L 9 BA 74/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 198 KR 1339/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 BA 74/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 104/20 B
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
NZB durch den Kläger eingelegt
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Mai 2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung in seiner für die Beigeladene zu 1) ausgeübten Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer in der Zeit vom 1. Februar 2012 bis zum 3. Oktober 2016.

Der Kläger gründete mit Herrn AS am 26. November 2010 die Beigeladene zu 1), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Diese wurde am 1. Dezember 2010 in das Handelsregister eingetragen. Beide Gesellschafter hielten jeweils die Hälfte der Gesellschaftsanteile und beide wurden jeweils zum Geschäftsführer bestellt. Im Februar 2011 veräußerte die Gesellschaft ein Drittel der Geschäftsanteile und bestellte einen dritten Geschäftsführer. Der Kläger und Herr S hatten seitdem jeweils ein Drittel der Gesellschaftsanteile.

Gemäß dem Gesellschaftsvertrag ist die Gesellschafterversammlung beschlussfähig, wenn drei Viertel des stimmberechtigten Stammkapitals vertreten sind. Fehlt es hieran, so ist innerhalb einer Woche mit einer Einladungsfrist von einer Woche eine neue Versammlung mit gleicher Tagesordnung einzuberufen, welche immer beschlussfähig ist (§ 6 Abs. 5). Soweit zwingende gesetzliche Vorschriften oder der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsehen, werden Beschlüsse der Gesellschaft mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst (§ 5 Abs. 2). Im Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft sind Maßnahmen, die die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Unternehmens grundlegend betreffen oder verändern, von einer Zustimmung der Gesellschafterversammlung mit einer Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen erforderlich. Die Zustimmungspflicht gilt daneben für weitere näher bezeichnete Geschäfte, wie z.B. die Aufnahme und Kündigung von Darlehen, den Abschluss von Mietverträgen, die Übernahme von Bürgschaften, die Veräußerung oder den Erwerb von Grundstücken oder die Beschaffung von Gegenständen mit einem Wert von mehr als 50.000 EUR. Die Gesellschafterversammlung kann für bestimmte Geschäfte ihre Zustimmung allgemein erteilen, sie kann zudem weitere Geschäfte bestimmen, die ihrer Zustimmung bedürfen (§ 4 Abs. 4).

Mit einem schriftlichen "Gesellschafterbeschluss" vom 27. Januar 2012 änderte die Gesellschaft ihre Satzung u.a. dahingehend, dass sämtliche Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich einer Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen bedurften. Der Beschluss wurde weder notariell beurkundet noch in das Handelsregister eingetragen.

Der Kläger schloss mit Wirkung zum 1. Februar 2012 mit der Beigeladenen zu 1) einen Geschäftsführer-Dienstvertrag. Nach diesem Vertrag hat der Geschäftsführer die Geschäfte der Gesellschaft nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften, der Bestimmungen der Satzung der Gesellschaft, ihrer Geschäftsordnung und des Kooperationsvertrages zwischen den Gesellschaftern zu führen. Er ist für die umfassende Unternehmensleitung verantwortlich. Die Gesellschaft ist berechtigt, zusätzliche Geschäftsführer zu bestellen und die Aufgabenverteilung zwischen den Geschäftsführern neu zu verteilen und zu ändern. Der Geschäftsführer muss stets die gesetzliche Beschränkung sowie die Beschränkung aufgrund der Satzung und der Geschäftsordnung der Gesellschaft, des Kooperationsvertrages und aufgrund schriftlicher Richtlinien der Gesellschaft beachten (§ 1 des Geschäftsführer-Dienstvertrages). Er erhält ein jährliches Bruttofestgehalt i.H.v. 54.000 EUR, zahlbar in zwölf gleich hohen monatlichen Zahlungen, jeweils zum Ende eines Kalendermonats unter Einbehaltung der gesetzlichen Abzüge, wenn und soweit dies die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens erlauben und hinreichend Liquidität der Gesellschaft besteht. Die Vergütung wird, sofern erforderlich, abgesenkt und/oder der Fälligkeitszeitpunkt verschoben, sofern dies die finanzielle Lage der Gesellschaft erfordern sollte. Beginnt bzw. endet das Dienstverhältnis vor Ablauf eines Kalenderjahres, so wird das Bruttofestgehalt zeitanteilig ausgezahlt. Er erhielt zunächst zusätzlich einen Bonus ab dem 226. bis zum 261. Tätigkeitstag in Höhe von jeweils 206,90 EUR, wenn in dem laufenden Geschäftsjahr, für das der Bonus gezahlt wurde, ein Gewinn in Höhe von mindestens 7.000 EUR erwirtschaftet oder der Umsatz zum Vorjahr um mindestens 5 % gesteigert wurde. Gemäß einer Vertragsänderung mit Wirkung zum 1. Januar 2013 erhält der Geschäftsführer seitdem eine Vergütung von 60.000 EUR pro Kalenderjahr und einen Bonus i.H.v. 229,89 EUR, wenn im laufenden Geschäftsjahr ein Gewinn in Höhe von mindestens 10.000 EUR erwirtschaftet oder der Umsatz zum Vorjahr um mindestens 10 % gesteigert wurde. Mit der vertraglich geregelten Vergütung sind sämtliche Tätigkeiten des Geschäftsführers abgegolten (§ 2). Die Bestellung zum Geschäftsführer kann jederzeit von der Gesellschaft widerrufen werden (Hinweis auf § 38 Abs. 1 GmbHG, so § 4 Abs. 4 des Geschäftsführer-Dienstvertrages).

Der Kläger beantragte bei der Beklagten am 10. Juli 2015 die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status. Er gab an, keinem Direktionsrecht hinsichtlich Zeit, Ort und Art seiner Beschäftigung zu unterliegen. Er könne seine Tätigkeit als Geschäftsführer frei bestimmen und gestalten, selbständig Personal einstellen oder entlassen, er müsse sich seinen Urlaub nicht genehmigen lassen, es werde von seiner Vergütung keine Lohnsteuer entrichtet, sie werde als Gewinn-Vorwegentnahme verbucht. Außerdem sei er am Gewinn beteiligt, denn er erhalte einen Bonus, der umsatz- und gewinnabhängig sei. Im Fall seiner Arbeitsunfähigkeit werde die Vergütung nicht weitergezahlt.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 9. Februar 2016 für die Tätigkeit des Klägers als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 1) ab dem 1. Februar 2012 Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung fest; in der Krankenversicherung sowie in der sozialen Pflegeversicherung bestehe keine Versicherungspflicht.

Den Widerspruch des Klägers, mit dem er u.a. geltend machte, der Verkauf von Geschäftsanteilen im Jahr 2011 an eine dritte Gesellschafterin sei lediglich auf eine unternehmerische Zusammenarbeit gerichtet gewesen, diese sei am operativen Geschäft nicht beteiligt und außerdem habe er für die Gesellschaft eine Bürgschaft (250.000 Euro) geleistet sowie Darlehen gegeben, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2016 zurück.

Der Kläger hat am 18. Juli 2016 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben.

Mit notariell beurkundetem Gesellschafterbeschluss vom 28. September 2016 wurde die Satzung der Beigeladenen zu 1) unter anderem dahingehend geändert, dass Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen bedürfen. Die Änderung wurde am 4. Oktober 2016 in das Handelsregister eingetragen. Die Beklagte hat daraufhin mit Bescheid vom 21. Oktober 2016 festgestellt, dass aufgrund der im Klageverfahren eingereichten Unterlagen die Tätigkeit des Klägers als geschäftsführender Gesellschafter der Beigeladenen zu 1) seit dem 4. Oktober 2016 aufgrund der Änderung der Verhältnisse nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Daher bestehe in dieser Tätigkeit ab dem 4. Oktober 2016 keine Versicherungspflicht in allen vier Zweigen der Sozialversicherung. Dem Kläger könnten seither aufgrund seines Gesellschaftsanteils und dem sich daraus ergebenden Stimmenanteil keine Weisungen mehr einseitig im Wege des Direktionsrechts erteilt werden.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. Mai 2018 abgewiesen. Die Beklagte habe mit dem angefochtenen Bescheid in Gestalt des Änderungsbescheides zu Recht festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) als Gesellschafter-Geschäftsführer in der Zeit vom 1. Februar 2012 bis zum 3. Oktober 2016 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege. Denn er sei in dieser Tätigkeit abhängig beschäftigt im Sinne des § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (SGB IV). Dies folge zunächst aus dem Anstellungsvertrag als Ausgangspunkt jeder Beurteilung. Dieser enthalte zahlreiche Elemente, die für ein Anstellungsverhältnis typisch seien. So habe der Kläger für seine Tätigkeit eine jährliche feste Vergütung erhalten. Besonders deutlich werde das daran, dass nach dem Vertrag die "gesetzlichen Abzüge" einbehalten werden sollten. Damit könnten nur die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Abzüge gemeint sein. Dass der Kläger daneben einen gewinn- und umsatzabhängigen Bonus erhalte, stehe der abhängigen Beschäftigung nicht entgegen, weil solche variablen Vergütungsbestandteile auch bei Arbeitnehmern üblich geworden seien. Es fänden sich im Dienstvertrag des Klägers zwar keine Regelungen zum Urlaub oder zur Entgeltfortzahlung im Urlaubs- und im Krankheitsfall. Dies spreche aber nicht gegen die abhängige Beschäftigung, sondern dokumentiere den Willen der Beteiligten, eine abhängige Beschäftigung auszuschließen. Selbiges gelte für den Umstand, dass der Kläger vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit sei, dies sei bei einer kleineren GmbH nicht untypisch. Anderes folge nicht daraus, dass das Festgehalt nur zu zahlen gewesen sei, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse und die Liquidität der Gesellschaft dies erlaubten. Zum einen sei nicht ersichtlich, dass es tatsächlich zu einer geringen Auszahlung gekommen sei, zum anderen folge hieraus aber auch kein unternehmerisches Risiko des Klägers. Maßgebend für ein solches wirtschaftliches Risiko sei, dass eigenes Kapital und die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt werde, der Erfolg der persönlichen oder sächlichen Mittel also ungewiss sei. Ein solches Risiko sei allerdings nur dann hinreichendes Indiz für die selbständige Tätigkeit, wenn ihm auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüber ständen. Die im Fall des Klägers nur theoretisch mögliche, praktisch aber nicht zum Einsatz gekommene Stundung bzw. Darlehensgewährung begründe kein Unternehmerrisiko. Denn Darlehen des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber seien nicht gänzlich ungewöhnlich. Eine selbständige Tätigkeit lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt bejahen, dass es dem Kläger jederzeit möglich gewesen wäre, ihm nicht genehme Weisungen durch die Gesellschafterversammlung abzuwehren. Eine solche Befugnis ergebe sich aus seiner Stellung als Mitgesellschafter der Gesellschaft gerade nicht. Entscheidend für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern sei, ob die rechtliche Möglichkeit bestehe, als beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter nicht genehme Weisungen an sich als Geschäftsführer abzuwenden. Gemessen daran verfüge der Kläger seit dem 17. Februar 2011 nur noch über ein Drittel der Anteile am Stammkapital der Gesellschaft und somit nicht über die Stimmenmehrheit in der Gesellschafterversammlung. Da die Satzung in ihrer ursprünglichen Fassung insoweit keine notwendigen Regelungen enthalten habe, sei die Beschlussfassung nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen erfolgt (§ 47 Abs. 1 und 2 GmbH-Gesetz [GmbHG], ebenso die Regelung in § 5 Abs. 2 der Satzung der Beigeladenen zu 1.). Demgemäß habe der Kläger vor dem 4. Oktober 2016 nicht über eine Sperrminorität verfügt. Eine solche habe ihm auch der Gesellschafterbeschluss vom 27. Januar 2012 nicht vermitteln können. Zwar habe dieser die Änderung des Quorums in § 5 Abs. 2 der Satzung auf drei Viertel der abgegebenen Stimmen vorgesehen. Ausgehend davon hätte der Kläger, der ein Drittel der Anteile gehalten habe, eine Abstimmung der restlichen Gesellschafter gegen sich verhindern können. Der Beschluss sei jedoch unwirksam, weil er entgegen den gesetzlichen Vorschriften weder notariell beurkundet noch in das Handelsregister eingetragen worden sei (Hinweis auf § 53 Abs. 2 i.V.m. § 54 GmbHG). Der Beschluss sei auch nicht etwa als sogenannte Satzungsdurchbrechung im engeren Sinne wirksam gewesen. Eine solche liege vor, wenn durch einen Gesellschafterbeschluss nur für einen konkreten Einzelfall von einer Satzungsregelung abgewichen werden solle, im Übrigen die Geltung der Satzung für die Zukunft aber nicht infrage gestellt werde. Anderes gelte, wenn die abweichende Regelung abstrakt-generelle Wirkung entfalten solle, d.h. über den Einzelfall hinaus, denn in diesem Fall handele es sich um eine unwirksame Satzungsänderung. Davon sei im Fall des Klägers auszugehen. Der Gesellschafterbeschluss habe beabsichtigt, die für eine Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung erforderliche Mehrheit dauerhaft für die Zukunft zu ändern. Eine Sperrminorität für den Kläger ergebe sich auch nicht aus einer Umdeutung des genannten Gesellschafterbeschlusses in eine nur schuldrechtliche Nebenabrede. Es sei zwar anerkannt, dass sich Gesellschafter verpflichten könnten, sich so zu verhalten, dass einer vereinbarten Regelung Geltung verschafft werde. Dies sei aber bei auf Dauerwirkung angelegten Änderungen organisationsrechtlicher Regelungen nicht möglich. Schließlich könne die Sperrminorität auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der Beschluss in eine Stimmbindungsabrede umgedeutet werde. Die Kammer könne einen solchen Inhalt bereits dem Wortlaut des Beschlusses nicht entnehmen. Er sei vielmehr erkennbar auf die Änderung der Satzung gerichtet gewesen. Selbst bei Annahme einer Stimmbindungsabrede ändere dies nichts daran, dass es dem Kläger an der Sperrminorität fehle. Eine schuldrechtliche Abrede stehe außerhalb des Gesellschaftsvertrages. Sie sei nicht geeignet, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse zugunsten des Klägers zu verschieben. Die bestehende Möglichkeit der ordentlichen, jedenfalls aber außerordentlichen Kündigung der Stimmbindungsabrede aus wichtigem Grund habe die Rechtsmacht des Klägers beschränkt. Die Verhältnisse hätten sich erst mit der Eintragung der Satzungsänderung vom 28. September 2016 in das Handelsregister geändert. Seither verfüge der Kläger über eine Sperrminorität in der Gesellschafterversammlung. Dem habe die Beklagte bereits mit Erlass des Änderungsbescheides im laufenden Klageverfahren Rechnung getragen. Entgegen der Ansicht des Klägers komme es für die Frage seiner abhängigen Beschäftigung hingegen nicht darauf an, dass die Gesellschaft ihm im Außenverhältnis weitreichende Befugnisse und Freiheiten hinsichtlich seiner Geschäftsführertätigkeit eingeräumt habe. Entscheidend sei vielmehr der Grad seiner rechtlich durchsetzbaren Einflussmöglichkeiten auf die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung.

Der Kläger hat gegen das ihm am 13. Juni 2018 zugestellte Urteil am 12. Juli 2018 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe bei seiner Entscheidung nicht den vollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt. Dazu trage er nun erstmals in der Berufungsinstanz vor, er und sein Mitunternehmer Herr S hätten die GmbH gegründet, um 2011 einen weiteren Investor anwerben zu können. Um eine starke Einflussnahme seitens dieses neuen Gesellschafters, bzw. des hinter ihm stehenden Konzerns auf die Gesellschaft zu vermeiden, sei dieser nur zu 33 % an der GmbH beteiligt worden. Zuvor hätten er und Herr S bereits im Dezember 2010 die R GbR gegründet, um eine einheitliche sowie mehrheitliche Willensbildung (66 %) bei gesellschafterlichen Beschlüssen in der Beigeladenen zu 1) zu realisieren. Dazu hätten beide Unternehmer vereinbart, dass sie ihre Interessen und Rechte immer nur einheitlich bzw. einstimmig beschlössen und gegenüber der beigeladenen Gesellschaft verträten. Diese Vereinbarung hätten sie nicht mit einem kündbaren Stimmbindungsvertrag, sondern durch die Schaffung einer GbR mit gegenseitiger Abtretungserklärung rechtssicher und nachhaltig gestalten wollen. Zweck dieser wirtschaftlich inaktiven GbR sei es gewesen, alle Gesellschafterbeschlüsse der Beigeladenen zu 1) im Vorhinein zu beraten und die Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung der Beigeladenen zu 1) vorher zu beschließen, um dann das Stimmverhalten entsprechend später umzusetzen. Tagesordnungspunkte der Gesellschafterversammlung der Beigeladenen zu 1) seien daher auch immer die Tagesordnungspunkte der Gesellschafterversammlung der GbR gewesen und umgekehrt. Es sei auch vereinbart worden, dass für den Fall, dass sich die Gesellschafter der GbR nicht einigen könnten, beide Unternehmer sich in der Gesellschafterversammlung der Beigeladenen zu 1) der Stimme enthielten. Für den Fall, dass einer der beiden Unternehmer die Vereinbarung missachte, sei vereinbart worden, dass diese Person ihre GmbH-Anteile verliere. Diese Sanktion sei in der Form festgehalten worden, dass beide Unternehmer sich jeweils gegenseitig ihre Gesellschaftsanteile aufschiebend bedingt abgetreten hätten. In der Folge hätten dann die unter Verstoß gegen die GbR-Beschlüsse zustande gekommenen Gesellschafterbeschlüsse der Beigeladenen zu 1) nach Abtretung und Eintragung der Gesellschafteranteile durch "heilende" Gesellschafterbeschlüsse revidiert werden können, der Verstoß hätte zu einem Verlust der Gesellschaftsanteile geführt. Es sei damit ein bekanntes Verfahren aus der Spieltheorie mit rechtlichen Mitteln umgesetzt worden. Die Gründung der GbR sei dem dritten Gesellschafter (der J GmbH) nicht offen gelegt worden. Erst nach dem erstinstanzlichen Urteil und dem Ausscheiden der J GmbH aus der Beigeladenen zu 1) wegen Missverhaltens im Juni 2019 hätte sich der Kläger nun entschieden, diese GbR offen zu legen. Im Ergebnis hätte der Kläger im Hinblick auf sie zu jeder Zeit jeden ihm nicht genehmen Beschluss der Gesellschafterversammlung in der Beigeladenen zu 1) verhindern können oder im Fall eines Verstoßes der anderen Person gegen seine Interessen diesen Beschluss im Anschluss wieder zurücksetzen und so revidieren können. Außerdem habe er allein schon mit seinem nominellen Gesellschaftsanteil von 33,3 % bestimmte Beschlüsse wie satzungsändernde Beschlüsse in der GmbH blockieren können (§ 53 Abs. 2 GmbHG). Im Hinblick auf das vom Sozialgericht für maßgeblich gehaltene Weisungsrecht habe er daher immer an oberster Stelle der Weisungspyramide gestanden. Zu berücksichtigen sei zudem, dass er den Dienstvertrag mit dem Unternehmen nur geschlossen habe, um seine Einkünfte unterjährig entnehmen zu können. Außerdem trage jeder Gesellschafter durch seine Entscheidungen innerhalb der Gesellschaft, z.B. strategischer Art, natürlich das unternehmerische Risiko.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Mai 2018 und den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 9. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2016 sowie des Bescheides vom 21. Oktober 2016 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils. Gemäß der BSG-Rechtsprechung seien allein die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebende Rechtsmacht entscheidend und nicht die tatsächliche Handhabung bzw. außerhalb des Gesellschaftsvertrages bestehende wirtschaftliche Verflechtungen, Stimmbindungsabreden oder Vetorechte, wie von dem Kläger in der Berufung vorgetragen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat konnte die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet sowie eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält und die Beteiligten vorher angehört worden sind.

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat nach eigener Sachprüfung Bezug auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Sozialgericht hat sein Urteil, mit dem es die Klage abgewiesen hat, sorgfältig und überzeugend begründet.

Zu ergänzen bleibt, insbesondere in Anbetracht des erstmals im Berufungsverfahren vorgetragenen neuen Sachverhalts: Zulässiger Streitgegenstand ist allein die Feststellung, ob der Kläger ab Februar 2012 bis zum 3. Oktober 2016 in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung der Versicherungspflicht unterliegt. Soweit mit der Klage auch in der Berufung die Feststellung auch für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung begehrt wird, ist das nicht zulässig. Denn das war und ist nicht Gegenstand der angefochtenen Feststellung der Beklagten. Diese hat in dem Änderungsbescheid vom 21. Oktober 2016 zwar festgestellt, dass ab dem 4. Oktober 2016 keine Versicherungspflicht auch in den weiteren beiden Zweigen der Sozialversicherung vorliegt. Damit ging sie über die ursprüngliche Feststellung hinaus, dies gilt jedoch nur für den Zeitraum ab dem 4. Oktober 2016. Für den allein noch streitigen Zeitraum davor traf die Beklagte damit aber gerade keine Feststellung betreffend die Kranken- und Pflegeversicherung.

In der Sache führt eine bereits im Dezember 2010 gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen dem Kläger und seinem Mitgesellschafter Herrn Sweder zu einem beherrschenden Einfluss des Klägers in der beigeladenen GmbH noch zu einer sozialversicherungsrechtlich bedeutsamen Sperrminorität. Eine solche GbR ist wohl nur im Wege der mündlichen Vereinbarung entstanden. Einen schriftlichen Gesellschaftsvertrag oder schriftliche Vereinbarungen bzw. Gesellschafterbeschlüsse dieser Gesellschaft hat der Kläger auch auf explizite Aufforderung des Senates nicht vorgelegt, obwohl er mit der Berufung angekündigt hatte, den GbR Vertrag und die Abtretungserklärung über den Gesellschaftsanteil kurzfristig bei Gericht einzureichen. Es erscheint in Anbetracht der wirtschaftlichen Bedeutung der GbR schwer nachvollziehbar, dass für sie keinerlei schriftliche Erklärungen oder zumindest Notizen existieren. Das spricht dagegen, dass es sie tatsächlich gab.

Selbst wenn der Senat aber berücksichtigt, dass der Gesellschaftsvertrag einer GbR grundsätzlich keiner Form bedarf und auch konkludent abgeschlossen werden kann (dazu der Bergmann in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 705 BGB, Stand 01.02.2020, Rn. 4), konnte die GbR, bestehend aus zwei Mitgesellschaftern der beigeladenen GmbH, für den Kläger keine Selbständigkeit begründen. Voraussetzung dafür wäre, dass der Kläger mit ihr über die Rechtsmacht verfügte, die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen und deshalb Weisungen an sich hätte verhindern können. Das würde in Anbetracht der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten einfachen Mehrheit für Gesellschafterbeschlüsse verlangen, dass er damit einen Gesellschaftsanteil von mehr als 50 % erlangt hätte. Das trägt er aber bereits nicht vor und ergibt sich auch nicht aus dem Zweck der GbR. Sie sollte seinen Gesellschaftsanteil nicht erhöhen, sodass er mit ihr nicht beherrschender Gesellschafter der beigeladenen GmbH wurde.

Die GbR sicherte ihm aber auch keine Sperrminorität, die es ihm ermöglichte, zumindest ihm nicht genehme Beschlüsse der Gesellschafterversammlung und damit Weisungen an sich jederzeit zu verhindern. Sie stellte nichts anderes dar als eine Stimmbindungsvereinbarung zwischen zwei Gesellschaftern. Das belegt ihr Gesellschaftszweck, wonach sich der Kläger mit Herrn S abstimmen sollte, damit sie als Gesellschafter der beigeladenen GmbH in deren Gesellschafterversammlungen konzertiert abstimmten. Ob Gestaltungen der Gesellschaftsrechts- bzw. Gesellschaftsvertragsrechtslage (überhaupt) für die Statusentscheidung bedeutsam sind, und - falls ja - mit welchem Indizcharakter und welcher Gewichtung im Rahmen der insoweit zu treffenden Abwägung aller Umstände, beurteilt sich ohne strikte "Parallelwertung" allein im vorliegend thematisch einschlägigen - sozialversicherungsrechtlichen - Kontext des § 7 Abs. 1 SGB IV (BSG, Urteil vom 11. November 2015 - B 12 KR 10/14, Rn. 31). Eine unterschiedliche Bewertung von Stimmrechtsvereinbarungen im Gesellschaftsrecht einerseits und im Sozialversicherungsrecht andererseits ist insoweit durch die verschiedenen Sachstrukturen der jeweiligen Rechtsbereiche gerechtfertigt (BSG, Urteil vom 11. November 2015 - B 12 KR 13/14 R -, BSGE 120, 59-69, Rn. 25).

Gemessen daran vermögen schuldrechtliche Abreden außerhalb des Gesellschaftsvertrags der GmbH die zumindest gesellschaftsrechtlich begründete Weisungsgebundenheit des angestellten Geschäftsführers nicht aufzuheben (Beurskens in: Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, § 37 Rn. 35). Schuldrechtliche Dauerschuldverhältnisse sind wie auch BGB-Innengesellschaften zwischen Gesellschaftern jederzeit ordentlich kündbar (BSG, Urteil vom 11. November 2015 – B 12 KR 13/14 R Rn. 31 unter Berufung auf § 723 BGB). Selbst wenn also eine BGB-Innengesellschaft bis zur ihrer Kündigung alle Gesellschafter zur einheitlichen Stimmabgabe verpflichtet, führt dies sozialversicherungsrechtlich nicht dazu, die Gesellschafter-Geschäftsführer bereits deshalb als nicht weisungsgebunden zu betrachten. So hätte der Kläger unter Berufung auf die BGB-Innengesellschaft mit Herrn S ein bestimmtes Abstimmungsverhalten von diesem verlangen können. Dieser hätte aber, so er davon hätte abweichen wollen, seinerseits die BGB-Gesellschaft kündigen können. Das spezielle sozialversicherungsrechtliche Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände, wonach die Frage der Versicherungspflicht bei Beginn der Tätigkeit, jedenfalls aber zukunftsbezogen zu jeder Zeit zu beantworten ist, schließt es aus, an solche Regelungen außerhalb des Gesellschaftsvertrags anzuknüpfen. Dagegen sind die Anforderungen an die Aufhebung gesellschaftsvertraglicher Regelungen ungleich höher als die für einfache Kündigungsrechte aus wichtigem Grund. Außerdem sind nur gesellschaftsvertragliche Minderheitenrechte durch ihre Eintragungspflicht im Handelsregister verlässlich erkennbar und damit auch für die Sozialversicherung einfach nachvollziehbar. Dass das Gesellschaftsrecht demgegenüber an anderen praktischen Bedürfnissen ausgerichtet sein kann, steht dem nicht entgegen (dazu BSG Urteil vom 11. November 2015 - B 12 KR 10/14, Rn. 31, Beschluss des Senats vom 27. Mai 2020 – L 9 BA 104/19 –, Rn. 27, juris).

Für die GbR des Klägers mit H gilt auch nichts anderes, wenn unterstellt wird, dass sie mit aufschiebend bedingten Abtretungserklärungen für den Fall verknüpft war, dass einer der Gesellschafter sich gesellschaftswidrig verhalten hätte und nicht gemäß der gefassten Beschlüsse der GbR-Innengesellschaft in der Gesellschafterversammlung der Beigeladenen zu 1) abgestimmt hätte. So sind auch solche Abtretungserklärungen durch den Kläger schon nicht bewiesen worden. Außerdem bedarf die Abtretung eines Geschäftsanteils durch einen Gesellschafter gemäß § 15 Abs. 3 GmbHG eines in notarieller Form geschlossenen Vertrags. Das gilt auch für die bedingte Abtretung. Der notariellen Form bedarf zudem nicht nur die Abtretung selbst, sondern auch das ihr zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft (§ 15 Abs. 4 GmbHG; zum Ganzen: Servatius in: Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 22. Auflage, § 15 Rn. 22). Da beide Formvorschriften hier offenkundig nicht gewahrt wurden, waren die Abtretungen gemäß § 125 BGB nichtig (BeckOK GmbHG/Wilhelmi, 45. Ed. 1.2.2020, GmbHG § 15 Rn. 20).

Der Kläger trägt schließlich kein unternehmerisches Risiko als Gesellschafter. Dafür kann er sich nicht allein auf seine Kapitalbeteiligung berufen (so schon BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 13/17 R, Rn. 21). Ein unternehmerisches Risiko als Gesellschafter hätte er nur dann, wenn er als geschäftsführender Gesellschafter tätig geworden wäre. Das setzte aber voraus, dass die Vergütung seiner Geschäftsführertätigkeit allein in einer (ggf. vorweggenommen) Gewinnausschüttung bestanden hätte, die dann jeweils mit seinem Gewinnanteil verrechnet worden wäre. Gerade das erfolgte aber ausweislich des Geschäftsführer-Dienstvertrags nicht. Dieser vermittelte dem Kläger schuldrechtlich eine feste monatliche Vergütung für seine Tätigkeit nebst Bonus-Zahlung. An dieses Entgelt für die Beschäftigung knüpft § 7 SGB IV i.V.m. den entsprechenden Bestimmungen des SGB III und SGB VI die Versicherungspflicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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