L 1 KR 442/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 3 KR 384/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 442/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. August 2015 und der Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2012 werden aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, welche ihre Kosten selbst zu tragen haben. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 25.108,26 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Im Streit steht ein Prüfbescheid der Beklagten.

Die Klägerin betrieb mehrere Callcenter. Der Beigeladene zu 1) (nachfolgend nur noch: "der Beigeladene") war bei ihr vom 14. Januar 2008 bis zum Jahr 2013 als Produktentwickler tätig. Die Beteiligten schlossen dazu am 12. Dezember 2007 einen schriftlichen Arbeitsvertrag. Vereinbart war darin eine Nettovergütung von 2.200 EUR monatlich, mit der die gesamte Tätigkeit abgegolten sein sollte. Mündliche Nebenabreden bestünden nicht, Änderungen des Arbeitsvertrags sollten der Schriftform bedürfen. Mit Schreiben vom 21. Januar 2008 unter dem Betreff "Protokoll unser heutigen Besprechung" teilte die Klägerin dem Beigeladenen mit, dass ein Arbeitsentgelt von 1.200 EUR netto im Monat vereinbart worden sei. Dienstfahrten mit dem Pkw würden monatlich mit einem Kilometergeld in Höhe von 0,30 EUR je gefahrenen Kilometer abgerechnet. Wie berechnet, gingen beide Seiten zunächst von 3344 Kilometer im Monat aus. Sollte dies künftig nicht mehr stimmen, werde der Beigeladene entsprechend gefahrener Kilometer abrechnen.

Die Beklagte führte am 15. März 2012 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung nach § 28 p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2011 durch. Sie forderte mit Bescheid vom 9. Mai 2012 25.108,56 EUR einschließlich Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 SGB IV in Höhe von 5.159 EUR nach. Nach dem Arbeitsvertrag vom 12. Dezember 2007 sei ein Nettoarbeitsentgelt von 2.200 EUR vereinbart worden. Für Januar 2008 habe der Beigeladene zu 1 noch einen Nettobetrag von 2.200 EUR anteilig für 18 Tage ausgezahlt bekommen. Ab Februar 2008 habe er nur noch 1.200 EUR Nettoarbeitsentgelt zuzüglich 1.003,20 EUR Kilometergeld steuer- und beitragsfrei ausgezahlt bekommen. Der Sinn und Zweck von steuerfreien Zuschlägen werde hier umgangen. Der Arbeitgeber könne Reisekosten steuerfrei ersetzen, die dem Arbeitnehmer durch eine beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit entstünden, § 3 Nr. 13 Einkommenssteuergesetz (EStG) und § 3 Nr. 16 EStG. Im Rahmen der Prüfung seien hier Kilometergeldabrechnungen vorgelegt worden, aus denen sich monatlich immer die

gleichen Fahrten (3344 km) ergäben. Weder Urlaub noch Krankheit sei berücksichtigt worden, obgleich der Beigeladene z. B. vom 8. Oktober 2008 bis 18. November 2008 krank geschrieben gewesen sei.

Die Klägerin erhob am 6. Juni 2012 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, der Beigeladene lege immer dieselben Wegstrecken zurück. Aufgrund der Identität der Wegstrecken und der Anzahl sei die Höhe der monatlichen Fahrtkosten absehbar und habe in den arbeitsvertraglichen Verhandlungen berücksichtigt werden können. Es sei bereits bei der Vertragsunterzeichnung ein Nettogehalt von 1.200 EUR zuzüglich Fahrtkosten in Höhe von 1.000 EUR vereinbart worden. Aus nicht mehr nachvollziehbaren Vereinfachungsgründen sei dann ein Nettoarbeitslohn in Höhe von 2.200 EUR in den Vertrag aufgenommen worden. Diese Vereinfachung sei von der Buchhaltung übernommen worden, so dass zunächst für Dezember 2007 fehlerhaft eine Abrechnung auf der Basis eines Nettolohns in Höhe von 2.200 EUR erfolgt sei. In den Folgemonaten sei dies korrigiert worden. Soweit sie tatsächlich die Intension gehabt haben sollte, Beitragspflichten zu verletzen bzw. zu umgehen, so hätte sie den widersprüchlichen Arbeitsvertrag vom 12. Dezember 2007 nicht unverändert gelassen. In den vier Jahren der Beschäftigung sei der Beigeladene ein Mal längere Zeit erkrankt gewesen. Er habe sich in dieser Zeit um eine Lösung bemüht und seinen Pkw an einen Subtitutsmitarbeiter verliehen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2012 zurück. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) seinen Zuschläge – wie vorliegend eine pauschalierte Fahrtkostenerstattung – nur beitragsfrei, wenn sie zusätzlich zu Löhnen und Gehältern gewährt würden. Sei ein Nettoarbeitsgelt vereinbart worden, gelte als Arbeitsentgelt die Einnahmen einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie zur Arbeitsförderung, § 14 Abs. 2 SGB IV. Bei der Ermittlung des für die Sozialversicherung anzusetzenden Bruttoarbeitsentgelts aus einem Nettoarbeitsentgelt blieben die individuellen Steuerfreibeträge oder Hinzurechnungsbeträge des Arbeitnehmers außer Ansatz. Die Beitragsanteile seien von dem Bruttoarbeitsentgelt zu berechnen, das sich für die Bemessung der Steuern ergäbe, wenn die Steuerfreibeträge nicht gekürzt oder die Hinzurechnungsbeträge nicht hinzugerechnet worden wären. Würden wie im vorliegenden Fall Fahrtkosten anstelle des geschuldeten Nettoarbeitsentgeltes erbracht, so handele es sich nicht um eine zusätzliche Leistung, da der Bruttolohn des Arbeitnehmers im Fallergebnis unverändert bleibe. Der nach einer solchen Entgeltumwandlung als Zuschuss bezeichnete Teil des Arbeitsentgeltes sei deshalb steuer- und beitragspflichtig. Laut vorliegendem Arbeitsvertrag vom 12. Dezember 2007 sei ein Nettoarbeitsentgelt von 2.200 EUR vereinbart gewesen. Nur ergänzend werde darauf hingewiesen, dass Pauschalvergütungen, die wegen der Benutzung eines eigenen Fahrzeuges ohne Rücksicht auf die Anzahl und Fahrtstrecken der tatsächlich ausgeführten Fahrten für einen bestimmten Zeitraum gewährt würden, stets steuer- und beitragspflichtiges Arbeitsentgelt seien.

Am 17. Oktober 2012 hat die Klägerin hiergegen Klage beim Sozialgericht Potsdam (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt.

Der Beigeladene hat vorgetragen, er habe mit seiner Arbeitgeberin vereinbart, dass er sowohl für seine Tätigkeiten ein Gehalt erhalte als auch seine entsprechenden Fahrtkosten abrechne. Da er mit dem eigenen Fahrzeug regelmäßig zwischen den einzelnen Betriebsstätten pendele, entstünden regelmäßig die gleichen Kosten. Er verstehe die ganze Aufregung nicht. Wenn er krank gewesen sei, habe jemand seine Aufgaben übernehmen müssen. Es sei von Anfang an ungefähr so kalkuliert worden und es habe sich dann nach den ersten ein bis zwei Monaten gezeigt, wie es sich einpendele.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 20. August 2015 abgewiesen (Zustellung: 21. September 2015). Nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag habe der Beigeladene, einen Anspruch auf ein Nettoarbeitsentgelt von 2.200 EUR gehabt. Angebliche mündliche Vereinbarungen oder die Abreden zum Zustandekommen und der Zusammensetzung des Nettoarbeitsentgeltes verfingen nicht. Denn nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Nachweis der für einen Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (Nachweisgesetz) habe der Arbeitgeber spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Bedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Die Klägerin habe die Fahrtkostenerstattung auch nicht als steuerfreie Aufwandentschädigung zusätzlich zum geschuldeten Bruttoentgelt gezahlt. Denn der Beigeladene habe zwar eine intensive Reisetätigkeit absolviert, die aber nicht immer die gleichen Strecken nach S und L betroffen hätten. Denn er und der Bevollmächtigte der Klägerin hätten übereinstimmend mitgeteilt, dass der Beigeladene auch für die Betreuung von Kooperationspartnern tätig war, teilweise in Mecklenburg-Vorpommern und in Magdeburg. Insgesamt zeige sich, dass die Kilometergelderstattung nicht von tatsächlich abgerechneten Fahrten und nicht zusätzlich zum Arbeitsentgelt vorgenommen worden sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 20. Oktober 2015. Zu deren Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Ergänzend führt sie aus, es gäbe eine schriftliche Änderung des ursprünglichen Arbeitsvertrages. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe bereits 2001 entschieden (Bezugnahme auf Urteil vom 27. April 2001), dass Vergütungen zur Erstattung von Reisekosten auch dann nach § 3 Nr. 16 EStG als steuerfrei anzusehen seien, wenn sie der Arbeitgeber aus umgewandeltem Arbeitslohn zahle. Die Finanzverwaltung habe sich in den Hinweisen zu R 3.16 LStR diesem Urteil angeschlossen. Rechtsfehlerhaft seien auch die Ausführungen des SG zu den Kilometerangaben. R 9.5 Abs. Satz 4 LStR regele eine Vereinfachung, wonach ein Arbeitnehmer solange einen Kilometeransatz wählen dürfe, bis sich die Verhältnisse wesentlich änderten und er dies dem Arbeitgeber mitteile. Dieser Hinweis sei auch bei Nutzung pauschaler Kilometersätze anzuwenden. Selbstverständlich sei der Beigeladene unterschiedliche Strecken gefahren, dies sei aber unmaßgeblich. Unmaßgeblich seien auch die unterschiedlichen Tätigkeiten. Hieraus ließen sich keine Rückschlüsse darauf ziehen, ob die abrechneten Kilometer nicht mit den tatsächlich gefahrenen Kilometern übereinstimmten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. August 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 19. September 2012 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Der Anspruch auf eine Nettoarbeitsvergütung von 2.200 EUR monatlich auf Grundlage des § 5 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 12. Dezember 2007 sei weder durch eine mündliche Vereinbarung noch durch das erst im Berufungsverfahren vorgelegte Schreiben der Klägerin vom 21. Januar 2008 wirksam abbedungen worden. Denn nach § 13 Abs. 2 des Arbeitsvertrages bedürften alle Änderungen der Schriftform. Auch wenn man der Argumentation der Klägerin folge, führte der umgewandelte Arbeitslohn nicht zur Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung, da Zuschüsse nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 SvEV nur dann beitragsfrei blieben, wenn sie zusätzlich zum Arbeitsentgelt gewährt würden. Hieran fehle es. Rein tatsächlich seien die gefahrenen Kilometer zudem nicht ausreichend belegt.

Entscheidungsgründe:

Es konnte im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter allein entschieden werden. Alle Beteiligten habe sich mit einer solchen Vorgehensweise einverstanden erklärt, §§ 155 Abs. 3, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden werden.

Die Berufung hat Erfolg. Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Nach § 28 p Abs. 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag entstehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28 a SGB IV) mindestens alle vier Jahre. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28 h Abs. 2 SGB IV sowie § 93 SGB IV i. V. m. § 89 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch nicht (§ 28 p Abs. 1 Satz 5 SGB IV). Nach § 28 d Sätze 1 und 2 SGB IV werden als Gesamtsozialversicherungsbeitrag die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag aus Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Recht der Arbeitsförderung gezahlt. Dies gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten. Bemessungsgrundlage für die Höhe der Beiträge abhängig Beschäftigter ist in der Kranken-, Pflege-, Renten- sowie Arbeitslosenversicherung jeweils das Arbeitsentgelt des Beschäftigten, § 226 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 75 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch i. V. m. § 226 Abs. 1 Satz 1 SGB V, § 162 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, § 342 Sozialgesetzbuch Drittes Buch. Der gesetzliche Auftrag der Beitragsüberwachung schließt auch die Prüfung der Umlagen U1 (Krankheitsaufwendungen) / U2 (Mutterschaftsgeld). Diese gehören zu den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen, weil sie aufgrund in § 10 des Gesetzes über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (AAG) den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung gleichgestellt sind, die ihrerseits Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrages sind (vgl. Sehnert in: Hauck/Noftz, SGB, 03/14, § 28 p SGB IV Rdnr. 6 mit Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 30. Oktober 2002 – B 1 KR 19/01 R). Nach der Intension des Gesetzgebers sind diese Umlagen auch Gegenstand der Betriebsprüfung durch die Rentenversicherungsträger (Scheer in: Schlegel/Voelzke, juris PK-SGB IV, 3. Auflage 2016, § 28 p SGB IV Rdnr. 153 mit Bezugnahme auf BT-Drs. 13/1205 Seite 6).

Allerdings ist der angefochtene Bescheid materiell rechtswidrig, weil von unterlassener Beitragszahlung nicht auszugehen ist.

Es steht zur Überzeugung des Senates fest, dass die Klägerin und der Beigeladene vereinbart hatten, dass dieser einen Nettolohn und daneben eine Fahrtkostenerstattung erhalten sollte.

Jedenfalls für die Zeit ab Februar 2008 wurde entgegen der ursprünglichen schriftlichen Vereinbarung ein Arbeitsentgelt von 1.200 EUR netto im Monat zuzüglich abzurechnendem Kilometergeld vereinbart, wobei Übereinstimmung bestand, dass dies regelmäßig in Höhe von rund 1.000 EUR anfalle (3340 km pro Monat). Die entsprechende mündliche Änderung bzw. Klarstellung des Arbeitsvertrages ist nicht aufgrund der im ursprünglichen Vertrag enthaltenen Schriftformvereinbarung für Abänderungen ungültig. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass mündlich vereinbarte Änderungen eines Arbeitsvertrages trotz einer vereinbarten Schriftform wirksam sind, wenn die Parteien die Maßgeblichkeit der mündlichen Vereinbarung übereinstimmend gewollt und damit das früher vereinbarte Schriftformerfordernis jedenfalls für diese Änderungsabrede aufgehoben haben (vergleiche Bundesarbeitsgericht -BAG, Urteil vom 24. März 1992 – 1 AZR 215/91 juris - Rdnr. 40 mit Bezugnahme auf Urteil vom 10. Januar 1989 – 3 AZR 460/87; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Februar 2009 juris - Rdnr. 46 mit weiteren Nachweisen der Rechtsprechung des BAG). Von einer solchen Abänderung ist hier auszugehen. Der Beigeladene hat die entsprechenden Angaben der Klägerin stets bestätigt, obwohl – wie ihm bewusst ist – er von dem streitgegenständlichen Prüfbescheid profitieren würde. Zu seinen Gunsten müssten Beiträge nämlich nachentrichtet werden.

Ein Verstoß gegen das Nachweisgesetz ist nicht ersichtlich. Die maßgebliche Regelung ist dem Beigeladenen durch seine Arbeitsgeberin im Schreiben vom 21. Januar 2008 mitgeteilt worden. Über dies führte ein Verstoß gegen das Nachweisgesetz nicht zur Nichtigkeit der (geänderten) Entgeltvereinbarung (LSG Baden-Württemberg, a. a. O. juris - Rdnr. 46 mit weiteren Nachweisen).

Bei der Kostenerstattung in Höhe von rund 1.000 EUR pro Monat hat es sich in diesem Einzelfall nicht um einen Teil der Vergütung sondern um eine zusätzliche im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 SvEV gehandelt.

Eine Umgehung dieser Vorschrift ist nicht ersichtlich:

Grundsätzlich zählen gewährte Fahrtkostenzuschüsse zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 Abs. 1 S 1 SGB IV i. V. m. den für die einzelnen Versicherungszweige geltenden speziellen Regelungen. Denn nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus einer Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Hier allerdings ergibt sich aus § 17 SGB IV i. V. m § 1 Abs. 1 Nr. 1 SvEV ausnahmsweise ein Ausschluss. § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB IV ermächtigt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung, insbesondere zur Vereinfachung des Beitragseinzugs, zu bestimmen, dass einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, und steuerfreie Einnahmen ganz oder teilweise nicht als Arbeitsentgelt gelten. Dabei ist nach § 17 Abs. 1 S. 2 SGB IV eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen.

Nach § 3 Nr. 50 EStG sind steuerfrei u.a. die Beträge, durch die Auslagen des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber ersetzt werden (Auslagenersatz). Nach § 3 Nr. 16 EStG sind u.a. Vergütungen steuerfrei, die Arbeitnehmer außerhalb des öffentlichen Dienstes von ihrem Arbeitgeber zur Erstattung von Reisekosten erhalten, soweit sie bestimmte Pauschbeträge nicht übersteigen.

Nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung kann auch bei einer pauschalen Abgeltung der Aufwendungen von Auslagenersatz ausgegangen werden, soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass die Pauschale den tatsächlichen Aufwendungen im Großen und Ganzen entspricht (vergleiche Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 21. Oktober 2010 – 1 K 1564/06 –, juris- Rdnr. 20 mit Bezugnahme auf BFH, Urteile vom 26. Juli 2001 – VI R 122/98 – , 2. Oktober 2003 – IV R 4/02 –).

Hier haben die Klägerin und der Beigeladene im Kern tragfähig und überzeugend übereinstimmend vorgetragen, dass eine Kilometerleistung von monatlich rund 3000 km übers Jahr verteilt dem tatsächlich dem Beigeladenen entstandenen Aufwand entsprochen hat. Der Nachweis im vorgenannten Sinne ist geglückt. Maßgeblich für diese Annahme ist primär, dass ein Gestaltungsmissbrauch auszuschließen ist. Es ist zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass dem Beigeladene tatsächlich durch regelmäßige Fahrten zwischen den Betriebsstätten der Klägerin B und Lsowie dem Kunden in S unter dem Strich der abgerechnete Kostenaufwand entstanden ist. Es hat sich nicht um fiktive Arbeitsfahrten gehandelt, der maßgebliche Vertragswille der Arbeitsvertragsparteien ist umgesetzt worden. Dass an der Erstattung auch in der Zeit einer vorübergehenden längeren Erkrankung nichts geändert wurde, haben die Beteiligten schlüssig erläutert. Soweit ferner Urlaubstage nicht extra unberücksichtigt blieben, ist die aufgrund der hier vorgenommenen Pauschalierung der Abrechnung unschädlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.

Der Beschluss zur Streitwertfestsetzung, der unanfechtbar ist, folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1, Abs. 3 Gerichtskostengesetz
Rechtskraft
Aus
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