Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 168 AS 1734/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 29 AS 428/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 2. März 2018 wird als unbegründet zurückgewiesen. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung eines Darlehens in Höhe von insgesamt 1.836,91 EUR zur Begleichung von Stromschulden, die laut Stromrechnung der Vattenfall Europe Sales GmbH (im Folgenden: Stromversorger) vom 19. Dezember 2017 im Zeitraum von Dezember 2016 bis Dezember 2017 aufgelaufen sind.
Die 1991 geborene Antragstellerin ist bulgarische Staatsbürgerin und Mutter eines am 28. Oktober 2016 geborenen Kindes. Sie lebt mit Herrn T (im Folgenden: Lebenspartner), ebenfalls einem bulgarischen Staatsbürger, und dem Kind in einer gemeinsamen Wohnung. Seit dem 1. Juli 2016 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin vorläufige Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Ausweislich eines Mietvertrages bewohnen die Antragstellerin und ihr Lebenspartner seit August 2015 unter der im Rubrum angegebenen Anschrift eine 1,5- Zimmer- Wohnung mit einer Wohnfläche von 32 m², einer Nettokaltmiete von (damals) 330 EUR, Heizkostenvorauszahlungen in monatlicher Höhe von 45 EUR (für Fernwärme) sowie Betriebskosten von monatlich 25 EUR und damit einer Gesamtmiete von insgesamt monatlich 400 EUR.
Am 22. Januar 2018 beantragte die Antragstellerin die Gewährung eines Darlehens und später mit anwaltlichem Schreiben vom 29. Januar 2018 die Übernahme der Stromschulden nach § 22 Abs. 8 SGB II i.H.v. 1830,71 EUR und legte hierbei eine Rechnung Ihres Stromversorger vom 19. Dezember 2017 vor. Diese Rechnung ist an die Antragstellerin und ihren Lebenspartner adressiert. Aus dieser Rechnung ergibt sich für den Abrechnungszeitraum von Dezember 2016 bis Dezember 2017 ein durchschnittlicher Stromverbrauch von täglich 21,90 kWh und damit insgesamt Stromkosten i.H.v. 2423,71 EUR bei einem Gesamtstromverbrauch von 7928 kWh. Der durchschnittliche tägliche Stromverbrauch für den vorherigen Abrechnungszeitraum lag demgegenüber nach dieser Rechnung bei 7,85 kWh (3814 kWh in 486 Tagen). Abzüglich gezahlter Abschlagszahlungen von 816 EUR ergibt sich so ein offener Rechnungsbetrag i.H.v. 1607,71 EUR und eine monatliche Abschlagszahlung ab Januar 2018 i.H.v. 223 EUR.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2018 lehnte der Antragsgegner den Antrag mit der Begründung ab, unter Abwägung der Interessen an der beantragten Leistung sowie dem öffentlichen Interesse an wirtschaftlicher und sparsamer Mittelverwendung sei im Rahmen der Ermessensentscheidung der Antrag abzulehnen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin Widerspruch u.a. mit der Begründung vom 8. Februar 2018, der Stromversorger habe bereits angedroht, den Strom abzustellen, wenn der Betrag nicht umgehend gezahlt würde. Außerdem legte die Antragstellerin ein weiteres Schreiben des Stromversorgers vom 5. Februar 2018 vor, welches neben der offenen Forderung von 1607,71 EUR außerdem Mahnkosten in Gesamthöhe von 6,20 EUR und die im Februar 2018 fällige Abschlagszahlung über 223 EUR, mithin einen Gesamtbetrag i.H.v. 1836,91 EUR, enthielt.
Am 12. Februar 2018 hat die Antragstellerin schließlich bei dem Sozialgericht Berlin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin ein Darlehen in Höhe von1836,91 EUR zu bewilligen und auszuzahlen.
Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 2. März 2018 den Antrag abgelehnt und im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt, es sei ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Nach § 20 Absatz 1 S. 1 SGB II umfasse der Regelbedarf grundsätzlich auch den Haushaltsstrom. Nach § 22 Abs. 8 SGB II könne auch ein Darlehen gewährt werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt sei. In diesem Zusammenhang könnten auch Schulden übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt sei. Die Übernahme der Schulden sei aber nicht gerechtfertigt, weil nicht alle zumutbaren Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft seien. So könne sich die Antragstellerin um eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Stromversorger oder den Abschluss eines Vertrages mit einem anderen Stromanbieter bemühen. Außerdem sei ihr zumutbar, sich im Zivilrechtsweg gegen eine angekündigte oder ausgeübte Stromsperre zu wenden. Schließlich komme eine Übernahme der Schulden nur in Betracht, wenn diese objektiv geeignet sei, die Energieversorgung dauerhaft zu sichern. Dies sei schon deshalb nicht gegeben, weil angesichts der monatlichen Stromabschläge von derzeit 223 EUR zukünftig nicht von einer Finanzierbarkeit ausgegangen werden könne.
Gegen diesen Beschluss hat die anwaltlich vertretene Antragstellerin am 7. März 2018 Beschwerde beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Der Stromversorger habe angekündigt, die Stromlieferung ab dem 3. März 2018 einzustellen. Auch seien Selbsthilfemöglichkeiten nicht zumutbar. Die Antragstellerin könne so eine Stromsperre nicht verhindern. Ein "Stromlieferer- Tourismus" sei nicht zumutbar. Außerdem entstünden durch eine Sperre zusätzliche Kosten. Schließlich habe der Stromversorger am 28. Februar 2018 nur noch einen täglichen Stromverbrauch von 15,72 kWh ermittelt und hieraus eine Abschlagszahlung von monatlich 116 EUR errechnet.
Der Antragsgegner hält eine Darlehensgewährung für nicht gerechtfertigt, weil angesichts der "exorbitant hohen" Stromrechnung auch zukünftig Schulden zu erwarten seien. Dies gelte umso mehr, als die Antragstellerin bei Gewährung eines Darlehens neben den hohen Abschlagszahlungen auch noch die Rückzahlungsraten für das Darlehen zu finanzieren hätte.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den so genannten Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so genannten Anordnungsgrund) glaubhaft macht. (§ 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -, § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Auch im Beschwerdeverfahren sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich (OVG Hamburg NVwZ 1990, 975).
Vorliegend ist weder die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches noch eines Anordnungsgrundes gelungen.
Hinsichtlich des Anordnungsanspruches ist zunächst schon festzuhalten, dass die anwaltlich vertretene Antragstellerin die Gewährung eines Darlehens auf Grundlage von § 22 Abs. 8 SGB II beantragt, ohne glaubhaft zu machen, dass das Darlehen für die Tilgung von Schulden benötigt wird, die aus dem Bedarf für Unterkunft und Heizung resultieren.
Hier ist festzustellen, dass die geforderte Summe von 1836,91 Euro ausweislich des vorgelegten Schreibens des Stromversorgers vom 5. Februar 2018 tatsächlich aus einem offenen Rechnungsbetrag i.H.v. 1607,71 EUR für Stromkosten für einen abgelaufenen Zeitraum, Mahnkosten i.H.v. 6,20 EUR und einer am 4. Februar 2018 fälligen Abschlagszahlung i.H.v. 223 EUR für den Monat Februar 2018 (vergleiche hierzu auch das Schreiben des Stromversorger vom 19. Dezember 2017) resultiert. Zumindest hinsichtlich der Mahnkosten und der Abschlagszahlung für zukünftige Leistungen handelt es sich mithin schon nicht um aufgelaufene Schulden aus Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 Abs. 8 SGB II. Hinsichtlich der Stromkosten i.H.v. 1607,71 EUR ist zudem vollkommen offen, aus welchem Bereich diese Kosten resultieren. Zwar kommen Stromkosten als Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 SGB II im Betracht, wenn es sich hier um Heizstrom, beispielsweise für den Betrieb von Nachtspeicheröfen handelt (vergleiche Luik in Eicher/Luik, SGB II, 2. Aufl., 2017, § 22 Rn. 68 mit weiteren Nachweisen), sonstige Stromkosten (beispielsweise für den Betrieb elektrischer Küchengeräte, Fernseher und Lichtanlagen) zählen jedoch grundsätzlich nicht zu diesen Kosten nach § 22 SGB II, sondern zum Regelbedarf nach § 20 SGB II (vergleiche hierzu Saitzek, SGB II, a.a.O., § 20 Rn. 50 mit weiteren Nachweisen). Für Schulden aus dem Bereich des Regelbedarfes kommt allerdings die Gewährung eines Darlehens grundsätzlich nicht nach § 22 Abs. 8 SGB II, sondern nach § 24 Abs. 1 SGB II im Betracht (vergleiche Blüggel, SGB II, a.a.O, § 24 Rn. 22 ff., mit weiteren Nachweisen).
Aus welchem Bereich die Stromkosten tatsächlich resultieren, ist vorliegend auch nicht ansatzweise ersichtlich. Nachvollziehbar ist lediglich, dass der Stromversorger ausweislich der Rechnung vom 19. Dezember 2017 im vorherigen Abrechnungszeitraum einen Tagesverbrauch von 7,85 kWh (3814 kWh in 486 Tagen) ermittelt hat, im hiesigen Abrechnungszeitraum 21,90 kWh (7928 kWh in 362 Tagen) und in der neuesten Rechnung vom 28. Februar 2018 dann einen Tagesverbrauch von 15,75 kWh (1242 kWh 79 Tagen) ermittelt hat. Weshalb sich der durchschnittliche Tagesverbrauch von ursprünglich rund 8 kWh auf annähernd 22 kWh fast verdreifacht hat und aktuell mit rund 16 kWh immer noch verdoppelt hat, bleibt vollkommen offen.
Letztlich kann allerdings dahinstehen, aus welchem Bereich die aufgelaufenen Stromschulden resultieren, weil weder ein Anspruch auf Gewährung eines Darlehens nach § 22 Abs. 8 SGB II noch nach § 24 Abs. 1 SGB II glaubhaft gemacht ist.
Würde davon ausgegangen, dass es sich bei den Stromschulden um Kosten für Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 SGB II handelt oder würde eine entsprechende Anwendung des § 22 Abs. 8 SGB II generell für Energiekosten in Betracht gezogen (vergleiche hierzu schon Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. September 2011, L 14 AS 1533/11 B ER, zitiert nach juris), so würde dies grundsätzlich nach § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II allenfalls zu einem Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung führen. Das begehrte Darlehen könnte ge-währt werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist und der Bedarf als angemessen angesehen würde (vergleiche § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II, siehe auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, L 14 AS 1533/11 B ER, a.a.O.).
Vorliegend ist schon nicht glaubhaft gemacht, dass die geltend gemachten Kosten als angemessen anzusehen wären. Während die Antragstellerin mit ihrer Familie im vorherigen Abrechnungszeitraum noch einen täglichen Stromverbrauch von durchschnittlich 7,85 kWh hatte, erhöhte sich dieser im hiesigen Abrechnungszeitraum auf 21,90 kWh und damit um fast das dreifache. Nach dem Vergleichsportal www.verivox.de liegt zudem der durchschnittliche Jahresstromverbrauch einer 3-köpfigen Familie bei 4250 KWh und damit durchschnittlich täglich bei (4250 KWh: 365 Tage=) 11,64 kWh. Auch hier lag folglich der tatsächliche Verbrauch fast doppelt so hoch. Überschreitet allerdings ein Verbrauch den durchschnittlichen Verbrauch vergleichbarer Haushalte um das Doppelte und den eigenen vorherigen Verbrauch sogar um das Dreifache, so kann grundsätzlich nicht von angemessenen Kosten ausgegangen werden.
Im Übrigen hat das Sozialgericht Berlin in seiner angegriffenen Entscheidung bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II alle Selbsthilfemöglichkeiten, insbesondere ein Anbieterwechsel, auszuschöpfen sind (vergleiche hierzu auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Dezember 2015, L 2 AS 2028/15 B ER, zitiert nach juris, mit weiteren Nachweisen), die Übernahme von Schulden insgesamt "gerechtfertigt" ist und geeignet ist, die Energieversorgung dauerhaft zu sichern. Auch diese Voraussetzungen sind auch auf der Grundlage einer Abschlagszahlung von monatlich 116 EUR vorliegend nicht glaubhaft gemacht; insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen der angegriffenen Entscheidung und sieht von einer er-neuten Darstellung nach § 142 Abs. 2 S. 2 SGG ab.
Ein Anspruch auf Gewährung eines Darlehens über § 24 Abs. 1 SGB II ist schließlich ebenfalls nicht glaubhaft gemacht, weil hierüber allenfalls einmalige Bedarfe und nicht dauerhaft laufende Bedarfe erfasst werden können (vergleiche Blüggel, SGB II, a.a.O., § 24 Rn. 30, mit weiteren Nachweisen). Es ist aber schon nicht glaubhaft gemacht, dass die hier beantragte Darlehensgewährung zur Schuldenübernahme als einmalig anzusehen sein wird. Der vorliegend geltend gemachte Bedarf von monatlich 223 EUR überschreitet den im Regelsatz enthaltenen Bedarf für insbesondere Energiekosten i.H.v. 35,01 EUR um das 6- fache und liegt selbst unter Berücksichtigung der nun mit Rechnung des Stromversorgers vom 28. Februar 2018 geltend gemachten Abschlagszahlungen von 116 EUR/monatlich um das dreifache über den vorgesehenen Betrag im Regelsatz. Außerdem hat der Stromversorger in seiner Rechnung vom 28. Februar 2018 zwar die Vorauszahlungen von vormals 223 EUR/monatlich auf 116 EUR/monatlich annähernd halbiert, der Verbrauch reduzierte sich nach den Feststellungen des Stromversorger aber von 21,90 kWh/täglich auf 15,75 kWh/täglich nur um rund 25 %. Auch nach der Berechnung des Stromversorgers zeichnet sich daher ab, dass die Abschlagszahlungen bei einem nur 25 % reduzierten Verbrauch aber rund 50 % reduzierten Abschlagszahlungen zur Deckung der voraussichtlichen Forderungen nicht ausreichen werden und daher auch zukünftig hieraus resultierende Schulden auflaufen werden.
Auch ein Anordnungsgrund ist schließlich nicht glaubhaft gemacht. Zwar hat die Antragstellerin in ihrer Beschwerdeschrift vom 7. März 2018 mitgeteilt, der Stromversorger habe eine Unterbrechung der Stromlieferung ab 3. März 2018 angekündigt. Der Zeitpunkt der angekündigten Stromunterbrechung war allerdings zum Zeitpunkt der Beschwerdeschrift längst verstrichen, ohne dass von der Antragstellerin eine tatsächliche Unterbrechung mitgeteilt werden konnte.
Mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung (§ 73a SGG in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung - ZPO) kam die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung eines Darlehens in Höhe von insgesamt 1.836,91 EUR zur Begleichung von Stromschulden, die laut Stromrechnung der Vattenfall Europe Sales GmbH (im Folgenden: Stromversorger) vom 19. Dezember 2017 im Zeitraum von Dezember 2016 bis Dezember 2017 aufgelaufen sind.
Die 1991 geborene Antragstellerin ist bulgarische Staatsbürgerin und Mutter eines am 28. Oktober 2016 geborenen Kindes. Sie lebt mit Herrn T (im Folgenden: Lebenspartner), ebenfalls einem bulgarischen Staatsbürger, und dem Kind in einer gemeinsamen Wohnung. Seit dem 1. Juli 2016 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin vorläufige Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Ausweislich eines Mietvertrages bewohnen die Antragstellerin und ihr Lebenspartner seit August 2015 unter der im Rubrum angegebenen Anschrift eine 1,5- Zimmer- Wohnung mit einer Wohnfläche von 32 m², einer Nettokaltmiete von (damals) 330 EUR, Heizkostenvorauszahlungen in monatlicher Höhe von 45 EUR (für Fernwärme) sowie Betriebskosten von monatlich 25 EUR und damit einer Gesamtmiete von insgesamt monatlich 400 EUR.
Am 22. Januar 2018 beantragte die Antragstellerin die Gewährung eines Darlehens und später mit anwaltlichem Schreiben vom 29. Januar 2018 die Übernahme der Stromschulden nach § 22 Abs. 8 SGB II i.H.v. 1830,71 EUR und legte hierbei eine Rechnung Ihres Stromversorger vom 19. Dezember 2017 vor. Diese Rechnung ist an die Antragstellerin und ihren Lebenspartner adressiert. Aus dieser Rechnung ergibt sich für den Abrechnungszeitraum von Dezember 2016 bis Dezember 2017 ein durchschnittlicher Stromverbrauch von täglich 21,90 kWh und damit insgesamt Stromkosten i.H.v. 2423,71 EUR bei einem Gesamtstromverbrauch von 7928 kWh. Der durchschnittliche tägliche Stromverbrauch für den vorherigen Abrechnungszeitraum lag demgegenüber nach dieser Rechnung bei 7,85 kWh (3814 kWh in 486 Tagen). Abzüglich gezahlter Abschlagszahlungen von 816 EUR ergibt sich so ein offener Rechnungsbetrag i.H.v. 1607,71 EUR und eine monatliche Abschlagszahlung ab Januar 2018 i.H.v. 223 EUR.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2018 lehnte der Antragsgegner den Antrag mit der Begründung ab, unter Abwägung der Interessen an der beantragten Leistung sowie dem öffentlichen Interesse an wirtschaftlicher und sparsamer Mittelverwendung sei im Rahmen der Ermessensentscheidung der Antrag abzulehnen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin Widerspruch u.a. mit der Begründung vom 8. Februar 2018, der Stromversorger habe bereits angedroht, den Strom abzustellen, wenn der Betrag nicht umgehend gezahlt würde. Außerdem legte die Antragstellerin ein weiteres Schreiben des Stromversorgers vom 5. Februar 2018 vor, welches neben der offenen Forderung von 1607,71 EUR außerdem Mahnkosten in Gesamthöhe von 6,20 EUR und die im Februar 2018 fällige Abschlagszahlung über 223 EUR, mithin einen Gesamtbetrag i.H.v. 1836,91 EUR, enthielt.
Am 12. Februar 2018 hat die Antragstellerin schließlich bei dem Sozialgericht Berlin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin ein Darlehen in Höhe von1836,91 EUR zu bewilligen und auszuzahlen.
Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 2. März 2018 den Antrag abgelehnt und im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt, es sei ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Nach § 20 Absatz 1 S. 1 SGB II umfasse der Regelbedarf grundsätzlich auch den Haushaltsstrom. Nach § 22 Abs. 8 SGB II könne auch ein Darlehen gewährt werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt sei. In diesem Zusammenhang könnten auch Schulden übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt sei. Die Übernahme der Schulden sei aber nicht gerechtfertigt, weil nicht alle zumutbaren Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft seien. So könne sich die Antragstellerin um eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Stromversorger oder den Abschluss eines Vertrages mit einem anderen Stromanbieter bemühen. Außerdem sei ihr zumutbar, sich im Zivilrechtsweg gegen eine angekündigte oder ausgeübte Stromsperre zu wenden. Schließlich komme eine Übernahme der Schulden nur in Betracht, wenn diese objektiv geeignet sei, die Energieversorgung dauerhaft zu sichern. Dies sei schon deshalb nicht gegeben, weil angesichts der monatlichen Stromabschläge von derzeit 223 EUR zukünftig nicht von einer Finanzierbarkeit ausgegangen werden könne.
Gegen diesen Beschluss hat die anwaltlich vertretene Antragstellerin am 7. März 2018 Beschwerde beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Der Stromversorger habe angekündigt, die Stromlieferung ab dem 3. März 2018 einzustellen. Auch seien Selbsthilfemöglichkeiten nicht zumutbar. Die Antragstellerin könne so eine Stromsperre nicht verhindern. Ein "Stromlieferer- Tourismus" sei nicht zumutbar. Außerdem entstünden durch eine Sperre zusätzliche Kosten. Schließlich habe der Stromversorger am 28. Februar 2018 nur noch einen täglichen Stromverbrauch von 15,72 kWh ermittelt und hieraus eine Abschlagszahlung von monatlich 116 EUR errechnet.
Der Antragsgegner hält eine Darlehensgewährung für nicht gerechtfertigt, weil angesichts der "exorbitant hohen" Stromrechnung auch zukünftig Schulden zu erwarten seien. Dies gelte umso mehr, als die Antragstellerin bei Gewährung eines Darlehens neben den hohen Abschlagszahlungen auch noch die Rückzahlungsraten für das Darlehen zu finanzieren hätte.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den so genannten Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so genannten Anordnungsgrund) glaubhaft macht. (§ 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -, § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Auch im Beschwerdeverfahren sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich (OVG Hamburg NVwZ 1990, 975).
Vorliegend ist weder die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches noch eines Anordnungsgrundes gelungen.
Hinsichtlich des Anordnungsanspruches ist zunächst schon festzuhalten, dass die anwaltlich vertretene Antragstellerin die Gewährung eines Darlehens auf Grundlage von § 22 Abs. 8 SGB II beantragt, ohne glaubhaft zu machen, dass das Darlehen für die Tilgung von Schulden benötigt wird, die aus dem Bedarf für Unterkunft und Heizung resultieren.
Hier ist festzustellen, dass die geforderte Summe von 1836,91 Euro ausweislich des vorgelegten Schreibens des Stromversorgers vom 5. Februar 2018 tatsächlich aus einem offenen Rechnungsbetrag i.H.v. 1607,71 EUR für Stromkosten für einen abgelaufenen Zeitraum, Mahnkosten i.H.v. 6,20 EUR und einer am 4. Februar 2018 fälligen Abschlagszahlung i.H.v. 223 EUR für den Monat Februar 2018 (vergleiche hierzu auch das Schreiben des Stromversorger vom 19. Dezember 2017) resultiert. Zumindest hinsichtlich der Mahnkosten und der Abschlagszahlung für zukünftige Leistungen handelt es sich mithin schon nicht um aufgelaufene Schulden aus Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 Abs. 8 SGB II. Hinsichtlich der Stromkosten i.H.v. 1607,71 EUR ist zudem vollkommen offen, aus welchem Bereich diese Kosten resultieren. Zwar kommen Stromkosten als Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 SGB II im Betracht, wenn es sich hier um Heizstrom, beispielsweise für den Betrieb von Nachtspeicheröfen handelt (vergleiche Luik in Eicher/Luik, SGB II, 2. Aufl., 2017, § 22 Rn. 68 mit weiteren Nachweisen), sonstige Stromkosten (beispielsweise für den Betrieb elektrischer Küchengeräte, Fernseher und Lichtanlagen) zählen jedoch grundsätzlich nicht zu diesen Kosten nach § 22 SGB II, sondern zum Regelbedarf nach § 20 SGB II (vergleiche hierzu Saitzek, SGB II, a.a.O., § 20 Rn. 50 mit weiteren Nachweisen). Für Schulden aus dem Bereich des Regelbedarfes kommt allerdings die Gewährung eines Darlehens grundsätzlich nicht nach § 22 Abs. 8 SGB II, sondern nach § 24 Abs. 1 SGB II im Betracht (vergleiche Blüggel, SGB II, a.a.O, § 24 Rn. 22 ff., mit weiteren Nachweisen).
Aus welchem Bereich die Stromkosten tatsächlich resultieren, ist vorliegend auch nicht ansatzweise ersichtlich. Nachvollziehbar ist lediglich, dass der Stromversorger ausweislich der Rechnung vom 19. Dezember 2017 im vorherigen Abrechnungszeitraum einen Tagesverbrauch von 7,85 kWh (3814 kWh in 486 Tagen) ermittelt hat, im hiesigen Abrechnungszeitraum 21,90 kWh (7928 kWh in 362 Tagen) und in der neuesten Rechnung vom 28. Februar 2018 dann einen Tagesverbrauch von 15,75 kWh (1242 kWh 79 Tagen) ermittelt hat. Weshalb sich der durchschnittliche Tagesverbrauch von ursprünglich rund 8 kWh auf annähernd 22 kWh fast verdreifacht hat und aktuell mit rund 16 kWh immer noch verdoppelt hat, bleibt vollkommen offen.
Letztlich kann allerdings dahinstehen, aus welchem Bereich die aufgelaufenen Stromschulden resultieren, weil weder ein Anspruch auf Gewährung eines Darlehens nach § 22 Abs. 8 SGB II noch nach § 24 Abs. 1 SGB II glaubhaft gemacht ist.
Würde davon ausgegangen, dass es sich bei den Stromschulden um Kosten für Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 SGB II handelt oder würde eine entsprechende Anwendung des § 22 Abs. 8 SGB II generell für Energiekosten in Betracht gezogen (vergleiche hierzu schon Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. September 2011, L 14 AS 1533/11 B ER, zitiert nach juris), so würde dies grundsätzlich nach § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II allenfalls zu einem Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung führen. Das begehrte Darlehen könnte ge-währt werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist und der Bedarf als angemessen angesehen würde (vergleiche § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II, siehe auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, L 14 AS 1533/11 B ER, a.a.O.).
Vorliegend ist schon nicht glaubhaft gemacht, dass die geltend gemachten Kosten als angemessen anzusehen wären. Während die Antragstellerin mit ihrer Familie im vorherigen Abrechnungszeitraum noch einen täglichen Stromverbrauch von durchschnittlich 7,85 kWh hatte, erhöhte sich dieser im hiesigen Abrechnungszeitraum auf 21,90 kWh und damit um fast das dreifache. Nach dem Vergleichsportal www.verivox.de liegt zudem der durchschnittliche Jahresstromverbrauch einer 3-köpfigen Familie bei 4250 KWh und damit durchschnittlich täglich bei (4250 KWh: 365 Tage=) 11,64 kWh. Auch hier lag folglich der tatsächliche Verbrauch fast doppelt so hoch. Überschreitet allerdings ein Verbrauch den durchschnittlichen Verbrauch vergleichbarer Haushalte um das Doppelte und den eigenen vorherigen Verbrauch sogar um das Dreifache, so kann grundsätzlich nicht von angemessenen Kosten ausgegangen werden.
Im Übrigen hat das Sozialgericht Berlin in seiner angegriffenen Entscheidung bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II alle Selbsthilfemöglichkeiten, insbesondere ein Anbieterwechsel, auszuschöpfen sind (vergleiche hierzu auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Dezember 2015, L 2 AS 2028/15 B ER, zitiert nach juris, mit weiteren Nachweisen), die Übernahme von Schulden insgesamt "gerechtfertigt" ist und geeignet ist, die Energieversorgung dauerhaft zu sichern. Auch diese Voraussetzungen sind auch auf der Grundlage einer Abschlagszahlung von monatlich 116 EUR vorliegend nicht glaubhaft gemacht; insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen der angegriffenen Entscheidung und sieht von einer er-neuten Darstellung nach § 142 Abs. 2 S. 2 SGG ab.
Ein Anspruch auf Gewährung eines Darlehens über § 24 Abs. 1 SGB II ist schließlich ebenfalls nicht glaubhaft gemacht, weil hierüber allenfalls einmalige Bedarfe und nicht dauerhaft laufende Bedarfe erfasst werden können (vergleiche Blüggel, SGB II, a.a.O., § 24 Rn. 30, mit weiteren Nachweisen). Es ist aber schon nicht glaubhaft gemacht, dass die hier beantragte Darlehensgewährung zur Schuldenübernahme als einmalig anzusehen sein wird. Der vorliegend geltend gemachte Bedarf von monatlich 223 EUR überschreitet den im Regelsatz enthaltenen Bedarf für insbesondere Energiekosten i.H.v. 35,01 EUR um das 6- fache und liegt selbst unter Berücksichtigung der nun mit Rechnung des Stromversorgers vom 28. Februar 2018 geltend gemachten Abschlagszahlungen von 116 EUR/monatlich um das dreifache über den vorgesehenen Betrag im Regelsatz. Außerdem hat der Stromversorger in seiner Rechnung vom 28. Februar 2018 zwar die Vorauszahlungen von vormals 223 EUR/monatlich auf 116 EUR/monatlich annähernd halbiert, der Verbrauch reduzierte sich nach den Feststellungen des Stromversorger aber von 21,90 kWh/täglich auf 15,75 kWh/täglich nur um rund 25 %. Auch nach der Berechnung des Stromversorgers zeichnet sich daher ab, dass die Abschlagszahlungen bei einem nur 25 % reduzierten Verbrauch aber rund 50 % reduzierten Abschlagszahlungen zur Deckung der voraussichtlichen Forderungen nicht ausreichen werden und daher auch zukünftig hieraus resultierende Schulden auflaufen werden.
Auch ein Anordnungsgrund ist schließlich nicht glaubhaft gemacht. Zwar hat die Antragstellerin in ihrer Beschwerdeschrift vom 7. März 2018 mitgeteilt, der Stromversorger habe eine Unterbrechung der Stromlieferung ab 3. März 2018 angekündigt. Der Zeitpunkt der angekündigten Stromunterbrechung war allerdings zum Zeitpunkt der Beschwerdeschrift längst verstrichen, ohne dass von der Antragstellerin eine tatsächliche Unterbrechung mitgeteilt werden konnte.
Mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung (§ 73a SGG in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung - ZPO) kam die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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