L 32 AS 1879/19 B

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 29 AS 2651/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 1879/19 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 20. August 2019 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes wegen seines Ausbleibens im Termin zur mündlichen Verhandlung in einem Verfahren, das sich gegen den Sanktionsbescheid vom 18. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2017 richtet.

Er war zum Verhandlungstermin am 2. Mai 2019 nicht erschienen. Sein persönliches Erscheinen war angeordnet worden. Mit Beschluss vom 20. August 2019 wurde gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von 200,00 Euro festgesetzt.

Gegen den Beschluss richtet sich seine am 24. September 2019 eingelegte Beschwerde. Die Festsetzung sei vollkommen ermessensfehlerhaft erfolgt. Das persönliche Erscheinen des Beschwerdeführers sei zur Aufklärung des Sachverhalts angeordnet worden. Es sei wohl quasi ausgeschlossen, dass sich der Beschwerdeführer genau an den Tag erinnern könne, an welchem er die Einladung zum 1. August 2017 erhalten habe. Es komme im Übrigen auf diesen Zugangszeitpunkt wohl auch gar nicht an, weil das Gericht wohl davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer die Einladung erhalten habe. Das Gericht folgere dies aus dem Vortrag der Beklagten, der Beschwerdeführer habe ausgeführt, er habe die Einladung "sehr viel früher" erhalten. Bereits hieraus werde deutlich, dass sich der Beschwerdeführer an den genauen Zeitpunkt des Zugangs nicht erinnern könne. Insofern könne ausgeschlossen werden, dass eine persönliche Anhörung im Termin irgend einen Erkenntnisgewinn erzielt hätte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

II

Die gemäß §§ 172, 173 SGG zulässige Beschwerde, die angesichts dessen, dass das einen Ordnungsgeldbeschluss betreffende Beschwerdeverfahren nicht kontradiktorisch ausgestaltet ist, keinen Beschwerdegegner kennt (BGH, Beschluss vom 12. Juni 2007, VI ZB 4/07), ist nicht begründet.

Nach § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO kann gegen einen im Termin ausgebliebenen Beteiligten Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen (vgl. §§ 380, 381 ZPO) festgesetzt werden. Gemäß § 380 Abs. 1 Satz 1 ZPO wird einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, ein Ordnungsgeld auferlegt.

Der Beschwerdeführer war ordnungsgemäß unter Anordnung seines persönlichen Erscheinens (§ 111 Abs. 1 Satz 1 SGG) geladen. Gemäß § 111 Abs. 1 Satz 2 SGG ist dabei auf die Folgen des Ausbleibens, nämlich auf die Möglichkeit der Verhängung von Ordnungsgeld bei unentschuldigtem Ausbleiben (vgl. § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO), hinzuweisen. Die Ladung vom 19. März 2019 enthält einen entsprechenden Hinweis, der diesen Anforderungen genügt. Die Umladung vom 2. April 2019 zum Termin am 2. Mai 2019 enthielt den Hinweis auf den Inhalt der ersten Ladung. Dies war ausreichend. Der Beschwerdeführer ist auch zum Verhandlungstermin nicht erschienen. Gemäß § 202 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 141 Abs. 3 Satz 1, 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterbleibt die Festsetzung eines Ordnungsgeldes, wenn das Ausbleiben rechtzeitig genügend entschuldigt wird. Das Ausbleiben des Beschwerdeführers ist nicht begründet worden.

Die Entscheidung, ob ein Ordnungsgeld festgesetzt werden soll, ist eine Ermessensentscheidung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob das persönliche Erscheinen zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts nach § 106 Abs. 1 SGG erforderlich war und nicht nur für einen Einigungsversuch (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage § 111 RdNr. 6a unter Hinweis auf Rechtsprechung). Gemäß § 103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist wegen Satz 2 der Vorschrift an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Das Gericht entscheidet wegen § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Beweiserhebung und –würdigung unterliegt daher einem Spielraum, der auch bei der Überprüfung des Ermessens bei einer Ordnungsgeldentscheidung nur beschränkt überprüfbar ist. Erscheint das Vorgehen des Gerichts zur Sachverhaltsaufklärung vertretbar und nicht willkürlich, kann eine in diesem Rahmen erfolgte Anordnung des persönlichen Erscheinens zur Sachverhaltsaufklärung, an welcher die Beteiligten mitzuwirken haben, nicht beanstandet und insofern eine Ordnungsgeldanordnung nicht ermessensfehlerhaft sein.

Im vorliegenden Klageverfahren erscheint – ausgehend von dem den Beteiligten bereits mit der Ablehnung von Prozesskostenhilfe (Beschluss vom 27.03.2019) mitgeteilten Rechtsstandpunkt des Sozialgerichts – die weitere Aufklärung des Zugangs der Einladung zum Meldetermin angemessen. Das Sozialgericht hat im Protokoll darauf hingewiesen, dass die Akte der Beklagten keine "Abvermerke" enthalte. Es könne nur durch Anhörung des Klägers versucht werden, den Zeitpunkt des Zugangs beim Beschwerdeführer zu ermitteln. Im Rahmen des Spielraumes bei der weiteren Sachverhaltsaufklärung musste eine vorweggenommene Beweiswürdigung nicht erfolgen und auch im Rahmen des Ermessens bei einer Ordnungsgeldentscheidung ein Erkenntnisausfall durch Anhörung des Beschwerdeführers nicht unterstellt werden.

Auch im Übrigen erweist sich die Ermessensentscheidung nicht als fehlerhaft. Das Sozialgericht hat zurückhaltend die Höhe des Ordnungsgeldes im Bereich des unteren Viertels des gesetzlich vorgegebenen Rahmens von 5 bis 1000 Euro angesetzt.

Eine Kostenentscheidung war zu treffen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.07.2009, L 5 AS 1110/09 B, juris-RdNr. 15). Allerdings ist auch im nichtkontradiktorischen Beschwerdeverfahren gegen einen Ordnungsgeldbeschluss der Beschwerdeführer kostenprivilegiert, wenn er auch im Hauptsacheverfahren nach § 183 SGG kostenprivilegiert ist. Dem Schutzzweck der Vorschrift entsprechend bezieht sich die Begünstigung nicht nur auf das Hauptsacheverfahren, sondern auch auf Neben- und Zwischenverfahren, weshalb keine Gerichtskosten für das Ordnungsgeldverfahren zu erheben sind (LSG Berlin-Brandenburg, ebd. juris-RdNr. 16). Im Hauptsacheverfahren zum vorliegenden Ordnungsgeldverfahren ist der Kläger als Empfänger von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II wegen § 183 SGG kostenprivilegiert. Angesichts des Fehlens einer ausdrücklich geregelten Rechtsgrundlage für die Kostenentscheidung erscheint für die Kostenentscheidung wegen der Sachnähe zum Recht der Ordnungswidrigkeiten der Rückgriff auf eine entsprechende Anwendung von § 46 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten i.V.m. § 467 Abs. 1 Strafprozessordnung sachgerecht (LSG Berlin-Brandenburg, ebd. juris-RdNr. 18). Danach hat wegen des Unterliegens des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren eine Kostenerstattung nicht zu erfolgen.

Dieser Beschluss kann nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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