Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 18 AL 145/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 169/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 9. Oktober 2018 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg).
Der 1962 geborene, zuvor in Deutschland beschäftigte und dort auch wohnhafte Kläger arbeitete seit Juni 2012 mit Unterbrechungen für eine Zeitarbeitsfirma in den Niederlanden. Aufgrund von Zeitarbeitsverträgen mit der T P W B.V. (TP) vom 15. Juli 2013 und 5. Mai 2014 wurde er als Maler beschäftigt und wochenweise ent-lohnt; der letztgenannte Vertrag wurde – mit Verlängerungsmöglichkeit – für 130 Wochen geschlossen. Die genannten Verträge wurden von der TP zum 20. Dezem-ber 2013 bzw 5. Dezember 2014 gekündigt. Die niederländische Arbeitsverwaltung U W (UWV) bescheinigte Versicherungszeiträume vom 15. Juli 2013 bis 20. Dezember 2013, vom 5. Mai 2014 bis 20. August 2014 und vom 17. September 2014 bis 5. Dezember 2014 (Formular E 301). Die TP bestätigte auf Nachfrage der UWV die beiden letztgenannten Zeiträume (Bescheinigungen vom 29. August 2014 und 12. Dezember 2014). Für die Zeit ab 21. September 2015 bewilligte die Beklagte nach einer weiteren Beschäftigung des Klägers in den Niederlanden (20. April 2015 bis 18. September 2015) Alg für die Dauer von 300 Tagen.
Der Kläger meldete sich bei der Beklagten an seinem Wohnort in Deutschland am 8. Dezember 2014 arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab, weil die Anwartschaftszeit nicht erfüllt sei (Bescheid vom 3. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2015). Der Kläger habe in der zweijährigen Rahmenfrist vom 8. Dezember 2012 bis 7. Dezember 2014 nur 347 Kalendertage (15. Juli 2013 bis 20. Dezember 2013, vom 5. Mai 2014 bis 20. August 2014 und vom 17. September 2014 bis 5. Dezember 2014) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.
Im anschließenden Klageverfahren legte der Kläger ua Lohnabrechnungen der TP für die Kalenderwochen 34 bis 38 vor, auf die Bezug genommen wird. Er habe in der Zeit vom 21. August 2014 bis 16. September 2014 zwar tatsächlich nicht gearbeitet, aber Urlaub genommen und Überstunden "abgebummelt". Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide antragsgemäß verurteilt, Alg für die Zeit ab 8. Dezember 2014 zu zahlen (Urteil vom 9. Oktober 2018). Das am 5. Mai 2014 begründete Beschäftigungsverhältnis sei in der Zeit vom 21. August 2014 bis 16. September 2014 trotz fehlender Arbeitsleistung nicht unterbrochen gewesen.
Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Er sei an die Bescheinigungen der UWV gebunden, die diese auch auf Nachfrage hin nicht korrigiert habe. Die Anwartschaftszeit habe der Kläger daher nicht erfüllt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts vom 9. Oktober 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl §§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Alg für die Zeit ab 8. Dezember 2014. Für die Zeit ab 20. April 2015 gilt dies bereits des-halb, weil der der Kläger an diesem Tag eine weitere Beschäftigung in den Nieder-landen aufgenommen hatte und daher nicht mehr arbeitslos war und die Beklagte zudem nach Ende dieser Beschäftigung ab 21. September 2015 Alg bewilligt hat.
Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit hat gemäß § 137 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung – (SGB III), wer 1. arbeitslos sind, 2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht vollständig erfüllt. Aufgrund der Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses zum 5. Dezember 2014 war der Kläger zwar arbeitslos; am 8. Dezember 2014 hat er sich bei der Beklagten arbeitslos gemeldet. Er war im verbleibenden Streitzeitraum vom 8. Dezember 2014 bis 19. April 2015 auch bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden und stand den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung (vgl § 138 Abs. 1 Nrn 2 und 3, Abs. 4 und 5 SGB III). Er erfüllt jedoch nicht die erforderliche Anwartschaftszeit.
Nach den §§ 142 Abs. 1, 143 Abs 1 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 143 Abs. 1 SGB III). Innerhalb der Rahmenfrist, die vorliegend den Zeitraum vom 7. Dezember 2014 bis 8. Dezember 2012 umfasst, hat der Kläger in keinem Versicherungspflichtverhältnis nach dem SGB III gestanden, weil er allein in den Nieder-landen beschäftigt war.
Auch nach den Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. April 2004, die vorliegend anwendbar sind, und unter Einbeziehung der niederländischen Versicherungs- und Beschäftigungszeiten hat der Kläger die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg nicht erfüllt. Nach Art. 61 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) 883/2004 berücksichtigt der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften der Erwerb, die Aufrechterhaltung, das Wiederaufleben oder die Dauer des Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer selbst-ständigen Erwerbstätigkeit abhängig ist, soweit erforderlich, die Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt wurden, als ob sie nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären.
Ein vollarbeitsloser Arbeitnehmer, der – wie der Kläger, der nicht mindestens einmal wöchentlich an seinen Wohnsitz in Deutschland zurückgekehrt ist - nach der Legaldefinition des Art. 1 Buchst f VO (EG) Nr. 883/2004 kein Grenzgänger ist (sog "unechter" Grenzgänger), muss sich entweder gemäß Art 65 Abs 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 883/2004 der Arbeitsverwaltung seines Wohnmitgliedstaats, wenn er dorthin zu-rückkehrt, oder, wenn er dorthin nicht zurückkehrt, gemäß Art 65 Abs. 2 Satz 3 VO (EG) Nr 883/2004 der Arbeitsverwaltung des letzten Mitgliedstaats, in dem er beschäftigt war, zur Verfügung stellen. Der "unechte" Grenzgänger hat das Wahlrecht, ob er im Beschäftigungsstaat verbleibt oder in seinen Wohnmitgliedstaat zurück-kehrt; zudem räumt ihm Art. 65 Abs. 5 lit. b) GVO das Wahlrecht ein, die Rechte aus dem Leistungsexport nach Art. 64 GVO oder aber die Ansprüche nach § 65 Abs. 5 lit. A) GVO in seinem Wohnsitzstaat geltend zu machen (vgl im einzelnen: Kador in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, Art. 65 VO (EG) 883/2004, Rn 44). Der Kläger ist nach Beendigung der Beschäftigung in den Niederlanden am 5. Dezember 2014 nach Deutschland zurückgekehrt, hat sich dort der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt und macht Alg bei der Beklagten geltend.
Dass der Kläger in den Niederlanden nach Art. 61 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) 883/2004 von der Beklagten zu berücksichtigende Zeiten zurückgelegt hat, ergibt sich aus der Bescheinigung E 301 der UWV. Diese entfaltet Bindungswirkung und kann nur im Wege des in der VO (EG) 883/2004 und der VO (EG) 987/2009 vorgesehenen Verfahrens korrigiert werden. Insofern bestimmt Art 5 Abs. 1 VO (EG) 987/2009, dass die vom Träger eines Mitgliedstaats ausgestellten Dokumente, in denen der Status einer Person für die Zwecke der Anwendung der Grundverordnung und der Durchführungsverordnung bescheinigt wird, sowie Be-lege, auf deren Grundlage die Dokumente ausgestellt wurden, für die Träger der anderen Mitgliedstaaten – und auch für die nationalen Gerichte - so lange verbindlich sind, wie sie nicht von dem Mitgliedstaat, in dem sie ausgestellt wurden, wider-rufen oder für ungültig erklärt werden (vgl Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 26. Februar 2019 – B 11 AL 15/18 R = SozR 4-4300 § 26 Nr 9 – Rn 18; BSG, Urteil vom 23. Oktober 2018 - B 11 AL 20/17 R = SozR 4-6065 Art 61 Nr 1 – Rn 26 mwN; Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 11. November 2004 – C-372/02 (Adanez-Vega)). Falls die Gültigkeit des Dokuments oder die Richtigkeit des bescheinigten Sachverhalts – wie hier - zweifelhaft ist, wird in Konkretisierung der Verpflichtung des Art. 76 Abs. 6 VO (EG) 883/2004 zur Zusammenarbeit in Art. 5 Abs. 2 bis 4 VO (EG) 987/2009 das Verfahren des Dialogs und der Vermittlung zwischen den betroffenen Trägern beschrieben. Dieses Verfahren ist von dem Träger des Mitgliedstaats einzuhalten, der Zweifel an der Gültigkeit dieser Dokumente oder der Richtigkeit des Sachverhalts hat, der den darin enthaltenen Angaben zugrunde liegt. Dieses Verfahren hat die Beklagte durchgeführt. Die UWV hat nach Prüfung die Richtigkeit der Bescheinigung E 301 bestätigt. Danach ergeben sich im Rahmenzeit-raum für den Kläger (nur) 347 Tage statt der erforderlichen 360 Tage Versicherungszeiten. Ob weitere Anhaltspunkte für eine unrichtige Bewertung durch die UWV bestehen, ist danach nicht entscheidungserheblich (vgl so ausdrücklich BSG, Urteil vom 26. Februar 2019 – B 11 AL 15/18 R – Rn 18). Sie liegen auch nicht auf der Hand. Jedenfalls erfolgte in dem Zeitraum vom 21. August 2014 bis 16. September 2014 kei-ne Entgeltzahlung – der Kläger trägt selbst vor, in dieser Zeit nicht gearbeitet zu haben -, sondern ausweislich der vom Kläger vorgelegten Abrechnungen nur die Zahlung von Urlaubsgeld. Der Bezug von Urlaubsgeld bzw einer Sozialleistung erfüllt jedoch von vornherein nicht den Begriff der Beschäftigungszeit iSv Art. 61 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) 883/2004 (vgl BSG, Urteil vom 3. Juli 2003 – B 7 AL 42/02 R = SozR 4-6050 Art. 71 Nr 2 – Rn 11 ff mwN), so dass sich auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine unrichtige Bewertung der UWV ergeben.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist daher auch § 7 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) nicht einschlägig. Danach gilt zwar eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Die TP hat indes der UWV Beschäftigungen nur für die Zeit vom 5. Mai 2014 bis 20. August 2014 und vom 17. September 2014 bis 5. Dezember 2014 bestätigt, mithin kein durchgehendes Beschäftigungsverhältnis vom 5. Mai 2014 bis 5. Dezember 2014 (vgl ausdrücklich die Bescheinigungen der TP vom 29. August 2014 und 12. Dezember 2014, in denen jeweils von einer Beendigung der Beschäftigung die Rede ist). Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1a SGB IV sind entgegen der Auffassung des SG nicht erfüllt. Soweit das SG schließlich auf den Arbeitsvertrag vom 15. Juli 2013 rekurriert, wurde dieser bereits zum 20. Dezember 2013 gekündigt und hatte daher für den vorstehenden Zeitraum keine Geltung mehr. Weitere Versicherungspflichttatbestände iSv § 24 Abs. 1 SGB III liegen im Rahmenzeitraum nicht vor.
Auch die Voraussetzungen des § 142 Abs. 2 SGB III in der bis 31. Dezember 2014 geltenden Fassung liegen nicht vor. Die in der Rahmenfrist zurückgelegten Beschäftigungstage ergaben sich nicht überwiegend aus Beschäftigungen, die auf nicht mehr als zehn Wochen im Voraus durch Arbeitsvertrag zeit- oder zweckbefristet waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg).
Der 1962 geborene, zuvor in Deutschland beschäftigte und dort auch wohnhafte Kläger arbeitete seit Juni 2012 mit Unterbrechungen für eine Zeitarbeitsfirma in den Niederlanden. Aufgrund von Zeitarbeitsverträgen mit der T P W B.V. (TP) vom 15. Juli 2013 und 5. Mai 2014 wurde er als Maler beschäftigt und wochenweise ent-lohnt; der letztgenannte Vertrag wurde – mit Verlängerungsmöglichkeit – für 130 Wochen geschlossen. Die genannten Verträge wurden von der TP zum 20. Dezem-ber 2013 bzw 5. Dezember 2014 gekündigt. Die niederländische Arbeitsverwaltung U W (UWV) bescheinigte Versicherungszeiträume vom 15. Juli 2013 bis 20. Dezember 2013, vom 5. Mai 2014 bis 20. August 2014 und vom 17. September 2014 bis 5. Dezember 2014 (Formular E 301). Die TP bestätigte auf Nachfrage der UWV die beiden letztgenannten Zeiträume (Bescheinigungen vom 29. August 2014 und 12. Dezember 2014). Für die Zeit ab 21. September 2015 bewilligte die Beklagte nach einer weiteren Beschäftigung des Klägers in den Niederlanden (20. April 2015 bis 18. September 2015) Alg für die Dauer von 300 Tagen.
Der Kläger meldete sich bei der Beklagten an seinem Wohnort in Deutschland am 8. Dezember 2014 arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab, weil die Anwartschaftszeit nicht erfüllt sei (Bescheid vom 3. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2015). Der Kläger habe in der zweijährigen Rahmenfrist vom 8. Dezember 2012 bis 7. Dezember 2014 nur 347 Kalendertage (15. Juli 2013 bis 20. Dezember 2013, vom 5. Mai 2014 bis 20. August 2014 und vom 17. September 2014 bis 5. Dezember 2014) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.
Im anschließenden Klageverfahren legte der Kläger ua Lohnabrechnungen der TP für die Kalenderwochen 34 bis 38 vor, auf die Bezug genommen wird. Er habe in der Zeit vom 21. August 2014 bis 16. September 2014 zwar tatsächlich nicht gearbeitet, aber Urlaub genommen und Überstunden "abgebummelt". Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide antragsgemäß verurteilt, Alg für die Zeit ab 8. Dezember 2014 zu zahlen (Urteil vom 9. Oktober 2018). Das am 5. Mai 2014 begründete Beschäftigungsverhältnis sei in der Zeit vom 21. August 2014 bis 16. September 2014 trotz fehlender Arbeitsleistung nicht unterbrochen gewesen.
Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Er sei an die Bescheinigungen der UWV gebunden, die diese auch auf Nachfrage hin nicht korrigiert habe. Die Anwartschaftszeit habe der Kläger daher nicht erfüllt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts vom 9. Oktober 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl §§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Alg für die Zeit ab 8. Dezember 2014. Für die Zeit ab 20. April 2015 gilt dies bereits des-halb, weil der der Kläger an diesem Tag eine weitere Beschäftigung in den Nieder-landen aufgenommen hatte und daher nicht mehr arbeitslos war und die Beklagte zudem nach Ende dieser Beschäftigung ab 21. September 2015 Alg bewilligt hat.
Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit hat gemäß § 137 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung – (SGB III), wer 1. arbeitslos sind, 2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht vollständig erfüllt. Aufgrund der Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses zum 5. Dezember 2014 war der Kläger zwar arbeitslos; am 8. Dezember 2014 hat er sich bei der Beklagten arbeitslos gemeldet. Er war im verbleibenden Streitzeitraum vom 8. Dezember 2014 bis 19. April 2015 auch bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden und stand den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung (vgl § 138 Abs. 1 Nrn 2 und 3, Abs. 4 und 5 SGB III). Er erfüllt jedoch nicht die erforderliche Anwartschaftszeit.
Nach den §§ 142 Abs. 1, 143 Abs 1 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 143 Abs. 1 SGB III). Innerhalb der Rahmenfrist, die vorliegend den Zeitraum vom 7. Dezember 2014 bis 8. Dezember 2012 umfasst, hat der Kläger in keinem Versicherungspflichtverhältnis nach dem SGB III gestanden, weil er allein in den Nieder-landen beschäftigt war.
Auch nach den Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. April 2004, die vorliegend anwendbar sind, und unter Einbeziehung der niederländischen Versicherungs- und Beschäftigungszeiten hat der Kläger die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg nicht erfüllt. Nach Art. 61 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) 883/2004 berücksichtigt der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften der Erwerb, die Aufrechterhaltung, das Wiederaufleben oder die Dauer des Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer selbst-ständigen Erwerbstätigkeit abhängig ist, soweit erforderlich, die Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt wurden, als ob sie nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären.
Ein vollarbeitsloser Arbeitnehmer, der – wie der Kläger, der nicht mindestens einmal wöchentlich an seinen Wohnsitz in Deutschland zurückgekehrt ist - nach der Legaldefinition des Art. 1 Buchst f VO (EG) Nr. 883/2004 kein Grenzgänger ist (sog "unechter" Grenzgänger), muss sich entweder gemäß Art 65 Abs 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 883/2004 der Arbeitsverwaltung seines Wohnmitgliedstaats, wenn er dorthin zu-rückkehrt, oder, wenn er dorthin nicht zurückkehrt, gemäß Art 65 Abs. 2 Satz 3 VO (EG) Nr 883/2004 der Arbeitsverwaltung des letzten Mitgliedstaats, in dem er beschäftigt war, zur Verfügung stellen. Der "unechte" Grenzgänger hat das Wahlrecht, ob er im Beschäftigungsstaat verbleibt oder in seinen Wohnmitgliedstaat zurück-kehrt; zudem räumt ihm Art. 65 Abs. 5 lit. b) GVO das Wahlrecht ein, die Rechte aus dem Leistungsexport nach Art. 64 GVO oder aber die Ansprüche nach § 65 Abs. 5 lit. A) GVO in seinem Wohnsitzstaat geltend zu machen (vgl im einzelnen: Kador in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, Art. 65 VO (EG) 883/2004, Rn 44). Der Kläger ist nach Beendigung der Beschäftigung in den Niederlanden am 5. Dezember 2014 nach Deutschland zurückgekehrt, hat sich dort der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt und macht Alg bei der Beklagten geltend.
Dass der Kläger in den Niederlanden nach Art. 61 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) 883/2004 von der Beklagten zu berücksichtigende Zeiten zurückgelegt hat, ergibt sich aus der Bescheinigung E 301 der UWV. Diese entfaltet Bindungswirkung und kann nur im Wege des in der VO (EG) 883/2004 und der VO (EG) 987/2009 vorgesehenen Verfahrens korrigiert werden. Insofern bestimmt Art 5 Abs. 1 VO (EG) 987/2009, dass die vom Träger eines Mitgliedstaats ausgestellten Dokumente, in denen der Status einer Person für die Zwecke der Anwendung der Grundverordnung und der Durchführungsverordnung bescheinigt wird, sowie Be-lege, auf deren Grundlage die Dokumente ausgestellt wurden, für die Träger der anderen Mitgliedstaaten – und auch für die nationalen Gerichte - so lange verbindlich sind, wie sie nicht von dem Mitgliedstaat, in dem sie ausgestellt wurden, wider-rufen oder für ungültig erklärt werden (vgl Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 26. Februar 2019 – B 11 AL 15/18 R = SozR 4-4300 § 26 Nr 9 – Rn 18; BSG, Urteil vom 23. Oktober 2018 - B 11 AL 20/17 R = SozR 4-6065 Art 61 Nr 1 – Rn 26 mwN; Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 11. November 2004 – C-372/02 (Adanez-Vega)). Falls die Gültigkeit des Dokuments oder die Richtigkeit des bescheinigten Sachverhalts – wie hier - zweifelhaft ist, wird in Konkretisierung der Verpflichtung des Art. 76 Abs. 6 VO (EG) 883/2004 zur Zusammenarbeit in Art. 5 Abs. 2 bis 4 VO (EG) 987/2009 das Verfahren des Dialogs und der Vermittlung zwischen den betroffenen Trägern beschrieben. Dieses Verfahren ist von dem Träger des Mitgliedstaats einzuhalten, der Zweifel an der Gültigkeit dieser Dokumente oder der Richtigkeit des Sachverhalts hat, der den darin enthaltenen Angaben zugrunde liegt. Dieses Verfahren hat die Beklagte durchgeführt. Die UWV hat nach Prüfung die Richtigkeit der Bescheinigung E 301 bestätigt. Danach ergeben sich im Rahmenzeit-raum für den Kläger (nur) 347 Tage statt der erforderlichen 360 Tage Versicherungszeiten. Ob weitere Anhaltspunkte für eine unrichtige Bewertung durch die UWV bestehen, ist danach nicht entscheidungserheblich (vgl so ausdrücklich BSG, Urteil vom 26. Februar 2019 – B 11 AL 15/18 R – Rn 18). Sie liegen auch nicht auf der Hand. Jedenfalls erfolgte in dem Zeitraum vom 21. August 2014 bis 16. September 2014 kei-ne Entgeltzahlung – der Kläger trägt selbst vor, in dieser Zeit nicht gearbeitet zu haben -, sondern ausweislich der vom Kläger vorgelegten Abrechnungen nur die Zahlung von Urlaubsgeld. Der Bezug von Urlaubsgeld bzw einer Sozialleistung erfüllt jedoch von vornherein nicht den Begriff der Beschäftigungszeit iSv Art. 61 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) 883/2004 (vgl BSG, Urteil vom 3. Juli 2003 – B 7 AL 42/02 R = SozR 4-6050 Art. 71 Nr 2 – Rn 11 ff mwN), so dass sich auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine unrichtige Bewertung der UWV ergeben.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist daher auch § 7 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) nicht einschlägig. Danach gilt zwar eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Die TP hat indes der UWV Beschäftigungen nur für die Zeit vom 5. Mai 2014 bis 20. August 2014 und vom 17. September 2014 bis 5. Dezember 2014 bestätigt, mithin kein durchgehendes Beschäftigungsverhältnis vom 5. Mai 2014 bis 5. Dezember 2014 (vgl ausdrücklich die Bescheinigungen der TP vom 29. August 2014 und 12. Dezember 2014, in denen jeweils von einer Beendigung der Beschäftigung die Rede ist). Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1a SGB IV sind entgegen der Auffassung des SG nicht erfüllt. Soweit das SG schließlich auf den Arbeitsvertrag vom 15. Juli 2013 rekurriert, wurde dieser bereits zum 20. Dezember 2013 gekündigt und hatte daher für den vorstehenden Zeitraum keine Geltung mehr. Weitere Versicherungspflichttatbestände iSv § 24 Abs. 1 SGB III liegen im Rahmenzeitraum nicht vor.
Auch die Voraussetzungen des § 142 Abs. 2 SGB III in der bis 31. Dezember 2014 geltenden Fassung liegen nicht vor. Die in der Rahmenfrist zurückgelegten Beschäftigungstage ergaben sich nicht überwiegend aus Beschäftigungen, die auf nicht mehr als zehn Wochen im Voraus durch Arbeitsvertrag zeit- oder zweckbefristet waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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