L 13 VG 11/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 125 VG 327/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 VG 11/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. April 2019 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt eine Beschädigtengrundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von mindestens 30 auf der Grundlage des Opferentschädigungs-gesetzes (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

In den Jahren 2005 bis 2009 erfuhr die 1967 geborene Klägerin in mehreren Fällen körperliche Gewalt seitens ihres damaligen Ehemannes T B. Er versetzte ihr u.a. einen Faustschlag in den Bauchbereich, zog sie an den Haaren aus dem Bett, würgte sie mehrfach am Hals und drückte sie gegen eine an der Wand befestigte Hakenleiste. Wegen dieser Taten ist B strafrechtlich verurteilt worden.

Auf den Antrag der Klägerin vom 9. November 2009, ihr Versorgung nach dem OEG zu gewähren, mit dem sie Angst, Verschlimmerung einer bestehenden Fibromyalgie und Schmerzen geltend machte, holte der Beklagte neben Befundberichten der die Klägerin behandelnden Ärzte das Gutachten des Facharztes für Nervenheilkunde, Psychotherapie und Forensische Psychiatrie PD Dr. H vom 25. Mai 2012 ein. Nach Untersuchung der Klägerin gelangte der Gutachter zu der Auffassung, bei ihr liege eine posttraumatische Belastungsstörung vor, die ursächlich durch die schädigenden Ereignisse entstanden sei. Den GdS schätzte er auf 30 ein. Demgegenüber sah der Prüfarzt OMR Dr. B im Prüfvermerk vom 28. August 2012 das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht als erfüllt an.

Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 18. März 2013 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 27. Oktober 2015 fest, die Gesundheitsstörung "Teilsymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung" sei durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 OEG hervorgerufen. Da er den GdS nicht mit wenigstens 25 bewertete, lehnte er die Gewährung einer Rente ab.

Mit der Klage bei dem Sozialgericht Berlin hat die Klägerin eine Opferentschädigungsrente nach einem GdS von mindestens 30 begehrt. Das Sozialgericht hat das Gutachten der Fachärztin für Nervenheilkunde, Psychotherapie, Sozialmedizin, Suchttherapie und Traumatherapie Dr. H vom 28. September 2018 eingeholt. Die Sachverständige hat nicht feststellen können, dass allein die schädigenden Ereignis-se zu psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin geführt hätten. Es hätten sich Inkonsistenzen zwischen den von der Klägerin beschriebenen Einschränkungen und den erhobenen Symptomen gezeigt, die nicht hätten ausgeräumt werden können.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. April 2019 abgewiesen. Zur Be-gründung hat es insbesondere ausgeführt: Zwar sei die Klägerin unzweifelhaft Opfer mehrerer gegen sie gerichteter vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe gewor-den; auch leide sie an gesundheitlichen Störungen. Es sei jedoch auch nach Einho-lung des gerichtlich veranlassten Sachverständigengutachtens nicht festzustellen, unter welchen Beeinträchtigungen die Klägerin leide, wie stark diese Beeinträchti-gungen seien und ob sie kausal auf die Angriffe zurückgingen. Die Begutachtung durch Dr. H sei entgegen der Ansicht der Klägerin auch erforderlich gewesen. Denn aus dem Gutachten von PD Dr. H gehe nicht hervor, ob und in welchem Ausmaß die nach der ursprünglichen Schädigung erlittenen und als belastend erlebten Nachtatereignisse, etwa die Nachstellungen durch ihren ehemaligen Ehemann, das vorbestehende Leiden verschlimmert hätten.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt.

Die Klägerin beantragt ihrem schriftsätzlichen Vorbringen zufolge,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. April 2019 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 18. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2015 zu verpflichten, ihr mit Wirkung ab dem 9. November 2009 eine Beschädigtengrundrente nach einem GdS von mindestens 30 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er hält an seiner Entscheidung fest.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

II.

Die Berufung der Klägerin wird nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückgewiesen, da der Senat sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Das Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Klägerin keinen Anspruch gegen den Beklagten hat, ihr unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide eine Beschädigtengrundrente nach einem GdS von mindestens 30 zu gewähren.

Wer – wie die Klägerin – infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Die von der Klägerin (über die ihr mit den angefochtenen Bescheiden gewährte Heilbehandlung hinaus) begehrte Beschädigtengrundrente setzt nach § 31 BVG in Verbindung mit § 30 Abs. 1 Satz 2 letzter Teilsatz BVG einen GdS von mindestens 25 voraus. Der GdS ist gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Le-bensbereichen zu beurteilen. Hierbei sind die in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) festgelegten "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VMG) heranzuziehen (vgl. § 30 Abs. 16 BVG).

Der Senat hat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass die Schädigungsfolgen bei der Klägerin mit einem höheren GdS als 20 zu bewerten sind. Er folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils vom 5. April 2019 und sieht nach § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Entgegen ihrer Ansicht kann sich die Klägerin nicht bereits erfolgreich auf das im versorgungsbehördlichen Verfahren eingeholte Gutachten des Facharztes für Nervenheilkunde, Psychotherapie und Forensische Psychiatrie PD Dr. H vom 25. Mai 2012 berufen, der ihre psychische Erkrankung mit einem GdS von 30 einschätz-te. Diese Bewertung wird von den gutachterlichen Feststellungen nicht getragen. Nach Teil B Nr. 3.7 VMG kommt eine Bewertung von Folgen psychischer Traumen mit einem GdS von 30 nur bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) in Betracht. Eine nachvollziehbare Begründung für das Vorliegen psychischer Störungen dieses Grades fehlt in dem Gutachten von PD Dr. H. Dessen Bewertung hat, wie das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat, die Fachärztin für Nervenheilkunde, Psychotherapie, Sozialmedizin, Suchttherapie und Traumatherapie Dr. H in ihrem Gutachten vom 28. September 2018 nicht bestätigen können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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