. 29]), i.V. mit § 1 Nr. 1 der Verordnung zur Übertragung der Zuständigkeiten nach § 5 Abs. 4 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (ZustÜV) vom 15. April 2011, (GVBl. II/11, [Nr. 21]). Danach wurde die sachliche Zuständigkeit für den Abschluss von Leistungs-, Prüfungs- und Vergütungsvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 und 5 des SGB XII auf die örtlichen Träger der Sozialhilfe übertragen.
Der Beklagte ist auch für den Abschluss von Vergütungs- (und Leistungs-) Vereinbarungen zuständig. Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 2 SGB XII sind Vertragsparteien der Vereinbarungen der Träger der Einrichtung und der für den Sitz der Einrichtung zuständige Träger der Sozialhilfe. Es wird also bzgl. des Vertragspartners des Trägers der Einrichtung darauf abgestellt, wo die Einrichtung selbst gelegen ist, nicht auf den Sitz des Trägers der Einrichtung (vgl. Urteil des BSG vom 7. Oktober 2015, Az. B 8 SO 1/14 R, juris Rn. 13 = SozR 4-3500 § 77 Nr. 2). Da die Einrichtungen in L und T gelegen sind, die wiederum zum Landkreis Dahme-Spreewald gehören, ist der Beklagte die richtige Vertragspartei.
Der Klage war stattzugeben, weil die Schiedsstelle zu Unrecht von einer Unzulässigkeit der Anträge auf Festsetzung von Entgeltsätzen ausgegangen ist.
Gegenstand des Verfahrens vor der Schiedsstelle war der Abschluss einer Vergütungsvereinbarung nach § 76 Abs. 2 Satz 1, 75 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII. Eine solche war zwischen der Klägerin und dem Beklagten innerhalb von sechs Wochen nach Eingang des Antrags auf Abschluss einer Vergütungsvereinbarung am 15. November 2013 nicht zustande gekommen, so dass gemäß § 77 Abs. 1 Satz 3 SGB XII auf Antrag der Klägerin die Schiedsstelle zu entscheiden hatte. Diese entscheidet nach dieser Vorschrift unverzüglich über die Gegenstände, über die keine Einigung erreicht werden konnte.
Die Anträge der Klägerin auf Festsetzung von Entgeltsätzen sind nicht deshalb unzulässig, weil Leistungsvereinbarungen nicht (mehr) bestünden. Diese sind nicht gekündigt. Zutreffend hat die Schiedsstelle jedoch angenommen, dass der Personalbedarf in der Leistungsvereinbarung festzulegen ist. Letzteres ergibt sich aus § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 10 des Rahmenvertrages nach § 79 Abs. 1 SGB XII des Landes Brandenburg vom 1. Januar 1999 in der überarbeiteten Fassung vom 20. Mai 2011 (Rahmenvertrag). § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB XII lautet:
Die Vereinbarung über die Leistung muss die wesentlichen Leistungsmerkmale festlegen, mindestens jedoch die betriebsnotwendigen Anlagen der Einrichtung, den von ihr zu betreuenden Personenkreis, Art, Ziel und Qualität der Leistung, Qualifikation des Personals sowie die erforderliche sächliche und personelle Ausstattung.
§ 10 Abs. 2 Satz 5 des Rahmenvertrages lautet:
Die personelle Ausstattung ist Teil der Leistungsvereinbarung.
Nicht zuzustimmen ist der Auffassung der Klägerin, die personelle Ausstattung sei nicht in der Leistungsvereinbarung geregelt bzw. die Anlage "Personelle Ausstattung der Behinderteneinrichtung" zur Leistungsvereinbarung sei nicht verbindlich, was bedeuten würde, es käme auf das Vorliegen von Leistungsvereinbarungen hier gar nicht an, da die personelle Ausstattung Streitpunkt zwischen den Beteiligten ist. Das Vorliegen einer Leistungsvereinbarung ist erforderlich, aber hier auch gegeben. Die Leistungsvereinbarungen für die Einrichtungen T und L sind nach wie vor gültig und nicht - rechtswirksam - gekündigt, weder durch das Schreiben des Beklagten vom 24. September 2013 noch durch das vom 14. Januar 2015. Bei der Kündigung einer Vereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung (vgl. Urteil des Landessozialgerichts - LSG - Berlin-Brandenburg vom 5. Dezember 2013, Az. L 23 SO 38/10 KL, juris Rn. 56), für die Auslegung ist auf die Grundsätze des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abzustellen. Diese Vorschrift lautet:
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Maßstab für die Auslegung ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde erkennen kann (Urteil des BSG vom 23. März 2010, Az. B 8 SO 2/09 R, juris Rn. 14 = SozR 4-5910 § 92c Nr. 1). Der Wortlaut des Kündigungsschreibens des Beklagten vom 24. September 2013 deutet darauf hin, dass nur die Vergütungsvereinbarungen gekündigt werden sollten, da er den Begriff "Kostensatzvereinbarung" verwendet. Die Verwendung der Mehrzahl ("kündige ich die o.g. Vereinbarungen") kann sich auch nur auf die beiden Vergütungsvereinbarungen und muss sich nicht auch auf die Leistungsvereinbarungen beziehen. Auch aus der Nennung der Vorschrift des § 75 Abs. 3 SGB XII in der Überschrift ("Kündigung der bestehenden Kostensatzvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII") ergibt sich nicht, dass auch die Leistungsvereinbarungen gekündigt werden sollten. Allein aus der Mitteilung, dass der Klägerin in den nächsten Tagen die jeweiligen neuen Kostenangebote übersandt werden sollten, die "eine Neukalkulation der Personal-Vollkräfte (VK), auf Grund der nicht nachgewiesenen Belegung der bisher vereinbarten und vergüteten Personalstellen" beinhalten sollten, kann man ersehen, dass der Beklagte an der bisher vereinbarten Personalausstattung nicht festhalten wollte. Da die Klägerin sachkundig ist, kann man davon ausgehen, dass sie erkennen konnte, dass damit auch die Leistungsvereinbarungen betroffen sein mussten. Nicht dagegen konnte sie ohne weiteres daraus schließen, dass diese gekündigt werden sollten. Vielmehr konnte dies auch ein Angebot oder ein Verlangen nach Anpassung des Vertragsinhaltes bzgl. der Leistungsvereinbarungen darstellen, das z.B. gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) möglich ist. Im Zweifel sollte, wenn ein auf die Fortsetzung einer Vereinbarung unter geänderten Bedingungen gerichtetes Begehren erkennbar wird, dieses als Verlangen nach Neuverhandlung und nicht als Kündigung der bestehenden Vereinbarung ausgelegt werden (so - allerdings zur entsprechenden Auslegung als Neuverhandlungsbegehren gemäß § 77 Abs. 3 SGB XII - Jaritz/Eicher in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, Stand 3. November 2016, § 77 Rn. 137). Grund hierfür ist, einen vertragslosen Zustand mit seinen negativen Konsequenzen zu vermeiden. Eine Kündigung der Leistungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII entzieht der Einrichtung den Rechtsstatus des zugelassenen Leistungserbringers und greift in ihr Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit ein. Sie ist nur unter strengen Rechtfertigungsanforderungen möglich, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten. Angesichts der Schwere des Eingriffs ist eine Kündigung im Regelfall nur dann verhältnismäßig, wenn zuvor eine einverständliche Lösung gesucht wurde (vgl. - allerdings zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 78 SGB XII, die noch strengeren Anforderungen unterliegt als eine ordentliche Kündigung, letztendlich aber die gleichen Konsequenzen hat -: Neumann in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB XII, Stand November 2015, § 78 Rn. 3 m.w. N.).
Nach Wortlaut und Umständen des Kündigungsschreibens ist dieses nicht als Kündigung auch der Leistungsvereinbarungen zu verstehen. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass der Beklagte selbst ausweislich seiner Erwiderungen im Schiedsstellenverfahren lediglich von einer Kündigung der Vergütungsvereinbarungen ausging.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Kündigungsschreiben vom 14. Januar 2015. Die darin ausgesprochene Kündigung ist unwirksam, so dass sich das vorliegende Verfahren nicht erledigt hat.
Der Beklagte hat mit dem Schreiben vom 14. Januar 2015 eine außerordentliche Kündigung vorgenommen. Dies ergibt sich daraus, dass er die Kündigung "mit sofortiger Wirkung" ausgesprochen und sich (u.a.) auf die Vorschrift des § 78 SGB XII berufen hat sowie aus der Begründung der Kündigung. § 78 SGB XII lautet:
Ist wegen einer groben Verletzung der gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Leistungsberechtigten und deren Kostenträgern durch die Einrichtung ein Festhalten an den Vereinbarungen nicht zumutbar, kann der Träger der Sozialhilfe die Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Das gilt insbesondere dann, wenn in der Prüfung nach § 76 Abs. 3 oder auf andere Weise festgestellt wird, dass Leistungsberechtigte infolge der Pflichtverletzung zu Schaden kommen, gravierende Mängel bei der Leistungserbringung vorhanden sind, dem Träger der Einrichtung nach heimrechtlichen Vorschriften die Betriebserlaubnis entzogen oder der Betrieb der Einrichtung untersagt wird oder die Einrichtung nicht erbrachte Leistungen gegenüber den Kostenträgern abrechnet. Die Kündigung bedarf der Schriftform. § 59 des Zehnten Buches bleibt unberührt.
Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung liegen jedoch nicht vor. Die beispielhaft in der Vorschrift benannten Kündigungsgründe sind nicht gegeben, auch und insbesondere der von dem Beklagten in Bezug genommene Grund nicht, dass nicht erbrachte Leistungen gegenüber den Kostenträgern abgerechnet werden. Diese Alternative ist erfüllt, wenn die Einrichtung Leistungen abrechnet, die sie gegenüber dem Hilfebedürftigen nicht erbracht hat. Dass dies hier der Fall wäre, behauptet jedoch auch der Beklagte nicht. Es liegt auch in der Berechnung der Leistungen unter Berücksichtigung des in der Leistungsvereinbarung festgelegten Personalschlüssels keine ähnlich schwerwiegende Verfehlung der Einrichtungen oder der Klägerin als deren Träger. Eine sonstige grobe Pflichtverletzung, die zur fristlosen Kündigung berechtigen würde, muss mit den Regelbeispielen vergleichbar sein, d.h., die Pflichtverletzung des Leistungserbringers muss die Erbringung bedarfsdeckender Leistungen gefährdet oder verhindert haben (Münder in LPK-SGB XII, § 78 Rn. 1; ähnlich H. Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, Kommentar zum SGB XII, 19. Auflage, § 78 Rn. 4). Der Beklagte wirft der Klägerin jedoch nicht vor, die Hilfebedürftigen in ihren Einrichtungen nicht ausreichend versorgt zu haben, sondern mit einem Entgeltsatz abzurechnen, der unter Berücksichtigung einer Personalausstattung berechnet wurde, die von der Klägerin nicht vorgehalten werde. Dies betrifft aber eben gerade die Leistungsvereinbarung. Es wäre ein Zirkelschluss, wollte man die – außerordentliche – Kündigung einer Leistungsvereinbarung damit rechtfertigen, dass in der Leistungsvereinbarung eine bestimmte Personalausstattung vereinbart ist.
Im Übrigen hat der Beklagte auch kein Ermessen ausgeübt, dies ist jedoch wegen der oben bereits angesprochenen negativen Konsequenzen eines vertragslosen Zustandes notwendig, bei der Ausübung des Ermessens ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (Neumann, aaO., § 78 Rn. 3 m.w.N.).
Auch die Voraussetzungen einer Kündigung gemäß § 77 Abs. 3 SGB XII, auf die sich der Beklagte ebenfalls berufen hat, liegen nicht vor. Diese Vorschrift lautet:
Bei unvorhersehbaren wesentlichen Veränderungen der Annahmen, die der Vereinbarung oder Entscheidung über die Vergütung zu Grunde lagen, sind die Vergütungen auf Verlangen einer Vertragspartei für den laufenden Vereinbarungszeitraum neu zu verhandeln. Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend.
Bei der Nichteinhaltung der personellen Ausstattung handelt es sich nicht um eine "unvorhersehbare wesentliche Veränderung", da diese von der Klägerin beeinflussbar ist. Im Übrigen gilt § 77 Abs. 3 SGB XII nach seinem Wortlaut nur für die Vergütungsvereinbarung. Es wird zwar in der Literatur vertreten, dass § 77 Abs. 3 SGB XII auch auf die Leistungsvereinbarung anwendbar sei (vgl. Jaritz/Eicher, aaO., § 77 Rn. 133). Dem vermag sich der Senat jedoch wegen des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift nicht anzuschließen.
Auch die Voraussetzungen für eine Kündigung nach § 59 Abs. 1 SGB X sind nicht erfüllt. Diese Vorschrift ist zwar in dem Kündigungsschreiben vom 14. Januar 2015 nicht genannt, das Kündigungsschreiben könnte jedoch nach den oben dargelegten Auslegungsregelungen so auszulegen sein, dass eine solche Kündigung gemeint wäre. Selbst wenn dies jedoch der Fall wäre, wäre auch eine Kündigung nach § 59 Abs. 1 SGB X rechtswidrig. Die genannte Vorschrift lautet:
Haben die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, sich seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, so kann diese Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen. Die Behörde kann den Vertrag auch kündigen, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
Wenn man davon ausgehen würde, dass eine Änderung in den Verhältnissen dadurch eingetreten ist, dass die ursprünglich vereinbarte Personalausstattung nicht eingehalten wird, so wäre zu beachten, dass die Kündigung nur erfolgen darf, wenn eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist. Dabei entspricht "nicht möglich" der Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und umfasst alle Fälle einer objektiven und subjektiven Unmöglichkeit der Anpassung (vgl. Becker in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB X, Stand September 2014, § 59 Rn. 91). Dies ist hier nicht der Fall. Die Anpassung wäre auch für keine der Vertragsparteien unzumutbar. Der Beklagte könnte und müsste vor einer Kündigung - wegen der oben geschilderten gravierenden Auswirkungen einer Kündigung für die Klägerin - eine Anpassung ggfs. durch Leistungsklage vor den Sozialgerichten durchsetzen (vgl. zur Möglichkeit der Durchsetzung mittels Leistungsklage Becker aaO., § 59 Rn. 78ff, insbesondre Rn. 81 m.w.N.). Im Übrigen hätte der Beklagte auch bzgl. einer Kündigung nach § 59 Abs. 1 SGB X Ermessen ausüben müssen, was er nicht getan hat.
Entgegen der Auffassung der Schiedsstelle und ausweislich der Klagebegründung will sich die Klägerin auch auf die früher abgeschlossenen Leistungsvereinbarungen berufen.
Es zeigt sich an diesem Fall das in der Literatur wiederholt dargestellte Dilemma, dass Leistungs- und Vergütungsvereinbarung so eng miteinander verknüpft sind, dass ohne eine Leistungsvereinbarung bzw. ohne eine Einigung über sämtliche der darin enthaltenen Leistungsmerkmale die Festsetzung einer Vergütung nicht möglich ist, das Gesetz aber (in § 77 Abs. 1 Satz 3 SGB XII, der nur auf § 76 Abs. 2 SGB XII und damit auf die Vergütungsvereinbarungen verweist) eine Entscheidung der Schiedsstelle nur für Vergütungsvereinbarungen vorsieht. Dies ist eine problematische Situation: Um zu Leistungs- und Prüfungsvereinbarungen zu kommen, wäre der Weg zu den Sozialgerichten notwendig und erst im Anschluss daran könnte - bei nicht zu Stande gekommener Entgeltvereinbarung - die Schiedsstelle angerufen werden. Dies führt dazu, dass Leistungsanbieter durch das Verweigern von Vertragsabschlüssen faktisch vom Markt ausgeschlossen werden [können] (Münder in LPK-SGB XII, 10. Auflage, § 77 Rn. 5). Im vorliegenden Fall führt es dazu, dass eine schnelle und effektive Einigung - durch die Schiedsstelle - nicht möglich ist, sondern der Sozialhilfeträger auf eine Klage zur Anpassung zu verweisen ist (s.o.), wenn Verhandlungen nicht zu einer Einigung führen. Der - vom Ergebnis her vorzuziehenden und wünschenswerten - Lösung, entgegen dem Wortlaut des § 77 Abs. 1 Satz 3 SGB XII eine Schiedsstellenfähigkeit der Leistungsvereinbarung anzunehmen (so Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 77 SGB XII, Rn. 37ff), vermag sich der Senat auf Grund der Tatsache, dass dem Gesetzgeber die Problematik bekannt war (vgl. zum Gesetzgebungsverfahren die Schilderung bei Jaritz/Eicher aaO., § 77 SGB XII, Rn. 39, und bei H. Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, Kommentar zum SGB XII, 19. Auflage, § 77 Rn. 4), er aber trotzdem keine Schiedsstellenfähigkeit der Leistungsvereinbarung normiert hat, nicht anzuschließen (so auch Münder, aaO., § 77 Rn. 5 m.w N.; Flint, aaO., § 77 Rn. 10; Neumann, aaO., § 77, Rn. 8.). Letztlich kann die Begrenzung der Schiedsstellen auf die Vergütungsvereinbarungen nur vom Gesetzgeber wieder beseitigt werden (H. Schellhorn, aaO., § 77 Rn. 4).
Da der Spruch der Schiedsstelle damit rechtswidrig ist, ist auch die Kostenentscheidung des Vorsitzenden der Schiedsstelle, der der Klägerin die Gebühr des Schiedsstellenverfahrens auferlegt hat, rechtswidrig und war aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG i.Vm. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved