L 1 KR 178/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 76 KR 1597/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 178/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. April 2018 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht die Übernahme der Kosten einer implantologischen Versorgung.

Die bei der Beklagten versicherte 1957 geborene Klägerin leidet u. a. an einer inkompletten Querschnittslähmung und an einer chronischen Schmerzkrankheit mit somatischen und psychischen Faktoren. Ihr Oberkiefer ist mit einer Totalprothese versorgt. Die zu einer Totalprothese umgearbeitete Teleskop-Prothese im Unterkiefer ist lageinstabil und verursacht Druckstellen. Ursache hierfür ist der stark atrophierte Kiefer der Klägerin.

Am 21. Dezember 2012 erstellte der Facharzt für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie und Zahnarzt für Oralchirurgie Dr. Dr. L einen (privatärztlichen) Behandlungsplan (B-Plan) für "Omnis-Keramik-Implantate regio 43,32". Auf den B-Plan wird ergänzend Bezug genommen (Verwaltungsvorgang Bl. 3 ff.). Dem B-Plan war ein Formular einer Einverständniserklärung beigefügt indem es u. a. heißt: "Ich bin von meinem behandelnden Zahnarzt darüber aufgeklärt worden, dass aufgrund der derzeitig bestehenden Verträge im Rahmen der kassenärztlich/-zahnärztlichen Versorgung eine implantologische Versorgung derzeit nicht gewährleistet ist." Am selben Tag attestierte Dr. Dr. L ein "grenzwertiges Knochenangebot 33 und einen nichterhaltungswürdigen Zahn 43". Ihr behandelnder Zahnarzt Dr. K übersandte der Klägerin unter dem 10. Januar 2013 eine "Kostenschätzung für die geplante Suprakonstruktion" im Unterkiefer und teilte mit, dass die Gesamtbehandlungskosten ca. 4.300,00 Euro betrügen.

Nach der Behauptung der Klägerin übersandte ihre Bevollmächtigte am 24. März 2013 per Post einen Antrag auf Kostenübernahme an die Beklagte in Darmstadt.

In einem Fax der Bevollmächtigten vom 18. April 2013 führte diese aus, "am heutigen Tage teilte mir Herr S () von der TK Darmstadt mit, dass er meinen Antrag vom 24. März 2013 nach Bremen abgegeben habe. Die Zentrale in Bremen teilte mir mit, dass dieser Antrag mit Anlagen nicht eingegangen sei. Ich sende diesen Antrag nochmals und bitte vor Bescheidung um mündliche Rücksprache." Dem Faxschreiben waren ein Allergie-Pass der Klägerin (Datum: 15.01.09), der B-Plan des Dr. Dr. L und das Schreiben des Dr. K vom 10. Januar 2013 beigefügt.

Am 26. April 2013 telefonierten die Mitarbeiterin der Beklagten E U in Bremen und die Bevollmächtigte. Frau U fertigte über das Telefonat einen Vermerk (VV Bl. 10), wonach die Bevollmächtigte bereits wisse, dass die Implantate nur dann von den Kassen bezahlt würden, wenn eine Ausnahmeindikation nach § 28 Abs. 2 Satz 9 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erfüllt sei. Sie wisse auch, dass der Antrag "erstmal" abgelehnt werde und brauche keine schriftliche Ablehnung.

Die Bevollmächtigte der Klägerin übersandte der Beklagten per E-Mail am 7. Mai 2013 ein (auf einem Rezeptformular) erstelltes Attest des Zahnarztes Dr. K vom 30. April 2013 "Implantatsindikation: Xerostomie und Kieferkammatrophie". Mit Schreiben vom 31. Mai 2013 teilte die Beklagte (Servicezentrum ambulante Leistungen Frau E U) der Bevollmächtigten der Klägerin mit, noch Unterlagen vom Zahnarzt zu benötigen. Sobald diese Unterlagen da seien, werde eine Begutachtung veranlasst werden.

Unter dem 18. Juni 2013 übersandte die Bevollmächtigte der Klägerin daraufhin einen Kostenvoranschlag des Zahnarztes Dr. K vom 13. Juni 2013 über 7.858,41 Euro sowie einen HKP.

Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 12. Juli 2013 ab, sich an den Kosten für die Zahnimplantate und die hierfür erforderliche zahnärztliche Behandlung zu beteiligen. Kosten für Implantate könnten nur übernommen werden, wenn schwere Kieferdefekte bestünden und herkömmlicher Zahnersatz nicht eingesetzt werden könne.

Die Klägerin erhob Widerspruch: Ein Attest mit den Implantat-Indikationen Xerostomie und Kieferkammatrophie sei vorgelegt worden. Eine Begutachtung sei angekündigt worden.

Die Beklagte schaltete daraufhin den Zahnarzt Dr. Dr. M als leitenden Gutachter für Zahnmedizin im MDK Berlin-Brandenburg e.V. ein. Sie informierte mit Schreiben vom 14. August 2013 die Klägerin darüber, dass sie einen Gutachter beratend hinzugezogen habe. Die persönliche Untersuchung der Klägerin scheiterte im Folgenden mehrmals aus unterschiedlichen Gründen. Erst am 22. Januar 2015 konnte die Untersuchung stattfinden. In seiner Stellungnahme vom selben Tag führte der Gutachter aus, eine Ausnahmeindikation für eine Implantatversorgung gemäß § 28 SGB V bestehe nicht. Der Kieferkamm im Unterkiefer sei in den Seitenzahnbereichen atrophiert. Eine Xerostomie bestehe nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2016 wies daraufhin die Beklagte den Widerspruch zurück (Zustellung: 25. Juli 2016).

Hiergegen hat die Klägerin am 25. August 2016 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Sie hat eine Reihe von Gutachten zur Akte gereicht.

Am 15. Dezember 2017 hat sich die Klägerin beim zahnärztlichen Dienst des Gesundheitsamtes S zur Befunderhebung und Beratung vorgestellt. Der Amtszahnarzt Dr. M hat in seiner Bescheinigung vom selben Tag eine insuffiziente Oberkiefer-Totalprothese diagnostiziert. Die zu einer Totalprothese umgearbeitete ehemalige Teleskopprothese im Unterkiefer sei aufgrund der stark atrophierten Kieferlage instabil und verursache Druckstellen. Die Klägerin hat u. a. eine Kopie des Schreibens ihrer Bevollmächtigten vom 24. März 2013 sowie eine Telefonnotiz von deren Mitarbeiterin Z vom 28. März 2013 eingereicht. Die Aktennotiz hat folgenden Inhalt:

Datum: 28.03.2013 Art des Vorgangs: Herr S von der Technikerkasse Durchgeführt von: B Z Bemerkung: + 49 () Implantate sind keine Kassenleistung und der Antrag wäre abzulehnen. Es gibt strikte Kriterien für eine Ausnahme, die auch der behandelnde Arzt kennen müsse – er kann diese aus dem Schreiben jedoch nicht erkennen. Falls diese vorliegen, benötigt er ein entsprechendes Attest. Dann müsste ein Gutachterverfahren eingeleitet werden. Wenn der Implantatgutachter die Aufnahmekriterien bestätigt, könne sich die Kasse an den Kosten beteiligen.

Er erwartet einen Anruf ab 09.04. – falls er nichts hört muss er zur gesetzten Frist ablehnen, "

Sie hat zur Klagebegründung ausgeführt, u. a. aus dem Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. F vom 30. April 2016 ergebe sich, dass bei ihr sehr wohl ein Ausnahmefall gemäß der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) für die Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen vorliege. Sie sei Schmerzpatientin und bereits seit 2013 nicht mehr ausreichend mit Zahnersatz versorgt. Die behandelnden Zahnärzte bestätigten, dass eine angemessene Versorgung durch Totalprothesen im Ober- und Unterkiefer nicht erfolgen könne. Sie esse seit Jahren nur pürierte Nahrung und nehme laufend an Gewicht ab. Die implantologische Versorgung sei notwendig, damit sie wieder ausreichend und gesund essen könne und sich ihr Allgemeinzustand verbessern könne. Aufgrund der extremen Schmerzbelastung ihres Körpers scheide jegliche andere zahnmedizinische Versorgung aus.

Die Beklagte hat ausgeführt, ein Anspruch nach § 13 Abs. 3 a SGB V bestehe nicht. Der Antrag vom 18. April 2013 sei innerhalb der Frist beschieden worden. Ein Antrag vom 24. März 2013 liege der Beklagten nicht vor. Zudem seien die Angaben der Klägerin zu einem solchen Antrag nicht in sich stimmig. Der benannte Mitarbeiter S war und sei in einer Dienststelle der Beklagten in Braunschweig tätig und nicht in Darmstadt. Die zuständige Dienststelle der Beklagten für die von der Klägerin beantragte implantologische Versorgung habe ihren Sitz in Bremen. Bereits zum damaligen Zeitpunkt seien eingehende Dokumente gescannt und digitalisierte Dokumente den zuständigen Dienststellen zugeführt worden. Ein Antrag vom 24. März 2013 über eine implantologische Versorgung sei aber nicht eingescannt. Auch in dem Antrag vom 18. April 2013 finde sich bis auf die Ausführungen der Klägerin kein Hinweis zu einem Antrag vom 24. März 2013. Unklar wäre auch, wann ein solcher Antrag eingegangen sei. Im Datensystem der Beklagten finde sich jedenfalls kein Hinweis, dass am Sonntag, dem 24. März 2013 und den darauffolgenden Tagen ein Antrag bzw. Kostenvoranschläge und medizinische Unterlagen eingereicht worden seien. Zuletzt setze ein Leistungsanspruch aufgrund Genehmigungsfiktion voraus, dass die Leistung nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung liege. Ein solcher Fall liege hier jedoch vor. Der Antrag vom 18. April 2013 sei telefonisch am 26. April 2016 beschieden worden. Ihr Mitarbeiter S habe mitgeteilt, aufgrund der zurückliegenden Zeit könne er sich nicht an ein Telefonat mit Frau Z erinnern. Er könne aber anhand der ihm noch zur Verfügung stehenden Unterlagen feststellen, dass er am 28. März 2013 für den allgemeinen Telefondienst eingeteilt gewesen sei. Daher könne er nicht ausschließen, in diesem Rahmen dieses Telefonat geführt zu haben. Er habe außerdem angegeben, dass er für Anträge von Versicherten aus dem Bundesland Berlin nicht zuständig gewesen sei und daher die (in der vorgelegten Notiz dokumentierte) Rückrufvereinbarung keinen Sinn mache, weil die Bearbeitung in Bremen erfolgt wäre. Das von der Klägerin nunmehr vorgelegte Anschreiben vom 24. März 2013 sei an das Servicezentrum Vorsorge und Rehabilitation in Darmstadt gerichtet. Dieses Anschreiben wäre, sollte es dort eingegangen sein, an das zuständige Fachzentrum weitergeleitet worden, welches für den Antrag einen Vorgang angelegt hätte. In diesem Vorgang wäre das Schreiben und weitere Kontakte auch dokumentiert worden.

Mit Urteil vom 10. April 2018 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2016 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin mit Keramikimplantaten entsprechend dem Heil-und Kostenplan des Herrn Dr.Dr. L vom 19. Dezember 2012 sowie mit einer Suprakonstruktion entsprechend dem Schreiben des Herrn Dr. K vom 1. Januar 2013 zu versorgen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe zwar keinen Anspruch aus § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V i. V. m. der Richtlinie des G-BA für eine ausreichende zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungsrichtlinie). Denn bei ihr liege keine der in der Richtlinie festgelegten Ausnahmeindikationen vor. Der Anspruch folge jedoch aus § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V. Es bestehe kein Zweifel daran, dass der Antrag der Klägerin auf Implantatversorgung und Suprakonstruktion vom 24. März 2013 spätestens am 28. März 2013 bei der Beklagten vorgelegen habe. Maßgeblich für den Fristbeginn sei der Eingang des Antrages bei der Beklagten. Für einen solchen Antrag sei auch keine Form vorgeschrieben. Aus dem Aktenvermerk der Mitarbeiterin der Bevollmächtigten der Klägerin Z vom 28. März 2013, ergebe sich, dass ein Mitarbeiter der Beklagten an diesem Tag einen Antrag der Klägerin auf Versorgung mit Implantaten zur Bearbeitung vorliegen gehabt habe. Es bestehe keine Veranlassung, an dem Wahrheitsgehalt oder der inhaltlichen Richtigkeit des Aktenvermerks zu zweifeln. Die Drei-Wochen-Frist sei demnach am 18. April 2013 abgelaufen. Es liege ferner ein fiktionsfähiger Antrag vor.

Gegen dieses am 8. Mai 2018 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 31. Mai 2018. Zu deren Begründung führt sie aus, die Beweiswürdigung des SG sei über das Maß der Amtsermittlungsgrundsätze hinaus ausgedehnt worden. Es fehle letztlich an einem eindeutigen Beweis für den Zugang eines Antrages bereits am 24. März 2013. Alleine die Klägerin trage die materielle Beweislast für den fristgerechten Zugang ihres Antrages. Dies gelte auch dann, wenn Telefonvermerke vorlägen. Es liege kein Fall vor, indem aufgrund unverschuldeter Beweisnot im Einzelfall eine Beweiserleichterung angenommen werden könne. Denn die Klägerin hätte selbst Beweis sichern können (Bezugnahme auf Urteil des hiesigen Gerichts vom 3. Dezember 2009 - L 31 R 1733/07). Bemerkenswert sei, dass das gesamte Antragsverfahren anwaltlich begleitet worden sei und nahezu jeder Schriftsatz per Telefax erfolgt sei. Die Beklagte könne den Zugang des Antrages einfach bestreiten, da eine substantiierte Darlegung des unterbliebenen Zuganges für sie unmöglich sei. Die Nichtaufklärbarkeit des Zuganges des Schreibens auf dem Postwege gehe zu Lasten der Klägerin. Auch wenn nach der Lebenserfahrung die weit aus größte Anzahl abgesandter Briefe auch beim Empfänger ankommen, sei damit lediglich eine mehr oder minder hohe Wahrscheinlichkeit für den Zugang einer Briefsendung gegeben, welche noch nicht die volle Überzeugung des Gerichtes darstellen könne. Würde weiter zwar der Eingang eines Antrages unterstellt, sei darüber hinaus auch nicht nachgewiesen, welche Form dieser gehabt habe, ob er bestimmt gewesen sei und ob die darin beantragte Leistung nicht offenkundig nicht zum Leistungskatalog der Krankenkassen gehört habe.

Grundsätzlich würden Schriftstücke, die an die Fachzentren gerichtet seien, von der Post direkt an das Scanzentrum in Hallbergmoos geleitet, dort "taggleich digitalisiert" und automatisch als digitales Schriftstück dem zuständigen Fachzentrum zugeleitet. Das Scandatum sei gleichzeitig das Eingangsdatum des Schriftstückes. Dieses werde in der elektronischen Verwaltungsakte angezeigt. Die Originale würden vernichtet. Das Kenngut erhalte die Aufschrift "digitalisiert von der TK". Dieser Vermerk gewährleiste gleichzeitig die Übereinstimmung mit dem Original und ersetze dieses bei eventuellen Rückforderungen durch den Absender. Die Verarbeitung erfolge maschinell. Auch nach dem Vermerk der Mitarbeiterin Z der Bevollmächtigten der Klägerin habe ihr Mitarbeiter ausdrücklich den Hinweis erteilt, der Antrag "wäre" abzulehnen. Dies deutet drauf hin, dass hier hypothetisch nachgefragt worden sei und sogleich abgelehnt worden sei. Die Erörterung des Scanverfahrens und die Sicht des Senats sei nicht mehr zeitgemäß. Unter der adressierten Adresse werde natürlich die Post zugestellt. Sie werde nur zentral gesammelt und sofort gescannt. In dem Falle gehe sie in einer Organisationseinheit der Beklagten ein, was für einen Zugang ausreiche. Die Annahme, dass jede noch so kleine Organisationseinheit über eine eigene Scaneinheit verfüge, sei lebensfremd. Die Frage, wie sichergestellt werde, ob alle eingehenden Briefe taggleich eingescannt würden, sei irrelevant. Das SG dürfe aus dem Telefonvermerk nicht einfach sowohl den Zugang des Antrages als auch dessen Inhalt und dessen Bestimmtheit folgern.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. April 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung. Ihre Bevollmächtigte habe das einschlägige Schreiben vom 18. März 2013 nicht per Fax gesendet angesichts der umfangreichen Anlagen. Der Mitarbeiter S der Beklagten habe am 28. März 2013 im Büro der Bevollmächtigten der Klägerin angerufen. Ihre Mitarbeiter gäben grundsätzlich selbst keine Rechtsauskünfte und machten keine inhaltlichen Mitteilungen zu rechtlichen Hinweisen, die vom Anrufer gegeben würden. Er habe ausweislich des Wortlauts der Telefonnotiz verschiedene Hinweise erteilt. Es sei klar gewesen, dass er den Rückruf der bearbeitenden Rechtsanwältin erbeten habe. Zudem habe er in diesem Gespräch den Kostenübernahmeantrag gerade nicht abgelehnt, sondern eine solche in Aussicht gestellt, falls nicht weiterer Vortrag erfolge. Die Sendung sei mit der Post versandt worden, da dem Schreiben ein Allergiepass beigelegen habe, der sich aufgrund seines Formates nicht zum faxen geeignet habe. Der Anruf am 28. März 2013 sei unstreitig von einer Telefonnummer der Beklagten aus erfolgt.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze und die in Bezug genommenen Dokumente wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Es konnte im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter alleine entschieden werden, §§ 155 Abs. 3, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beteiligten haben sich mit einer solchen Vorgehensweise zuletzt erneut schriftsätzlich einverstanden erklärt.

Die Berufung hat Erfolg. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die einzig denkbare Anspruchsgrundlage für den begehrten Zahnersatz wäre § 13 Abs. 3a SGB V. Ein Anspruch auf Sachleistung selbst nach §§ 27, 28 Abs. 2 S. 9 SGB V scheitert aus den vom SG im angefochtenen Urteil zutreffend dargestellten Gründen aus, auf die zur Vermeidung bloßer Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG verwiesen wird.

Nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, bis spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, ist § 13 Abs. 3a SGB V mit Wirkung vom 26. Februar 2013 eingeführt worden. Hält die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Nach § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V hat die Krankenkasse, sofern sie Fristen nach Satz 1 nicht einhalten kann, dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mitzuteilen. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6).

Der Senat durch den erkennenden Richter teilt die Auffassung des SG, dass die maßgebliche Drei-Wochen-Frist hier am 18. April 2013 und damit vor Bescheidung abgelaufen war, weil mit einem Antragseingang bei der Beklagten spätestens am 28. März 2018 auszugehen ist. Auf die Begründung des SG wird verwiesen. Hier war danach die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig für den Eingang des Kostenerstattungsanspruches sowohl für den Beginn der Frist nach § 13 Abs. 3a SGB V als auch für die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen. Diese Darlegung ist der Klägerin geglückt. Aufgrund der unstreitigen Indizien, insbesondere der aktenkundigen Telefonvermerke und des Vorbringens der Beteiligten hierzu im Laufe des Verfahrens steht zur Überzeugung des Senates durch den erkennenden Richter fest, dass das Antragsschreiben samt den Anlagen spätestens am 28. März 2013 im Empfangsbereich der Beklagten eingegangen ist. Wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, stützt die interne E-Mail des Beklagtenmitarbeiters S vom 1. Januar 2017 den Sachvortrag der Klägerin. Er hat angegeben, am 28. März 2013 Telefondienst gehabt zu haben und inhaltlich zuständig gewesen zu sein für Anträge aus dem Bereich zahnärztlicher Behandlungen, die von Versicherten mit dem Nachnamen der Klägerin gestellt worden seien. Die im Aktenvermerk der Frau Z notierte Vorwahl ist die Vorwahl von Braunschweig (0531). Die Bevollmächtigte der Klägerin hat mit ihrem Schreiben vom 18. April 2013 ferner aus dem Gesprächsinhalt mitgegeben, dass der Antrag von Herrn S wohl "nach Bremen" abgegeben worden sei, was wiederum ausweislich der Angaben des Herrn S in seiner E-Mail vom 1. Juni 2017 auch der internen Zuständigkeit der Beklagten entsprochen hat. Dem von der Beklagten angeführten Urteil des 31. Senates im Hause vom 3. Dezember 2009 lässt sich kein Rechtssatz entnehmen, wonach Telefonvermerke ungeeignet seien, einen Antragseingang zu beweisen. In dem dortigen Fall stand die rechtzeitige mündliche Beantragung anlässlich eines Telefonates im Streit. Hier hingegen geht es um die Frage, ob aus einem Telefonvermerk, der Notizen zu einem bereits gestellten Antrag enthält, auf den Eingang dieses Antrages geschlossen werden kann. Aufgrund dieser schlüssigen Indizien spricht hier alles dafür, dass in dem Telefonat zwischen dem Mitarbeiter der Beklagten und der Kanzleimitarbeiterin der Bevollmächtigten der Klägerin über einen bereits eingegangenen Antrag gesprochen wurde und die Beklagte dort nicht nur eine allgemeine Auskunft erteilt hat, wie mit einem (noch zu stellenden) Antrag verfahren werden würde. Auch der Umstand, dass die Bevollmächtigte der Klägerin beim "zweiten Anlauf" die Unterlagen per Fax übersendet hat spricht nicht gegen die Glaubhaftigkeit ihres Vorbringens, den Antrag zunächst per einfacher Post gesendet zu haben. Soweit die Beklagte - vorsorglich - einen irgendwie eingegangenen Antrag für zu unbestimmt hält, verhälfe dies ihrem Vorbringen ebenfalls nicht zum Erfolg. Mit dem SG ist der Senat überzeugt, dass der Antrag mit einfacher Post in dem Umfang bei der Beklagten eingegangen ist, wie die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen hat. Trotz detaillierter gerichtlicher Aufforderung hat die Beklagte nicht im Einzelnen dargelegt, wie in ihrem Servicezentrum Vorsorge und Rehabilitation in Darmstadt im März 2013 mit eingehenden Schreiben verfahren wurde. Trotz detaillierter Fragen, wann, wo und durch wen die Schriftstücke eingescannt worden seien, wie dies dokumentiert und wie mit den Originalen verfahren worden sei, hat sie nur ganz allgemein geantwortet. Auf den weiteren gerichtlichen Hinweis, dass jedenfalls im vorliegenden Fall im gesamten Vorgang keinerlei digital erzeugtes Eingangsdatum ersichtlich sei und sich das technische Verfahren bislang nicht erschlossen habe und das auch nicht erklärt worden, wie die Beklagte sicherstelle, dass alle an einem Tag im Scanzentrum eingehenden Briefe vollständig eingescannt würden, hat die Beklagte nur bedingt beantwortet.

Der begehrte Sachleistungsanspruch kann allerdings bereits dem Grunde nach nicht aus § 13 Abs. 3a SGB V hergeleitet werden: Der 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat seine diesbezügliche gegenteilige Rechtsprechung unlängst ausdrücklich aufgegeben: Eine fingierte Genehmigung (§ 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V) nach dem Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) begründet keinen eigenständigen Sachleistungsanspruch. Sie vermittelt dem Versicherten (nur) eine vorläufige Rechtsposition, die es ihm erlaubt, sich die Leistung selbst zu beschaffen und verbietet der Krankenkasse nach erfolgter Selbstbeschaffung, eine beantragte Kostenerstattung mit der Begründung abzulehnen, nach allgemeinen Grundsätzen der GKV bestehe kein Rechtsanspruch auf die Leistung (BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 -B 1 KR 9/18 R- zitiert nach dem Terminsbericht 19/20 unter Aufgabe von BSG, Urt. v. 08. März 2016 - B 1 KR 25/15 R - BSGE 121, 40 Rdnr. 25 und zuletzt BSG, Urt. v. 27. August 2019 - B 1 KR 36/18 R). Der weitere für Krankenversicherungsleistungen zuständige Senat des BSG hat sich dem ausdrücklich angeschlossen (Urteile des 3. Senats vom 19. Juni 2020 -B 3 KR 14/18 R, B 3 KR 6/19 R und B 3 KR 13/19 R-, zitiert nach dem Terminsbericht 21/20).

Zudem scheiterte ein Anspruch auch an dem Umstand, dass nach Ablauf von sechs Monaten ab Eintritt einer fingierten Bewilligung von Zahnersatz aufgrund eines eingereichten HKP der Leistungsanspruch nicht mehr auf die Fiktion gestützt werden kann. Dieser erledigt sich, da der HKP für eine Eingliederung nur innerhalb dieses Zeitraumes die Voraussetzung für die Kostenübernahme sein kann (BSG, Urteil vom 27. August 2019 -B 1 KR 9/19 R- Rdnr. 32). Hier ist der Antrag unstreitig nicht auf dem vorgesehenen Weg mit Formular-HKP eingereicht worden. Der Behandlungsplan und die grobe Kostenschätzung haben deshalb auch keinen entsprechenden Hinweis enthalten. Eine Erledigung durch Zeitablauf ist aber allerspätestens am 15. Dezember 2017 eingetreten. Der Amtszahnarzt hat an diesem Tag die Sinnhaftigkeit einer implantologischen Behandlung von einer entsprechenden neuen (kiefer)chirurgischen Befundung und Einschätzung abhängig gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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