L 20 AS 2625/17 KL

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 20 AS 2625/17 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 90/20 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 112.536,13 Euro nebst Zinsen ab dem 23. Dezember 2017 i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird endgültig auf 112.536,13 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist ein Erstattungsanspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten i.H.v. 112.536,13 Euro wegen der beanstandeten Spitz-Abrechnung der Bezüge des Leiters der besonderen Einrichtung des Beklagten im Haushaltsjahr 2014. Nach Auffassung der Klägerin hätten diese Kosten nur als Personalgemeinkosten Berücksichtigung finden dürfen, weil die besondere Einrichtung nicht ausschließlich Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wahrgenommen habe.

Der Beklagte ist ein nach § 6a Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zugelassener kommunaler Träger (zkT) und ist aufgrund der Verwaltungsvereinbarung vom 26.11.2013/29.11.2013 "über die vom Bund zu tragenden Aufwendungen des zugelassenen Trägers der Grundsicherung für Arbeitssuchende" (im Folgenden: VV) zur Teilnahme am automatisierten Verfahren für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Bundes (HKR-Verfahren) berechtigt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VV) und ermächtigt, Bundesmittel auf der Grundlage von § 6b Abs. 2 Satz 1 SGB II und unter Beachtung der VV sowie der Verfahrensrichtlinien des Bundesministeriums für Finanzen für Mittelverteiler/ Titelverwalter zu bewirtschaften sowie beim Bund abzurufen (§ 2 Abs.1 Satz 2 VV).

Die Ermittlung der von der Klägerin zu erstattenden Verwaltungskosten für das Jahr 2014 richtet sich nach der von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundestages beschlossenen "Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Abrechnung der Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch die zugelassenen kommunalen Träger und für die Bewirtschaftung von Bundesmitteln im automatisierten Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Bundes" (Kommunalträger-Abrechnungsverwaltungsvorschrift – KoA-VV) vom 25. April 2008 in der Fassung vom 16. Dezember 2013 (BAnz AT 23. Dezember 2013 B 1).

Am 29. April 2015 legte der Beklagte der Klägerin die Schlussrechnung für die bei der Klägerin abgerufenen Mittel für das Haushaltsjahr 2014 vor. Der Beklagte bestätigte hierin, dass Bildungs- und Teilhabeleistungen "für Leistungs- UND Nicht-Leistungsbezieher nach dem SGB II in der besonderen Einrichtung" erbracht worden seien.

Der Schlussrechnung waren unter anderem die Anlagen 1 und 2 beigefügt. Anlage 1 stellt die Vollzeitäquivalente (VZÄ) im Sinne von § 9 KoA-VV dar. Dort sind verzeichnet für "Leitung besondere Einrichtung" 0,0000 VZÄ, in Fußnote 1 heißt es hierzu "Spitzabrechnung nur, sofern Leitung der besonderen Einrichtung zu 100 % mit Aufgabe nach dem SGB II betraut ist". In der Anlage 2 war vermerkt, dass Personalgemeinkosten nach §§ 13, 22 KoA-VV i.H.v. 30 % abgerechnet worden waren (insgesamt 2.059.203,56 EUR).

Aufgrund von Beanstandungen der Klägerin in Bezug auf andere Kostenpositionen legte der Beklagte eine überarbeitete Schlussabrechnung vom 19. November 2015 vor, die hinsichtlich der geschilderten Angaben jedoch unverändert war.

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2015, korrigiert durch Schreiben vom 15. März 2016, teilte die Klägerin dem Beklagten den Abschluss der Prüfung der Schlussrechnung 2014 mit. Beide Schreiben enthalten unter Ziffer IV. den Abschlusshinweis, dass die Prüfung ausschließlich auf der Grundlage der vorgelegten, revisionsfähigen Unterlagen abgeschlossen werden konnte. Weiter heißt es "Soweit sich nachträglich oder zukünftig (z. B. Infolge einer Vor-Ort-Prüfung des BMAS oder einer erneuten Prüfung der vorgelegten Unterlagen) Erkenntnisse ergeben, wonach in dem Haushaltsjahr 2014 vom zugelassenen kommunalen Träger zulasten des Bundes getätigte Ausgaben nicht vom Bund gemäß § 6b Abs. 2 S. 1 SGB II zu tragen sind, behält sich der Bund die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen vor".

In der Zeit vom 29. Mai bis zum 1. Juni 2017 führte die Klägerin beim Beklagten eine Vor-Ort-Prüfung in Bezug auf das Haushaltsjahr 2015 durch und nahm diesbezügliche Feststellungen zum Anlass, vom Beklagten eine Aufschlüsselung der Vollzeitäquivalente für das Haushaltsjahr 2014 zu fordern. Aus den eingereichten Unterlagen ging hervor, dass der Leiter der besonderen Einrichtung, Herr G mit einer VZÄ von 1,0 in den Personalkosten nach § 10 KoA-VV berücksichtigt worden war.

Die Klägerin forderte daraufhin mit Schreiben vom 30. November 2017 vom Beklagten die Erstattung von 112.536,13 Euro. Eine Abrechnung der Aufgaben des Leiters der besonderen Einrechnung habe nur über die Personalgemeinkosten erfolgen dürfen und hätte nicht spitz abgerechnet werden dürfen. Zurückgefordert würden daher nicht nur die spitz abgerechnet Personalkosten, sondern auch die anteiligen Personalneben- und Gemeinkosten sowie die Sachkosten i.H.v. 132.707,70 Euro, abzüglich des kommunalen Finanzierungsanteils (KFA) von 20.171,57 Euro.

Der Beklagte erstattete den von der Klägerin geforderten Betrag nicht.

Am 22. Dezember 2017 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

Nach in der Folgezeit ergebnislos verlaufenden Verhandlungen zwischen den Beteiligten begründete die Klägerin die Klage (am 30. Juli 2018) wie folgt. Die Kosten des Leiters der besonderen Einrichtung hätten nicht nach § 13 Abs. 2 S. 3 KoA-VV abgerechnet werden dürfen, weil dieser nicht ausschließlich Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wahrnehmen würde. In der besonderen Einrichtung des Beklagten würden Bildungs- und Teilhabeleistungen sowohl an Leistungs- als auch an Nicht-Leistungsbezieher nach dem SGB II erbracht, somit nehme der Leiter des Jobcenters des Beklagten sowohl Aufsichts- und Führungsfunktionen nach § 13 Abs. 2 S. 1 KoA-VV als auch Aufgaben wahr, die über die Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II hinausgingen. Damit werde die Leitungsfunktion von den Personalgemeinkosten des Beklagten erfasst.

Im Rahmen des § 6 b Abs. 5 S. 1 SGB II komme es nicht auf ein Verschulden an. Die von der Beklagten angesprochene Beschränkung des Erstattungsanspruchs nach den Grundsätzen der Haftungskernrechtsprechung des BSG finde keine Anwendung, da bereits mit § 6b Abs. 5 S. 1 SGB II ein bereichsspezifisches Ausführungsgesetz erlassen worden sei, dass eine verschuldensunabhängige Haftung vorsehe. Grund für die Einschränkung der Haftung für vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln nach der Haftungskernrechtsprechung sei der Umstand, dass eine unmittelbar auf Art. 104a Abs. 5 S. 1 GG gestützte Haftung für eine nicht ordnungsgemäße Verwaltung gegen Art. 104a Abs. 5 S. 2 GG verstoßen würde, solange das in Art. 104a Abs. 5 S. 2 SGG vorgesehene Ausführungsgesetz nicht ergangen sei. Diese Grundsätze gälten dann nicht mehr, wenn das entsprechende Ausführungsgesetz – wie hier – ergangen sei. Das Bundesverfassungsgericht habe erklärt, dass der Gesetzgeber in diesem Ausführungsgesetz eine verschuldensunabhängige Haftung begründen könne; eine Beschränkung auf evidente oder grobe Rechtsverstöße könne dem Gesetzgebungsauftrag des Art. 104a Abs. 5 S. 2 GG nicht entnommen werden.

Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs sei auch nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen. Die Klägerin habe auf der Basis der vom Beklagten mit der Abschlussrechnung vom 29 April 2015 vorgelegten Unterlagen nicht erkennen können, dass der Beklagte im Widerspruch zu seinen eigenen Angaben eine Spitzabrechnung für Herrn G. vorgenommen habe. Im Übrigen sei auch gegenüber dem Beklagten stets durch den Abschlusshinweis klargemacht worden, dass nachträgliche oder zukünftige Erkenntnisse zu weiteren Korrekturen führen könnten.

Der vom Beklagten in der Klageerwiderung bemühte Gedanke der unzulässigen, der Rechts- oder Fachaufsicht des Landes gleichkommenden Wirkung greife dann nicht, wenn es – wie hier – nur um bloße Abrechnungsfehler gehe, nicht hingegen um die inhaltliche Kontrolle des Verwaltungshandelns der Optionskommune.

Die Erstattung der Verwaltungskosten als solche stehe nicht infrage. Streitig sei allein, ob sie zutreffend als Personalkosten spitz über § 10 KoA-VV abgerechnet werden dürfen oder über den Gemeinkostenzuschlag nach § 22 S. 1 KoA–VV. Das betreffe nicht die Rechtmäßigkeit der Aufgabenwahrnehmung. Es gehe vorliegend auch nicht um Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende selbst, sondern um Verwaltungskosten. Für diese passe die auf die Zweckausgaben begrenzt Unterscheidung von Aufgaben– und Maßnahmebezug in der vom Beklagten zitierten Rechtsprechung des Bayerischen LSG nicht.

Es liege ein Verstoß gegen § 13 Abs. 2 S. 3 KoA-VV vor. Die Auffassung des Beklagten, dass der Leiter einer besonderen Einrichtung nach § 6a SGB II nicht ausschließlich Aufgaben der Grundsicherung nach dem SGB II wahrnehmen müsse und es genüge, wenn er dies weitestgehend tue, finde in der KoA-VV keine Stütze. Kosten der Leitung seien grundsätzlich als Personalgemeinkosten abzurechnen und dürften nur im Ausnahmefall, der hier nicht vorliege, spitz abgerechnet werden. Nach § 13 Abs. 2 S. 3 KoA-VV könnten Bezüge des Leiters der besonderen Einrichtung nach § 6a SGB II nur dann spitz abgerechnet werden, wenn ausschließlich Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wahrgenommen werden. Es verbleibe kein Spielraum für Abweichungen in sonstigen Fällen. Dies bestätige auch die Entstehungsgeschichte (BR –Drs. 180/08 Seite 108, 6. Abs.).

Die in der Klageerwiderung zitierten Ausführungen des LSG Bayern beträfen einen anderen Fall. Es sei auch nicht erkennbar, dass die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG) durch § 13 Abs. 2 S. 3 KoA-VV verletzt werde. Dies würde voraussetzen, dass die Abrechnung der Kosten der Leitung als Teil der Personalgemeinkosten statt Personalkosten für die Kommunen insgesamt mit einer wirtschaftlichen Belastung verbunden wäre, die es ihnen faktisch unmöglich machen würde, sich für eine Organisation der Jobcenter zu entscheiden, die nicht dem in § 13 Abs. 2 S. 3 KoA-VV vorausgesetzten Bild entspreche. Hierfür habe der Beklagte auch nichts vorgetragen.

Es liege auch keine Verwirkung vor. Weder das Zeitmoment sei erfüllt, die 4-jährige sozialrechtliche Verjährungsfrist wäre keinesfalls vor Ablauf des Jahres 2018 eingetreten. Auch das Umstandsmoment sei nicht gegeben. Sowohl das Abschlussschreiben vom 22. Dezember 2015 als auch dasjenige vom 15. März 2016 habe den "Abschlusshinweis" enthalten, dass die Prüfung der Schlussrechnung 2014 des Beklagten "ausschließlich auf der Grundlage der vorgelegten, revisionsfähigen Unterlagen abgeschlossen werden" könne. Die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen habe die Klägerin sich ausdrücklich vorbehalten. Zumindest hätte jedem eingeleuchtet, dass eine Abrechnung die sowohl gemäß § 22 KoA-VV den 5 % Zuschlag bei den Personalgemeinkosten enthalte als auch gemäß §§ 13 Abs. 2 S. 3, 19 KoA-VV eine Spitzabrechnung der Aufwendungen für den Leiter vornehme, unrichtig sein müsse. Beide Posten schlössen einander aus. Es sei auch nicht erkennbar oder vorgetragen worden, dass der Beklagte im Vertrauen darauf, dass es zu keiner Nachforderung für 2014 kommen werde, Vorkehrungen und Maßnahmen getroffen hätte. Ein solches Vertrauen wäre im Übrigen auch nicht schutzwürdig. Der Beklagte habe die Klägerin irregeleitet, weil er auf Nachfrage die Spitzabrechnung der Leitung der besonderen Einrichtung ausdrücklich verneint und damit übereinstimmend eine Personalkostenpauschale von 30 % statt 25 % abgerechnet habe.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 112.536,13 Euro nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs gemäß § 6b Abs. 5 S. 1 SGB II lägen nicht vor. Im Übrigen wäre ein solcher Anspruch nach den Grundsätzen der Verwirkung ausgeschlossen.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung und vor dem Hintergrund seiner Entstehungsgeschichte und unter Berücksichtigung der Haftungskernrechtsprechung sei der Erstattungsanspruch des § 6b Abs. 5 S. 1 SGB II beschränkt auf solche Fälle, in denen der zugelassene kommunale Träger missbräuchlich, zweckentfremdend oder vorsätzlich oder grob fahrlässig Mittel entgegen den Zielen, Zwecken und Prinzipien des SGB II zugeordnet habe. Alles was sich unterhalb dieser Schwelle bewege sei als Teil ordnungsgemäßer Verwaltung zu begreifen. Bei vertretbaren Entscheidungen sei eine Erstattung ausgeschlossen. Nur so werde eine faktische Aufsicht des Bundes über die Kommunen verhindert. Der Bund sei haftungsrechtlich an die Länder zu verweisen, soweit es um Beanstandungen deren Aufsicht über die Kommunen gehe. Der Bund dürfe keine eigene Rechtsaufsicht gegenüber den Kommunen führen und auch nicht entsprechende Strukturen etablieren. So dürfe er unvertretbare Rechtsauffassungen der Kommune nicht beanstanden und dürfe auf dieser Grundlage keine Erstattungsansprüche geltend machen. Bezogen auf die Kommune bestünde die alternative Möglichkeit für den Bund, über das zuständige Bundesland im Rahmen einer Drittschadensliquidation auf haftungsrechtlicher Ebene vorzugehen. In diesem Fall wären die Maßgaben des Art. 104a Abs. 5 GG zu erfüllen. Die Haftungskernrechtsprechung mit ihrer Beschränkung auf die Haftung allein für vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten würde dann im Verhältnis von Bund und Ländern unzweifelhaft zur Anwendung gelangen. Diese Maßgaben der Haftung der Länder gegenüber dem Bund seien auch zu Gunsten der Kommunen anzuwenden. Denn der Anspruch des Bundes gegen die Länder einerseits und der Anspruch des Bundes gegen eine Optionskommune über § 6 b Abs. 5 S. 1 SGB II bestünden nebeneinander. Für denselben Sachverhalt würden die Länder dann aber nur eingeschränkt mit der Begrenzung durch die Haftungskernrechtsprechung, die Kommunen dagegen nach Auffassung der Klägerin unbegrenzt haften. Ein solches Auseinanderfallen der Haftungsmaßstäbe sei durch die Einführung des § 6 b Abs. 5 S. 1 SGB II nicht gewollt und verfassungsrechtlich nicht begründet.

Der "Vertretbarkeitsmaßstab" gelte nicht nur für "aufsichtliche" Maßnahmen des Bundesministeriums, sondern sei auch im Rahmen der Finanzkontrolle über die Optionskommunen anzuwenden. Im Rahmen der Finanzkontrolle gingen die durch § 6b SGB II eingeräumten Befugnisse nicht weiter als diejenigen der Länder mit denen ihnen zugeordneten Befugnissen der Rechts- und Fachaufsicht. Würde man der Auffassung der Klägerin folgen, wäre § 6b Abs. 5 S. 1 SGB II wegen Verstoßes gegen Art. 28 Abs. 2 GG verfassungswidrig. Wäre die Vorschrift dahingehend auszulegen, dass von den Optionskommunen sämtliche Mittel an die Klägerin zu erstatten wären, die nur leicht fahrlässig oder sogar allein durch eine abweichende, aber vertretbare Rechtsauffassung abgerufen wurden, würden die Optionskommunen unangemessen benachteiligt. Den Kommunen würde eine fiktive Idealverwaltung abverlangt, die die Klägerin selbst nicht gewährleisten könne. Die Klägerin würde sich zulasten der Kommunen der Kosten ihrer eigenen potentiellen Verwaltungsfehler entledigen. Sie würde bessergestellt als sie stünde, wenn sie die Aufgaben selbst führen würde. Dies sei nicht Anliegen des Gesetzgebers bei Etablierung der Erstattungsvorschrift in § 6b Abs. 5 S. 1 SGB II gewesen. Im Gegenteil habe durch die Erstattungsvorschrift sichergestellt werden sollen, dass die Optionskommunen nicht benachteiligt würden, indem ihnen zusätzliche Kosten entstünden. Durch eine zwingend mit einer extensiven Auslegung des in § 6 b Abs. 5 S. 1 SGB II verbundenen ausufernden Kontrolle und Erstattungspraxis würde der Bund unzulässig in die kommunale Selbstverwaltung "hineinregieren". Sollte der Senat eine einschränkende Auslegung des § 6b Abs. 5 S. 1 SGB II nicht für möglich halten, so dürfte die Vorschrift verfassungswidrig sein und wäre gemäß Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.

Kommunen hafteten dem Bund nur für eine ordnungsgemäße Verwaltung. Eine ordnungsgemäße Verwaltung stoße aber erst dann an ihre Grenzen, wenn sie nicht mehr im Rahmen der Ziele, Zwecke und Prinzipien des SGB II verwendet würde. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Vorliegend fehle es bereits an einer rechtswidrigen Mittelverwendung durch den Beklagten.

Der Beklagte habe die Kosten des Leiters der besonderen Einrichtung zutreffend "spitz" abgerechnet, weil im Rahmen der besonderen Einrichtung des Beklagten zu mehr als 99 % Aufgaben der Grundsicherung nach dem SGB II erbracht würden. Der Begriff der Ausschließlichkeit im Sinne von § 13 Abs. 2 S. 3 KoA-VV sei so zu verstehen, dass eine ausschließliche Wahrnehmung schon dann anzunehmen sei, wenn in der Einrichtung andere Aufgaben nur zu einem völlig unerheblichen Teil wahrgenommen würden. In der Praxis sei es völlig unmöglich, jede einzelne Tätigkeit eindeutig dem einen oder dem anderen Aufgabenbereich materiell oder verwaltungstechnisch zuzuordnen. Jedenfalls wäre ein solcher Fall als Ausnahme zur Regel des § 13 Abs. 2 S. 3 KoA-VV anzusehen. Die andernfalls eintretende Konsequenz der massiv nachteiligen Kostenabrechnung zulasten der Kommunen sei nicht zu rechtfertigen, wenn in der besonderen Einrichtung nur in ganz und gar untergeordnetem Umfang andere Aufgaben wahrgenommen würden.

Aus der Formulierung des § 13 Abs. 2 S. 1 Abs. 1 KoA-VV, dass "regelmäßig" die Kosten des Leiters der besonderen Einrichtung als Personalgemeinkosten zu führen seien, sofern in der besonderen Einrichtung nicht ausschließlich Aufgaben der Grundsicherung wahrgenommen werden, folge dass die Vorschrift auch Ausnahmefälle zulasse. Ein solcher liege hier vor. Die Privilegierung des § 13 Abs. 2 S. 3 KoA-VV gelte für die Fälle, in denen der zugelassene kommunale Träger die Aufgaben der Grundsicherung nicht etwa im Rahmen sogenannter Sozialzentren erbringe, sondern eine besondere Einrichtung geschaffen habe. Diesen Vorgaben entspreche die organisatorische und personelle Struktur der Verwaltung der Aufgaben des SGB II in der besonderen Einrichtung des Beklagten.

Die Struktur der KoA-VV sei darauf angelegt, möglichst abgrenzbare Bereiche zu schaffen und so eine der unterscheidbaren Leistungserbringung angemessene Kostenverteilung zu finden. Mit der Möglichkeit, die Kosten eines Leiters einer besonderen Einrichtung als Personalkosten nach § 10 KoA-VV und zusätzlich einen lediglich um 5 Prozentpunkte abgeschmolzenen Pauschalbetrag in Höhe von 25 % geltend zu machen, gebe die Klägerin den zugelassenen kommunalen Trägern einen Anreiz, eine besondere Einrichtung zu schaffen, die von der übrigen Verwaltung abgegrenzt ist. Dabei seien die Vorschriften der KoA-VV vor dem Hintergrund der über Art. 28 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich geschützten Organisationshoheit der Kommunen auszulegen. Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Landessozialgerichts Bayern mit Urteil vom 20. Dezember 2017 (L 11 AS 391/14 KL) verbiete sich eine schematische Auslegung der KoA-VV, vielmehr sei zu berücksichtigen, dass den Interessen an einer vernünftigen Verwaltung und sachgerechten Kostenverteilung Raum zu geben sei.

Selbst wenn dieser Auffassung nicht gefolgt würde, habe der Beklagte insoweit eine jedenfalls vertretbare Rechtsauffassung eingenommen. Ob diese Auffassung des Beklagten tatsächlich zutreffend war, wäre allenfalls eine Frage der Rechtsaufsicht des zuständigen Landes. Der Bund habe nicht die Möglichkeit, vertretbare Auffassungen zu beanstanden und auf dieser Grundlage eine Erstattungsforderung geltend zu machen.

Auch hinsichtlich der versehentlichen Abrechnung einer Pauschale i.H.v. 30 %, anstelle der reduzierten Pauschale i.H.v. 25 % der Personalgemeinkosten bestehe kein Erstattungsanspruch. Die Mittelverwendung sei nicht rechtsgrundlos gewesen. Die Mittel seien vielmehr für die Finanzierung der gemeinsamen Einrichtung und des Leiters dieser Einrichtung aufgewendet worden. Damit habe die Verwendung der Mittel den Zielen, Zwecken und Prinzipien des SGB II entsprochen. Außerdem habe offensichtlich ein Versehen der Mitarbeiter vorgelegen, mangels Verschuldens in Form von Vorsatz oder grob fahrlässigem Verhalten bestünde keine Erstattungsforderung.

Im Übrigen wäre ein etwaiger Erstattungsanspruch nach den Grundsätzen der Verwirkung gemäß § 242 BGB ausgeschlossen. Die Klägerin habe eine Erstattung erst kurz vor Ende des Jahres 2017 geltend gemacht und die Abrechnungspraxis des Beklagten hinsichtlich der Personalkosten des Leiters der Einrichtung zuvor mehrfach mit Schreiben vom 22. Dezember 2015 und 15. März 2016 bestätigt. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23. Mai 2017 – B 1 KR 27/16 R) müsse in Konstellationen, in denen Beteiligte auf lange Sicht ständig miteinander arbeiten und Leistungen abrechnen, Vertrauen in die Richtigkeit und Verlässlichkeit des Vorgehens des jeweils anderen bestehen. Wenn in solchen Konstellationen eine Partei eine nicht offensichtlich unschlüssige Schlussrechnung vorlege und diese nicht beanstandet werde, könne nach Ablauf des betroffenen Haushaltsjahres und möglicherweise des Folgejahres keine Erstattung geltend gemacht werden. Denn die beteiligten Aufgabenträger benötigten Planungssicherheit für ihren Haushalt. Es sei unstatthaft und rücksichtslos, wenn Jahre später Sachverhalte wieder geöffnet würden und Erstattungsforderungen angemeldet würden, obgleich alle prüfbaren Fakten bekannt waren und längst abgeschlossene Haushaltsjahre betroffen seien. Im hiesigen Fall habe die Klägerin sogar ausdrücklich die Richtigkeit der Abrechnung gegenüber dem Beklagten bestätigt. Jedenfalls zum Ende des Jahres 2017, im Zeitpunkt der Klageerhebung, sei mit einer Rückforderung nicht mehr zu rechnen gewesen.

Ferner wäre ein Anspruch der Klägerin nach § 111 SGB X ausgeschlossen. Die §§ 107 ff. SGB X seien als allgemeine Vorschriften des Erstattungsrechts für sämtliche Erstattungsstreitigkeiten zwischen Leistungsträgern anzuwenden. Die Klägerin wäre gemäß § 111 SGB X spätestens nach Abruf der Mittel aus dem HKR-Verfahren und Vorlage des Abschlussberichts am 28. April 2015 bzw. 22. Dezember 2015 verpflichtet gewesen, Erstattungsansprüche geltend zu machen. Wenn die Abschlussrechnung vom 22. Dezember 2015 wegen der Spitzabrechnung des Einrichtungsleiters offensichtlich unschlüssig gewesen sei und, wie die Klägerin meine, jedem einleuchte, dass sie unrichtig sein müsse, frage man sich warum die Klägerin den Beklagten erst zwei Jahre später auf diese offenkundige Fehlerhaftigkeit aufmerksam gemacht habe, obgleich sie in der Zwischenzeit mehrere andere kleinere Fehler in der Abschlussrechnung bemängelt habe. Der Beklagte habe die Klägerin auch nicht "irregeleitet". Die Abrechnung der Kosten des Leiters der Einrichtung habe sich eindeutig aus der Abschlussrechnung ergeben und sei für die Klägerin ersichtlich dargestellt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Gerichtsakte und des von der Klägerin eingereichten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen, der vorlag und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin kann vom Beklagten die Zahlung von 112.536,13 Euro verlangen

Streitgegenstand ist vorliegend die Erstattung von Personalkosten für den Leiter der besonderen Einrichtung des Beklagten im Jahr 2014.

Das LSG ist erstinstanzlich nach § 29 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zuständig. Danach entscheiden die Landessozialgerichte über Klagen in Angelegenheiten der Erstattung von Aufwendungen nach § 6b SGB II.

Die örtliche Zuständigkeit des LSG Berlin-Brandenburg folgt aus § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage i.S. des § 54 Abs. 5 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Erstattungsanspruch gegen den Beklagten aus § 6b Abs. 5 SGB II. Nach dieser Vorschrift kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von dem zugelassenen kommunalen Träger die Erstattung von Mitteln verlangen, die er zulasten des Bundes ohne Rechtsgrund erlangt hat, wobei nach allgemeiner Auffassung die Rückforderung von Bundesmitteln bereits aus haushaltsrechtlichen Gründen regelmäßig angezeigt ist und nur in atypischen Fällen unterbleiben kann (Rixen/Weißenberger in Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 6 Buchst. b Rn. 17). Der zu erstattende Betrag ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr 3 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

Diese Voraussetzung sind erfüllt. Der Beklagte hat Mittel der Klägerin ohne Rechtsgrund erlangt, da die Abrechnung der Personalkosten im vorliegenden Fall rechtswidrig war, d.h. der objektiven Rechtslage widersprach (hierzu zu 1.), die Haftung des Beklagten ist insoweit nicht auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit beschränkt (hierzu zu 2.) und die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs ist nicht verwirkt oder sonst ausgeschlossen (hierzu zu 3.).

(1.) rechtswidrige Mittelverwendung

Der Beklagte hat die Kosten des Leiters der Einrichtung zu Unrecht "spitz" abgerechnet.

Die Ermittlung der von der Klägerin zu erstattenden Verwaltungskosten richtet sich nach der von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundestages beschlossenen Kommunalträger-Abrechnungsverwaltungsvorschrift (KoA-VV), die die zwischen den Beteiligten bestehende Finanzbeziehung konkretisiert und eine Verordnung nach § 48 Abs. 3 SGB II [bzw. nach Art 84 Abs. 2 GG] darstellt. Nach § 48 Abs. 3 SGB II kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften für die Abrechnung der Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erlassen. Damit soll Einheitlichkeit, Transparenz und Rechtssicherheit bei der Abrechnung von Aufwendungen und der Bewirtschaftung von Bundesmitteln im HKR-Verfahren geschaffen, der Verwaltungsaufwand reduziert, das Abrechnungsverfahren vereinfacht und Doppelabrechnungen durch weitgehende Pauschalierung von Verwaltungskosten vermieden, ein verbindliches Verfahren bei der Berechnung und Bewirtschaftung des kommunalen Finanzierungsanteils an den Verwaltungskosten erreicht und eine Gleichbehandlung der zugelassenen kommunalen Träger mit anderen Organisationsformen sichergestellt werden (vgl. dazu Begründung zur KoA-VV: BR-Drs. 180/08, Seite 2). Die Vorschriften der KoA-VV sind grundsätzlich geeignet, diese Ziele zu verwirklichen. Es wurde damit ein Ausgleich zwischen einer notwendigen weitgehenden Vereinheitlichung der Abrechnungsvorgänge und der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie i.S.v. Art. 28 Abs. 2 GG hergestellt (so auch BR-Drs. 180/08 Seite 92). Der Bundesrechnungshof sieht die Vorschriften der KoA-VV als geeignet an, die für Zeiträume vor deren Einführung von ihm festgestellten Mängel bei der Bemessung der vom Bund zu tragenden Verwaltungskosten zu beheben und die Einheitlichkeit der Abrechnung der Aufwendungen der zkT sicherzustellen (vgl. Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof vom 08.12.2008 - BT-Drs 16/11000 Seite 154). Der Senat sieht ebenfalls die KoA-VV als grundsätzlich geeignet an, die Finanzbeziehung zwischen Bund und zkT weiter in Bezug auf die Abrechnungsmaßstäbe insbesondere der Verwaltungskosten zu konkretisieren (vgl. auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 20. Dezember 2017 – L 11 AS 391/14 KL –, Rn. 66, juris).

Nach der KoA-VV ist hinsichtlich der Abrechnungen von Aufwendungen für Personal zu differenzieren nach den Personalkosten i.S.v. § 10 KoA-VV und den Personalgemeinkosten i.S.v. § 13 KoA-VV. Während die Personalkosten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 KoA-VV in tatsächlicher Höhe (spitz) abgerechnet werden können, werden Personalgemeinkosten nach § 22 Satz 1 KoA-VV mit einem Zuschlag i.H.v. bis zu 30% der abgerechneten Personalkosten und um die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung und Zusatzversorgung geminderten Personalkosten (pauschal) berücksichtigt. Werden die Kosten des Leiters der besonderen Einrichtung als Personalkosten nach § 19 KoA-VV abgerechnet, beträgt der Zuschlag höchstens 25% (§ 22 Satz 2 KoA-VV). Die Pauschalierung erfolgt vor dem Hintergrund, dass eine verursachungsgerechte Zuordnung der Personalgemeinkosten in aller Regel schwierig ist oder einen erheblichen Verwaltungsaufwand erfordern würde (Begründung in BR-Drs 180/08, Seite 108).

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 13 Personalgemeinkosten

(1) Personalgemeinkosten sind die in der Regel nicht als Einzelkosten erfassbaren Kosten der Leitung und Verwaltungsgemeinkosten. Verwaltungsgemeinkosten sind die Aufwendungen für den Inneren Dienst und die allgemeine Verwaltung.

(2) Kosten der Leitung sind insbesondere Aufwendungen für die Wahrnehmung von Aufsichts- und Führungsfunktionen sowie Presse und Öffentlichkeitsarbeit. Nicht enthalten sind Aufwendungen für die Wahrnehmung von politischen Funktionen. Abweichend von Satz 1 sind Aufwendungen für Bezüge der Leiterin oder des Leiters der besonderen Einrichtung nach § 6a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch Personalkosten nach § 10, wenn ausschließlich Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch wahrgenommen werden.

§ 22 Abrechnung von Personalgemeinkosten

Für Personalgemeinkosten nach § 13 ist ein Zuschlag in Höhe von bis zu 30 vom Hundert der nach § 19 abgerechneten und um Aufwendungen nach § 10 Absatz 3 geminderten Personalkosten zu berücksichtigen. Rechnet der zugelassene kommunale Träger die Aufwendungen für die Leiterin oder den Leiter der besonderen Einrichtung nach § 6a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch als Personalkosten nach § 19 in Verbindung mit § 13 Abs. 2 Satz 3 ab, ist für Personalgemeinkosten nach § 13 höchstens ein Zuschlag in Höhe von 25 vom Hundert zu berücksichtigen.

Die Rechtsauffassung des Beklagten, dass § 13 Abs. 2 S. 3 KoA-VV auch für die Fälle gilt, in denen in der besonderen Einrichtung zwar nicht ausschließlich, aber in weit überwiegenden Anteil Aufgaben der Grundsicherung für Arbeit suchende nach dem SGB II wahrgenommen werden, findet im Wortlaut der Vorschrift keine Stütze. Vielmehr ist der Wortlaut eindeutig. Mit der Argumentation des Beklagten die Kosten der Leitung würden lediglich "regelmäßig" als Bestandteil der Personalgemeinkosten erfasst bezieht sich der Beklagte auch nicht auf den Wortlaut der Vorschrift, sondern auf die Begründung zu § 13 zu Abs. 2 in der Bundesratsdrucksache 180/08 (Seite 98), in der es heißt: "Kosten der Leitung werden regelmäßig als Bestandteil der Personalgemeinkosten erfasst. Politische Funktionen sind nicht Bestandteil der Personalgemeinkosten und sind folglich auch nicht den gemäß § 6b SGB II vom Bund zu tragenden Aufwendungen zuzurechnen. Politische Funktionen nehmen Landräte, Oberbürgermeister und Beigeordnete wahr. Soweit Personen neben ihrer politischen Funktion auch allgemeine Leitungsaufgaben nach Abs. 2 wahrnehmen, z.B. eine Amtsleiter- oder Dezernententätigkeit im Bereich der Grundsicherung ausüben, findet eine entsprechende Erfassung der lediglich für diese Leitungsaufgaben anfallenden Kosten im Sinne von Abs. 2 statt. Abs. 2 S. 3 sieht vor, Leitungsaufgaben dann nicht den Personalgemeinkosten zuzurechnen, wenn in der Leitungsfunktion der besonderen Einrichtung ausschließlich Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende wahrgenommen werden. In diesen Fällen sind die für die Leitungsfunktion anfallenden Personalkosten nach § 10 auszuweisen und gemäß § 19 abzurechnen. Abs. 2 S. 3 bezieht sich lediglich auf die Position der Leiterin oder des Leiters der besonderen Einrichtung. Untergeordnete Leitungsfunktionen für Teilbereiche der besonderen Einrichtung wie z.B. Team-, Fachbereichs- oder Sachgebietsleitung werden regelmäßig bereits als Personalkosten § 10 erfasst."

Noch nicht einmal mit der Begründung zur Allgemeinen Verwaltungsvorschrift lassen sich die Auffassungen des Beklagten stützen, dass eine ausschließliche Wahrnehmung von Aufgaben nach dem SGB II schon dann anzunehmen sei, wenn in der Einrichtung andere Aufgaben zu einem nur unerheblichen Teil wahrgenommen werden, oder dass Kosten der Leitungsaufgaben nur in der Regel den Personalgemeinkosten zuzuordnen seien und eine anzuerkennende Ausnahme darin bestehe, dass sich die Leitungsfunktion auf einen Bereich bezieht, in dem weit überwiegend Aufgaben nach dem SGB II wahrgenommen werden.

Wenn es in der Begründung zu Absatz 2 heißt, Kosten der Leitung werden "regelmäßig" als Bestandteil der Personalgemeinkosten erfasst, erklärt sich dieser Satz gerade durch Absatz 2 S. 3 der Vorschrift, wonach Leitungsfunktionen ausnahmsweise dann nicht zu den Personalgemeinkosten zählen, wenn in der Einrichtung ausschließlich Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende wahrgenommen werden. Hieraus folgt keineswegs, dass neben der in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift festgeschriebenen Ausnahme, noch dazu entgegen dem dortigen Wortlaut, weitere Ausnahmen gebildet werden könnten.

Zutreffend verweist der Beklagte zwar darauf, dass mit § 13 Abs. 2 S. 3 KoA-VV insbesondere die Übernahme von Kosten für Leitungsfunktionen in aufgaben-übergreifenden Sozialzentren oder Amtsstellen in Heranziehungsgemeinden durch den Bund ausgeschlossen werden sollte (vgl. BR Drs. 180/08 S. 99). Jedoch bezieht sich der Ausschluss der Kostenübernahme durch den Bund auch auf die Wahrnehmung von gemeindlichen Aufgaben in anderen Strukturen. Insoweit ist der Wortlaut eindeutig, wenn es dort heißt, dass in der besonderen Einrichtung "ausschließlich" Aufgaben nach dem SGB II wahrgenommen werden. Eine Differenzierung der Kosten der Leitung nach dem Umfang der jeweils wahrgenommenen Aufgaben, soll gerade nicht stattfinden. Dies ist auch verfassungsrechtlich geboten.

Denn grundsätzlich gilt aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland ein Verbot der Mischverwaltung zwischen Bund und Ländern bzw. Kommunen und ist auch die bundesgesetzliche Aufgabenübertragung auf die Gemeinden und Gemeindeverbände verboten (Artikel 84 Absatz 1 Satz 7, Artikel 85 Absatz 1 Satz 2 GG). Mit Art. 91e GG wurde eine Ausnahme von diesem Verbot und vom Verbot der Mischverwaltung für das Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende eingeführt und eine verfassungsrechtliche Grundlage für die Fortsetzung der Aufgabenwahrnehmung der SGB-II-Leistungsträger in gemeinsamen Einrichtungen geschaffen.

Art. 91e Abs. 1 GG regelt, dass bei der Ausführung von Bundesgesetzen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende Bund und Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Gemeinden und Gemeindeverbände in der Regel in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirken. Hierbei handelt es sich um eine eng begrenzte Durchbrechung der grundsätzlich auf Trennung von Bund und Ländern angelegten Verteilung der Verwaltungszuständigkeiten nach den Art. 83 ff. GG (BVerfG, Urteil vom 07. Oktober 2014 – 2 BvR 1641/11 –, BVerfGE 137, 108-185 Rn 80 ff. m.w.N.; Graßhof in: Graßhof, Nachschlagewerk Rechtsprechung BVerfG, 208. AL 6/2019, Kein "verfassungswidriges Verfassungsrecht"). Eine Legitimation der Finanzierung von originär kommunalen Aufgaben durch den Bund, die nicht das Gebiet der Grundsicherung von Arbeit betreffen, folgt daraus gerade nicht. Insofern ist es sogar verfassungsrechtlich geboten, dass eine Spitzabrechnung der Kosten der Aufgabenwahrnehmung und damit auch der Leitungsaufgaben in den besonderen Einrichtungen nur dann möglich ist, wenn diese sich ausschließlich auf das Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende bezieht.

Da im vorliegenden Fall durch den Leiter der Einrichtung nicht "ausschließlich" Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende wahrgenommen wurden, erfolgte eine Abrechnung dieser Kosten zu Unrecht gemäß §§ 10, 19 KoA-VV und hat mithin eine rechtswidrige Mittelverwendung stattgefunden.

(2.) keine Haftungsbeschränkung

Die Haftung des Beklagten ist nicht auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Das BSG hatte zu der vor Einführung des Art. 91e Abs. 2 GG und § 6b Abs. 4 und 5 SGB II gegebenen Rechtslage argumentiert, dass es einer Haftungseinschränkung bedürfe, die mit den Grundsätzen der Haftungskernrechtsprechung sowohl des BSG als auch des BVerwG übereinstimme und die Art 104a Abs. 5 S 1 GG entlehnt sei, weil anderenfalls in der direkten Finanzbeziehung zwischen Bund und Kommune eine Kommune bzw. auch der Bund leichter haften würde als in der finanzverfassungsrechtlich prinzipiell allein vorgesehenen Haftungsbeziehung zwischen Bund und Ländern (BSG, Urteil vom 02. Juli 2013 – B 4 AS 74/12 R –, SozR 4-4200 § 6b Nr. 2, Rn. 44). In der Entscheidung heißt es weiter, dem Bundesland, in welchem sich die jeweilige Optionskommune befindet, stünde es nach der Finanzverfassung frei, den einer ihm angehörigen Kommune entstehenden vermögensrechtlichen Schaden im Wege der Drittschadensliquidation gegenüber dem Bund geltend zu machen (Pieroth in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art 104a Rn. 11). In diesem Fall richte sich die Haftungsbeziehung allein nach Art 104a Abs. 5 S 1 GG. Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch käme daneben nicht zur Anwendung (BSG Urteil vom 15.12.2009 - B 1 AS 1/08 KL - BSGE 105, 100 = SozR 4-1100 Art 104a Nr. 1, Rn. 59-60). Die Nichteinschaltung des jeweiligen Bundeslandes, in welchem sich die an einem Haftungsverhältnis beteiligte Kommune befindet, in das Streitverhältnis könne nicht eine erleichterte verschuldensunabhängige Haftung einer Kommune bzw. umgekehrt des Bundes zur Folge haben. Insoweit sei eine erstattungs- wie auch haftungsrechtliche Gleichstellung geboten.

Es ist bereits fraglich, ob diese Grundsätze auch auf die Zeit nach Inkrafttreten des § 6b Abs. 5 SGB II, der eine besondere Kodifizierung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs für das Haftungsverhältnis zwischen dem Bund und den Optionskommunen darstellt (BT-Drucks 17/1555 S. 19; vgl. BSG, Urteil vom 02. Juli 2013 – B 4 AS 74/12 R, juris Rn. 30 m.w.N.), Anwendung finden können. Insofern hat bereits das BVerfG in der Entscheidung vom 07. Oktober 2014 – 2 BvR 1641/11 (BVerfGE 137, 108-185) wörtlich ausgeführt: "Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat mit Art. 91e GG für das Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine umfassende Sonderregelung geschaffen. In seinem Anwendungsbereich verdrängt Art. 91e GG sowohl die Art. 83 ff. GG als auch Art. 104aa GG". Es spricht daher einiges dafür, dass mit Erlass des § 6b Abs. 5 S. 1 SGB II als bereichsspezifisches Ausführungsgesetz, das eine verschuldensunabhängige Haftung vorsieht eine Beschränkung des Erstattungsanspruchs nach den Grundsätzen der zu Art. 104a Abs. 5 GG entwickelten Haftungskernrechtsprechung keine Anwendung mehr findet.

In der Kommentarliteratur wird daher überwiegend vertreten, dass sich für die Zeit ab Inkrafttreten des § 6b Abs. 5 SGB II (1. Januar 2011) eine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz nicht mehr vertreten lasse. § 6b Abs. 5 SGB II gewährleiste - im Gegensatz zum allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch - einen Erstattungsanspruch unabhängig vom Vorliegen von grober Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz beim kommunalen Träger. Der Erstattungsanspruch gewährleiste auch in Fällen der vereinfachten Finanzkontrolle nach § 6b Abs. 4 Satz 2 SGB II eine durchgreifende Rückabwicklung rechtsgrundlos erfolgter Mittelverschiebungen zugunsten der Wiederherstellung der Rechtmäßigkeit der Haushalte (vgl. BT-Drs. 17/1555 S. 19; Stachnow-Meyerhoff/Radüge/Herbst in: Schlegel/ Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl., § 6b (Stand: 28.11.2019), Rn. 32; Marx in Estelmann, SGB II, 53. Ergänzungslieferung, August 2016 § 6b Rn. 19; Luik in Gagel, SGB II/III, Stand Dezember 2015, § 6b Rn. 43; Buchheim in GK-SGB II, 24. EL, Dezember 2011, § 6b Rn 84, 86, 92; nicht ausdrücklich, aber wohl ebenso: Münder, Sozialgesetzbuch II, SGB II § 6b Rn. 11, beck-online; Adolph in: Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, 62. UPD November 2019, 6. Zu § 6b Absatz 5, Rn. 41; Luthe in: Hauck/Noftz, SGB, 04/14, § 6b SGB II, Rn. 13; lediglich Schumacher in Oestreicher/Decker, SGB II/SGB XII, Stand EL 82, Oktober 2017 § 6b SGB II, Rn 35ff. zieht die Grundsätze der Haftungskernrechtsprechung auch für die Rechtslage ab dem 1. Januar 2011 weiterhin heran).

Die Rechtsauffassung der herrschenden Literaturmeinung wird neben dem Wortlaut auch gestützt durch die Gesetzeshistorie des § 6b Abs. 5 SGB II. Im Gesetzgebungsverfahren hatte der im Bundesrat federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik eine Verschuldenshaftung empfohlen, die nur in den Fällen des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit zu einem Schadensersatzanspruch des Bundes führen sollte. Ziel des Vorschlages war es, anstelle des Erstattungsanspruchs eine Haftungsvorschrift zu installieren, die sich an der Systematik des Art. 104a Abs. 5 GG orientiert und die die Wiederherstellung der Ordnungsmäßigkeit der Haushalte am Maßstab mögliche Regressforderungen gegen die den Schaden verursachenden kommunalen Mitarbeiter ausgerichtet (BR-Drucks. 226/1/10, Seite 5f.). Dieser Empfehlung ist der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf jedoch nicht gefolgt (BR-Dr. 226/10 S. 29). Der Erstattungsanspruch wirke sich wie vom Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und dem Rechtsstaatsprinzip gefordert in der Finanzbeziehung zwischen Bund und zugelassenen kommunalen Träger zu Gunsten der Wiederherstellung der rechtmäßigen Ordnung der Haushalte aus. Somit werde im Zusammenwirken mit dem Prüfrecht des Bundes nach Abs. 4 eine effektive Finanzkontrolle ermöglicht, die die Finanzinteressen des Bundes absichere (BR-Drs. a.a.O. "Zu Absatz 5").

Dieser Streit bedarf jedoch für den vorliegenden Rechtsstreit keiner Entscheidung, denn in diesem wird der Erstattungsanspruch nicht mit einer rechtswidrigen Mittelverwendung im Rahmen der Aufgabenerfüllung nach dem SGB II gegenüber den Leistungsempfängern begründet, sondern mit einer nicht den für die Abrechnung und Bewirtschaftung von Bundesmitteln erlassenen Vorschriften entsprechenden Abrechnung von Verwaltungskosten. In einer derartigen Konstellation ist für die Anwendung der Haftungskernrechtsprechung bereits kein Raum.

Die Haftungskernrechtsprechung will Länder und Kommunen vor einer Garantiehaftung schützen, soweit sie Aufgaben des Bundes wahrnehmen. In der vorliegenden Fallkonstellation geht es aber nicht um eine Haftung der Kommune gegenüber dem Bund für eine ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung, sondern um die Finanzierung von Verwaltungskosten und letztlich um eine Wiederherstellung der Ordnungsgemäßheit der Haushalte (vgl. BT-Drs. 17/1555, S. 19 "zu Absatz 5"; Buchheimer, a.a.O. Rn 84). Im Übrigen setzt der Begriff "Haftung" den Einsatz des Vermögens des Haftenden voraus, um dadurch den Schaden eines anderen auszugleichen (vgl. Schumacher, a.a.O. Rn 37b). Die Herausgabe eines aus einer unzutreffenden Rechtsanwendung erwachsenen Vermögensvorteils – wie hier aufgrund einer unzutreffenden Zuordnung von Personalkosten – ist demgegenüber schon begrifflich keine "Haftung".

Auch das vom Beklagten vorgebrachte Argument, die Haftungskernrechtsprechung gelte auch bei einem Streit um die Finanzierung von Verwaltungskosten, weil andernfalls ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung vorliege, überzeugt nicht. Selbst wenn es sein mag, dass die Klägerin bei einer Erstattungsmöglichkeit von auch nur leicht fahrlässig falsch abgerechneten Verwaltungsmitteln bessergestellt würde, weil sie, wie der Beklagte vorbringt, quasi eine ideale Verwaltung auf Seiten der zkT voraussetzt, liegt in der Regelung des § 6b Abs. 5 SGB II - in der uneingeschränkten Auslegung als verschuldensunabhängiger Erstattungsnorm - noch kein Eingriff in die durch Art. 28 GG geschützte kommunale Selbstverwaltung.

Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet Gemeinden und Gemeindeverbänden das Recht, die ihnen zugewiesenen Aufgaben eigenverantwortlich zu erledigen (vgl. BVerfGE 21, 117, 129; 23, 353, 365; 83, 363, 383; 119, 331, 361). Zu der von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG den Gemeinden garantierten Eigenverantwortlichkeit gehört auch die Organisationshoheit (vgl. BVerfGE 38, 258 (278 ff.); 52, 95 (117); 78, 331 (341); 83, 363 (382); 91, 228 (236)). Sie gewährleistet den Gemeinden das grundsätzliche Recht, die Wahrnehmung der eigenen Aufgaben, Abläufe und Entscheidungszuständigkeiten im Einzelnen festzulegen und damit auch über Gewichtung, Qualität und Inhalt der Entscheidungen zu befinden. Die Organisationshoheit von Gemeinden und Gemeindeverbänden verbietet Regelungen, die eine eigenständige organisatorische Gestaltungsfähigkeit der Kommunen ersticken würden. Die Selbstverwaltungsgarantie setzt dem Gesetzgeber insoweit Grenzen, als ihr Kernbereich nicht ausgehöhlt werden darf (stRspr. vgl. BVerfGE 1, 167, 174 f.; 79, 127, 146;).

Den Gemeinden muss ein hinreichender organisatorischer Spielraum bei der Wahrnehmung der jeweiligen Aufgabenbereiche offengehalten werden; in keinem Fall darf ausgeschlossen werden, dass die Gemeinden im Bereich ihrer inneren Organisation individuell auf die besonderen Anforderungen vor Ort durch eigene organisatorische Maßnahmen reagieren können ((BVerfG, Urteil vom 07. Oktober 2014 – 2 BvR 1641/11 –, BVerfGE 137, 108-185, Rn. 116 – 119 m.w.N.).

Eine Verletzung des Kernbereichs der gemeindlichen Selbstverwaltung ist im vorliegenden Fall aber nicht erkennbar. Diese könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn die Abrechnung der Kosten der Leitung als Teil der Personalgemeinkosten statt als Personalkosten für den Beklagten mit einer derartigen wirtschaftlichen Belastung verbunden wäre, die es ihm faktisch unmöglich machen würde, sich für eine bestimmte Organisationsform - abweichend von der eines Jobcenters nach dem in § 13 Abs. 2 S. 3 KoA-VV vorausgesetzten Bild - zu entscheiden. Hierfür ist weder etwas vorgetragen noch ist es sonst ersichtlich.

Auch insoweit liegt daher ein Verstoß gegen das Grundgesetz nicht vor und kommt eine Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 GG nicht in Betracht.

Im Übrigen hält der Senat bezogen auf den vorliegenden Fall die Rechtsauffassung des Beklagten zur Abrechnung der auf den Leiter der Einrichtung entfallenden Kosten auch nicht für vertretbar, d.h. zumindest für "grob fahrlässig" (vgl. die Ausführungen unter 1.), so dass sich auch bei Anwendung der Haftungskernrechtsprechung im vorliegenden Fall eine uneingeschränkte Erstattungspflicht der Verwaltungskosten ergeben würde und die Frage der grundsätzlichen Anwendung der Haftungskernrechtsprechung auf die Erstattungspflicht von Verwaltungskosten im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben könnte.

(3.) Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs ist auch nicht wegen verspäteter Geltendmachung (hierzu a) oder nach Treu und Glauben (hierzu b) ausgeschlossen.

(a) Der Klägerin ist die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nicht gemäß § 111 SGB X verwehrt, wonach der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen ist, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht.

Die §§ 107 ff. SGB XII sind auf den streitgegenständlichen Erstattungsanspruch bereits nicht anwendbar. § 6b Abs. 5 SGB II geht ihnen als lex specialis vor (zum Verhältnis Bundessozialhilfegesetz als lex specialis zu §§ 93, 91 Abs. 1 SGB X vgl. BVerwG, Beschluss vom 06. August 1992 – 5 B 135/91 –, Rn. 2, juris). Gegen eine Nichtanwendbarkeit spricht schon, dass nach § 109 SGB X eine Erstattung von Verwaltungskosten ausgeschlossen ist, die aber nach § 6b Abs. 5 SGB II möglich und vorliegend gerade Streitgegenstand ist.

Ferner lägen die Voraussetzungen des § 111 SGB X, selbst wenn die Vorschrift in der vorliegenden Konstellation anwendbar sein sollte, nicht vor. Denn die Jahresfrist des § 111 Satz 1 SGB X, deren Lauf nach Satz 2 der Vorschrift frühestens mit dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat, wäre gewahrt. Der Zeitpunkt, ab dem bei der Klägerin Kenntnis der fehlerhaften Abrechnung vorlag oder hätte vorlegen müssen, lag erst im Jahr 2017. Die Kenntnis der Klägerin erfolgte erst aufgrund der von ihr in der Zeit vom 29. Mai bis zum 1. Juni 2017 beim Beklagten durchgeführten Vor-Ort-Prüfung. b) Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs ist auch nicht verwirkt.

Das grundsätzlich auch im Sozialrecht als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anerkannte Rechtsinstitut der Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (stRspr. vgl. BSGE 109, 22, BSGE 112, 141-156, juris Rn. 36; BSG, Urteil vom 11. September 2019 – B 6 KA 13/18 R –, juris Rn. 26).

Das Rechtsinstitut der Verwirkung findet als ergänzende Regelung innerhalb der - hier im Zeitpunkt der Klageerhebung (27. Dezember 2017) noch nicht abgelaufenen - vierjährigen Verjährungsfrist allerdings nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 1 KR 24/11 R –, BSGE 112, 141-156 juris Rn. 37 m.w.N.). Diese liegen hier nicht vor.

Soweit der Beklagte insoweit seine Auffassung auf die Rechtsprechung des BSG im Bereich der Krankenhausfinanzierung stützt, kann ihm nicht gefolgt werden.

Der erste Senat des BSG wertet als ein Verwirkungsverhalten regelmäßig die vorbehaltlose Erteilung einer nicht offensichtlich unschlüssigen Schlussrechnung eines Krankenhauses. Eine Vertrauensgrundlage entstehe in der Regel im Anschluss hieran, wenn das Krankenhaus eine Nachforderung weder im gerade laufenden noch nachfolgenden vollen Haushaltsjahr der Krankenkasse (KK) geltend mache. Der Vertrauenstatbestand erwachse daraus, dass die KK regelhaft darauf vertraue, dass das Krankenhaus insoweit keine weiteren Nachforderungen erhebt. Hieran richte sie ihr Verhalten aus, indem sie davon Abstand nehme, die Abrechnung als zweifelhaft zu behandeln und - im Kontext sonstiger streitiger Forderungen - dafür haushaltsrechtlich relevante Vorkehrungen zu treffen (vgl. zum Ganzen: BSG Urteil vom 5.7.2016 - B 1 KR 40/15 R - Juris Rn 20 f m.w.N.).

Das BSG berücksichtigt bei dieser Konkretisierung der allgemeinen Grundsätze der Verwirkung, dass die Beteiligten aufgrund eines dauerhaften Vertragsrahmens ständig professionell zusammenarbeiten. Ihnen seien die gegenseitigen Interessenstrukturen geläufig. In diesem Rahmen sei von ihnen eine gegenseitige Rücksichtnahme zu erwarten. Weil die Krankenkassen (KK) auf tragfähige Berechnungsgrundlagen angewiesen seien, müssten sie sich grundsätzlich auf die "Schlussrechnung" eines Krankenhauses schon in ihrem laufenden Haushaltsjahr verlassen können, in dem die Rechnung gestellt werde. Dies versetze die KK in die Lage, die dem geltenden Haushaltsplan zugrundeliegenden Ausgaben- und Einnahmenerwartungen mit den tatsächlichen Ausgaben und Einnahmen verlässlich abzugleichen und etwaige auf das folgende Haushaltsjahr zu übertragende Über- oder Unterdeckungen zu erkennen. Die Krankenhäuser wiederum verfügten für die Erteilung einer ordnungsgemäßen, verlässlichen Abrechnung - anders als die KK- umfassend über alle Informationen, die die stationäre Behandlung der Versicherten beträfen. Die erforderlichen Informationen beträfen die rechtlichen Vorgaben für die Abrechnung und die tatsächlich erbrachten Leistungen, die abzurechnen sind. Deswegen dürften die KK grundsätzlich davon ausgehen, dass einmal gestellte, nicht beanstandete Schlussrechnungen nicht von den Krankenhäusern zu einem Zeitpunkt nachträglich korrigiert und Nachforderungen erhoben werden, der ihre Kalkulationsgrundlagen beeinträchtigt. Der vom erkennenden Senat regelmäßig zugrunde gelegte Zeitraum des gerade laufenden und noch des nachfolgenden vollen Haushaltsjahres der KK trage im Sinne einer praktischen Konkordanz den gegenläufigen schutzwürdigen Interessen der Beteiligten Rechnung (BSG, Urteil vom 23. Mai 2017 – B 1 KR 27/16 R –, SozR 4-2500 § 109 Nr. 62, Rn. 10 - 16).

Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Klägerin im vorliegenden Fall nicht mit ihrer Erstattungsforderung nach Treu und Glauben ausgeschlossen.

Es kann dahinstehen, ob jedenfalls hinsichtlich der auf Dauer angelegten Vertragsbeziehungen bei der Zusammenarbeit von Bund und Landkreis auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende im vorliegenden Fall überhaupt eine ähnliche Interessenlage wie bei der auf Dauer angelegten Vertragsbeziehung zwischen Krankenkassen und (privatwirtschaftlich betriebenen) Krankenhäusern besteht.

Denn im vorliegenden Fall konnte ein Vertrauenstatbestand bei dem Beklagten schon aufgrund des ausdrücklichen Vorbehalts von Erstattungsforderungen nicht entstehen. Sowohl das Abschlussschreiben vom 22. Dezember 2015 als auch dasjenige vom 15. März 2016 enthalten den "Abschlusshinweis", dass die Prüfung der Schlussrechnung 2014 des Beklagten "ausschließlich auf der Grundlage der vorgelegten, revisionsfähigen Unterlagen abgeschlossen werden" konnte. Die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen hatte sich die Klägerin ausdrücklich vorbehalten

Ferner kann auch nach der Rechtsprechung des Ersten Senats das Bundessozialgericht in Fällen, in denen die Schlussrechnung eines Krankenhauses offensichtlich unschlüssig ist, eine Rechnungskorrektur auch nach Ablauf eines ganzen folgenden Haushaltsjahres noch nicht verwirkt sein. Entsprechendes gilt hier. Zutreffend verweist der Beklagte darauf, dass eine Abrechnung offensichtlich unrichtig sein muss, die sowohl einen fünfprozentigen Zuschlag bei den Personalgemeinkosten gemäß § 22 KoA-VV enthält als auch eine Spitzabrechnung der Aufwendungen für den Leiter gemäß §§ 13 Abs. 2 S. 3, 19 KoA-VV vornimmt. Beide Posten schließen einander aus. Ein Vertrauen kann aber nicht auf den Bestand einer unschlüssigen Abrechnung gestützt werden. Der Senat folgt ebenfalls der Rechtsauffassung der Klägerin dahin, dass ein etwaiges Vertrauen des Beklagten auch nicht schutzwürdig wäre. Denn der Beklagte hat in seiner der Schlussrechnung für das Jahr 2014 beigefügten Anlage 1 für den Leiter der besonderen Einrichtung 0,0000 VZÄ angegeben und im Zusammenhang mit der Fußnote 1, wonach eine Spitzabrechnung der Folge, sofern die Leitung der besonderen Einrichtung zu 100 % mit Aufgaben nach dem SGB II betraut sei, unter Abrechnung der Personalgemeinkosten i.H.v. 30 % somit den Eindruck erweckt, dass die dennoch durchgeführte Spitzabrechnung gerade nicht erfolgt sei. Die Klägerin kann somit vom Beklagten die Erstattung der fehlerhaft abgerechneten Personalkosten des Leiters der besonderen Einrichtung für das Haushaltsjahr 2014 beanspruchen.

Hinsichtlich der Berechnung der Klägerin und des insoweit ermittelten Betrages von 112.536,13 Euro sind Einwände vom Beklagten nicht vorgetragen worden und für den Senat Fehler auch nicht ersichtlich.

Der Klägerin steht ab Rechtshängigkeit der Hauptforderung (§ 94 SGG) auch ein Anspruch auf Prozesszinsen in entsprechender Anwendung des § 291 BGB zu (vgl. BSG, Urteil vom 12. November 2015 – B 14 AS 50/14 R –, juris Rn. 33). Nach § 291 BGB hat der Schuldner eine Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Zinspflicht beginnt dabei wegen § 187 Abs. 1 BGB mit dem Folgetag der Rechtshängigkeit, hier am 23. Dezember 2017 (Grüneberg in Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 291 Rn 6). Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 und des § 289 Satz 1 BGB finden entsprechende Anwendung (BSG a.a.O.). Der Zinssatz beträgt danach für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Basiszinssatz (§ 247 BGB) ist seit dem 1.1.2016 und auch aktuell allerdings auf minus 0,88% gesunken, sodass der Zinssatz im Ergebnis unterhalb des Wertes von 5 % liegt (vgl. Seichter in jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 288 BGB Rn 11). Dass der Zinssatz mit einer bestimmten Anzahl von Prozentpunkten "über" dem Basiszinssatz definiert ist, bedeutet nicht, dass Anspruch auf eine Mindestverzinsung in Höhe der Festzahl besteht (BSG, Urteil vom 25. Oktober 2018 – B 7 AY 2/18 R –, juris Rn. 22 - 23).

Der Zinssatz ist nicht etwa auf die Höhe des Verzugszinssatzes nach § 6b Abs. 5 Satz 3 SGB II, der für das Jahr 3 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz beträgt, zu begrenzen. Die Verzinsungspflicht nach § 291 BGB bildet zwar einen Unterfall der Verzinsung wegen Verzugs (§ 288 BGB), selbständiger Rechtsgrund von Prozesszinsen ist aber allein die Rechtshängigkeit einer Forderung (vgl. BGH, Urteil vom 14.1.1987 - IVb ZR 3/86 - juris Rn 3 m.w.N.). Der Sache nach ist der Anspruch auf Prozesszinsen mithin eine rein prozessuale, aus dem Prozessrechtsverhältnis erwachsende Nebenforderung (BAG Urteil vom 25.4.2007 - 10 AZR 586/06 - juris Rn 11 m.w.N.), also ein vom Verschulden unabhängiger, reiner Risikozuschlag, den der Schuldner zu zahlen hat, wenn er sich auf einen Prozess einlässt und unterliegt (BSG, Urteil vom 25. Oktober 2018 – B 7 AY 2/18 R –, juris Rn. 23).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Der Streitwert war gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz – GKG, da die Klage eine bezifferte Geldleistung betrifft, in Höhe der Geldleistung festzusetzen.
Rechtskraft
Aus
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