L 1 KR 115/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 524/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 115/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 58/20 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht die Vergütung für 9 stationäre Behandlungen im Zeitraum 2011 bis 2015.

Die Klägerin betreibt ein in den Krankenhausplan des Landes Berlin aufgenommenes Geriatrisches Fachkrankenhaus. Sie behandelte in dem benannten Zeitraum 9 bei der Beklagten Krankenversicherte, die alle zum Zeitpunkt des Krankenhausaufenthaltes noch nicht 60 Jahre alt waren. Sie rechnete in diesen Fällen jeweils auch eine geriatrisch-frührehabilitative Komplexbehandlung nach den OPS-Codes 8-550 ab. Die Beklagte bezahlte zunächst sämtliche Rechnungen vorbehaltslos und veranlasste auch keine Einzelfallprüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). Mit gleichlautenden Schreiben vom 10. November 2015 kündigte sie der Klägerin unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. Juni 2015 (B 1 KR 21/14 R) an, jeweils die Kosten für den OPS 8-550 zurückzufordern. Da die Versicherten zum Behandlungszeitraum das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, werde der entsprechende Betrag verrechnet. Den ermittelten Differenzbetrag, der jeweils der Höhe nach genannt ist, werde beim nächsten Rechnungslauf berücksichtigt werden.

Im Einzelnen handelte es sich um folgende Behandlungsfälle:

Nr. Versicherte Geburts- Datum Behand- lungsdauer Rech- nungs- datum

Rech-nungsbetrag (EUR) Aufrech-nungsbetrag (EUR) 1 GB. 1953 10. bis 24.10.2013 12.11.2013 6.899,17 4.697,92 2 K D. 1951 21.1 bis 22.2.2011 3.3.2011 5.908,20 512,32 3 K H. 1952 13.2. bis 8.3.2012 20.4.2012 7.122,27 2.527,04 4 G K.H. 1954 24.1 bis 17.2.2011 4.3.2011 5.557,10 860,69 5 AL. 1962 14.11.bis 6.12.2013 20.12.2013 5.815,03 1.940,74 6 A M. 1953 18.5. bis 16.6.2012 6.7.2012 7.170,75 1.202,69 7. GS. 1954 26.9. bis 18.10.2011 2.11.2011 7.297,84 2.876,10 8. H S. 1958 16.2. bis 18.3.2015 21.4.2015 6.739,95 99,67 9. L W. 1957 15.3. bis 16.4.2012 26.11.2012 7.368,74 1.634,12 Summe 59.879,05 16.351,29

Die Beklagte verrechnete am 3. Dezember 2015 einen Gesamtbetrag in Höhe von 16.351,29 Euro.

Mit Faxschreiben vom 17. März 2016 ("Avis") teilte die Beklagte der Klägerin mit, wie sich der Zahlbetrag von 4.723,90 Euro zusammensetze. Dieses Avis enthält u. a. die streitgegenständlichen Rechnungspositionen.

Die Klägerin hat am 24. März 2016 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat sie ausgeführt, es fehle bereits an einer wirksamen Aufrechnungserklärung im Sinne von § 388 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der Beklagten stehe auch kein Erstattungsanspruch zu, weil sie keine Prüfung durch den MDK veranlasst habe und deshalb die Sechs-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1 c S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht eingehalten sei. Ein etwaiger Erstattungsanspruch sei überdies ausgeschlossen, weil die Klägerin Vertrauensschutz genieße. Sie habe auf die Beständigkeit der von der Beklagten geleisteten Zahlungen vertrauen dürfen. Die Festlegung eines Mindestalters für geriatrische Patienten im Urteil des BSG vom 23. Juli 2015 sei das Ergebnis richterlicher Rechtsfortbildung. Die Klägerin habe bei der Leistungserbringung nach den Richtlinien der zuständigen medizinischen Fachgesellschaften gehandelt, die kein starres Mindestalter von 60 Jahren vorgesehen hätten. Überdies wäre der jeweilige Erstattungsanspruch auch mit Ausnahme des Falles 8 (S) verwirkt, weil der Erstattungsanspruch nicht bis zum Ende des auf das Jahr der Rechnungstellung folgenden Kalenderjahres geltend gemacht worden sei. Seit Einführung der Operationen- und Prozedurenschlüssel habe die Klägerin die geriatrisch-frührehabilitative Komplexbehandlung auch bei Patienten mit einem Lebensalter von unter als 60 Jahren erbracht, wenn diese unter geriatrietypischen Multimorbiditäten gelitten hätten und stark vorgealtert gewesen seien. Die Beklagte habe diese Abrechnungspraxis über 10 Jahre lang nicht beanstandet. Hinsichtlich der Abrechnungsfälle 2 (D), 4 (K-H) und Nr. 7 (S) erhebe sie vorsorglich Verjährungseinrede. Soweit in dem Zahlungsavis der Beklagten vom 17. März 2016 eine hinreichend bestimmte Aufrechnungserklärung zu sehen sei, scheitere sie jedenfalls daran, dass in diesen Fällen die Erstattungsansprüche einredebehaftet gewesen seien nach § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i. V. m. § 390 BGB. Das Urteil des BSG vom 23. Juni 2015 entfalte keine Rückwirkung für vor Urteilsverkündung abgeschlossene Fälle.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 13. Februar 2017 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe gegenüber den unstreitig bestehenden Vergütungsansprüchen für die Behandlung anderer Versicherter der Beklagten wirksam mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aufgerechnet. Die Klägerin habe in den konkret streitgegenständlichen Behandlungsfällen die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung jeweils zu Unrecht abgerechnet, weil die Voraussetzungen des OPS-Codes 8-550 nicht vorgelegen hätten. Denn eine solche Komplexbehandlung sei nur für Patienten ab Vollendung des 60. Lebensjahres vorgesehen. Hier seien alle Versicherten im Behandlungszeitraum noch jünger gewesen. Den öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüchen der Beklagten stehe nicht entgegen, dass kein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V innerhalb der in § 275 Abs. 1 c S. 2 SGB V geregelten Sechs-Wochen-Frist in der hier noch geltenden Fassung des Gesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I, S. 378) stattgefunden habe. Denn es handele sich hier um Prüfungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit hin und nicht um Auffälligkeitsprüfungen (Bezugnahme auf BSG, u. a. Urteile vom 25. Oktober 2016 - B 1 KR 16/16 R, B 1 KR 18/16 R, B 1 KR 19/16 und B 1 KR 22/16 R). Danach habe das Überprüfungsrecht der Krankenkassen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Krankenhausabrechnung zumindest bis zum Inkrafttreten der Neuregelung des § 275 Abs. 1 c S. 4 SGB V unabhängig von den engeren Aufforderungen eine Auffälligkeitsprüfung bestanden. Die Neuregelung des § 275 Abs. 1 c S. 4 SGB V durch das Gesetz vom 1. Dezember 2015 (BGBl. 1 S. 2229), wonach als Prüfung nach Satz 1 jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses anzusehen sei, mit der die Krankenkasse den MDK beauftrage und die eine Datenerhebung durch diesen beim Krankenhaus erfordere, finde auf die hier streitigen Behandlungsfälle (noch) keine Anwendung (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 25. Oktober 2016 - B 1 KR 18/16 R - Rdnr. 30). Die Verjährungseinrede der Klägerin bezüglich der Behandlungsfälle Nr. 2, 4 und 7 greife nicht. Es gelte hier der in § 45 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) zum Ausdruck kommende allgemeine Rechtsgedanken einer vierjährigen Verjährung (ständige Rechtsprechung des BSG, z. B. Urteil vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 26/14 R - Rdnr. 44). Eine Aufrechnung sei nach § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i. V. m. § 215 BGB noch möglich, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt gewesen sei, in dem erstmals aufgerechnet habe werden können. Jedenfalls ausweislich des Zahlungsavis vom 4. März 2016 seien die Erstattungsforderungen aus den Behandlungsfällen Nr. 2, 4 und 7 jeweils mit Forderungen verrechnet bzw. aufgerechnet worden, die von der Klägerin bereits im Jahr 2011 in Rechnung gestellt worden seien. Die Haupt- und die Gegenforderungen hätten sich danach in dem Zeitpunkt, in dem erstmals hätte aufgerechnet werden können, noch unverjährt gegenübergestanden. Die öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüche seien im Zeitpunkt der Aufrechnung auch nicht verwirkt gewesen. Angesichts der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist könne eine Verwirkung nur in besonderen Ausnahmekonstellationen erfolgen. Der bloße Zeitablauf stelle kein die Verwirkung begründendes Verhalten dar. Unterlassen könne ein schutzwürdiges Vertrauen allenfalls in Ausnahmefällen begründen und zur Verwirkung des Rechts führen, wenn der Schuldner das Recht als bewusst und planmäßig erachten durfte (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 13. November 2012 - B 1 KR 24/11 R - Rdnr. 37 ff.). Der Umstand, dass die Beklagte über einen Zeitraum von etwa 10 Jahren die Abrechnung des OPS-Codes 8-550 auch bei unter 60jährigen Versicherten nicht beanstandet habe, sei kein solcher Ausnahmefall. Aus denselben Gründen griffen auch die weiteren von der Klägerin geltend gemachten Vertrauensschutzerwägungen nicht durch. So habe die Beklagte nicht (in positiver) Kenntnis ihrer Nichtschuld gemäß § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i. V. m. § 814 Abs. 1 BGB geleistet (Bezugnahme u. a. auf BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 - B 1 KR 27/13 R, Rdnr. 29). Nach § 12 Abs. 4 S. 4 des ab 1. Januar 1994 in Kraft getretenen Vertrages über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (Krankenhausbehandlungsvertrag - KBV - nach § 112 Abs. 2 SGB V zwischen der Berliner Krankenhausgesellschaft und den Landesverbänden der Krankenkassen) sei ihr ausdrücklich eine sachlich-rechnerische Überprüfung der Rechnung vorbehalten gewesen. Ein Leistungserbringer könne zudem jedenfalls nicht als Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB einwenden, die zu Unrecht abgerechnete Leistung sei tatsächlich erbracht worden. Denn einem Leistungserbringer stehe für Leistungen, die unter Verstoß gegen das Leistungserbringerrecht der gesetzlichen Krankenversicherung bewirkt worden seien, grundsätzlich kein Vergütungsanspruch auf bereicherungsrechtlicher Grundlage zu. Dies gelte unabhängig davon, ob die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden seien und ob sie für den Versicherten geeignet und nützlich seien (Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des BSG, Urteil vom 17. November 2015 - B 1 KR 12/15 R - Rdnr. 23). Auf einen Vertrauensschutz bei Änderung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung könne die Klägerin sich nicht berufen, weil das BSG mit seinem Urteil vom 23. Juni 2015 (B 1 KR 21/14 R) keine bis dahin bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung geändert, vielmehr erstmals eine noch nicht geklärte Rechtsfrage entschieden habe. Für allgemeine darüber hinausgehende verfassungsrechtliche Vertrauensschutzerwägungen sei kein Raum. Die Aufrechnungserklärung sei schließlich wirksam. Eine Aufrechnung setze voraus, dass sowohl die Passiv- als auch die Aktivforderung jedenfalls im Wege der Auslegung hinreichend konkret bezeichnet seien. Die Erklärung brauche nicht ausdrücklich abgegeben werden, es genüge die klare Erkennbarkeit des Aufrechnungswillens. Für den Fall nicht eindeutiger Erklärungen des Aufrechnenden schaffe die Verweisung des § 396 Abs. 1 S. 2 BGB auf § 366 BGB eine Erleichterung (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 25. Oktober 2016 - B 1 KR 7/16 R - Rdnr. 12 ff.). Die Beklagte habe hier mit dem Schreiben vom 17. März 2016 einschließlich des beigefügten Zahlungsavis in Zusammenhang mit der in dem Schreiben vom 11. November 2015 bereits angekündigten Verrechnungen die Aufrechnung wirksam erklärt (Bezugnahme auf BSG, a.a.O.). Dem Zahlungsavis lasse sich im Einzelnen entnehmen, welche Hauptforderungen der Klägerin jeweils in welcher Höhe aufgerechnet würden. Der Gesamtbetrag der aufgerechneten Gegenforderungen ergebe sich aus der Differenz zwischen dem Gesamtrechnungsbetrag und dem Gesamtzahlbetrag. Es sei zu berücksichtigen, dass derartige Sammelabrechnungen im Abrechnungsverhältnis zwischen den Beteiligten geschäftsüblich seien (Bezugnahme auf BSG, a.a.O. Rdnr. 13). Die jeweils aufgerechnete Gegenforderung sei durch die Tilgungsregelung in § 366 Abs. 2 BGB, die im Rahmen der Aufrechnung auch dann entsprechend anwendbar sei, wenn - wie hier - sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner mehrere Forderungen geltend machten, ebenfalls hinreichend bestimmt.

Gegen diese am 20. Februar 2017 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin vom 14. März 2017. Zu deren Begründung hat sie ihr Vorbringen wiederholt und vertieft. Der Beklagte habe jeweils den MDK innerhalb der Sechs-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1 c S. 2 SGB V mit einer Prüfung beauftragen müssen, weil die Prüfung der medizinischen Voraussetzungen für eine geriatrisch-frührehabilitative Komplexbehandlung fachärztlichen Sachverstand erfordere. Die Rechtsprechung des 1. Senats und seiner Differenzierung zwischen einer fristgebundenen Auffälligkeitsprüfung und einer nichtfristgebundenen Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit sei bei allen Behandlungsfällen mit Ausnahme des Falles S im Zeitpunkt der Rechnungsstellung und Rechnungsprüfung noch nicht bekannt gewesen. Sie habe deshalb das Verwaltungshandeln der Beklagten nicht beeinflussen können. Alle (anderen) Rechnungsprüfungen seien zum genannten Zeitpunkt Auffälligkeitsprüfungen gewesen (Bezugnahme u. a. auf LSG Niedersachen-Bremen, Urteil vom 23. Februar 2016 - L 4 KR 183/13). Eine Prüfanzeige der Beklagten hätte von der Klägerin nur als Auffälligkeitsprüfung verstanden werden können. Das damals herrschende Rechtsverständnis könne nicht im Nachhinein in die Prüfung einer sachlich-rechnerischen Richtigkeit umgedeutet werden, weil die Urteile des 1. Senats des BSG vom 1. Juli 2014 eine für alle überraschende und absolut nicht vorhersehbare neue Rechtsprechung mit sich gebracht hätten. Diese sei so wenig überzeugend gewesen, dass der Gesetzgeber sie mit Wirkung zum 1. Januar 2016 korrigiert habe. Im Fall der Versicherten S genieße die Klägerin Vertrauensschutz, weil zum Zeitpunkt deren Behandlung bereits die Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) der Spitzenverbände nach § 17 c Abs. 2 KHG gegolten habe, an dessen Verfahren die Beklagte deshalb gebunden gewesen sei. Entgegen der Auffassung des SG habe die Klägerin ihren Wegfall der Bereicherung substantiiert dargelegt. Welche Leistungen sie erbracht habe, könne unmittelbar der Leistungsbeschreibung im OPS-Code 8-550 entnommen werden. Beispielsweise habe die Versicherte B25 Einheiten Physiotherapie, 7 Einheiten Ergotherapie und sechs neuropsychologische Therapieeinheiten erhalten. Auch die sonstigen Mindestmerkmale des Codes, nämlich die Behandlung durch ein geriatrisches Team unter fachärztlicher Behandlungsleitung, standardisiertes geriatrisches Assessment bei Aufnahme und Entlassung, soziales Assessment, wöchentliche Teambesprechung unter Beteiligung aller Berufsgruppen mit wochenbezogener Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele, aktivierend-therapeutische Pflege durch besonders geschultes Pflegepersonal, seien in allen Fällen erfüllt. Es handele sich auch nicht um einen Leistungsausschluss unter Verstoß gegen das Leistungserbringerrecht im Sinne der Rechtsprechung des BSG, denn die Klägerin habe die Leistungen nach den Richtlinien der geriatrischen Fachgesellschaften erbracht. Erfolgten Behandlungen nach medizinischen Richtlinien, Leitlinien und Standards und stünden sie nicht im Widerspruch zur allgemeinen oder besonderen ärztlichen Erfahrung, sei von ihrer Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit auszugehen. Bei vorgealterten multimorbiden Patienten - wie hier - sei die Behandlung in einem Lebensalter unter 60 Jahren durchaus sinnvoll. Ein Verstoß gegen das Leistungserbringerrecht könne nicht vorliegen. Entgegen der Auffassung des SG komme der Entscheidung des BSG vom 23. Juni 2015 (B 1 KR 21/14 R) bei Anwendung für die Vergangenheit eine echte Rückwirkung zu. Es habe seine Entscheidung nicht auf eine bestehende Gesetzeslage stützen können. Die Annahme eines Mindestalters habe eine seit vielen Jahren bestehende und von Krankenhäusern und Krankenkassen gemeinsam geübte Praxis verändert. Die Rechtsprechung sei nicht vorhersehbar gewesen. Eine Abweichung von den Richtlinien der Fachgesellschaften sei angesichts der Entscheidung des Großen Senats des BSG vom 25. September 2007 (GS 1/06) ungewöhnlich. Das Verhalten der Beklagten, vorbehaltslos gezahlte Vergütungen wegen sachlich-rechnerischer Unrichtigkeit zurückzufordern sei deshalb treuwidrig und verstoße gegen § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i. V. m. § 242 BGB. Die Erstattungsansprüche wären darüber hinaus auch verwirkt. Die Beklagte habe über einen langen Zeitraum bewusst und planmäßig von der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen abgesehen. Ihr Verhalten verstoße auch gegen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Ein Krankenhaus müsse Vergütungsnachforderungen nach vorbehaltlos erteilter Schlussrechnung spätestens bis zum Ende des folgenden Kalenderjahres geltend machen (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 5. Juli 2016 - B 1 KR 40/15 R - Rdnr. 21 ff.). Deshalb könne einer auch einer Krankenkasse zugemutet werden, geleistete Zahlungen innerhalb derselben Frist auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Hier sei dieser Zeitraum mit Ausnahme des Falles S überschritten. § 12 Abs. 4 S. 4 des KBV könne entgegen der Auffassung des SG schon deshalb nicht herangezogen werden, weil § 275 Abs. 1 c SGB V Vorrang habe, ebenso wie die Prüfverfahrensvereinbarung. Die Rechtsprechung des 1. Senats des BSG zu den unterschiedlichen Prüfungen habe den vor Inkrafttreten der Einführung des § 275 Abs. 1 c SGB V bestehenden Zustand weitgehend wiederhergestellt, weil der weit überwiegende Teil von Abrechnungsprüfungen auf Kodierprüfungen entfallen sei, welche der 1. Senat des BSG zum Prüfprogramm der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung zähle. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sei ein schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung bei einer gefestigten und langjährigen Rechtsprechung anzunehmen, wenn die Änderung der Rechtsprechung nicht im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung erfolge (Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 25. April 2015 - 1 BvR 2314/12 - Rdnr. 13). Der 1. und der 3. Senat des BSG seien über Jahre hinweg von einem einheitlichen Prüfregime in § 275 Abs. 1 c SGB V ausgegangen, ohne dass dies in der Instanzrechtsprechung oder in der Literatur auf Kritik gestoßen sei. Wenn gleich zwei BSG-Senate mehrere Jahre lang übereinstimmend urteilten, würde eine rückwirkende Erstreckung der Änderung dieser Rechtsprechung auf abgeschlossene Abrechnungsvorgänge die Krankenhäuser schwerwiegend über die Verlässlichkeit der Rechtsordnung täuschen. Auch habe das BVerfG in seinem Beschluss vom 28. November 2018 ausgeführt, dass einfachrechtlich ein anderes Verständnis der maßgeblichen Vorschriften als das des BSG vertretbar, wenn nicht sogar naheliegend sei. Angesichts dieser Feststellung müsse sich die Klägerin in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) keine grob fahrlässige Unkenntnis eines fehlenden Rechtsgrundes vorwerfen. § 45 Abs. 2 S. 2 und 3 SGB X seien entsprechend bzw. über § 50 Abs. 2 SGB X direkt anwendbar (Bezugnahme auf BSG, Urt. vom 11. September 2019 -B 6 KA 13/18 R). Zuletzt erhebe die Klägerin die Einrede der Verjährung nach § 109 Abs. 5 S. 1 und 2 SGB V in der Fassung des Art 7. Nr. 8 a des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes (PpSG) vom 14. Dezember 2018 (BGBl I S. 2394, 2403, 2404). Die Verkürzung der Verjährungsfrist auf zwei Jahre und deren rückwirkende Anwendung auf Erstattungsforderungen der Krankenkassen, die vor dem 1. Januar 2019 entstanden seien, solle Unsicherheiten beseitigen, die durch die BSG-Rechtsprechung entstanden, beseitigen und eine umfassende Befriedung abgeschlossener Abrechnungsfälle in einer kürzeren Zeit ermöglichen. Ergänzend zu § 105 Abs. 5 S. 1 und 2 SGB V enthalte § 325 SGB V in der Fassung des Art. 7 Nr. 20 PpSG eine Ausschlussfrist für Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung geleisteter Vergütungen, die vor dem 1. Januar 2017 entstanden seien, die aber bis zum Tag der zweiten und dritten Lesung dieses Gesetzes noch nicht gerichtlich geltend gemacht worden seien. Aus diesen Regelungen ergebe sich, dass die Krankenkassen Rückzahlungsansprüche, die vor dem 1. Januar 2017 entstanden seien, nicht mehr durchsetzen könnten, um den Rechtsfrieden umfassend wiederherzustellen, es sei denn, sie hätten ihre Forderungen bis zum 9. November 2018 gerichtlich geltend gemacht. Dies sei hier nicht der Fall.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Februar 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin den Betrag von 16.351,29 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 4. Dezember 2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze und Aufstellungen wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Berufung bleibt der Erfolg versagt. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Dem von der Klägerin zulässigerweise im Wege der einfachen Leistungsklage geltend gemachten Zahlungsansprüche stehen die von der Beklagten vorgenommenen Aufrechnungen entgegen. Der Beklagten stand in Höhe der Klageforderung ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu. In dieser Höhe hat sie die stationäre Behandlung des Versicherten ohne Rechtsgrund vergütet. Die Klägerin hatte insoweit keinen Entgeltanspruch. Ein Ausschluss der Aufrechenbarkeit gegen die Erstattungsansprüche der Klägerin durch eine Einrede nach § 390 BGB greift nicht. Der Klägerin steht keine Einrede zu. Sie kann sich insbesondere nicht auf Verjährung, Verwirkung, allgemein Vertrauensschutz oder Entreicherung berufen. Ob die Beklagte hier jeweils mit einem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aufgerechnet hat oder ob dieser speziell in § 50 Abs. 2 SGB X gesetzlich geregelt ist (so wohl die Klägerin unter Bezugnahme auf BSG, Urt. v. 11. September 2019 - B 6 KA 13/18 R- Rdnr. 14 für den Rückforderungsanspruch einer Kassenärztlichen Vereinigung gegen den Vertragsarzt bei Honorarüberzahlung) kann dabei dahingestellt bleiben.

Rechtsgrundlage der geltend gemachten Vergütungsanspruche ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V, § 17 b Abs. 1 Satz 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG); § 7 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und dem KBV. Danach entsteht die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V objektiv erforderlich war. Der Höhe nach bestimmt sich der Anspruch der Klägerin nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Gemäß § 7 Satz 1 KHEntgG werden die Leistungen der Krankenhäuser durch die Berechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog vergütet. Diese Entgelte vergüten nach § 7 Satz 2 KHEntgG alle allgemeinen Krankenhausleistungen. Die Spitzenverbände der Krankenkassen bzw. seit dem 1. Januar 2008 der Spitzenverband Bund der Krankenkassen haben dazu nach §§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG, 17b Abs. 2 KHG Fallpauschalen und ein Vergütungssystem zu vereinbaren, das sich an einem international bereits eingesetzten Vergütungssystem auf der Grundlage der Diagnosis Related Groups (DRG) orientiert und jährlich weiterzuentwickeln und anzupassen ist. Das Vergütungssystem der allgemeinen Krankenhausleistungen soll nach § 17 b Abs. 1 Satz 1 KHG durchgängig, leistungsorientiert und pauschalierend sein. Dieses auf Vereinbarungen zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der der Deutschen Krankenhausgesellschaft beruhende Vergütungssystem wurde nach § 17b Abs. 6 Satz 1 KHG verbindlich für alle Krankenhäuser zum 1. Januar 2004 eingeführt. Der in Ausführung dieser gesetzlichen Verpflichtung vereinbarte Fallpauschalenkatalog sieht für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG zwei Schritte vor: Zunächst ist die durchgeführte Behandlung entsprechend ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen nach einem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information herausgegebenen Kode zu verschlüsseln. Dazu haben die Vertragspartner Kodierrichtlinien beschlossen, die ebenfalls jährlich überprüft und angepasst werden. Aus den vorzunehmenden Kodierungen ergibt sich nach bestimmten vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Kriterien die Zuordnung zu einer bestimmten DRG. Aus dieser wird dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung berechnet (vgl. BSG Urt. v. 8. November 2011 - B 1 KR 8/11 R - juris-Rdnr 17-21, Urt. v. 18. September 2008 - B 3 KR 15/07 R - juris-Rdnr. 16). Welche der über die Höhe der Vergütung entscheidenden DRG-Positionen abzurechnen ist, ergibt sich damit nicht aus einem abstrakten Tatbestand, sondern steht am Ende des Verarbeitungsprozesses der einzugebenden Daten. Nach § 1 Abs. 6 Satz 1 FPV sind zur Zuordnung eines Behandlungsfalles zu einer Fallpauschale Programme (sog. Grouper) einzusetzen, die von dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus zertifiziert sein müssen. Über die in das Programm einzugebenden Daten bestimmt der ICD-10 in der deutschen Fassung sowie der vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS).

Wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, durfte die Klägerin bei den neun streitbefangenen Fällen die Kosten für den OPS-Code 8-550 nicht ansetzen, da die betreffenden bei der Beklagten versicherten Patienten zum Zeitpunkt der Behandlung noch nicht mindestens 60 Jahre alt gewesen waren.

Die Schlüsselnummern nach OPS 8-550 betreffen die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung. Die einzelnen Schlüssel unterscheiden sich insbesondere hinsichtlich Behandlungsdauer und Zahl der Therapieeinheiten (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 21/14 R -, Rdnr. 15). Wie das BSG entschieden hat, ist die notwendige Grenzziehung zwischen geriatrischer und sonstiger, insbesondere etwa neurologisch-neurochirurgischer, frührehabilitativer Komplexbehandlung, mangels ausdrücklicher rechtlich exakt vorgegebener Grenzwerte anhand der medizinischen Ausrichtung der jeweiligen Frührehabilitation vorzunehmen. Das entspricht auch dem Grundsatz, dass der OPS - soweit keine abweichenden rechtlichen Vorgaben bestehen - Operationen und Prozeduren unter Verwendung medizinischer Begriffe mit dem Sinngehalt definiert und strukturiert, der ihnen im medizinisch-wissenschaftlichen Sprachgebrauch beigemessen wird. Nach diesem Maßstab kommt dem Alter der Patienten für die Abgrenzung geriatrischer von sonstiger frührehabilitativer Komplexbehandlung eine entscheidende Bedeutung zu. Geriatrie befasst sich mit den Alterungsprozessen und den diagnostischen, therapeutischen, präventiven und rehabilitativen Aspekten der Erkrankungen alter Menschen. Geriatrie ist die Lehre von den Krankheiten des alternden Menschen. Eine altersunabhängige Zuordnung von Patienten zur Geriatrie ist danach ausgeschlossen. Die zwingend an das Alter anknüpfende Grenzziehung muss die bestehenden Abstufungen der Bedürfnisse der Patienten berücksichtigen, die die Notwendigkeit des Einsatzes des Instrumentariums der Geriatrie bedingen (BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 21/14 R -Rdnr. 18f). Unterhalb eines Alters der Patienten von 60 Jahren kann danach von einem spezifisch geriatrischen Bedarf keine Rede sein. Der hiesige Senat folgt dieser Auffassung aus eigener Überzeugung (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. September 2018 - L 5 KR 154/18 -, juris-Rdnr. 32 - 36). Ob die jeweiligen Behandlungen medizinisch geboten waren und im Einklang mit den einschlägigen Leitlinien erfolgten, spielt für die Frage der Abrechnung keine Rolle. Der Beklagten ist ein Berufen auf die Nichterfüllung des OPS nicht verwehrt, obgleich sie innerhalb von sechs Wochen kein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 S. 1, Abs. 1 c S. 2 SGB V a. F. eingeleitet hatte. Das SG hat bereits zutreffend ausgeführt, dass jedenfalls nach der Rechtsprechung des maßgeblichen 1. Senats des BSG diese Norm mangels Auffälligkeitsprüfung nicht einschlägig gewesen ist. Vielmehr handelte es sich um eine sachlich-rechnerische Abrechnungsüberprüfungen und nicht um Auffälligkeitsprüfungen im Sinne des § 275 Abs. 1 c Sätze 2 und 3 i. V. m. § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V a. F. (BSG, Urteile vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 13/14 R Rdnr. 25 und vom 25. Oktober 2016 - B 1 KR 18/16 R - Rdnr. 37). Das BVerfG hat mittlerweile auch entschieden, dass das BSG mit seiner Differenzierung die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung nicht überschritten hat und deshalb Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) nicht verletzt hat (Nichtannahmebeschluss vom 26. November 2018 - 1 BvR 318/17, 1 BvR 1474/17, 1 BvR 2207/17- Rdnr. 29 ff). Die Abgrenzung einer Auffälligkeitsprüfung von einer Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit ist vom Wortlaut des § 275 SGB V her nicht ausgeschlossen und kann sich auf nachvollziehbare Anknüpfungspunkte stützen, unter anderem auf den Hinweis auf eine Differenzierung zwischen der Auffälligkeitsprüfung als Unterfall der Wirtschaftlichkeitsprüfung und der Abrechnungsprüfung im Vertragsarztrecht (BVerfG, a. a. O., Rdnr. 34 bis 39). Das BSG hat sich auch nicht über einen erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinweggesetzt. Es ist zwar aufgrund der Gesetzesmaterialien unsicher, ob der Gesetzgeber das Problem der durch die Komplexität der DRG-Kodierregeln verursachten Fehlcodierungen als weitere Fallgruppe des § 275 Abs. 1 c SGB V verstand oder ob ihm der Unterschied zwischen sachlich-rechnerischer Richtigkeit und Wirtschaftlichkeitsprüfung möglicherweise nicht hinreichend bewusst gewesen war. Diese Unsicherheit begründet aber keinen der Rechtsprechung des BSG entgegenstehenden Willen, da dieser nicht klar erkennbar zutage getreten ist (BVerfG, a. a. O. Rdnr. 45 und 48). Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es vor der Rechtsprechung des BSG einhellige Auffassung gewesen sei, in "derartigen" Fällen eine Auffälligkeitsprüfung durchzuführen. Denn es geht -klassischerweise- um die sachlich-rechnerische Richtigkeit der geforderten Vergütung, nämlich eine richtige Kodierung und Abrechnung (§ 301 SGB V; vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 13/14 R - Rdnr. 25). Auch nach der Rechtsprechung des 3. Senats des BSG war ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V nicht einzuleiten und konnte infolgedessen auch die Sechs-Wochen-Frist nicht ablaufen, wenn im Einzelfall bereits die nach § 301 SGB V übermittelten Daten zur Klärung der Zahlungspflicht ausreichten. Nur wenn sich die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung oder weitere Abrechnungsvoraussetzungen den medizinisch in der Regel nicht besonders ausgebildeten Mitarbeitern der Krankenkassen aufgrund der dortigen Angaben oder eines Kurzberichtes auf der sogenannten ersten Stufe nicht erschließen, ist auf der zweiten Stufe der Sachverhaltserhebung ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V einzuleiten (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 - B 3 KR 14/11 R - juris - Rdnr. 19 f.). Im Gegensatz zu dem von der Klägerin angeführten Urteil des LSG Niedersachen-Bremen vom 23. Februar 2016 (L 4 KR 183/13), in dem ausdrücklich die Annahme der Sechs-Wochen-Frist vorausgesetzt wird, dass die Notwendigkeit einer fachmedizinischen Prüfung bestehe, beschränkte sich in den hier streitgegenständlichen Fällen die Überprüfung der hier streitgegenständigen OPS-Codes auf die bloße Ermittlung des Alters der versicherten Patienten. Im dortigen Fall war zur Klärung der notwendigen kontinuierlichen Einbindung neurologischen Sachverstandes medizinischer Sachverstand erforderlich (vgl. LSG Niedersachen-Bremen, Urteil vom 23. Februar 2016 a. a. O. juris - Rdnr. 72). Die Beklagte hat hier, wie bereits ausgeführt, ohne dass es erforderlich gewesen wäre, den MDK einzuschalten, das Vorliegen der Voraussetzungen des OPS-Codes 8-550 anhand einer der nach § 301 SGB V zu übermittelten Information überprüft (Geburtsdatum: §§ 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 291 Abs. 2 Nr. 3 SGB V).

Das SG hat schließlich für den Senat überzeugend ausgeführt, weshalb sich die Klägerin weder auf Verwirkung noch auf Vertrauensgrundsätze oder Entreicherung berufen kann. Aus dem Umstand, dass die Beachtung des Vertrauensschutzes aus dem Rechtsstaatsgebot folgt und dieser unter anderem in § 45 SGB X normiert ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 1981 - 1 BvR 898/79 -, BVerfGE 59, 128-172, juris-Rdnr. 82), folgt dabei für die hiesige Streitigkeit nichts anderes. Auf die Ausführungen des SG wird zur Vermeidung bloßer Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verwiesen.

Zu ergänzen ist lediglich:

Der Beklagten ist es nicht verwehrt gewesen, sich auf die Rechtsprechung des BSG zum Merkmal "geriatrisch" bei der Abrechnung des OPS 8-550 auch für die Bezahlung von Behandlungen zu berufen, die vor der Entscheidung durchgeführt wurden ohne dass dies rechtsstaatswidrig oder jedenfalls treuwidrig wäre.

Soweit sich die Klägerin auf § 4 der PrüfvV beruft, geht dies fehl. Diese Vorschrift bezieht sich bereits nach ihrem Wortlaut nur auf Auffälligkeitsprüfungen (ebenso bereits LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. April 2018 - L 11 KR 936/17 - juris - Rdnr. 48). Denn § 4 S. 1 PrüfvV lautet:

"Erkennt die Krankenkasse bei der Prüfung nach § 3 Auffälligkeiten, die es erforderlich machen, eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistungen oder der Korrektheit deren Abrechnung nach § 275 Abs. 1 c SGB V einzuleiten, hat sie dem Krankenhaus die Auffälligkeiten innerhalb von sechs Wochen nach Eingang der nach § 3 übermittelten Daten und der entsprechenden Krankenhausrechnung so konkret wie möglich mitzuteilen, und hierzu zumindest die Art der Prüfung wie folgt zu bestimmen: ( )."

Nach Auffassung des hiesigen Senats steht die Anwendung der von der Klägerin kritisierten Rechtsprechung des 1. Senats des BSG keine gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verstoßende unzulässige Rückwirkung dar. Zwar gestattet es das BVerfG grundsätzlich, die Anforderungen zur Rückwirkung von Gesetzen auch auf Rechtsprechung zu übertragen (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 2011 - 2 BvR 1230/10). Jedoch kommt eine dem Gesetz gleichkommende vergleichbare Bindungswirkung allenfalls in Betracht, wenn es sich um eine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung handelt, die durch eine neue Rechtsprechung aufgegeben wird (BVerfG a.a.O. juris-Rdnr. 15). Davon kann hier keine Rede sein. Vielmehr wird der in dem OPS 8-550 verwandte Begriff der "geriatrischen rehabilitativen Komplexbehandlung", der in der Rechtsordnung gerade nicht definiert ist, hier höchstrichterlich nach allgemeinen, anerkannten Grundsätzen ausgelegt worden. Für diese - naturgemäß immer in der Vergangenheit liegende Sachverhalte betreffende - Auslegungsaufgabe der Rechtsprechung kann das Verbot der echten Rückwirkung aber nicht gelten. Eine gefestigte anderslautende (höchstrichterliche) Rechtsprechung lag gerade nicht vor (so zutreffend weitgehend wörtlich LSG Nordrhein-Westfalen, a. a. O., Rdnr. 37).

Die Beklagte hat die Geltendmachung des Anspruches auch nicht verwirkt. Für ein Verwirken müssten besondere Umstände vorliegen, aufgrund deren der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) vertrauen durfte, dass dieser seine Rechte nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut habe, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet habe (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG, Urteil vom 5. Juli 2016 - B 1 KR 40/15 R - Rdnr. 20 m. w. N.). Nach der Rechtsprechung des BSG ist das Unterlassen nur ausnahmsweise geeignet, ein schutzwürdiges Vertrauen zu begründen, nur dann, wenn der Schuldner dieses als bewusst und planmäßig erachten darf (BSG, Urteil vom 13. November 2012 - B 1 KR 24/11 R - Rdnr. 39). Die (vorbehaltslose) Erstellung der Schlussrechnung durch das Krankenhaus und deren (vorbehaltlose) Bezahlung durch die Krankenkasse sind im Hinblick auf das für eine Verwirkung erforderliche Umstandsmoment nicht vergleichbar. Denn als gesetzeskonforme Ausformung des kompensatorischen Beschleunigungsgebots ordnet zwar § 12 Abs. 4 S. 1 KBV an, dass die zuständige Krankenkasse die Rechnung innerhalb von 14 Kalendertagen nach Rechnungseingang bezahlen muss. Dieses Gebot, zügig zu verfahren, beruht auf dem Regelungskomplex der gesetzlichen Zahlungspflichten, die mit der Vorleistungspflicht der Krankenhäuser korrespondieren. Diese Pflicht zur Beschleunigung findet ihren Niederschlag in den Regelungen über Abschlagszahlungen, angemessene monatliche Teilzahlungen und Verzugszinsen bei verspäteter Zahlung (vgl. BSG, Urteil vom 25. Oktober 2016 - B 1 KR 6/16 R- Rdnr. 16). Nach § 12 Abs. 4 S. 4 KBV können aber zum Ausgleich Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art auch nach Bezahlung der Rechnung geltend gemacht und die Differenzbeträge verrechnet werden. Insofern steht die Bezahlung der Schlussrechnung durch die Krankenkasse von vornherein unter dem vertraglichen Vorbehalt einer späteren Nachprüfung, ohne dass es einer entsprechenden ausdrücklichen Erklärung eines Vorbehaltes bedarf. Diese Regelung hat jedenfalls in dem vorliegend maßgeblichen Zeitraum nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen, insbesondere nicht gegen § 275 Abs. 1 c SGB V, Sie erfasste -wie ausgeführt- sachlich-rechnerische Richtigstellungen gerade nicht. Bereits das SG hat also zu Recht darauf hingewiesen, dass bereits nach dem Berliner Landesvertrag per se nicht von vorbehaltslos erteilten Schlussrechnungen ausgegangen werden kann. Die Regelungen des KBV haben jedenfalls in dem vorliegend maßgeblichen Zeitraum nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen § 275 Abs. 1 c SGB V, verstoßen, weil diese Vorschrift - wie dargelegt - Prüfungen der Abrechnungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit hin gerade nicht erfasst haben.

Auch zu den Entreicherungseinwänden der Klägerin hat das SG bereits umfassend aufgeführt. Der Grundsatz, dass einem Leistungserbringer für Leistungen, die unter Verstoß gegen das Leistungserbringerrecht der GKV bewirkt würden, keinen Vergütungsanspruch auf bereicherungsrechtlicher Grundlage zusteht, gilt unabhängig davon, ob die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden sind und ob sie für den Versicherten geeignet und nützlich sind (ständige Rechtsprechung des BSG, z. B. Urteil vom 17. November 2015 - B 1 KR 12/15 R - Rdnr. 23. Die frühere Rechtsprechung des 3. Senats des BSG, wonach dieser Grundsatz ausnahmsweise für Vorschriften, die eine reine Ordnungsfunktion hätten, nicht gelten solle, hat der 1. Senat für den Bereich der Krankenhaus-Vergütung ausdrücklich aufgegeben (Urteil vom 17. November 2015 - B 1 KR 12/15 R, BSGE 120, 69 ff. Rdnr. 50, vgl. Bockholdt in: Hauck/Noftz, SGB, 04/19 § 19 SGB V Rdnr. 218). Im Streit ist hier auch keine Ordnungsvorschrift sondern eine zur Vergütung. Die Ansprüche gelten zuletzt nicht aufgrund § 325 SGB V als bereits zum Aufrechnungspunkt verjährt: Nach der allgemeinen Regelung des § 215 BGB schließt eine Verjährung die Aufrechnung nicht aus, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem er erstmals aufgerechnet werden konnte. Soweit der 3. Senat des BSG in seiner früheren Rechtsprechung zur Vorgängerregelung des heutigen § 215 BGB entschieden hat, dass aus Billigkeitserwägungen diese Vorschrift in Bezug auf Krankenhausforderungen nicht angewandt werden könne (BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 KR 21/03 R - ) hat er an ihr nicht mehr festgehalten (vgl. Urteil vom 19. September 2013 - B 3 KR 30/12 und B 3 KR 31/12 R). § 325 SGB V enthält eine Verkürzung der Verjährungsfrist, mit der die Geltendmachung der nach der Übergangsregelung in § 109 Abs. 5 S. 2 SGB V eigentlich noch bis zum 31. Dezember 2018 einklagbaren Rückzahlungsansprüche der Krankenkassen ausgeschlossen worden sind. Die Regelung zielte nach der Gesetzesbegründung auf die Entlastung der Sozialgerichte und die Durchsetzung des Rechtsfriedens, der mit der rückwirkenden Einführung der verkürzten Verjährungsfrist beabsichtigt ist. Es sollte verhindert werden, dass die Krankenkassen zum Ende des Jahres 2018 noch zahlreiche gerichtliche Verfahren einleiteten, um die Verjährung vermeintlicher Rückzahlungsansprüche aus vormals abgeschlossenen Abrechnungsvorgängen zu hemmen, was diese bereits angekündigt hätten (vgl. BT-Drucksache 19/5593 S. 123 f.). Die Vorschrift lässt aber Aufrechnungserklärungen, die vor diesem Zeitpunkt wirksam erklärt wurden, unberührt. Auch nach heutiger Rechtslage kann damit eine Aufrechnung erklärt werden, wenn zum Zeitpunkt der Aufrechnungslage der Rückforderungsanspruch noch nicht verjährt gewesen ist (vgl. Ricken, NZS 2019, 241, 246). Dass die zum Zeitpunkt der Aufrechenbarkeit geltende vierjährige Verjährungsfrist in keinem der streitgegenständlichen Fälle bereits abgelaufen war, hat das SG vollständig dargelegt. Auch zur Wirksamkeit der Aufrechnung selbst wird auf das Urteil des SG verwiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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