L 1 KR 181/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 51 KR 1615/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 181/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 3. Mai 2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Aufnahme des Klägers als Pflichtversicherter.

Der im Februar 1954 geborene Kläger war ursprünglich in der Sozialversicherung der DDR, dann bei der AOK und vom 9. Dezember 1996 bis 30. November 2004 bei der Beklagten versichert. Nachdem das Beschäftigungsverhältnis des Klägers Anfang des Jahres 2004 geendet hatte, bezog er zunächst Arbeitslosengeld und machte sich dann selbständig. Die Bundesagentur für Arbeit bewilligte für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ab dem 13. April 2004 für die Zeit vom 13. April 2004 bis zum 12. April 2007 einen Existenzgründungszuschuss. Als hauptberuflich selbständiger Erwerbstätiger blieb der Kläger zunächst bei der Beklagten versichert und wechselte dann zum 1. Dezember 2004 in die private Krankenversicherung.

Zum 1. Dezember 2007 erklärte der Kläger, Angestellter der R L zu sein und die IKK-Direkt als seine zuständige Krankenkasse zu wählen, die ihm am 4. Dezember 2007 eine Mitgliedsbescheinigung übersandte. Durch Bescheid vom 1. Juli 2008 beurteilte die IKK-Direkt die Tätigkeit bei der R L jedoch als versicherungsfrei, da der Kläger 100% des Stammkapitals der Gesellschaft halte. Einen Antrag auf freiwillige Mitgliedschaft lehnte die IKK-Direkt durch Bescheid vom 18. Juli 2008 ab, da der Wechsel von einem privaten Versicherungsunternehmen zur freiwilligen Versicherung bei einer gesetzlichen Krankenkasse grundsätzlich nicht möglich sei.

Gegen die Ablehnung der freiwilligen Versicherung erhob der Kläger Widerspruch, den er damit begründete, dass die IKK-Direkt ihn seit dem 1. Dezember 2007 faktisch als versicherungspflichtiges Mitglied behandelt und Beiträge entgegen genommen habe. Die IKK-Direkt antwortete am 25. November 2008, dass sie dem Widerspruch nicht abhelfen könne, der Kläger solle erklären, ob er an seinem Widerspruch festhalte.

Ab dem 1. Januar 2012 stand der Kläger in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bei der Firma f GmbH. Den am 31. Januar 2012 gestellten Antrag auf Mitgliedschaft bei der AOK-Nordost lehnte diese durch Schreiben vom 16. Februar 2012 ab, weil das Krankenkassenwahlrecht nicht innerhalb von zwei Wochen ausgeübt worden und deswegen die letzte gesetzliche Krankenkasse zuständig sei. Einen online gestellten Antrag auf Mitgliedschaft bei der Beklagten lehnte diese durch E-Mail vom 15. Februar 2012 ab.

Am 10. September 2012 beantragte der Kläger schriftlich bei der Beklagten die Aufnahme als Pflichtversicherter. Die Beklagte antwortete am 18. September 2012, dass sie dem Antrag nicht entsprechen könne. Nach dem Gesetz (§ 6 Abs. 3a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V) sei versicherungsfrei, wer nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig werde und vor Eintritt des Versicherungspflichttatbestands keinen ausreichenden Bezug zur gesetzlichen Krankenversicherung habe. Älteren Menschen sei der Zutritt und die Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung verwehrt, wenn in den letzten fünf Jahren vorher nicht ununterbrochen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung bestanden habe. Der Kläger sei bereits seit dem 1. Dezember 2004 über ein privates Unternehmen versichert gewesen.

Mit seinem Widerspruch ließ der Kläger vortragen, dass nicht alle Aspekte seines Falles berücksichtigt worden seien. Er habe sich weder frühzeitig noch freiwillig für die private Krankenversicherung entschieden. Mehr als drei Viertel seines Berufslebens sei er Mitglied der Solidargemeinschaft gesetzliche Krankenversicherung gewesen. Er sei sieben Jahre privat krankenversichert gewesen, weil ihm eine Pflichtmitgliedschaft und auch eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung verweigert worden seien. Nach 34 Jahren Pflichtmitgliedschaft werde ihm die Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung verwehrt. Aufgrund der kurzen Versicherungszeit werde er auch keine Altersrückstellungen in der privaten Krankenversicherung aufbauen können.

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 7. Januar 2015 zurück. Der Kläger sei in der maßgeblichen Fünfjahresfrist nicht gesetzlich krankenversichert gewesen. Die Bewilligung eines Existenzgründungszuschusses und eine etwaige Pflichtmitgliedschaft in der Rentenversicherung reichten dafür nicht aus. Die IKK Direkt habe die zunächst rechtswidrig begründete Mitgliedschaft bestandskräftig rückabgewickelt. Der Kläger sei mindestens die Hälfte der Fünfjahresfrist auch nicht versicherungspflichtig gewesen. Als alleiniger Gesellschafter habe er entscheidenden Einfluss auf die Willensbildung der Firma R L gehabt und sie deswegen dort nicht abhängig beschäftigt gewesen. Wegen Fehlens einer anderweitigen Erwerbstätigkeit sei von einer hauptberuflichen selbständigen Erwerbstätigkeit auszugehen. Der sich aus den Gesetzesmaterialien ergebende Schutzzweck der Norm rechtfertige keine andere Beurteilung, weil es auf den Wortlaut der Vorschrift ankomme.

Bereits am 9. September 2014 war die Klage bei dem Sozialgericht Berlin eingegangen, mit der ab dem 1. Januar 2012 die Aufnahme in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung begehrt wird.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 3. Mai 2018 abgewiesen. Der Kläger sei seit dem 1. Januar 2012 nicht gesetzlich krankenversichert, weil er bei Aufnahme der Beschäftigung am 1. Januar 2012 bereits 57 Jahre alt und in den letzten fünf Jahren vorher nicht gesetzlich versichert gewesen sei. Damit unterfalle er dem Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3a SGB V. Durch Bescheid vom 1. Juli 2008 habe die IKK-Direkt bestandskräftig und wohl auch rechtmäßig Versicherungsfreiheit im Rahmen der Tätigkeit für die R L festgestellt, der Antrag auf freiwillige Versicherung sei bestandskräftig (und wohl auch rechtmäßig) durch Widerspruchsbescheid vom 25. November 2008 abgelehnt worden. § 6 Abs. 3a SGB V könne auch nicht einschränkend ausgelegt werden. Nach dem Wortlaut der Vorschrift komme es nicht darauf an, dass relativ langen Versicherungszeiten in der gesetzlichen Krankenversicherung nur relativ kurze Versicherungszeiten in der privaten Krankenversicherung gegenüber stehen würden. Der Gesetzgeber habe gerade nicht auf einen Vergleich der Dauer der Versicherungszeiten, sondern auf den letzten Fünfjahreszeitraum abgestellt. Das ergebe sich eindeutig aus dem Wortlaut der Vorschrift, auch wenn dieser das Anliegen des Gesetzgebers, wie es sich aus der Gesetzbegründung ergebe, nicht ideal umsetze. Die Vorschrift des § 6 Abs. 3a SGB V werde zudem in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht als verfassungswidrig angesehen (Hinweis auf BSG v. 27. Juni 2012 - B 12 KR 11/10 R mit Hinweis auf BVerfGE 113, 167, 220). Entsprechend sei auch das Sozialgericht nicht von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift überzeugt und bleibe deswegen an sie gebunden. Eine freiwillige Versicherung komme mangels Erfüllung der dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht in Betracht.

Gegen den ihm am 14. Mai 2018 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 9. Juni 2018 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung des Klägers. § 6 Abs. 3a SGB V könne auf ihn nicht angewandt werden, weil der Schutzzweck der Norm nicht greife. Die Norm wolle verhindern, dass Personen, die sich frühzeitig der Solidargemeinschaft gesetzliche Krankenversicherung entzogen hätten, dieser im Alter angehörten. Das betreffe insbesondere Personen ohne Vorversicherungszeiten, die lange privatversichert waren und für die in der privaten Krankenversicherung erhebliche Altersrückstellungen gebildet worden seien. Er- der Kläger - sei aber mehr als drei Viertel seines Berufslebens Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung gewesen, er könne in der privaten Krankenversicherung keine ausreichenden Altersrückstellungen mehr bilden. Dadurch werde er erheblich benachteiligt. § 6 Abs. 3a SGB V verstoße auch gegen das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes. Es sei nicht ersichtlich, warum der Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung für Personen, die mehr als drei Viertel ihrer Berufsjahre Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung gezahlt hätten, vom Bestehen einer Mitgliedschaft im letzten Viertel des Berufslebens abhängig gemacht werde. Auch Personen, die im letzten Viertel ihres Berufslebens arbeitslos seien, würden keine Beiträge in die gesetzliche Krankenversicherung einbringen. Es finde lediglich eine Umwälzung der finanziellen Mittel innerhalb des Sozialversicherungssystems statt. Zudem habe der Gesetzgeber für Ältere über 55 Jahren keinen Ausgleich für den Verlust der Vorversicherungszeiten geschaffen. Damit sei der Gestaltungsspielraum überschritten. Es müsse eine teleologische Reduktion des § 6 Abs. 3a SGB V vorgenommen werden. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass nur diejenigen nicht im Alter der Solidargemeinschaft gesetzliche Krankenversicherung angehören sollten, die sich ihr frühzeitig und freiwillig entzogen hätten. Dementsprechend liege eine planwidrige Regelungslücke vor. Bereits das Sozialgericht habe erkannt, dass sein - des Klägers - Lebenslauf nach dem Willen des Gesetzgebers nicht unter die Norm passe. Auch werde von der Norm wesentlich ungleiches gleich behandelt. Personen, welche über die Hälfte ihres Berufslebens privat krankenversichert gewesen seien, würden ebenso wie Personen, die mehr als die Hälfte ihres Berufslebens gesetzlich krankenversichert gewesen seien, von der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, wenn sie 55 Jahre und älter sind und in den letzten fünf Jahren ohne gesetzliche Krankenversicherung gewesen waren. Dabei seien die Personengruppen wesentlich ungleich, weil nur die erste Gruppe schon Rücklagen in der privaten Krankenversicherung habe bilden können. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers müsse auch das Erfordernis der Absicherung sozial schutzbedürftiger Personen berücksichtigen. Er - der Kläger - sei sozial schutzbedürftig, weil er in der kurzen ihm verbleibenden Arbeitszeit keine Rücklagen in der privaten Krankenversicherung mehr bilden könne und sich in einem Alter befinde, in dem statistisch mit schweren oder längeren Erkrankungen zu rechnen sei. Es sei willkürlich, die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung ohne sozialpolitisch rechtfertigenden Grund zu versagen. Allein mit dem Wortlaut der Norm könne keine Einzelfallgerechtigkeit hergestellt werden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 3. Mai 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Januar 2015 aufzuheben und festzustellen, dass er seit dem 1. Januar 2012 bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Entscheidung des Sozialgerichts, das sich bereits mit dem Vortrag des Klägers auseinandergesetzt habe. Auch in der Gesetzesbegründung werde auf die Fünf-Jahres-Frist Bezug genommen. In der Krankenversicherung der Rentner würde ebenfalls bereits eine relativ kurzzeitige Absicherung außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung eine Mitgliedschaft ausschließen. Angesichts der Möglichkeit zur freiwilligen Versicherung sei auch nicht zu erkennen, dass der Kläger sich unfreiwillig privat versichert hätte. Die freiwillige Weiterversicherung sei vom Kläger am 30. November 2004 auf eigenen Entschluss beendet worden.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 3. Mai 2018 hat keinen Erfolg. Mit Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 18. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Januar 2015 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen für die Begründung einer Versicherung bei der Beklagten seit dem 1. Januar 2012 liegen nicht vor.

Der Kläger ist nicht Pflichtversicherter der Beklagten. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind versicherungspflichtig Arbeiter und Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Der Kläger hat zwar gegenüber der Beklagten angegeben, dass er ab dem 1. Januar 2012 als Arbeiter bei der fGmbH beschäftigt ist. Damit läge dem Grunde nach Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung vor. Die Versicherungspflicht scheitert aber daran, dass ein Ausschlussgrund nach § 6 Abs. 3a SGB V gegeben ist.

Gemäß § 6 Abs. 3a SGB V sind Personen, die nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig werden, versicherungsfrei, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich versichert waren. Weitere Voraussetzung ist, dass diese Personen mindestens die Hälfte dieser Zeit versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder nach § 5 Abs. 5 SGB V nicht versicherungspflichtig waren. Diese Voraussetzung wird auch erfüllt durch die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit einer solchen Person.

Der im Februar 1954 geborene Kläger hatte am 1. Januar 2012 bereits das 57. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze damit überschritten. In den letzten fünf Jahren vor dem in Frage kommenden Wiedereintritt der Versicherungspflicht am 1. Januar 2012 war er nicht gesetzlich versichert gewesen. Der maßgebende Zeitraum erstreckt sich vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2011. Der Begriff der gesetzlichen Versicherung erfasst jede Form der Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung, neben einer Pflichtversicherung auch eine freiwillige Versicherung oder eine Familienversicherung (Gerlach in Hauch/Noftz, SGB V, § 6 Rn 121). Der Kläger war an keinen Tag in dem maßgeblichen Zeitraum in diesem Sinne gesetzlich versichert, vielmehr war er die ganze Zeit privat krankenversichert. Daran ändert auch die von der IKK-Direkt zunächst erteilte Mitgliedsbescheinigung für Zeiträume ab dem 1. Dezember 2007 nichts. Die Voraussetzungen einer Pflichtversicherung lagen nicht vor. Der Kläger hat nicht in Frage gestellt, dass er eine Pflichtversicherung wegen seiner Tätigkeit für die R L beantragt hat, deren einziger Gesellschafter er gewesen ist. Eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung ist aber nicht gegeben, wenn jemand für eine Gesellschaft tätig wird, deren Gesellschaftsanteile sich sämtlich in seiner Hand befinden. Denn unter diesen Voraussetzungen liegt keine fremdbestimmte Tätigkeit vor, weil die Gesellschaftsanteile den Zugriff auf die von der Gesellschaft zu treffenden Entscheidungen ermöglichen, insbesondere auch im Hinblick auf die Ausgestaltung der Tätigkeit.

Die ausgestellte Mitgliedsbescheinigung vermittelte auch nicht den Status einer Formalversicherung. Denn nach der Rechtsprechung des BSG fehlt einer Mitgliedsbescheinigung regelmäßig das für einen Verwaltungsakt notwendige Regelungselement hinsichtlich des Bestehens von Versicherungspflicht (BSG v. 27. Juni 2012 - B 12 KR 11/10 R). Das trifft auch für die vorliegende Mitgliedsbescheinigung zu. Sie bestätigt lediglich die von dem Kläger vorgenommene Wahl der Krankenkasse, trifft aber keine Entscheidung zu der Frage, ob der Kläger in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand. Abgesehen davon, dass die IKK-Direkt die Versicherungspflicht später ausdrücklich durch Bescheid vom 1. Juli 2008 von Anfang verneint hatte, lag schon keine gegenteilige Entscheidung der Krankenkasse mit Bindungswirkung vor, die wieder hätte aufgehoben werden müssen. Überdies ist der Bescheid vom 1. Juli 2008 nach Aktenlage bestandskräftig geworden.

Auch eine freiwillige Versicherung bei der IKK-Direkt ab dem 1. Dezember 2007 ist nicht zustande gekommen. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass der Widerspruch des Klägers gegen den eine freiwillige Versicherung ablehnenden Bescheid der IKK-Direkt vom 18. Juli 2008 nach Aktenlage noch nicht beschieden worden ist, so dass keine bestandkräftige Entscheidung über die Ablehnung einer freiwilligen Versicherung vorliegt. Darauf kann es nicht ankommen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen einer freiwilligen Versicherung offensichtlich nicht vorliegen.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V in der für den streitigen Zeitraum maßgebenden Fassung der Vorschrift vom 1. April 2007 setzte das Beitrittsrecht zur freiwilligen Versicherung ein Ausscheiden aus der Versicherungspflicht und eine Vorversicherungszeit von 24 Monaten in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden oder ununterbrochen von 12 Monaten vor dem Ausscheiden voraus. Zudem war nach § 9 Abs. 2 SGB V der Krankenkasse der Beitritt innerhalb von drei Monaten nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht anzuzeigen. Der Kläger ist aus der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung am 13. April 2004 durch Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit ausgeschieden. Zum 1. Dezember 2007 konnte er damit nicht mehr gegenüber der IKK-Direkt den Beitritt zur freiwilligen Versicherung rechtswirksam erklären. Der Kläger hatte zwar zunächst nach dem 13. April 2004 seine bisherige Pflichtversicherung als freiwillige Versicherung bei der Beklagten fortgesetzt. Diese freiwillige Versicherung beendete er dann aber zugunsten einer am 1. Dezember 2004 beginnenden privaten Krankenversicherung.

Der Kläger erfüllt zudem in eigener Person die weitere in § 6 Abs. 3a SGB V genannte Voraussetzung, mindestens die Hälfte der Zeit von fünf Jahren vor dem Eintritt der Versicherungspflicht nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder nach § 5 Abs. 5 SGB V nicht versicherungspflichtig gewesen zu sein. Nach § 5 Abs. 5 SGB V ist nicht versicherungspflichtig, wer hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist. Das war der Kläger in der Zeit vom 13. April 2004 bis zum 31. Dezember 2011 aber durchgängig gewesen. Erwerbstätig als Selbständiger ist auch, wer für eine Gesellschaft tätig ist, deren Gesellschaftsanteile er selbst vollständig hält. Erfüllt der Kläger demnach in eigener Person die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3a Satz 2 SGB V, kommt es auf die krankenversicherungsrechtlichen Verhältnisse seiner Ehefrau nicht an (vgl. zum Verhältnis von Satz 2 und Satz 3 in § 6 Abs. 3a SGB V Gerlach in Hauch/Noftz, SGB V, § 6 Rn 122). Demnach ist der Eintritt von Versicherungspflicht seit dem 1. Januar 2012 trotz (Wieder-)Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen.

§ 6 Abs. 3a SGB V ist entgegen der Rechtsansicht des Klägers auch nicht im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend auszulegen, dass die Vorschrift keine Anwendung findet, wenn in der Vergangenheit jedenfalls für eine erhebliche Zeit des Berufslebens bereits eine Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung bestanden hat. Der Kläger verkennt die Funktion einer telelogischen Reduktion, die darin liegt, dass der zu weite Wortlaut einer Vorschrift im Hinblick auf bestimmte Fallgruppen eingeschränkt wird. Der Kläger will letztlich keine Einschränkung der gesetzlichen Regelung, sondern sie durch eine andere ihm gerechter erscheinende Regelung ersetzen, wonach es nicht auf die letzten fünf Jahre vor dem Eintritt der Versicherungspflicht, sondern auf den gesamten nach dem Eintritt in das Berufsleben zurückgelegten Versicherungsverlauf ankommen soll. Insoweit ist aber darauf zu verweisen, dass es Sache des Gesetzgebers ist darüber zu entscheiden, welche Kriterien er für maßgeblich hält. Es liegt in seinem weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum, an die Verhältnisse der letzten fünf Jahre vor Eintritt der Versicherungspflicht anzuknüpfen (BSG v. 27. Juni 2012 - B 12 KR 12/11 R - juris Rn 16). Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich nichts für die Annahme des Klägers, dass der Gesetzgeber nur solche Personen von der Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung ausschließen wollte, welche sich bereits am Anfang oder jedenfalls in der ersten Hälfte ihres Berufslebens für die freiwillige Krankenversicherung entschieden haben. Soweit der Kläger darauf verweist, dass in den Gesetzesmaterialien von einer "frühzeitigen" Entscheidung für die private Krankenversicherung die Rede ist (BT-Drucks 14/1245 S. 59), blendet er offenbar aus, dass auch in den Materialien durchgängig davon die Rede ist, dass maßgebend die letzten fünf Jahre vor dem (Wieder-)eintritt der Versicherungspflicht sein sollen (BT-Drucks 14/1245 S. 60). Insoweit kommt es zwar auf eine frühere Entscheidung des Versicherten an, die aber nicht notwendig bereits am Anfang des Berufslebens getroffen worden sein muss.

Die Vorschrift ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verfassungswidrig, weil sie für den Ausschluss der Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung nicht darauf abstellt, ob und inwieweit der Betroffene bereits Gelegenheit hatte, in der privaten Krankenversicherung Altersrückstellungen zu bilden. Auch im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung ist es zunächst Sache des Gesetzgebers, darüber zu entscheiden, welche Differenzierungskriterien er für maßgeblich hält. Der Gesetzgeber will versicherungsfrei gewesenen Personen in erster Linie an der von ihnen einmal getroffenen Entscheidung für eine private Krankenversicherung auch im Alter festhalten (BT-Drucks 14/1245 S. 59). Mit Recht weist die Beklagte darauf hin, dass sich der Kläger im November 2004 aus freien Stücken von der gesetzlichen Krankenversicherung abgewandt hat. Es ist nicht offensichtlich unverhältnismäßig oder sonst mit den Wertvorstellungen des Grundgesetzes unvereinbar, wenn sich der Kläger an seiner damals getroffenen Entscheidung festhalten lassen muss. Die Schutzpflichten des Staates gehen auch im Sozialversicherungsrecht nicht so weit, dass die Bürger vor allen finanziell nachteiligen Folgen bewahrt werden müssten, die ihre Entscheidungen für sie selbst mit sich bringen könnten. Die soziale Schutzbedürftigkeit der Privatversicherten sieht der Gesetzgeber nicht nur durch die Möglichkeit von Beitragsrückstellungen, sondern auch durch die zur Wahl eines Basistarifs in der privaten Krankenversicherung gewahrt (BT-Drucks 14/1245 S. 60; BSG v. 27. Juni 2012 - B 12 KR 12/11 R - juris Rn 15). Jedenfalls die letztere Möglichkeit steht auch dem Kläger offen.

Der Kläger ist durch sein Schreiben vom 7. September 2012 auch nicht (wieder) freiwillig Versicherter der Beklagten geworden. § 9 Abs. 1 SGB V bestimmt in der seit dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung unverändert, dass der Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung das Ausscheiden aus der Versicherungspflicht mit einer Vorversicherungszeit von 24 Monaten in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden oder durchgängig die letzten 12 Monate vor dem Ausscheiden voraussetzt; der Beitritt ist nach § 9 Abs. 2 SGB V innerhalb von drei Monaten nach dem Ausscheiden anzuzeigen. Wie bereits erwähnt, ist der Kläger aber bereits am 13. April 2004 aus der Versicherungspflicht ausgeschieden, so dass er am 7. September 2012 nicht wieder rechtswirksam seinen freiwilligen Beitritt zur gesetzlichen Krankenversicherung erklären konnte.

§ 188 Abs. 4 SGB V über die Fortsetzung einer Versicherung als freiwillige Versicherung ist nicht anwendbar, weil diese Vorschrift erst am 1. August 2013 und damit zu einem Zeitpunkt in Kraft getreten ist, als der Kläger schon rechtswirksam aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschieden war.

Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V tritt nicht ein, weil der Kläger mit seiner privaten Krankenversicherung über eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall verfügt.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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