L 5 AS 1097/18 NZB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 144 AS 2590/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 AS 1097/18 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg

Az.: L 5 AS 1097/18 NZB Az.: S 144 AS 2590/18 Sozialgericht Berlin

Beschluss

In dem Rechtsstreit

R H, Gr S B, - Kläger und Beschwerdeführer - Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt KF, Sc, B,

gegen

Jobcenter Berlin Friedrichshain-Kreuzberg, Rudi-Dutschke-Straße 3, 10969 Berlin,

- Beklagter und Beschwerdegegner -

hat der 5. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg am 12. Mai 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Haack, den Richter am Landessozialgericht Rakebrand und die Richterin am Landessozialgericht Müller beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Mai 2018 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Berlin (SG) vom 14. Mai 2018. In der Hauptsache begehrt der Kläger Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum 6. Dezember 2017 bis 31. Dezember 2017. Er war bis zum 5. Dezember 2017 als Student an der BTU Cottbus immatrikuliert und absolvierte an diesem Tag seine letzte Abschlussprüfung, seine Exmatrikulation erfolgte durch Bescheid der BTU Cottbus vom 8. Dezember 2017 mit Wirkung zum 5. Dezember 2017. Durch Bescheid des Studentenwerks Frankfurt (Oder) vom 11. Oktober 2016 waren ihm Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) für den Zeitraum 1. September 2016 bis zum Erreichen der Förderungshöchstdauer am 31. September 2017, zuletzt in Höhe von monatlich 735,03 EUR bewilligt worden. Am 7. Dezember 2017 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 6. Dezember 2017. Der Beklagte bewilligte dem Kläger durch Bescheid vom 2. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2018 ab dem 1. Januar 2018 Leistungen und lehnte die Leistungsbewilligung für den Zeitraum 6. Dezember 2017 bis 31. Dezember 2017 unter Hinweis auf § 15b Abs. 3 S. 3 BAföG ab. Mit seiner Klage vor dem SG hat der Kläger geltend gemacht, der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II gelte für ihn mit Bestehen der Abschlussprüfung und damit verbunden mitseiner Exmatrikulation seit dem 6. Dezember 2017 nicht mehr. Durch Urteil vom 14. Mai 2018 hat das SG die Klage abgewiesen, da der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen im streitgegenständlichen Zeitraum in Höhe von insgesamt 663,78 EUR habe. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen. II. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Mai 2018 ist gemäß § 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber unbegründet. Denn weder ist die Berufung gegen das Urteil bereits kraft Gesetzes zulässig noch sind Zulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SGG gegeben. Nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt, es sei denn, dass die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Die Berufung ist nicht bereits kraft Gesetztes zulässig, weil der Beschwerdewert vorliegend lediglich 663,78 EUR beträgt und auch keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit sind. Ein Zulassungsgrund liegt indes nicht vor. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die – über den Einzelfall hinaus – aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Berufungsgericht bedürftig und fähig ist. Nach den sich aus § 144 Abs. 2 SGG ergebenden Anforderungen muss ein Beschwerdeführer dazu anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Frage sich stellt, dass diese Rechtsfrage noch nicht geklärt ist, weshalb deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfrage erwarten lässt (zum Ganzen vgl. BSG, Beschluss vom 6. Juli 2018, B 10 EG 18/17 B; juris). Der Kläger hält nach seinem Vorbringen die Frage für klärungsbedürftig, wie lange nach Beendigung einer Ausbildung durch Exmatrikulation ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II besteht. Die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage hat der Kläger jedoch nicht aufgezeigt. Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die aufgeworfene Frage bereits geklärt ist und/oder wenn sich die Antwort ohne weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus schon vorliegender Rechtsprechung klar ergibt (BSG, Beschluss vom 11. Oktober 2017, B 6 KA 29/17 B; juris). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre unter Berücksichtigung der anzuwendenden Normen nicht ohne weiteres zu beantworten ist (BSG, Beschluss vom 29. Juli 2019, B 13 R 250/18 B; juris). Eine Klärungsbedürftigkeit ist vorliegend nicht gegeben. Soweit der Kläger mit Wirkung zum 5. Dezember 2017 als Student exmatrikuliert wurde, ist in der Rechtsprechung des BSG zu § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II geklärt, dass ein Studierender von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt nach dem SGB II nicht ausgeschlossen ist, wenn er entweder aus organisationsrechtlichen Gründen der Hochschule nicht mehr angehört oder sein Studium tatsächlich nicht mehr betreibt (BSG, Urteil vom 22. März 2012, B 4 AS 102/11 R; juris, Urteil vom 22. August 2012, B 14 AS 197/11 R; juris). Die Frage, wann eine Ausbildung dem Grunde nach förderfähig ist, ist auch im Anwendungsbereich des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II abschließend nach § 2 BAföG zu bestimmen (Urteil des BSG vom 22. März 2012, B 4 AS 102/11 R; juris). Es ist mithin allein aufgrund abstrakter Kriterien, losgelöst von der Person des Auszubildenden, über die Förderfähigkeit nach dem BAföG zu befinden (BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, B 4 AS 67/08 R; juris). Demgegenüber kommt § 15b BAföG bei der Beurteilung der Frage der grundsätzlichen Förderfähigkeit einer Ausbildung nicht zur Anwendung. Vielmehr umschreiben die §§ 15a, 15b BAföG den Leistungsanspruch auf Ausbildungsförderung und individualisieren (insbesondere durch die grundsätzliche Beschränkung der Förderung auf eine bestimmte Anzahl an Semestern) in dem durch § 2 BAföG abstrakt gezogenen Rahmen den Begriff der "förderfähigen Ausbildung". Voraussetzung für die Förderfähigkeit einer Ausbildung dem Grunde nach gem. § 2 BAföG ist zunächst der "Besuch" einer Ausbildungsstätte im Sinne der organisatorischen Zugehörigkeit zu dieser Ausbildungsstätte, die sich den in § 2 Abs. 1 BAföG genannten Schulgattungen zuordnen lässt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) besucht ein Auszubildender eine Ausbildungsstätte, solange er dieser organisationsrechtlich angehört und die Ausbildung an der Ausbildungsstätte tatsächlich betreibt (BVerwGE 49, 275). Bei der Hochschulausbildung begründet der Auszubildende seine Zugehörigkeit zu der Universität durch die Immatrikulation, die ihrerseits die Einschreibung in eine bestimmte Fachrichtung notwendig macht (BVerwGE, Urteil vom 28. November 1985, 5 C 64/82; juris). Das BSG ist dieser Rechtsprechung gefolgt (BSG, Urteil vom 22. August 2012, B 14 AS 197/11 R; juris). Es kommt damit neben der Einschreibung/Immatrikulation wegen der organisatorischen Zugehörigkeit zu einer Hochschule darauf an, dass der Studierende sein Studium tatsächlich betreibt. Nur in diesem Fall ist die Ausbildung nach dem BAföG dem Grunde nach förderfähig (BSG, Urteil vom 22. August 2012, a.a.O.) mit der Folge des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 5 SGB II. Dieser Rechtsprechung hat der Beklagte mit seinen fachlichen Weisungen im Übrigen Rechnung getragen (Fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 7 SGB II, Stand 2. Januar 2020). Die Mitgliedschaft des Klägers als Studierender der BTU Cottbus endete gem. § 14 Abs. 5 des Hochschulgesetzes Brandenburg mit der Exmatrikulation am 5. Dezember 2017 mit der Folge, dass der Leistungsausschluss gem. § 7 Abs. 5 SGB II für ihn ab diesem Zeitpunkt nicht mehr galt. Indem der Kläger vorträgt, das SG habe seiner Entscheidung fehlerhaft die Regelung des § 15b BAföG zu Grunde gelegt, hat er eine Abweichung im Sinne des § 144 Abs. 2 SGG nicht formgerecht bezeichnet. Nicht bezeichnet wird mit der Beschwerdebegründung ein Widerspruch im Grundsätzlichen oder ein Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze in der Entscheidung eines der in § 144 SGG genannten Gerichte. Der Kläger rügt die fehlerhafte Rechtsanwendung durch das SG, die die Zulässigkeit der Berufung jedoch nicht zu begründen vermag. Letztlich wird hierdurch nämlich nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Anwendung von Regelungen auf einen individuellen Sachverhalt aufgeworfen und somit eine Frage der Subsumtion und der Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall. Ein Abweichen von einem Rechtssatz ist auch nicht ersichtlich. Das SG hat die Rechtsprechung des BSG aus der Zeit vor der Änderung des § 15b BAföG nicht für anwendbar gehalten. Auch soweit der Kläger zur Begründung weiter ausführt, das SG habe fehlerhaft auf das Monatsprinzip abgestellt, ohne die Regelungen der § 37 Abs. II SGB II und § 41 SGB II zu berücksichtigen, rügt der Kläger die fehlerhafte Anwendung des materiellen Rechtes durch das SG, was jedoch nicht zur Zulässigkeit der Berufung führt. Schließlich hat der Kläger auch nicht gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG einen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangel geltend gemacht. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG). Nach § 145 Abs. 4 Satz 5 SGG wird das Urteil des Sozialgerichts mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Landessozialgericht rechtskräftig.
Rechtskraft
Aus
Saved