L 10 AS 717/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 204 AS 2252/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AS 717/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. März 2017 aufgehoben und der Bescheid vom 15. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2014 in der Weise geändert, dass die Nebenbestimmung im Bescheid vom 15. November 2013

"Eine Erstattung der angemessenen Vergütung in Höhe von 328,44 EUR wird erfolgen, sobald hier entweder eine an den Mandanten adressierte und übersandte Kostenrechnung eingereicht oder die erfolgte Rechnungslegung anderweitig nachgewiesen (z. B. anwaltlich versichert) bzw. ein ggf. übergegangener Vergütungsanspruch durch Nachweis des Beratungsscheines entsprechend belegt wird"

aufgehoben wird.

Der Beklagte wird zur Zahlung von 328,44 EUR an die Kläger verurteilt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind die Kosten eines isoliert gebliebenen Vorverfahrens.

Im Jahre 2013 mandatierten die damals jedenfalls in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kläger – eine Familie - ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten (im Folgenden nur noch Bevollmächtigter genannt), sie in einem die Höhe ihrer Leistungsansprüche für Mai 2013 bis Juni 2013 betreffenden Vorverfahren zu vertreten. Nach dessen erfolgreichen Abschluss noch im Jahr 2013 (Änderungsbescheid vom 29. April 2013), für das sie keine Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz (BerHG) in Anspruch nahmen, stellten die Kläger, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, mit Schreiben vom 14. Mai 2013 einen Antrag auf Festsetzung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 480,76 EUR. Mit Bescheid vom 15. November 2013 verpflichtete sich der Beklagte, die den Klägern im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten und erkannte die Hinzuziehung ihres Bevollmächtigten als erforderlich an. Zugleich verfügte er unter der Überschrift "Kostenfestsetzungsbescheid" die Kläger hinsichtlich der geltend gemachten Vergütung ihres Bevollmächtigten in Höhe eines Betrages von 328,44 EUR (Geschäftsgebühr 160,00 EUR, Erhöhung für zwei weitere Auftraggeber 96,00 EUR, Kommunikationspauschale 20,00 EUR zzgl Umsatzsteuer) freizustellen; den darüber hinaus gehenden Festsetzungsantrag lehnte er ab. Unter der Überschrift "Begründung" führte der Beklagte aus, die Erstattung werde erfolgen, sobald entweder eine an die Kläger adressierte und übersandte Kostenberechnung eingereicht oder die erfolgte Rechnungslegung anderweitig nachgewiesen (zB anwaltlich versichert) werde bzw ein ggf übergegangener Vergütungsanspruch durch Nachweis des Beratungsscheins entsprechend belegt werde. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2014).

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Berlin haben die Kläger zuletzt die Ansicht vertreten (Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 24. August 2016), ihr Freistellungsanspruch habe sich gemäß § 250 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auch ohne das Setzen einer Frist in einen Zahlungsanspruch verwandelt, weil der Beklagte eindeutig zu erkennen gegeben habe, dass er die Erfüllung des Freistellungsanspruchs ablehne (Bezugnahme ua auf Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 13. Januar 2004 – XI ZR 355/02, juris = NJW 2004, 1868ff).

Nachdem die Kläger noch in der Klageschrift angekündigt hatten, zu beantragen, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2014 zu verpflichten, sie von dem Vergütungsanspruch ihres Prozessbevollmächtigten freizustellen, haben sie am 16. Februar 2015 – nach einem Hinweis der Kammervorsitzenden des SG auf das Urteil des Bundessozialgericht (BSG) vom 02. Dezember 2014 (B 14 AS 60/13 R) - beantragt, unter Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 15. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2014 die Kosten auf 328,44 EUR festzusetzen, und schließlich in der mündlichen Verhandlung vor SG am 22. März 2017 beantragt, den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 05. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2014 zu verpflichten, die Kosten auf 328,44 EUR festzusetzen und eine Zahlung in dieser Höhe an den Bevollmächtigten zu leisten.

Das SG hat die Klage abwiesen (Urteil vom 22. März 2017) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Das Begehren der Kläger sei entsprechend ihres zuletzt formulierten Antrags von vornherein dahingehend auszulegen gewesen, dass es sich nicht auf die bloße "Freistellung vom Vergütungsanspruch des Bevollmächtigten", sondern auf die "Freistellung durch Auszahlung des Vergütungsanspruches an den Bevollmächtigten" gerichtet habe. Der zuletzt formulierte Antrag stelle daher lediglich eine sprachliche Klarstellung des bereits in der Klageschrift beschriebenen Begehrens dar. Selbst wenn man bei der letzten Formulierung des Klageantrags von einer Erweiterung des ursprünglichen Klagebegehrens ausgehen würde, handele es sich gemäß § 99 Abs 3 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht um eine Klageänderung. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Freistellung durch Auszahlung des Vergütungsanspruches in Höhe von 328,44 EUR an ihren Bevollmächtigten. Es lägen zwar die Voraussetzungen für einen Freistellungsanspruch vor, nicht aber die Voraussetzungen eines Freistellungsanspruchs durch Auszahlung der Vergütung an ihren Bevollmächtigten. Ein Anspruch, der zwischen Freistellungsanspruch und Zahlungsanspruch angesiedelt sei, existiere nicht. Vielmehr sei lediglich zwischen dem Freistellungsanspruch einerseits und dem Zahlungsanspruch andererseits zu differenzieren, und zwar danach, ob der Rechtsanwalt seinem Mandanten seine Berechnung mitgeteilt habe oder nicht. Erst dann, wenn die Rechnungslegung durch den Rechtsanwalt erfolge, manifestierte sich der Schaden im Vermögen des Mandanten (Hinweis auf Landgericht (LG) München, Urteil vom 24. Februar 2010 – 9 S 16724/09, juris RdNr 110ff, die der BGH in seinem Urteil vom 22. März 2011 – VI ZR 63/10, juris RdNr 18, bestätigt habe). Dieser Entscheidung habe sich das BSG in seinem Urteil vom 02. Dezember 2014 (B 14 AS 60/13 R, juris RdNr 17), ausdrücklich angeschlossen. Soweit in diesem Urteil anklinge, eine dem Beklagten gegenüber erfolgte Berechnung für den Zahlungsanspruch könne ausreichen (BSG, aaO, RdNr 8; so sei die Entscheidung auch vom LSG Berlin-Brandenburg verstanden worden in seinem Urteil vom 13. Oktober 2016 – L 31 AS 1774/16, juris RdNr 26), sei nächst festzustellen, dass die Kläger einen solchen Zahlungsanspruch gerade nicht geltend gemacht hätten. Darüber hinaus würde eine solche Auslegung der vorgenannten Entscheidung des BGH nicht entsprechen. Denn dort sei die Rechnungslegung gegenüber dem Anspruchsgegner, explizit aber nicht gegenüber dem Mandanten erfolgt (BGH, aaO, RdNr 4), und das LG München als Vorinstanz (aaO) habe genau aus diesem Grund den Zahlungsanspruch ausdrücklich abgelehnt (wegen der Frage, ob § 10 Abs 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) Klagen, die unmittelbar auf Zahlung gerichtet seien, verbiete).

Mit der vom SG zugelassenen Berufung machen die Kläger geltend, den vom SG angenommenen Unterschied zwischen einem Freistellungsanspruch mit Auszahlungsanspruch und einem Freistellungsanspruch ohne Auszahlungsanspruch kenne das Gesetz nicht. Darauf komme aber nicht an, weil sich der Befreiungsanspruch in einen Zahlungsanspruch gewandelt habe (nunmehr Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 09. Juli 2015 - I ZR 224/13, juris).

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die Entscheidung des SG. Nach einem entsprechenden Hinweis des Senats trägt er vor, er habe die Freistellung der Kläger von den Vergütungsansprüchen ihres Bevollmächtigten in Höhe von 328,44 EUR nicht unter die Bedingung gestellt, dass eine an sie adressierte und übersandte Kostenberechnung eingereicht oder die erfolgte Rechnungslegung anderweitig nachgewiesen werde (zB anwaltlich versichert) bzw ein ggf übergegangener Vergütungsanspruch durch Nachweis des Beratungsscheins entsprechend belegt werde.Bei diesen Ausführungen in der Begründung der Kostenfestsetzungsentscheidung habe es sich vielmehr um eine Mitteilung zur weiteren Verfahrensweise gehandelt. Entgegen der Auffassung der Kläger habe sich der Freistellungsanspruch, in der Höhe, in der er den Klägern (einschränkungslos) zuerkannt worden sei, auch nicht in einen Zahlungsanspruch umgewandelt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, insbesondere auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, sowie auf die Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Über die Berufung konnte der Senat in Abwesenheit der Beteiligten entscheiden (§ 126 SGG, dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, RdNr 4 zu § 126), weil die Beteiligten in der Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 110 Abs 1 Satz 2 SGG).

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Streitgegenstand (= prozessualer Anspruch iS des § 123 SGG, vgl BSG, Beschluss vom 18. August 1999 – B 4 RA 25/99 B, juris RdNr 12) des Klage- und Berufungsverfahrens ist bei verständiger Würdigung des Vorbringens der Kläger und unter Berücksichtigung ihres Rechtsschutzziels von Anfang an ihre Behauptung, die vom Beklagten im Bescheid vom 15. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2014 in Form einer Freistellungsentscheidung in Höhe von 328,44 EUR ausgesprochene Kostenfestsetzungsentscheidung sei rechtswidrig und enthaltene einen Eingriff in ihre Rechtssphäre (zum Streitgegenstand einer Anfechtungsklage, vgl nur Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, RdNr 6 zu § 95 mwN), soweit er als Voraussetzung der Freistellung die Forderung enthielt, entweder eine an sie adressierte und übersandte Kostenberechnung einzureichen oder die erfolgte Rechnungslegung anderweitig nachzuweisen. Streitgegenstand des Klageverfahrens vor dem SG war darüber hinaus der gegenüber dem Beklagten unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH zur Umwandlung eines Freistellungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch erhobene Anspruch der Kläger auf Zahlung in Höhe von 328,44 EUR (zum Streitgegenstand einer Leistungsklage, vgl nur Schmidt, aaO, RdNr 8 mwN) an sie selbst und nicht – wie ausdrücklich beantragt – an ihren Bevollmächtigten, den sie im Berufungsverfahren weiterverfolgt haben. Denn ein solcher Zahlungsanspruch, wenn er denn besteht, steht dem Freistellungsgläubiger zu, dessen Sache es dann ist, das Geld zur Befriedigung des Drittgläubigers zu verwenden (vgl nur BGH, Urteil vom 13. Januar 2004 – XI ZR 355/02, juris RdNr 16 mwN; BGH, Urteil vom 09. Juli 2015 – I ZR 224/13, juris RdNr 34; Weber, NJW 2015, 1841ff mwN).

Die Berufung ist statthaft, weil das SG sie zugelassen hat, woran der erkennende Senat gebunden ist (§ 144 Abs 3 SGG), und auch kein Fall des § 144 Abs 4 SGG vorliegt, weil es sich bei einem Streit über die Kosten eines isoliert gebliebenen Vorverfahrens nicht um einen Streit über die Kosten des Verfahrens iS dieser Norm handelt. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Die Zulässigkeit der Berufung ist insbesondere auch gegeben, soweit die Kläger ihren prozessualen Anspruch auf eine nebenbestimmungsfreie Freistellungsentscheidung weiterverfolgen. Das SG hat zwar nicht ausdrücklich über Bestehen und Wirksamkeit einer Nebenbestimmung entschieden und den Entscheidungsgründen ist eine solche Entscheidung auch nicht im Wege der Auslegung zu entnehmen (vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, RdNr 7ff zu § 141 mwN). Dennoch ist ein prozessualer Anspruch auf Aufhebung einer Nebenbestimmung – auch wenn die Kläger insoweit nicht durch eine ablehnende Entscheidung beschwert sind – im Berufungsverfahren angefallen, denn es handelt sich um einen rechtsirrtümlich übergangenen Anspruch. Hat das SG über einen von den Klägern erhobenen prozessualen Anspruch rechtsfehlerhaft bewusst nicht entschieden, weil es eine Entscheidung hierüber für nicht geboten gehalten hat, ist das Urteil zwar insoweit wegen Verstoßes gegen § 123 SGG fehlerhaft. In einem solchen Fall wird aber der auf diese Weise übergangene Anspruch Bestandteil des Berufungsverfahrens, ohne dass es eines "Heraufholens von Prozessresten" bedarf, weil die zur Fehlerkorrektur vorrangige Regelung des § 140 Abs 1 SGG nicht einschlägig ist (vgl BSG, Beschluss vom 02. April 2014 - B 3 KR 3/14 B, juris RdNr 6f mwN). Der Anwendungsbereich des Urteilsergänzungsverfahrens ist auf die Situation beschränkt ist, dass ein Anspruch oder mehrere Ansprüche bei der Entscheidung versehentlich übergangen worden ist bzw sind. Mit diesem vereinfachten Verfahren kann bei einem unvollständigen Vollendurteil der auf Unachtsamkeit beruhende Fehler der Unvollständigkeit beseitigt werden. Wurde dagegen ein Anspruch rechtsirrtümlich nicht beschieden, kann von einem Übergehen iS des § 140 Abs 1 SGG nicht gesprochen werden (vgl BSG, aaO, RdNr 8).

Die Berufung ist nicht nur begründet, soweit die Kläger zur Durchsetzung ihres Anspruchs auf eine nebenbestimmungsfreie Freistellungsentscheidung in Höhe von 328,44 EUR eine isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGG) erhoben haben, weil diese Klage zulässig und begründet ist (dazu unter 1.), sondern auch soweit sie zur Durchsetzung ihres Anspruch auf Zahlung in der bezeichneten Höhe eine allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) erhoben haben, weil diese ebenfalls zulässig und begründet ist (dazu unter 2.)

Gegenstand (iS von § 95 SGG) der Klage ist allein der Zusatz, der der Kostenfestsetzungsentscheidung (§ 63 Abs 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB X) in Form der Freistellungsentscheidung in Höhe von 328,44 EUR im Bescheid vom 13. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2014 angefügt ist, wonach eine Erstattung in der bezeichneten Höhe nur erfolgen werde, sobald entweder eine an die Kläger adressierte und übersandte Kostenberechnung eingereicht oder die erfolgte Rechnungslegung anderweitig nachgewiesen werde. Es handelt sich dabei aus der Sicht eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde erkennen kann (so genannter objektiver Empfängerhorizont, vgl hierzu nur: Engelmann in Schütze, SGB X, 10. Aufl 2020, RdNr 43 zu § 31) nicht um eine bloße Mitteilung zur weiteren Verfahrensweise, sondern um eine die Kläger belastende Nebenbestimmung iS des § 32 Abs 2 Nr 2 SGB X (Bedingung), und zwar in Form einer aufschiebenden Bedingung. Bei einer aufschiebenden Bedingung hängt entsprechend § 158 BGB der Eintritt der mit dem Verwaltungsakt erstrebten Wirkungen von einem zukünftigen ungewissen Ereignis ab. Voraussetzung für den Eintritt der durch den Verwaltungsakt gewährten Begünstigung ist das in der Nebenbestimmung genannte "zukünftige ungewisse Ereignis" (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 29. März 1986 – IV C 27.67, juris RdNr 13). Zwar wird die im Bescheid vom 13. November 2013 verlautbarte Freistellungsentscheidung bereits mit ihrer Bekanntgabe wirksam (§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB X). Ihre dieser äußeren Wirksamkeit gegenüberstehende innere Wirksamkeit, dh die von ihr ausgesprochenen Rechtswirkungen, soll aber erst im Bedingungsfall eintreten (vgl BSG, Urteil vom 05. Februar 2003 – B 6 KA 22/02 R, juris RdNr 23; BVerwG, Urteil vom 15. November 1978 – VIII C 35.76, juris RdNr 11). Eben diese Funktion – die Hemmung der Wirksamkeit der "Hauptentscheidung" bis zum Eintritt zukünftiger konkret (alternativ) bezeichneter Ereignisse – kommt dem mit diesem Urteil aufgehobenen Teil des Bescheides zu und soll ihm auch zukommen, denn der Beklagte verdeutlicht (verbal im Bescheid und durch sein weiteres Verhalten), dass der Vollzug der Freistellung an weitere (gesetzlich nicht vorgesehene, dazu sogleich) Voraussetzungen geknüpft sein soll. Diese für den objektiven Empfänger bereits aus dem Bescheidtext deutliche Struktur begründet den Bedingungscharakter, der somit nicht als Hinweis zum weiteren Verfahren "uminterpretiert" werden kann. Unschädlich ist, dass dem Wortlaut des die Kostenfestsetzung betreffenden Verfügungssatzes selbst, der dessen "Begründung" vorangestellt wurde, eine Freistellung unter der bezeichneten Einschränkung (= Bedingung im Rechtssinne) nicht entnommen werden kann, weil zur Bestimmung des Inhalts des Verfügungssatzes auch auf die beigefügte Begründung zurückzugreifen ist (vgl Burkiczak in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand der Einzelbearbeitung: 03. Februar 2020, RdNr 13 zu § 32 mwN).

Gegen diese Nebenbestimmung wenden sich die Kläger statthaft mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGG). Denn gegen belastende Nebenbestimmungen eines Verwaltungsakts ist die Anfechtungsklage gegeben. Dies gilt insbesondere für begünstigende Verwaltungsakte. Die Frage, ob im Übrigen die Voraussetzungen für die Freistellung der Kläger von den Vergütungsansprüchen ihres Bevollmächtigten in Höhe von 328,44 EUR vorlagen, ist damit der gerichtlichen Prüfung entzogen (vgl BSG, Urteil vom 13. Oktober 2010 - B 6 KA 40/09 R, juris RdNr 13). Ob die Klage zur isolierten Aufhebung der Nebenbestimmung führen kann, hängt davon ab, ob der begünstigende Verwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann; dies ist eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit der Anfechtungsklage, sofern nicht eine isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet (BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2007 - 3 C 39/06, juris RdNr 20 mwN). Dass es sich bei der Kostenfestsetzungsentscheidung nach § 63 Abs 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB X um eine gebundene Entscheidung handelt (vgl nur BSG, Urteil vom 22. März 1984 – 11 RA 16/83, juris RdNr 13 f), steht der Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage nicht entgegen (vgl BSG, Urteil vom 30. Januar 2002 – B 6 KA 20/01 R, juris RdNr 20).

Die auch im Übrigen zulässige isolierte Anfechtungsklage ist begründet. Die angefochtene Nebenbestimmung unterliegt der Aufhebung, weil sie rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt. Denn die Kläger können eine nebenbestimmungsfreie Kostenfestsetzungsentscheidung in Form einer Freistellungsentscheidung in Höhe von 328,44 EUR beanspruchen.

Die hier in Rede stehende Nebenbestimmung kann nicht auf § 32 Abs 1 SGB X gestützt werden.

Nach § 32 Abs 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Die Vorschrift regelt abschließend, unter welchen Voraussetzungen ein gebundener begünstigender Verwaltungsakt mit einer Nebenbestimmung versehen werden darf.

Da es sich bei der Kostenfestsetzungsentscheidung um eine – wie bereits ausgeführt – gebundene Entscheidung handelt, ist § 32 Abs 1 SGB X anwendbar.

Von den beiden Alternativen des § 32 Abs 1 SGB X kommt von vornherein nur die zweite Alternative in Betracht, denn § 63 Abs 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB X als die hier maßgebende fachgesetzliche Vorschrift sieht den Erlass einer Nebenbestimmung nicht vor.

Die streitige aufschiebende Bedingung soll jedoch nicht iS der zweiten Alternative des § 32 Abs 1 SGB X sicherstellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch in Form des Freistellungsanspruchs nach einem isoliert gebliebenen Vorverfahren erfüllt werden. Diese Voraussetzungen lagen im Zeitpunkt der ausgesprochenen Freistellungsentscheidung bereits vollständig vor. Denn Voraussetzung für den Anspruch auf Kostenfestsetzung in Form eines Freistellungsanspruchs ist gerade nicht die Geltendmachung der Kosten im Verhältnis Rechtsanwalt zu Mandant (Widerspruchsführer) durch das Erstellen und Übersenden einer Rechnung iS von10 RVG, weil dies nur deren Innenverhältnis betrifft (BSG, Urteil vom 02. Dezember 2014 – B 14 AS 60/13 R, juris RdNr 17), was auch das SG nicht in Abrede gestellt und der Beklagte auch bindend festgestellt hat.

Nach § 32 Abs 1 Alt 2 SGB X soll die Behörde eine Nebenbestimmung beifügen dürfen, die es ihr ermöglicht, einen begünstigenden Verwaltungsakt zu erlassen, obwohl noch nicht sämtliche für den Anspruch aufgestellten fachgesetzlichen Voraussetzungen erfüllt oder nachgewiesen sind (Burkiczak in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand der Einzelbearbeitung: 03. Februar 2020, RdNr 91 zu § 32). Die Nebenbestimmung ist ein Mittel, das Fehlen von Voraussetzungen für den Erlass des Verwaltungsakts zu überbrücken. Einen begünstigenden Verwaltungsakt unter Beifügung einer Nebenbestimmung zu erteilen, ist vielfach das mildere Mittel gegenüber seiner sonst erforderlichen Ablehnung (BVerwG, Urteil vom 09. Dezember 2015 – 6 C 37/14, juris RdNr 18).

Auch der systematische Zusammenhang der beiden Alternativen des § 32 Abs 1 SGB X bestätigt diese Deutung der zweiten Alternative der Vorschrift. Gemeinsamer Anwendungsbereich beider Alternativen sind Nebenbestimmungen zu solchen Verwaltungsakten, auf welche dem Grunde nach ein Anspruch besteht. In seiner ersten Alternative knüpft § 32 SGB X die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen an eine dazu ermächtigende besondere Rechtsvorschrift. Sie trägt damit dem Umstand Rechnung, dass die Nebenbestimmung den Inhaber des Anspruchs belastet. Sein Anspruch wird eingeschränkt, wenn er die mit dem Verwaltungsakt verbundene Begünstigung etwa nur noch unter einer bestimmten Bedingung oder um den Preis einer ihm zugleich auferlegten Handlungspflicht (iS einer Obliegenheit) begehren kann. Macht § 32 Abs 1 SGB X in seiner ersten Alternative somit die Zulässigkeit von anspruchsbeschränkenden Nebenbestimmungen von einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung abhängig, spricht dies im Umkehrschluss dafür, dass § 32 Abs 1 SGB X in seiner zweiten Alternative nicht auf eine allgemeine Einschränkung gesetzlich eingeräumter Rechtspositionen dergestalt zielt, dass begünstigende Verwaltungsakte selbst dann mit belastenden Nebenbestimmungen versehen werden dürften, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für ihren Erlass erfüllt sind und eine besondere Ermächtigung im Sinne der ersten Alternative von § 32 Abs 1 SGB X fehlt. Die Funktion der zweiten Alternative des § 32 Abs 1 SGB X liegt vielmehr darin, vom Erfordernis der gesonderten fachrechtlichen Ermächtigungsgrundlage dort eine Ausnahme zuzulassen, wo dieses Erfordernis zum Nachteil des Anspruchsstellers ausschlagen, nämlich sich als Hindernis für den Erlass eines Verwaltungsakts auswirken könnte, der unter Beifügung einer Nebenbestimmung bereits erlassen werden könnte (BVerwG, aaO, RdNr 19)

Die Begründetheit der Anfechtungsklage scheitert auch nicht daran, dass die zugunsten der Kläger ausgesprochene Freistellungsentscheidung ohne die angefochtene Nebenbestimmung rechtmäßigerweise keinen Bestand haben könnte. Dass sie das kann, ergibt sich bereits aus dem schon zitierten Urteil des BSG vom 02. Dezember 2014 (B 14 AS 60/13 R, juris RdNr 17).

2. Die von den Klägern neben der isolierten Anfechtungsklage erhobene, auf Zahlung in Höhe von 328,44 EUR an sie selbst gerichtete allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) ist zulässig.

Das SG ist nicht nur davon ausgegangen, dass der von den Klägern mit dieser Klage zuletzt ausdrücklich erhobene Zahlungsanspruch von vornherein ihrem Begehren entsprach, sondern es hat zudem entschieden, dass selbst für den Fall, dass die Kläger damit ihr ursprüngliches Begehren erweitert hätten, diese Erweiterung nicht am Maßstab des § 99 Abs 1 SGG zu messen sei, weil diese nach § 99 Abs 3 Nr 2 SGG nicht als Änderung der Klage gelte. Mit diesem selbständigen Begründungsstrang hat das SG entschieden, dass eine Änderung der Klage nicht vorliegt. Diese Entscheidung ist gemäß § 99 Abs 4 SGG unanfechtbar und damit auch für die Rechtsmittelinstanz bindend (vgl BSG, Urteil vom 03. März 2009 – B 4 AS 37/08 R, juris RdNr 16 mwN). Damit kann offenbleiben, ob die Kläger den mit der Leistungsklage erhobenen prozessualen Anspruch von vornherein oder erst im Laufe des Klageverfahrens vor dem SG erhoben haben.

Diese allgemeine Leistungsklage ist auch zulässig. Nach § 54 Abs 5 SGG kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Hierfür genügt es, dass ein bindender Verwaltungsakt (§ 77 SGG) vorliegt, der Leistungsträger aber gleichwohl nicht leistet (vgl BSG, Urteil vom 27. März 1980 – 10 RV 23/79, juris RdNr 13). Mit der allgemeinen Leistungsklage können die Kläger effektiven Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 Satz 1 Grundgesetz) erlangen, wenn sich ein Leistungsträger weigert, eine durch Verwaltungsakt zuerkannte Leistung zu erbringen. Ihnen bleibt nur die Leistungsklage, um einen Vollstreckungstitel zu erhalten (§ 199 Abs 1 Nr 1 SGG). So verhält es sich hier. Denn es ist zweifelhaft, ob der Beklagten für den Fall, dass die stattgebende Entscheidung des Senats bzgl der Anfechtungsklage rechtskräftig werden sollte (vgl § 141 SGG), mithin iS von § 77 SGG bindend feststünde, dass die Kläger nebenbestimmungsfrei von den Vergütungsansprüchen ihres Bevollmächtigten in Höhe von 328,44 EUR freigestellt worden sind, diesen Freistellungsanspruch auch erfüllen wird. Diese Zweifel gründen darauf, dass der Beklagte der Auffassung ist, er habe die Kläger bereits einschränkungslos von den Vergütungsansprüchen ihres Bevollmächtigten in der besagten Höhe freigestellt, mit anderen Worten: Der Senat muss davon ausgehen, dass der Beklagte bezogen auf seine Verpflichtung, den Freistellungsanspruch zu erfüllen, keine durch die Aufhebung der Bedingung geänderte Sachlage sieht (und akzeptiert), weil er ohnehin nicht der Auffassung war (und ist), dem Bescheid eine Bedingung beigefügt zu haben.

Die Leistungsklage ist auch begründet, weil sich der in Rede stehende nebenbestimmungsfreie Freistellungsanspruch in einen Geldleistungsanspruch umgewandelt hat.

Bei einem Freistellungsanspruch (vgl § 257 BGB) handelt es sich um einen Anspruch auf Naturalrestitution, dh es besteht die Verpflichtung des Befreiungsschuldners, den Befreiungsgläubiger von der Inanspruchnahme (oder ggf nur dem Risiko der Inanspruchnahme) durch den Drittgläubiger zu befreien bzw freizustellen, ihn also so zu stellen, wie er ohne die Belastung mit der eingegangenen Verbindlichkeit stehen würde (BGH, Urteil vom 04. März 2015 - XII ZR 61/13, juris RdNr 22). Wie bei einer schadensersatzrechtlichen Restitution nach § 249 Abs 1 BGB steht es dem Befreiungsschuldner dabei frei, wie er diese Freistellung konkret bewirkt, weshalb grundsätzlich weder der Befreiungsgläubiger Zahlung an sich selbst verlangen kann noch der Befreiungsschuldner durch Zahlung an den Befreiungsgläubiger erfüllen kann. Der Freistellungsanspruch kann indessen durch Fristsetzung nach § 250 Abs 1 BGB, der die ernsthafte und endgültige Verweigerung der geforderten Herstellung gleichsteht, in einen Zahlungsanspruch des Freistellungsgläubigers umgewandelt werden (§ 250 Satz 2 BGB), wobei – wie bereits ausgeführt – die Verwendung des Geldes zur Befriedigung des Drittgläubigers dann Sache des Freistellungsgläubigers ist (vgl nur BGH, Urteil vom 13. Januar 2004 – XI ZR 355/02, juris RdNr 16 mwN; BGH, Urteil vom 09. Juli 2015 – I ZR 224/13, juris RdNr 34; Weber, NJW 2015, 1841ff mwN). So liegt hier der Fall. Denn der Beklagte hat sich von Anfang an geweigert, den Freistellungsanspruch der Kläger – wie es rechtlich geboten ist – vorbehaltlos zu erfüllen, und es ist (wie bereits ausgeführt) auch nicht gesichert, dass der Anspruch bei Rechtskraft dieser Entscheidung ohne Existenz eines vollstreckbaren Zahlungstenors erfüllt wird, der aus diesem Grunde auch erforderlich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 1 Nr 1 oder Nr 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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