L 1 KR 301/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 208 KR 3627/15 WA
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 301/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Anwendbarkeit des § 5 Abs 11 Satz 1 SGB 5 auf eine nach § 24 AuslG aF erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis.
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. April 2016 sowie der Bescheid der Beklagten vom 8. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2011 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, ihren Bescheid vom 20. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2011 zurückzunehmen und festzustellen, dass die Klägerin seit dem 29. Mai 2010 ihr versicherungspflichtiges Mitglied ist. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist das Bestehen einer Auffangpflichtversicherung für die Klägerin.

Die 1958 geborene Klägerin ist serbische Staatsangehörige, sie hielt sich seit 1979 in Deutschland auf und arbeitete als Raumpflegerin. Am 4. Dezember 1980 heiratete sie in Belgrad den deutschen Staatsangehörigen A S. Die Ehe wurde am 13 September 1988 durch Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg geschieden. Am 6. März 1984 wurde der Sohn der Klägerin G S geboren. Durch Urteil des Amtsgerichts C vom 9. Mai 1986 wurde festgestellt, dass GS nicht der eheliche Sohn des Ehemannes der Klägerin ist. Der deutsche Staatsangehörige P O erkannte am 23. November 1988 die Vaterschaft an. Das Jugendamt des Bezirksamts Rvon B berichtete der B Ausländerbehörde am 20. Februar 1989, dass G S im Haushalt der Klägerin lebte und eine intensive kontinuierliche Mutter-Kind-Beziehung bestand. Am 13. März 1992 erteilte die B Ausländerbehörde der Klägerin eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die seit dem 1. Januar 2005 (Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes) als Niederlassungserlaubnis galt.

Seit dem 25. September 2000 bezieht die Klägerin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Bis zum 28. Mai 2010 war sie in einem psychiatrischen Pflegeheim untergebracht, das Landratsamt S gewährte ihr Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen. Am 29. Mai 2010 zog die Klägerin zunächst zu ihrer Schwester, seit dem 1. Januar 2011 lebt die Klägerin bei ihrem Sohn G Sin Berlin.

Der Betreuer der Klägerin zeigte der Beklagten am 29. Juli 2010 das Bestehen einer Auffangpflichtversicherung an. Durch Bescheid vom 20. September 2010 lehnte die Beklagte die Feststellung von Versicherungspflicht ab. Nach dem Gesetz würden Ausländer, die nicht Angehörige eines Mitgliedsstaates der EU seien, von der Auffangpflichtversicherung nur erfasst, wenn sie eine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis für mehr als 12 Monate besitzen würden und für die Erteilung dieser Aufenthaltstitel keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Aufenthaltsgesetz bestanden habe. Die Klägerin sei aber im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, mit der die Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts verbunden sei.

Der Betreuer der Klägerin legte Widerspruch ein. Die Beklagte gehe von falschen Voraussetzungen aus. Für den Fall, dass eine Niederlassungserlaubnis bereits erteilt sei, müsse der Lebensunterhalt nicht weiterhin sichergestellt werden.

Durch Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin habe anderweitig Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall. Außerdem beinhalte ihr Aufenthaltstitel die Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts. Da die Klägerin bis zum 28. Mai 2010 Leistungen der Krankenhilfe nach § 48 SGB XII iVm § 264 SGB V bezogen habe, könne die beantragte Pflichtversicherung frühestens am 29. Mai 2010 beginnen. Dem zuständigen Sozialhilfeträger sei zu diesem Zeitpunkt die Bedürftigkeit der Klägerin bekannt gewesen. Der Antrag auf Grundsicherungsleistungen sei abgelehnt worden, weil die Klägerin (zunächst) mietfrei bei ihrer Schwester gewohnt und eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 562,35 EUR bezogen habe. Die Klägerin habe zumindest Anspruch auf Krankenhilfe nach § 48 SGB XII gehabt. Das hindere das Zustandekommen einer Auffangpflichtversicherung (Hinweis auf LSG Baden-Württemberg v. 13. August 2010 – L 5 KR 5144/08; BSG v. 27. Januar 2010 – B 12 KR 2/09 R und v. 6. Oktober 2010 – B 12 KR 25/09 R). Nach den für Ausländer geltenden in § 5 Abs. 11 SGB V formulierten Sonderregelungen werde die Klägerin durch eine Auffangpflichtversicherung nur erfasst, wenn für die Erteilung ihres Aufenthaltstitels keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts bestehe. Die der Klägerin nach altem Recht erteilte Aufenthaltserlaubnis gelte seit dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes als Niederlassungserlaubnis weiter. Der Klägerin sei eine Aufenthaltserlaubnis für Erwerbstätige erteilt worden. Bereits nach altem Recht sei eine Aufenthaltsgenehmigung versagt worden und eine Aufenthaltserlaubnis erloschen, wenn der Ausländer nicht ausreichenden Krankenversicherungsschutz hatte. Zu prüfen sei auch nicht die damalige Rechtslage, sondern ob dem Ausländer zu dem Zeitpunkt, zu dem über die Auffangpflichtmitgliedschaft zu entscheiden sei, ein Aufenthaltstitel nur unter der Voraussetzung gewährt werden würde, dass sein Lebensunterhalt einschließlich Krankenversicherungsschutz gesichert war.

Am 25. Juli 2011 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides vom 20. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2011. Die Gewährung von Krankenhilfe nach § 48 SGB XII sei kein anderweitiger Versicherungsschutz. Das Gesetz nehme Empfänger von Krankenhilfeleistungen gerade davon aus. Außerdem sei verkannt worden, dass durch den Besitz einer Niederlassungserlaubnis die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 6 AufenthG erfüllt würden.

Die Beklagte lehnte eine Überprüfung durch Schreiben vom 8. August 2011 ab. § 44 SGB X gelte nicht für statusfeststellende Bescheide. Die Klägerin erhob Widerspruch, den die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 16. September 2011 zurückwies. Der Bescheid vom 20. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2011 sei kein Verwaltungsakt im Sinne des § 44 SGB X, weil er nicht über die Gewährung sozialrechtlicher Leistungen entscheide. Zudem sei dieser Verwaltungsakt begünstigend, da die Klägerin Anspruch auf Krankenhilfe ohne die Verpflichtung zu Beitragszahlungen gegen den Sozialhilfeträger habe. Schließlich sei eine Rücknahme von Bescheiden über Versicherungspflicht ausgeschlossen. Auch sei der zur Überprüfung gestellte Verwaltungsakt nicht rechtswidrig. Dazu hat die Beklagte im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2011 wiederholt.

Mit der am 6. Oktober 2011 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung ihrer Versicherungspflicht. Das Sozialgericht hat das Verfahren durch Beschluss vom 26. Oktober 2012 zum Ruhen gebracht, bis es auf Antrag der Beklagten vom 3. September 2015 wieder aufgenommen worden ist. Die Beklagte ist von Sozialgericht Berlin durch Beschluss vom 12. Oktober 2011 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet worden, der Klägerin vorläufig Krankenversicherungsschutz für sechs Monate zu gewähren. Die Beklagte hat sich dann bereit erklärt, der Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens Versicherungsschutz nach § 264 SGB V zu gewähren.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 26. April 2016 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 20. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2011. Dieser sei rechtmäßig, weil die Klägerin nicht versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten geworden sei. Die einzig in Betracht kommende Auffangpflichtversicherung nach § 5 Abs.1 Nr. 13 SGB V sei wegen § 5 Abs. 11 Satz 1 SGB V ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift würden Ausländer, die nicht Angehörige eines Mitgliedsstaates der Europäische Union oder gleichgestellte seien, von der Auffangpflichtversicherung nur erfasst, wenn sie eine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Befristung auf mehr als zwölf Monate besitzen und für die Erteilung dieser Aufenthaltstitel keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts bestehe. Die der Klägerin 1992 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis gelte als Niederlassungserlaubnis fort. Für die Erteilung des Aufenthaltstitels bestehe eine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts, weil Regelvoraussetzung die Sicherung des Lebensunterhalts sei, zu der ausreichender Krankenversicherungsschutz ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gehöre. Insoweit komme es auf die Gesetzeslage bei Erteilung des Aufenthaltstitels an. Das entspreche dem Gesetzeszweck, wonach den Krankenkassen aufwändige Ermittlungen erspart bleiben sollten. Abzustellen sei deswegen auf den Zeitpunkt der Prüfung des Aufenthaltsrechts durch die Ausländerbehörde. Es komme nicht darauf an, dass bei Erteilung des Aufenthaltstitels das AufenthG noch nicht existierte. Maßgeblich sei, ob die Ausländerbehörde anlässlich der Erteilung des Aufenthaltstitels hätte prüfen müssen, ob öffentliche Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts einschließlich des Krankenversicherungsschutzes in Anspruch genommen werden mussten. Davon sei auszugehen, weil nach § 24 AuslG in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit abhängig gewesen sei. Dadurch sei sichergestellt worden, dass öffentliche Mittel nicht in Anspruch genommen werden mussten. Es komme dabei auf die Gesetzeslage an, nicht darauf, dass die Ausländerbehörde im Falle der Klägerin eine solche Prüfung nicht durchgeführt habe. Demnach sei eine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz anzunehmen, weswegen die Beklagte zu Recht das Bestehen einer Auffangpflichtversicherung abgelehnt habe.

Gegen das ihr am 24. Mai 2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 22. Juni 2016 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Klägerin. Zu Unrecht gehe die Beklagte davon aus, dass sie – die Klägerin – als serbische Staatsangehörige von der Auffangpflichtversicherung ausgeschlossen sei. Da sie Mutter eines Deutschen bzw. eines Staatsangehörigen der Mitgliedsstaaten der EU sei und ihren rechtmäßigen Wohnsitz in Deutschland habe, bestünden erhebliche Bedenken, ob ein Ausschluss europarechtskonform sei, da er zu einer Diskriminierung gegenüber inländischen Beziehern einer deutschen Rente führe. Sie sei als Familienangehörige in den Geltungsbereich der VO 1408/71 einbezogen. Auch nach der VO 1231/10 falle sie in den Geltungsbereich der VO 1408/71 und 883/2004. Zwar sei hinsichtlich der Aufenthaltserlaubnis auf die Gesetzeslage zum Zeitpunkt der Erteilung abzustellen. Das Sozialgericht gehe aber unzutreffend davon aus, dass nach den seinerzeit geltenden Vorschriften die Sicherung des Lebensunterhalts aus Erwerbstätigkeit oder in sonstiger Weise zwingende Voraussetzung für die Erteilung des Aufenthaltstitels gewesen sei. Angeknüpft worden sei an das deutsche Kind und die Ausübung der Personensorge. Deswegen seien die Regelungen, welche die Sicherung des Lebensunterhalts vorsahen, nicht anzuwenden gewesen. Das Sozialgericht habe sich zu Unrecht für seine Gesetzesauslegung auf Verwaltungsvorschriften berufen, die 8 Jahre nach der hier in Frage stehenden Aufenthaltserlaubnis erlassen worden seien.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. April 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihren Bescheid vom 20. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2011 zurückzunehmen und festzustellen, dass die Klägerin seit dem 29. Mai 2010 ihr versicherungspflichtiges Mitglied ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin habe anderweitig Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall nämlich im Wege der Leistungen nach dem SGB XII. Die Klägerin falle nicht in den Schutzbereich der VO (EG) 883/2004 bzw. VO(EWG) 1408/71. Die in der VO 1231/2010 genannte Voraussetzung, dass sich die Person in einer Lage befinde, die nicht ausschließlich nur einen Mitgliedsstaat betreffe, sei nicht erfüllt, weil in den anderen Mitgliedsstaaten der EU keine mit § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V vergleichbare Vorschrift vorhanden sei. Eine Ungleichbehandlung gegenüber inländischen Rentenbeziehern könne nicht festgestellt werden, da die Klägerin über eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall verfüge. Der Klägerin sei 1992 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage einer Vorschrift erteilt worden, die nur für erwerbstätige Ausländer gelte. Bei einer Erwerbstätigkeit sei aber der Lebensunterhalt gesichert und bestehe auch eine Krankenversicherung. Auch wenn in dem zwischenzeitlich außer Kraft gesetzten AuslG die Voraussetzung einer ausreichenden Sicherung des Lebensunterhalts und damit die einer Krankenversicherung nicht so deutlich festgelegt gewesen sei, habe schon damals der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert gewesen sein müssen (Hinweis auf LSG Baden-Württemberg v. 18. Dezember 2008 – L 5 KR 3342/08).

Die Beigeladene erklärt, dass sie sich den Ausführungen der Klägerin voll anschließe. Sie verweist im Übrigen auf eine Stellungnahme ihres Leistungsfachbereichs, wonach die Auffassung der Beklagten unzutreffend sei, dass die Klägerin anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfalle nämlich auf Leistungen der Sozialhilfe habe. Die Klägerin sei nicht hilfebedürftig und beziehe auch keine Leistungen.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen sowie die über die Klägerin geführte Ausländerakte verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 8. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat Anspruch auf Rücknahme ihres Bescheids vom 20. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2011. Dieser Bescheid ist rechtswidrig, da die Klägerin seit dem 29. Mai 2010 versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten ist.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem sich als unrichtig erweisenden Sachverhalt ausgegangen worden ist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Zu Unrecht meint die Beklagte, dass diese Vorschrift auf ihren Bescheid vom 20. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 18. Februar 2011 deswegen nicht anzuwenden sei, weil dieser nicht unmittelbar über die Gewährung von Leistungen, sondern über den Versichertenstatus der Klägerin entschieden habe. Ausreichend für die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 44 Abs. 1 SGB X ist nämlich die Ursächlichkeit des in Frage stehenden Bescheides für die Gewährung oder Nichtgewährung von Sozialleistungen (Schütze in v. Wulffen, SGB X, § 44 Rn 16). Ein Bescheid über das Nichtbestehen von Versicherungspflicht ist Ursache dafür, dass keine Leistungen der Krankenversicherung gewährt werden. Demnach unterfallen auch Statusentscheidungen dem Anwendungsbereich des § 44 Abs. 1 SGB X. Für die Anwendbarkeit der Vorschrift kommt es auch nicht darauf an, dass ein Statusfeststellungsbescheid auch Grundlage für Beitragspflichten ist. Die Beklagte verkennt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X nicht darauf abstellen, ob nach ihrer Auffassung die begünstigende oder belastende Seite der Statusentscheidung überwiegt.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2011 ist rechtswidrig. Denn die Klägerin unterlag seit dem 29. Mai 2010 der Auffangpflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V werden Personen pflichtversichert, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in § 5 Abs. 5 SGB V oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 SGB V genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.

§ 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V findet auf die Klägerin Anwendung, da sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des SGB V hat. Die Klägerin hat seit dem 29. Mai 2010 keinen anderweitigen Anspruch auf eine Absicherung im Krankheitsfall. Da bei der Klägerin die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner nicht vorliegen, kommt lediglich ihre anderweitige Absicherung über die Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII in Betracht. Unter welchen Voraussetzung Leistungen der Sozialhilfe als anderweitige Absicherung im Sinne des § 5 Abs.1 Nr. 13 SGB V anzusehen sind, lässt sich § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V entnehmen. Danach ist der Eintritt der Auffangpflichtversicherung ausgeschlossen für Empfänger laufender Leistungen nach dem 3., 4., 6. und 7. Kapitel des SGB XII. Maßgeblich ist insoweit zwar nicht der tatsächliche Bezug solcher Leistungen, sondern der Zeitpunkt, ab dem sie durch Verwaltungsakt bewilligt worden sind (BSG v. 6. Oktober 2010 – B 12 KR 25/09 R – juris Rn 17). Die Klägerin bezog auf der Grundlage eines Bewilligungsbescheids des Sozialhilfeträgers lediglich bis zum 28. Mai 2010 Hilfe zur Pflege und Hilfe zum Lebensunterhalt. Für die Zeit danach gibt es keine weiteren Bewilligungen. Der Senat verweist darüber hinaus auf die Auskunft der Beigeladenen, wonach die Klägerin auch keinen materiellen Anspruch auf laufende Leistungen nach dem 3., 4., 6. und 7. Kapitel des SGB XII hat. Die Einschätzung, dass kein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt bzw. auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung besteht, erscheint nachvollziehbar, weil die Klägerin Empfängerin einer Erwerbsunfähigkeitsrente ist und nur geringe Aufwendungen für Unterkunft (anteilige Miete) hat. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin den für die Erbringung solcher Leistungen nach § 34a Abs. 1, 44 Abs. 1 SGB XII erforderlichen Antrag gestellt hätte. Im Hinblick auf die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen oder der Hilfe zur Pflege ist nicht erkennbar, dass bei der Klägerin entsprechende Bedarfe vorliegen. Sie lebt seit dem 29. Mai 2010 nicht mehr in einem Pflegeheim.

Soweit die Beklagte darauf verweist, dass die Klägerin im Bedarfsfalle Anspruch auf Leistungen der Krankenhilfe nach § 48 SGB XII hätte, nimmt der Senat Bezug auf die Rechtsprechung des BSG. Nach dieser stellt allein der mögliche Empfang von Hilfen zur Gesundheit im Sinne des 5. Kapitels des SGB XII ohne den gleichzeitigen Empfang weiterer laufender Leistungen keinen Ausschlusstatbestand für den Eintritt der Auffangpflichtversicherung nach § 5 Abs.1 Nr. 13 SGB V dar (BSG v. 6. Oktober 2010 – B 12 KR 25/09 R – juris Rn 28; BSG v. 21. Dezember 2011 – B 12 KR 13/10 R - juris Rn 13). Dagegen spricht die im Jahre 2007 erfolgte Änderung des Wortlauts des § 5 Abs. 8a SGB V, der ausdrücklich den Bezug laufender Leistungen nach dem 3., 4., 6. oder 7. Kapitel des SGB XII fordert. Ein möglicher Anspruch allein auf Leistungen der Krankenhilfe nach § 48 SGB XII oder ihre Bezug nach § 264 SGB V ist deswegen nicht geeignet, das Bestehen einer Auffangpflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V auszuschließen.

Die Klägerin war auch zuletzt bei der gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Eine private Krankenversicherung hat nie bestanden, wohl aber eine gesetzliche Krankenversicherung, bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (jedenfalls) zuletzt bis zum 26. März 1981. Unerheblich ist, dass die Klägerin vom 1. September 2005 bis zum 28. Mai 2010 Hilfe zur Pflege bezog und ihr Krankenversicherungsschutz während dieser Zeit über das Sozialamt erfolgte. Denn eine zwischenzeitlich erfolgte Absicherung gegen Krankheit in der Form der Sozialhilfe ist für den Eintritt einer Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V unerheblich. Die Vorschrift knüpft auf der Tatbestandsseite an die letzte gegebenenfalls auch länger zurückliegende Krankenversicherung in der GKV oder der privaten Krankenversicherung an. Eine danach vorhanden gewesene aber wieder entfallene Absicherung außerhalb der privaten Krankenversicherung löst den Bezug zur GKV nicht auf. Die Klägerin ist auch keine hauptberuflich selbständige Erwerbstätige gewesen (§ 5 Abs. 5 SGB V) und hatte auch keinen Verdienst oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze und keinen Anspruch auf Heilfürsorge nach beamtenrechtlichen Grundsätzen (§ 6 Abs. 1 und 2 SGB V).

Schließlich war der Eintritt der Versicherungspflicht ebenso nicht nach § 5 Abs. 11 SGB V ausgeschlossen. Nach § 5 Abs. 11 SGB V werden Ausländer, die nicht Angehörige eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz sind, von der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nur erfasst, wenn sie eine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Befristung auf mehr als zwölf Monate nach dem Aufenthaltsgesetz besitzen und für die Erteilung dieser Aufenthaltstitel keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Aufenthaltsgesetzes besteht. Die Vorschrift ist auf die Klägerin zwar anwendbar, da sie serbische Staatsangehörige ist und Serbien weder Mitglied der Europäischen Union noch Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist. Die Klägerin ist auch Inhaberin einer Niederlassungserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz. Die ihr 1992 nach dem AuslG erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis gilt nach dem 2005 erfolgten Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes als Niederlassungserlaubnis fort.

Entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts und der Beklagten bestand für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis nicht die Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Maßgeblich für die Prüfung des Vorliegens dieses Ausschlusstatbestandes ist die objektive Gesetzeslage und nicht die konkrete Umsetzung der bestehenden Vorschriften durch die Ausländerbehörde (BSG v. 3. Juli 2013 – B 12 KR 2/11 R - juris Rn 20). Die Klägerin hat ihre Niederlassungserlaubnis gem. § 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erworben. Nach dieser Vorschrift galt die ihr erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis entsprechend dem der Erteilung zu Grunde liegenden Aufenthaltszweck und Sachverhalt als Niederlassungserlaubnis fort. Der im Wege der Umwandlung der bestehenden unbefristeten Aufenthaltserlaubnis erfolgte Erwerb der Niederlassungserlaubnis war nach dem Gesetz folglich nicht davon abhängig, dass die Klägerin gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in der Lage gewesen war, ihren Lebensunterhalt selbst zu sichern. Die unbefristete Aufenthaltserlaubnis als solche war der Klägerin allgemein erteilt worden, nicht für bestimmte Aufenthaltszwecke oder in Hinblick auf einen bestimmten Sachverhalt.

Angesichts des insoweit eindeutigen Wortlauts der gesetzlichen Vorschrift des § 5 Abs. 11 SGB V, wo § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in Bezug genommen worden ist, kann auch nicht darauf abgestellt werden, was die der Klägerin ursprünglich erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis voraussetzte. § 23 Abs. 2 AuslG a.F. bestimmte zwar, dass eine Bedingung für die unbefristete Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis die Sicherung des Lebensunterhalts war, wenn der Ausländer nicht erwerbstätig war. Die Klägerin war nach Aktenlage aber bei Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis im Jahre 1992 erwerbstätig. Weitergehende Ermittlungen zum Umfang der Einkünfte sind von der Ausländerbehörde nicht angestellt worden. Selbst unter der Annahme, der Gesetzgeber des AuslG sei davon ausgegangen, dass jede Erwerbstätigkeit auch geeignet zur Sicherung des Lebensunterhalts ist, bezieht sich der Verweis in § 5 Abs. 11 SGB V auf eine andere Vorschrift und auf ein anderes Tatbestandsmerkmal. Der Senat sieht sich außerstande, die Vorschrift des § 5 Abs. 11 SGB V über die Grenzen ihres Wortlauts hinaus auszulegen. Dagegen spricht schon, dass die in § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V geregelte Auffangpflichtversicherung dem Ziel dient, umfassenden Versicherungsschutz herzustellen und die Vorschrift des § 5 Abs. 11 SGB V als Ausnahmeregelung davon eher eng auszulegen ist.

Nach alledem war auf die Berufung der Klägerin hin das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide zu verpflichten, ihre Statusentscheidung über die Klägerin zurückzunehmen und festzustellen, dass die Klägerin seit dem 29. Mai 2010 der Auffangpflichtversicherung unterlag.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Die Frage, ob § 5 Abs. 11 SGB auf eine nach § 24 AuslG a.F. erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis Anwendung findet, betrifft nur bereits abgelaufenes Recht.
Rechtskraft
Aus
Saved