L 7 KA 12/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 83 KA 576/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 12/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.) Zur Auslegung eines gerichtlichen Vergleichs
2.) Zur praktischen Heranziehung des Urteils des BSG vom 15.08.2012 (B 6 KA 38/11 R) bei Nachvergütung eines neubeschiedenen IB´s und bestandskräftigen Honorarbescheids.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Februar 2019 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin nahm vom 1. Januar 2002 bis zum 31. März 2006 als Fachärztin für diagnostische Radiologie im Verwaltungsbezirk M-H an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Seit September 2002 verfügte sie über eine Genehmigung zur Abrechnung von Leistungen der Magnetresonanztomographie (MRT). Gleichzeitig nahm sie in ihrer Praxis den Betrieb eines Kernspintomographen auf. Der MRT-Umsatz betrug im Quartal III/2002 2.469,94 Euro bzw. 3.589,86 Euro (Primärkassen bzw. Ersatzkassen) und im Quartal IV/2002 35.636,16 Euro bzw. 35.176,96 Euro (Primärkassen bzw. Ersatzkassen).

Die Beklagte berechnete das Individualbudget der Klägerin zunächst nach dem Durchschnitt der Quartale III/2002 und IV/2002 und kam dabei zu durchschnittlichen Individualbudget-Umsätzen pro Quartal in Höhe von 19.053,05 Euro (Primärkassen, entsprechend 372.645 Punkten) bzw. 19.383,41 Euro (Ersatzkassen, entsprechend 379.106 Punkten). Auf den Widerspruch der Klägerin kam die Beklagte mit Bescheid vom 6. November 2003 dem Begehren der Klägerin teilweise nach und legte der Festsetzung des MRT-Individualbudgets (MRT-IB) nun ausschließlich den Umsatz im Quartal IV/2002 zugrunde, was zu durchschnittlichen Individualbudget-Umsätzen pro Quartal in Höhe von 35.636,16 Euro (Primärkassen, entsprechend 696.983 Punkten) bzw. 35.176,96 Euro (Ersatzkassen, entsprechend 688.001 Punkten) führte. Für die Quartale III/2003 bis II/2004 errechnete die Beklagte davon ausgehend und unter Einbeziehung eines Gewichtungsfaktors folgende Werte:

Quartal maximal abrechenbares individuelles Punktzahlvolumen, Primärkassen maximal abrechenbares individuelles Punktzahlvolumen, Ersatzkassen III/2003 660.600 635.438 IV/2003 748.490 732.377 I/2004 720.541 691.373 II/2004 658.300 692.817

Seit dem dritten Quartal 2003 wurde das Honorar der Klägerin nach einem dem Fachgruppengrenzwert entsprechenden Punktzahlvolumen berechnet.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2004 zurück. Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. April 2006). In dem sich daran anschließenden Berufungsverfahren teilte die Beklagte mit, dass mit Ausnahme der Honorarfestsetzungsbescheide für die Quartale III/03 und III/04 die Honorarfestsetzungsbescheide für alle anderen Quartale bestandskräftig geworden seien. Der Senat wies daraufhin auf das Urteil des BSG vom 3. Februar 2010, B 6 KA 31/08 R (Rn. 12 und 14) hin, wonach eine Neubescheidung sich nur auf Quartale erstrecken könne, für die noch keine bestandskräftigen Honorarbescheide vorlägen. Dementsprechend seien diejenigen Quartale auszunehmen, für die die Honorarbescheide bereits bestandskräftig seien. Denn für diese könne sich keine Änderung der Honorarsituation mehr ergeben. Die Klägerin hielt dem ältere Entscheidungen des BSG entgegen, von denen insbesondere das Urteil vom 22. März 2006, B 6 KA 80/04 R, eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, so wie sie hier erhoben worden sei, für zulässig erachtet habe; deshalb sei das IB bis zum Ende der vertragsärztlichen Tätigkeit der Klägerin neu festzusetzen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24. November 2010 schlossen die Beteiligten folgenden Vergleich:

"1. Die Beklagte wird das MRT-Individualbudget der Klägerin für den Zeit- raum ab dem Quartal III/03 neu berechnen und der Berechnung den Bemessungszeitraum der Quartale IV/02 bis II/03 zugrunde legen.

2. Damit sind alle Ansprüche aus diesem Verfahren erledigt.

"

Die Beklagte gewährte der Klägerin auf der Grundlage dieses Vergleichs für die Quartale III/03 bis I/06 ein neu berechnetes MRT-IB. Ihrer Berechnung legte sie ein ungewichtetes MRT-IB im Primärkassenbereich von 998.578 Punkte und im Ersatzkassenbereich von 956.795 Punkten zu Grunde. Für die Quartale III/03 bis I/06 werde, sofern die Honorarfestsetzungsbescheide nicht bestandskräftig geworden seien, eine Nachvergütung im Wege der sachlich-rechnerischen Berichtigung vorgenommen. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2015 u.a. mit der Begründung zurück, dass nach der Rechtsprechung des BSG und des in diesem Rechtsstreit entscheidenden Senats Honorarverteilungsregelungen anhand von IBs ab dem Quartal II/2005 rechtswidrig seien, so dass vor diesem Hintergrund keine MRT-IB-Anhebungen für die Quartale II/2005 bis I/2006 erfolgen könnten.

Entsprechend gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 30. Mai 2011 für die Quartale III/03 und III/04 eine Nachvergütung in Höhe von Insgesamt 29.733,83 EUR.

Das von der Klägerin dagegen angerufene Sozialgericht Berlin hob mit Urteil vom 13. Februar 2019 den Bescheid der Beklagten vom 9. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2015 insoweit auf, als darin festgelegt worden sei, dass nur für die Quartale eine Nachvergütung erfolge, hinsichtlich derer die Honorarfestsetzungsbescheide noch nicht bestandskräftig geworden seien. Die Beklagte werde verpflichtet, auch hinsichtlich der Quartale IV/2003 bis II/2004 und IV/2004 bis I/2006 eine Nachvergütung auf der Grundlage des neuberechneten MRT-IBs zu gewähren. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt: Die Klage sei zulässig. Die Beklagte habe in dem angefochtenen Bescheid eine Regelung dahingehend getroffen, dass keine Nachvergütung für Quartale vorgenommen werde, für die die Honorarfestsetzungsbescheide bestandskräftig geworden seien. Die Klage sei auch begründet. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Unter Berücksichtigung der Umstände, unter denen der Vergleich vor dem LSG zustande gekommen sei, ergebe sich, dass dieser so auszulegen sei, dass die Beklagte sich nicht nur zur Neuberechnung des MRT-IBs, sondern auch zu einer Nachvergütung für die im Vergleich genannten Quartale verpflichtet habe. Denn dem Vergleich lasse sich keine Beschränkung der Verpflichtung der Beklagten auf eine Neuberechnung und Nachvergütung nur auf die beiden Quartale erkennen, für die die Honorarfestsetzungsbescheide bestandskräftig geworden seien. Dies wäre aber im Hinblick auf die unterschiedlichen Rechtsstandpunkte der Beteiligten sowie im Hinblick auf den rechtlichen Hinweis des Senats auf die Entscheidung des BSG vom 3. Februar 2010 naheliegend gewesen. Im Übrigen beruhe der Anspruch der Klägerin auf Nachvergütung aber auch auf der Entscheidung des BSG vom 15. August 2012 (B 6 KA 38/11 R). Aus der Rechtsprechung des BSG habe sich bis zum August 2012 nicht eindeutig entnehmen lassen, dass eine Nachvergütung aufgrund einer Neuberechnung des IBs bei Bestandskraft des Honorarfestsetzungsbescheides ausscheide. Für die Klägerin habe zum damaligen Zeitpunkt deshalb kein Anlass bestanden, Widerspruch gegen die Honorarfestsetzungsbescheide zu erheben. Dass sie die Entscheidung des BSG damals noch nicht gekannt habe, schließe Vertrauensschutz nicht aus. Allein die Tatsache, dass die Klägerin gegen zwei Honorarfestsetzungsbescheide Widerspruch eingelegt habe, führe auch nicht dazu, dass damit hinsichtlich aller anderen Quartale kein Vertrauensschutz mehr gewährt werden könne.

Gegen das ihr am 26. Februar 2019 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21. März 2019 Berufung eingelegt. Sie hält das angefochtene Urteil für rechtsfehlerhaft. Das Sozialgericht habe verkannt, dass sich dem Vergleich nicht entnehmen lasse, dass sich die Beklagte zur Nachvergütung verpflichtet habe. Das wäre aber erforderlich gewesen, nachdem das LSG auf die Entscheidung des BSG vom 3. Februar 2010 hingewiesen und gleichzeitig nur zwei Quartale benannt habe, in denen die Honorarfestsetzungsbescheide nicht bestandskräftig geworden seien. Deshalb hätte es einer Zusicherung bedurft, wenn die Nachvergütung sich auch auf Quartale hätte erstrecken sollen, in denen die Honorarfestsetzungsbescheide bestandskräftig geworden seien. Dies sei im Übrigen durch die Ziffer 2.) des Vergleichs ausgeschlossen, nach der alle Ansprüche aus diesem Verfahren erledigt seien. Soweit das Urteil auf Vertrauensschutz gestützt werde, verkenne das Sozialgericht, dass die Klägerin die Honorarfestsetzungsbescheide für drei Quartale angefochten habe. Dies habe sie ausdrücklich wegen der anhängigen Verfahren zur Neuberechnung des Individualbudgets getan. Dies schließe einen Vertrauensschutz hier wegen widersprüchlichen Verhaltens aus.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Februar 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das sozialgerichtliche Urteil für zutreffend.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs, der Gerichtsakten zum vorliegenden Rechtsstreit und zu dem unter dem Aktenzeichen L 9 KR 91/06 registrierten Rechtsstreit verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgericht Berlin vom 13. Februar 2019 ist zulässig, aber unbegründet.

1.) Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zulässig, weil die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid zwar dem vor dem Senat geschlossenen Vergleich hinsichtlich der Neufestsetzung des MRT-IBs nachgekommen ist, jedoch darin zugleich eine Nachvergütung für die Quartale III/2003 bis I/2006 abgelehnt hat, soweit die diese Quartale betreffenden Honorarfestsetzungsbescheide bestandskräftig geworden sind.

2.) Das Sozialgericht hat zu Recht den angefochtenen Bescheid geändert und die Beklagte zur Nachvergütung für alle streitigen Quartale verpflichtet, soweit die Beklagte nicht schon eine Nachvergütung vorgenommen hatte.

a) Dies hat das Sozialgericht schon rechtsfehlerfrei aus dem im Verfahren L 9 KR 91/06 vor dem Senat am 24. November 2010 abgeschlossenen Vergleich hergeleitet.

aa) Zwar ist der Beklagten einzuräumen, dass der Vergleich keine ausdrückliche Regelung über eine Nachvergütung enthält, sondern nur eine Verpflichtung der Beklagten, das streitige MRT-IB für den Zeitraum ab dem Quartal III/03 neu zu berechnen und der Berechnung einen neuen Bemessungszeitraum zu Grunde zu legen.

bb) Allerdings ist der Vergleich dahin auszulegen, dass nicht nur eine Neufestsetzung des MRT-IBs durch die vertragsschließenden Parteien gewollt war, sondern auch die anschließende Nachvergütung des gesamten Vergleichszeitraumes. Werden für ein Quartal ein IB oder RLV festgesetzt, die Leistungen des Vertragsarztes entsprechend in einem Honorarfestsetzungsbescheid vergütet und wird der Honorarfestsetzungsbescheid bestandskräftig, wird die Klage auf Neufestsetzung des IB oder des RLV unzulässig, weil dem Kläger dafür das Rechtsschutzbedürfnis fehlt (BSG, Urteil vom 3. Februar 2010 - B 6 KA 31/08 R -, BSGE 105, 236-243, SozR 4-2500 § 85 Nr. 53). Denn für diejenigen Quartale, für die die Honorarfestsetzungsbescheide bereits bestandskräftig sind, kann sich keine Änderung der Honorarsituation mehr ergeben.

cc) Hätte die Beklagte mit ihrer Auffassung Recht, dass sie sich ausschließlich zur Neubescheidung des IB verpflichtet hätte, würde der Vergleich de facto auf eine Klagerücknahme der Klägerin hinauslaufen. Bezogen auf den vorliegenden Fall würde das ergeben, dass sich die Beklagte zwar dazu verpflichtet hätte, das streitige IB neu zu berechnen, dass sich daraus aber für die Klägerin kein höheres Honorar - und zwar für alle streitigen Quartale - ergeben könnte. Zum einen ergäbe sich dies nach der Rechtsauffassung der Beklagten aus der Bestandskraft der Honorarfestsetzungsbescheide für die Mehrzahl der streitigen Quartale. Zum anderen folgte dies aus Ziffer 2 des Vergleichs: Da nach Ziffer 2 des Vergleiches alle Ansprüche aus diesem Verfahren erledigt sind, würde dies auch die Quartale betreffen, deren Honoraransprüche noch nicht bestandskräftig beschieden waren. Es leuchtet unmittelbar ein, dass diese Rechtsfolge weder der Intention des Vorschlags des Senats noch des Vertragsschlusses der Beteiligten entsprach. Denn die Verpflichtung der Beklagten würde dann auf eine sinnlose Arbeit hinauslaufen, und der Senat hätte mit der Ziffer 2 des Vergleichs der Klägerin auch noch die letzte Nachvergütungsmöglichkeit abgeschnitten.

dd) Vielmehr bestätigen sowohl der Wortlaut des Vergleichs, der rechtliche Hinweis des Senats zu seiner Einleitung als auch die Kostenentscheidung durch den Beschluss vom 4. Januar 2011 ("Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 54.467 EUR festgesetzt"), dass der Vorschlag des Senats und die Einigung der Beteiligten darauf hinauslaufen sollten, die Klägerin nicht nur neu zu bescheiden, sondern auch für den Zeitraum ab dem Quartal III/2003 höher zu vergüten: Auf der Grundlage der damals bekannten Rechtsprechung des BSG wäre die Klage nur hinsichtlich der Quartale III/03 und III/04 zulässig, im Übrigen wäre sie unzulässig gewesen. Wenn der Senat vor diesem Hintergrund in seinem rechtlichen Hinweis ausschließlich auf die materielle Rechtslage Bezug nahm und den Beteiligten mit Erfolg vorschlug, eine Neubescheidung des IB ab dem Quartal III/03 vorzunehmen, so folgt daraus, dass der Senat und ihm folgend die Beteiligten ausschließlich auf die materielle Rechtslage und nicht auf die Zulässigkeit abstellen wollten; auf diese sollte es folglich nicht ankommen, sie sollte unberücksichtigt bleiben. Hätte der Senat dagegen weiterhin im Ergebnis auf die Unzulässigkeit der Klage hinsichtlich der bestandskräftig beschiedenen Quartale abstellen wollen, hätte er dies entweder in seinen rechtlichen Hinweis aufgenommen oder den Vergleich auf die Quartale III/03 und III/04 beschränkt. Auch die Kostenentscheidung zu Lasten der Beklagten und der Hinweis des Senats in der Festsetzung des Streitwertes, dass die "Neuorientierung des IB" an den vom Gericht vorgeschlagenen Bemessungsquartalen "die Rechtsstellung der Klägerin messbar verbessern werde", spricht für eine Verpflichtung der Beklagten zur Nachvergütung für alle Quartale.

b) Die Verpflichtung der Beklagten zur Nachvergütung ergibt sich aber weiterhin aus der Rechtsprechung des BSG zum Vertrauensschutz: In seinem Urteil vom 15. August 2012 (B 6 KA 38/11 R -, SozR 4-2500 § 87b Nr. 1) hat das BSG klargestellt, dass erst seit der Bekanntgabe dieser Entscheidung - unter Modifikation seiner in früheren Entscheidungen getroffenen Aussagen - für die gerichtliche Klärung von gesonderten Feststellungen (Bemessungsgrundlagen, Budgets, RLV), Teilelementen und Vorfragen zur Bestimmung des Quartalshonorars nur dann und solange Raum ist, als die jeweiligen Quartalshonorarbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Dies gelte auch dann, wenn entsprechende Feststellungen durch gesonderten Verwaltungsakt erfolgt seien. Für den Zeitraum davor hätten die Kassenärztlichen Vereinigungen zu prüfen, ob Vertragsärzten, die im Vertrauen auf die (ältere) Rechtsprechung des Senats von einer gleichzeitigen Anfechtung der Honorarbescheide abgesehen haben, Vertrauensschutz zu gewähren sein könne. Hierfür bestehe ggf. Veranlassung, weil durch die nicht einheitliche Rechtsprechung des Senats Rechtsunsicherheit eingetreten sein könne und zudem die grundlegenden Ausführungen des Senats im Beschluss vom 17. August 2011 (B 6 KA 30/11 B) nicht veröffentlicht worden seien, sodass hiervon keine Kenntnis habe genommen werden können. Dies gelte jedenfalls für Honorarbescheide, bei denen vor Veröffentlichung der Entscheidung des Senats Bestandskraft eingetreten sei.

aa) Der vorliegende Fall fällt genau unter diese vom BSG aufgestellte Fallgruppe. Die Bestandskraft der Honorarbescheide ist vor dem oben genannten Urteil des BSG eingetreten. Die anwaltlich vertretene Klägerin hat auf die uneinheitliche Rechtsprechung des BSG hingewiesen und sich dadurch davon abhalten lassen, für alle betroffenen Quartale (rechtzeitig) Rechtsbehelfe gegen die Honorarbescheide einzulegen. Dass die Honorarfestsetzungsbescheide nur z.T. bestandskräftig geworden sind, weil für zwei Quartale rechtzeitige Rechtsbehelfe eingelegt worden sind, schadet einer Zubilligung von Vertrauensschutz nicht, weil sich darin gerade die Unsicherheit der anwaltlich vertretenen Klägerin manifestiert.

bb) Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist schon deshalb rechtwidrig, weil die Beklagte die vom BSG verlangte Prüfung nicht durchgeführt und darin keine Entscheidung über den Vertrauensschutz (in einer Ermessensentscheidung) getroffen hat. Im vorliegenden Fall spricht alles dafür, dass die Entscheidung nur auf eine Nachvergütung für alle streitigen Quartale unter Absehung von der Bestandskraft hinauslaufen konnte, weil aus den oben geschilderten Umständen ein typischer Fall für Vertrauensschutz (und damit eine Ermessensreduzierung auf Null) vorlag.

c) Die Rechtswidrigkeit der Ablehnung der Nachvergütung für den größeren Teil der streitigen Quartale und die Verpflichtung der Beklagten zur Nachvergütung wird schließlich nicht dadurch - teilweise - in Frage gestellt, dass die Zuweisung von Individualbudgets seit dem Quartal II/2005 nach § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V in der seit dem 1. April 2005 geltenden Fassung sowie den dazu ergangenen Beschlüssen des erweiterten Bewertungsausschusses ausgeschlossen sein sollten (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 6 KA 6/11 R -, SozR 4-2500 § 85 Nr. 68). Nach der Rechtsprechung des BSG und des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 14. November 2012, L 7 KA 54/10) führen die genannten Vorschriften allein zur Rechtswidrigkeit von Honorarverteilungsmaßstäben (HVM), nicht jedoch zur Unwirksamkeit von auf ihrer Grundlage erlassenen Einzelakten, wie Verwaltungsakten oder (öffentlich-rechtlichen) Verträgen. Der Anspruch der Klägerin auf ein (höheres) IB ergibt sich hier - wie dargelegt - aus dem Vergleich vom 24. November 2010, den die Beklagte durch den angefochtenen Bescheid vom 9. Februar 2011 konkretisiert und insoweit erfüllt hat. Vergleichsvertrag und Neufestsetzungsbescheid werden durch die (später festgestellte) Unwirksamkeit des HVM der Beklagten ggf. (z.T.) rechtwidrig, aber nicht unwirksam. Denn die Wirksamkeit eines Bescheides wird durch das Entfallen seiner Rechtsgrundlage nicht berührt. Bleibt die Wirksamkeit des Vergleichsvertrages und der Neufestsetzung des IB von der Unwirksamkeit des HVM unberührt, gilt das auch für einen sich aus Vertrag und Verwaltungsakt i.V.m. den Grundsätzen des Vertrauensschutzes ergebenden Anspruch auf eine höhere Vergütung durch den Erlass neuer Honorarbescheide.

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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