Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
37
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 62 AL 519/15 geführten Klageverfahrens eine En
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 37 SF 276/19 EK AL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 ÜG 2/20 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§§ 198 ff. GVG i.d.F. des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV)
Beruft sich der Beklagte im Entschädigungsverfahren darauf, dass Phasen der gerichtlichen Inaktivität auf eine Erkrankung des zuständigen Richters zurückzuführen sind, bedarf es weder einer Prüfung des Entschädigungsgerichts, ob der Richter tatsächlich dienstunfähig war, noch hat der Beklagte Dienstunfähigkeitsbescheinigungen vorzulegen oder die von den Ärzten gestellten Diagnosen bzw. die erhobenen Befunde mitzuteilen. Für das Entschädigungsverfahren ist vielmehr allein maßgeblich, ob sich der Richter für den infrage stehenden Zeitraum krankgemeldet hatte und deshalb tatsächlich keinen Dienst getan hat. Für den Nachweis dieser Tatsache reicht es allemal aus, wenn der Beklagte Auszüge aus den Personalakten des Richters vorlegt, in denen die Zeiten der Dienstunfähigkeit vermerkt sind.
Wird einem Verfahren mutmaßlich deshalb kein Fortgang gegeben, weil der zuständige Richter erkrankt ist, hat ein Kläger Phasen der gerichtlichen Inaktivität, die ersichtlich mit der Krankmeldung des zuständigen Richters in Zusammenhang stehen, im Umfang von pauschal drei Monaten entschädigungslos hinzunehmen. Diese Frist steht den Gerichten unter Berücksichtigung der Forderungen nach einem zügigen Verfahren und nach einer richtigen Entscheidung sowie des Gebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 GG) zu, um - im Rahmen des § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG zulässige – Maßnahmen zur Beschleunigung des Verfahrens einzuleiten.
Darüber hinausgehend kann der Beklagte sich nicht damit exkulpieren, dass er die nach dem GVG zulässigen Maßnahmen eingeleitet hat. Führen eingeleitete Maßnahmen nicht zu der gewünschten Verfahrensbeschleunigung, ist vielmehr davon auszugehen, dass dies Folge einer nicht ausreichenden Personalausstattung ist.
(Weiterführung der Urteile des Senats vom 02.08.2013 – L 37 SF 252/12 EK AL – juris, Rn. 48, vom 12.05.2015 – L 37 SF 37/12 EK VH – juris, Rn. 177 und vom 25.02.2016 – L 37 SF 128/14 EK AL – juris, Rn. 53 f.).
Beruft sich der Beklagte im Entschädigungsverfahren darauf, dass Phasen der gerichtlichen Inaktivität auf eine Erkrankung des zuständigen Richters zurückzuführen sind, bedarf es weder einer Prüfung des Entschädigungsgerichts, ob der Richter tatsächlich dienstunfähig war, noch hat der Beklagte Dienstunfähigkeitsbescheinigungen vorzulegen oder die von den Ärzten gestellten Diagnosen bzw. die erhobenen Befunde mitzuteilen. Für das Entschädigungsverfahren ist vielmehr allein maßgeblich, ob sich der Richter für den infrage stehenden Zeitraum krankgemeldet hatte und deshalb tatsächlich keinen Dienst getan hat. Für den Nachweis dieser Tatsache reicht es allemal aus, wenn der Beklagte Auszüge aus den Personalakten des Richters vorlegt, in denen die Zeiten der Dienstunfähigkeit vermerkt sind.
Wird einem Verfahren mutmaßlich deshalb kein Fortgang gegeben, weil der zuständige Richter erkrankt ist, hat ein Kläger Phasen der gerichtlichen Inaktivität, die ersichtlich mit der Krankmeldung des zuständigen Richters in Zusammenhang stehen, im Umfang von pauschal drei Monaten entschädigungslos hinzunehmen. Diese Frist steht den Gerichten unter Berücksichtigung der Forderungen nach einem zügigen Verfahren und nach einer richtigen Entscheidung sowie des Gebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 GG) zu, um - im Rahmen des § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG zulässige – Maßnahmen zur Beschleunigung des Verfahrens einzuleiten.
Darüber hinausgehend kann der Beklagte sich nicht damit exkulpieren, dass er die nach dem GVG zulässigen Maßnahmen eingeleitet hat. Führen eingeleitete Maßnahmen nicht zu der gewünschten Verfahrensbeschleunigung, ist vielmehr davon auszugehen, dass dies Folge einer nicht ausreichenden Personalausstattung ist.
(Weiterführung der Urteile des Senats vom 02.08.2013 – L 37 SF 252/12 EK AL – juris, Rn. 48, vom 12.05.2015 – L 37 SF 37/12 EK VH – juris, Rn. 177 und vom 25.02.2016 – L 37 SF 128/14 EK AL – juris, Rn. 53 f.).
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Berlin zuletzt unter dem Aktenzeichen S 62 AL 519/15 geführten Klageverfahrens eine Entschädigung in Höhe von 1.300,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. Dezember 2019 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Beklagte hat 40 %, der Kläger 60 % der Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Berlin zuletzt unter dem Aktenzeichen S 62 AL 519/15 geführten Klageverfahrens. Dem Ausgangsverfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 13. Februar 2015 erhob der – seinerzeit durch andere Bevollmächtigte vertretene – Kläger Klage gegen die Bundesagentur für Arbeit (im Folgenden: BA) und begehrte deren Verpflichtung zur Neubescheidung seines Antrages auf Erlass der ältesten ihn treffenden Darlehensschuld in Höhe von 376,60 Euro. Dieses Darlehen war dem Kläger, der seinerzeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bezog, vom Jobcenter zur Begleichung von Energieschulden gewährt worden. Nachdem das Sozialgericht in dem unter dem Aktenzeichen S 56 AL 519/15 registrierten Verfahren am 27. Februar 2015 den Eingang der Klage bestätigt und die BA zur Erwiderung innerhalb eines Monats aufgefordert hatte, ging deren Stellungnahme am 27. März 2015 bei Gericht ein und wurde den damaligen Bevollmächtigten am 08. April 2015 zur Kenntnisnahme übersandt. Im Folgenden wurde der Rechtsstreit mehrfach verfristet. Am 04. August 2015 erfolgte schließlich eine Verfügung in das "E-Fach".
Auf mehrere zwischen Oktober 2015 und Februar 2017 bei Gericht eingehende Sachstandsanfragen der damaligen Bevollmächtigten des Klägers teilte das Sozialgericht jeweils mit, die Sache als entscheidungsreif anzusehen, aufgrund älterer Verfahren jedoch an einer Terminierung gehindert zu sein. Zuletzt verwies es zudem auf eine Erkrankung des ordentlichen Vorsitzenden.
Am 31. Mai 2017 wurde seitens des Klägers ein fünfseitiges Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 23. Januar 2015 bzgl. der Anwendung haushaltsrechtlicher Normen im SGB II-Bereich vorgelegt, eine Neubescheidung angemahnt und ersatzweise um Mitteilung gebeten, wann mit einem Termin zu rechnen sei. Die daraufhin am 12. Juni 2017 angeforderte Stellungnahme der an ihrer Rechtsauffassung festhaltenden BA ging am 06. Juli 2017 beim Sozialgericht ein und wurde den damaligen Bevollmächtigten des Klägers am 21. Juli 2017 zur freigestellten Stellungnahme übersandt.
Zum 01. Oktober 2017 ging das Verfahren in den Zuständigkeitsbereich der 62. Kammer über und wurde nunmehr unter dem Aktenzeichen S 62 AL 519/15 geführt. Die damaligen Beteiligten wurden hiervon unter dem 02. Oktober 2017 informiert.
Am 06. Februar 2018 ging beim Sozialgericht eine erneute Sachstandsanfrage der Bevollmächtigten verbunden mit dem Hinweis, dass die BA in einem parallelen Verfahren ein Anerkenntnis abgegeben habe, ein. Das Gericht leitete den Schriftsatz an die BA weiter und unterrichtete die damaligen Bevollmächtigten am 08. Februar 2018 über die Belastungssituation. Am 14. Februar 2018 ging die Erwiderung der BA ein, in der diese auf ihre bisherigen Ausführungen Bezug nahm. Sie wurde noch am selben Tag an die damaligen Bevollmächtigten zur freigestellten Stellungnahme innerhalb eines Monats übersandt.
Mitte Oktober 2018 unterrichtete das Sozialgericht die damaligen Beteiligten, dass es zu einem Wechsel im Vorsitz der 62. Kammer gekommen sei. Weiter richtete es Anfragen an beide Beteiligte. Am 26. Oktober 2018 ging die Reaktion der damaligen Bevollmächtigten ein, die das Sozialgericht drei Tage später an die BA zur laufenden Stellungnahme weiterleitete. Weiter forderte die Kammer die Akten des von den Bevollmächtigten benannten Parallelverfahrens an. Anfang November 2018 wurden die Gerichts- und Verwaltungsakten auf Anforderung der 54. Kammer des Sozialgerichts, in der ebenfalls ein Verfahren des Klägers anhängig war, dorthin versandt. Nachdem die Akten noch im selben Monat wieder zurückgelangt waren, erinnerte das Gericht am 06. Dezember 2018 die BA an die erbetene Stellungnahme.
Am 19. Dezember 2018 erhoben die damaligen Bevollmächtigten des Klägers in dessen Namen Verzögerungsrüge.
Zwei Tage später ging die Antwort der BA zu den vom Sozialgericht aufgeworfenen Fragen ein und wurde am 11. Januar 2019 den damaligen Bevollmächtigten zur Stellungnahme übersandt. Deren Anfang Februar 2019 eingehende Antwort wurde der BA am 13. Februar 2019 zur weiteren Veranlassung zugeleitet; der Rechtsstreit wurde in das "EÖT-Fach" verfügt.
Auf die erneute Sachstandsanfrage der damaligen Bevollmächtigten des Klägers vom 13. Juni 2019 informierte das Sozialgericht die Beteiligten kurz darauf von seiner Absicht, einen Erörterungstermin anzusetzen, was es sodann am 01. Juli 2019 für den 14. August 2019 tat. Am 30. Juli 2019 wurde der Termin wegen Verhinderung der Vorsitzenden auf den 28. August 2019 verschoben. Am 02. August 2019 wurde auf entsprechenden Antrag des Klägers die Anordnung seines persönlichen Erscheinens aufgehoben. Im Erörterungstermin am 28. August 2019 gab die BA ein Anerkenntnis ab, das der Kläger annahm.
Zwei Tage später begehrte der Kläger vorprozessual vom Beklagten die Gewährung einer Entschädigung in Höhe von 4.700,- Euro. Dieser zahlte ihm eine Entschädigung in Höhe von 1.200,- Euro. Dabei räumte er eine Liegezeit von 41 Monaten ein, verwies jedoch darauf, dass diese im Wesentlichen auf die Erkrankung des ursprünglichen Vorsitzenden zurückzuführen sei, die ihm nicht anzulasten sei.
Am 26. November 2019 hat der Kläger die – dem Beklagten am 27. Dezember 2019 zugestellte – auf Gewährung einer Entschädigung in Höhe von 3.500,- Euro nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit gerichtete Klage erhoben. Er macht geltend, dass ihm für den Zeitraum ab Oktober 2015 durchgängig bis einschließlich August 2019 eine Entschädigung zustehe. Eine Reduzierung im Hinblick auf Zeiten der unregelmäßigen Erkrankung des Vorsitzenden komme nicht in Betracht. Zum einen bestreite er die Krankheitszeiten des Vorsitzenden; der Beklagte habe weder Beschwerdebilder noch Diagnosen dargelegt. Zum anderen seien auch Zeiten der Dienstunfähigkeit des Kammervorsitzenden entschädigungsrelevant. Es verbiete sich, ihm als Kläger die Zeiten der Dienstunfähigkeit des Kammervorsitzenden anzulasten, zumal er sich die 56. Kammer nicht "ausgesucht" habe. Der Beklagte trage als Dienstherr das Ausfallrisiko. Er habe es versäumt, Vorkehrungen im Hinblick auf einen längeren Ausfall des Vorsitzenden zu treffen. Ebenso habe er nichts unternommen, um die Dienstfähigkeit des Vorsitzenden wiederherzustellen bzw. zu überprüfen. Letztlich sei die Dienstunfähigkeit des Vorsitzenden auch nur zweitrangig. Bereits am 26. Oktober 2015 sei der Rechtsstreit entscheidungsreif gewesen. Der Kammervorsitzende hätte schon zu diesem Zeitpunkt durch entsprechende Hinweise die Verfahrenserledigung durch Anerkenntnis herbeiführen bzw. den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid entscheiden können. Eines Erörterungstermins im August 2019 hätte es daher nicht bedurft. Soweit der Beklagte sich vorprozessual mit der Bedeutung des Verfahrens auseinandergesetzt habe, verbiete sich dies. Dies stehe auch dem Gericht nicht zu. Im Übrigen habe es sich aber auch um einen übersichtlichen und einfachen Sachverhalt gehandelt. Schließlich sei im vorliegenden Fall nicht von einer Vorbereitungs- und Bedenkzeit von zwölf Monaten auszugehen. Die Vorbereitungs- und Bedenkzeit betrage nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bis zu zwölf Monate. Diese Höchstgrenze sei nur bei umfangreichen und komplexen Verfahren zugrunde zu legen, wozu das hiesige Ausgangsverfahren nicht zähle. Auf diese Zeiten seien etwaige Krankheitszeiten eines Richters anzurechnen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Berlin zuletzt unter dem Aktenzeichen S 62 AL 519/15 geführten Klageverfahrens eine Entschädigung in Höhe von 3.500,- Euro zzgl. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. Dezember 2019 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, das Verfahren sei für den Kläger von durchschnittlicher Bedeutung und für das Gericht als von durchschnittlicher Komplexität einzustufen gewesen. Es sei von gerichtlicher Inaktivität ab Mai 2015 auszugehen, wobei dies nicht gelte für Juni und Juli 2017, Februar 2018, Oktober 2018 bis Februar 2019 sowie Juli und August 2019. Weiter seien hier nicht alle Zeiten gerichtlicher Inaktivität entschädigungsrelevant, da ihm (dem Beklagten) die Zeiträume vom 01. Mai bis zum 05. Juni 2015 (veranschlagt mit einem Monat) sowie vom 06. Juli 2016 bis zum 31. Oktober 2017 (16 Monate) wegen Dienstunfähigkeit des damaligen Kammervorsitzenden nicht anzulasten seien. Das Sozialgericht habe im Rahmen des nach dem Gerichtsverfassungsgesetz Zulässigen auf die Erkrankung des Richters reagiert und damit das Nötige veranlasst. Insgesamt seien Zeiten gerichtlicher Inaktivität von 41 Monaten festzustellen. Abzüglich der den Gerichten regelmäßig zustehenden Vorbereitungs- und Bedenkzeit von zwölf Monaten sowie abzüglich 17 Monaten Dienstunfähigkeitszeiten des damaligen Vorsitzenden seien zwölf Monate als entschädigungsrelevant einzustufen, für die bereits eine Entschädigung gewährt worden sei.
Zur Untermauerung seines Vortrags hat der Beklagte mit Einverständnis des früheren Vorsitzenden der 56. Kammer Auszüge aus dessen Personalakte vorgelegt, in denen die Krankheitszeiten aus den Jahren 2015 bis 2017 dokumentiert sind. Weiter hat er Beschlüsse des Präsidiums des Sozialgerichts Berlin vom 21. Mai 2015, 13. September und 06. Dezember 2016 sowie 28. August und 25. Oktober 2017 vorgelegt, mit denen zunächst besondere Vertreter bestellt und sodann Akten aus der 56. Kammer umverteilt worden waren sowie eine Eingangssperre verhängt worden war. Schließlich hat er auf die richterliche Aufforderung, Kopien der Dienstunfähigkeitsbescheinigungen des damaligen Vorsitzenden der 56. Kammer einzureichen, eine Aufstellung der aus den – ihm vorliegenden – Dienstunfähigkeitsbescheinigungen der Jahre 2016 und 2017 ersichtlichen Daten (Datum der Bescheinigung, Dauer der Dienstunfähigkeit, Eingang beim Sozialgericht) übersandt. Ergänzend hat er vorgetragen, sich aus Gründen des Datenschutzes daran gehindert zu sehen, die Dienstunfähigkeitsbescheinigungen der Jahre 2016 und 2017 als solche vorzulegen; diese seien nicht beweiserheblich. Die Dienstunfähigkeitsbescheinigungen des Jahres 2015 würden ihm schließlich selbst nicht (mehr) vorliegen, sondern befänden sich aufgrund der Pensionierung des damaligen Vorsitzenden mittlerweile beim Landesverwaltungsamt B. Bzgl. der Einzelheiten wird auf die jeweiligen Schreiben samt Unterlagen Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Akten des Ausgangsverfahrens verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
A. Die auf Gewährung einer Entschädigung gerichtete Klage ist zulässig.
I. Maßgebend für das vorliegende Klageverfahren sind die §§ 198 ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sowie die §§ 183, 197a und 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), jeweils in der Fassung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV) vom 24. November 2011 (BGBl. I, S. 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2554). Bei dem geltend gemachten Anspruch auf Gewährung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer handelt es sich nicht um einen Amtshaftungsanspruch im Sinne des Art. 34 des Grundgesetzes (GG). Es ist daher nicht der ordentliche Rechtsweg, sondern vorliegend der zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Denn die grundsätzlich in § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG vorgesehene Zuweisung der Entschädigungsklagen an das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde, wird für sozialgerichtliche Verfahren in § 202 Satz 2 SGG modifiziert. Nach dieser Regelung sind die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198-201) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung (ZPO) das SGG tritt. Für die Entscheidung über die Klage ist daher das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zuständig.
II. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft und im Übrigen zulässig. Insbesondere bestehen weder an der Wahrung der gemäß § 90 SGG für die Klage vorgeschriebenen Schriftform noch an der Einhaltung der nach § 198 Abs. 5 Satz 1 und 2 GVG zu wahrenden Fristen Zweifel.
B. Auch ist die - nach § 200 S. 1 GVG zu Recht gegen das Land Berlin gerichtete -Entschädigungsklage in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung einer – über die vom Beklagten bereits in Höhe von 1.200,- Euro gezahlte Entschädigung hinausgehende – Entschädigung in Höhe weiterer 1.300,- Euro wegen des erlittenen immateriellen Nachteils.
I. Der Kläger ist aktivlegitimiert, ohne dass es hier darauf ankäme, ob er aktuell, zu irgendeinem Zeitpunkt während des Entschädigungsverfahrens oder während der Dauer des streitgegenständlichen Ausgangsverfahrens Leistungen nach dem SGB II bezieht bzw. bezogen hat. Denn zur Überzeugung des Senats gehen Ansprüche nach § 198 GVG jedenfalls während eines Entschädigungsklageverfahrens nicht gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II auf den Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende über (vgl. ausführlich: Senatsurteil vom 25.01.2018 – L 37 SF 69/17 EK AS – juris Rn. 24 ff.; a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 22.09.2016 – L 15 SF 21/15 EK AS – juris Rn. 18 ff.).
II. Auch liegen die Voraussetzungen für die Gewährung einer (weiteren) Entschädigung vor.
Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Für einen Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist (§ 198 Abs. 2 Satz 2 GVG). Eine Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur dann, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (§ 198 Abs. 3 Satz 1 GVG).
Der Kläger hat die Dauer des Ausgangsverfahrens ordnungsgemäß gerügt (Verzögerungsrüge vom 19. Dezember 2018). Auch weist das sich ab Klageerhebung am 13. Februar 2015 bis zur Erledigung durch angenommenes Anerkenntnis am 28. August 2019 über gut viereinhalb Jahre hinziehende Verfahren eine unangemessene Dauer auf.
Gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG kommt es für die Beurteilung der Verfahrensdauer auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritten sowie die Schwierigkeit, Komplexität und Bedeutung des Verfahrens an, wobei nicht nur die Bedeutung für den auf Entschädigung klagenden Verfahrensbeteiligten aus der Sicht eines verständigen Betroffenen von Belang ist, sondern auch die Bedeutung für die Allgemeinheit.
1. Die mithin – entgegen der Ansicht des Klägers – vom Gericht sehr wohl zu beurteilende Bedeutung des Ausgangsverfahrens ist als eher unterdurchschnittlich anzusehen.
Die Bedeutung des Verfahrens ergibt sich zum einen aus der allgemeinen Tragweite der Entscheidung für die materiellen und ideellen Interessen der Beteiligten. Zum anderen trägt zur Bedeutung der Sache im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG im Kontext des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz maßgeblich das Interesse des Betroffenen gerade an einer raschen Entscheidung bei. Entscheidend ist deshalb auch, ob und wie sich der Zeitablauf nachteilig auf die Verfahrensposition eines Klägers und das geltend gemachte materielle Recht sowie möglicherweise auf die weiteren geschützten Interessen auswirkt (BSG, Urteile vom 03.09.2014 - B 10 ÜG 2/13 -, Rn. 29, - B 10 ÜG 9/13 R -, Rn. 31, - B 10 ÜG 12/13 R -, Rn. 35, - B 10 ÜG 2/14 R -, Rn. 38, 12.02.2015 – B 10 ÜG 7/14 R -, Rn. 30 und vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 1/16 R -, Rn. 34, jeweils zitiert nach juris).
Streitgegenständlich war im Ausgangsverfahren nicht die Gewährung existenzsichernder Leistungen. Vielmehr ging es lediglich um einen Anspruch auf Neubescheidung eines Antrags des Klägers auf Erlass einer Darlehensschuld in Höhe von 376,60 Euro. Dass dem Kläger, der weitere Darlehen vom Jobcenter erhalten und im Übrigen erhebliche weitere Schulden hatte, durch den Zeitablauf weitergehende Schwierigkeiten drohten, ist ebenso wenig ersichtlich oder dargetan wie ein Beweisverlust durch die Dauer des Verfahrens zu befürchten war. Für die Allgemeinheit war das Verfahren, in dem es um eine reine Einzelfallbeurteilung ging, ohne jede Bedeutung.
Die Schwierigkeiten und Komplexität des Verfahrens sind schließlich als allenfalls durchschnittlich anzusehen.
2. Für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist weiter – auch insoweit entgegen der Ansicht des Klägers – nicht entscheidend, wann das Sozialgericht die Sache erstmals als entscheidungsreif angesehen hat und durch gerichtliche Hinweise möglicherweise zum Abschluss hätte bringen können. Maßgeblich ist damit auch nicht, welche prozessualen Handlungsmöglichkeiten dem Sozialgericht in den jeweiligen Phasen des Verfahrens zur Verfügung gestanden hätten. Denn hypothetische Verfahrensverläufe haben außer Betracht zu bleiben (Senatsurteil vom 24.01.2019 – L 37 SF 102/18 EK AS WA –, juris Rn. 55). Für die Entscheidung, ob eine überlange Verfahrensdauer vorliegt, sind vielmehr nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der der Senat folgt, aktive und inaktive Zeiten der Bearbeitung gegenüberzustellen. Dabei sind dem Ausgangsgericht gewisse Vorbereitungs- und Bedenkzeiten, die regelmäßig je Instanz zwölf Monate betragen, als angemessen zuzugestehen, selbst wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte als begründet und gerechtfertigt angesehen werden können. Angemessen bleibt die Gesamtverfahrensdauer in Hauptsacheverfahren regelmäßig zudem dann, wenn sie den genannten Zeitraum überschreitet, aber insoweit auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung des Gerichts beruht oder durch Verhalten des Klägers oder Dritter verursacht wird, die das Gericht nicht zu vertreten hat (BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R – juris, Rn. 33, 54 f.). Bedeutsam ist dabei zudem, dass dann keine inaktive Zeit der Verfahrensführung vorliegt, wenn ein Kläger während Phasen (vermeintlicher) Inaktivität des Gerichts selbst durch das Einreichen von Schriftsätzen eine Bearbeitung des Vorganges durch das Gericht bewirkt. Denn eingereichte Schriftsätze, die einen gewissen Umfang haben und sich inhaltlich mit Fragen des Verfahrens befassen, bewirken generell eine Überlegungs- und Bearbeitungszeit beim Gericht, die mit einem Monat zu Buche schlägt (BSG, Urteil vom 03.09.2014 - B 10 ÜG 12/13 R - juris Rn. 57). Weiter ist zu beachten, dass die Übersendung eines Schriftsatzes, z.B. eines Gutachtens, einer gutachtlichen Stellungnahme oder auch der Berufungserwiderung an die Beteiligten zur Kenntnis stets die Möglichkeit zur Stellungnahme beinhaltet sowie die Entscheidung des Gerichts, im Hinblick auf eine mögliche Stellungnahme zunächst nicht weitere Maßnahmen zur Verfahrensförderung zu ergreifen, grundsätzlich noch seiner Entscheidungsprärogative unterliegt und - mit Ausnahme unvertretbarer oder schlechthin unverständlicher Wartezeiten - durch das Entschädigungsgericht nicht als Verfahrensverzögerung zu bewerten ist (BSG, Urteil vom 07.09.2017 - B 10 ÜG 1/16 R - juris, Rn. 43). Schließlich ist kleinste relevante Zeiteinheit im Geltungsbereich des GRüGV stets der Kalendermonat (BSG, Urteil vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 11/13 R – 2. Leitsatz und Rn. 34, vgl. auch Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R –, Rn. 29, - B 10 ÜG 9/13 R – Rn. 25, - B 10 ÜG 2/13 – Rn. 24, jeweils zitiert nach juris).
Unter Berücksichtigung dieser Grundlagen hat das Sozialgericht die im Februar 2015 eingegangene Klage zunächst sachgerecht bearbeitet, indem es der BA eine Abschrift hiervon zur Stellungnahme übermittelt hat. Nach Eingang der Klageerwiderung und deren Weiterleitung an den Kläger im April 2015 hat das Sozialgericht dem Verfahren jedoch ab Mai 2015 für längere Zeit keinen Fortgang mehr gegeben. Es war vielmehr von Mai 2015 bis April 2017 (24 Kalendermonate) inaktiv. Im Monat Mai 2015 durfte das Sozialgericht auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass der Kläger seinerseits zu der Klageerwiderung hätte Stellung nehmen können, von weiteren Maßnahmen der Verfahrensförderung absehen. Die BA als Beklagte des Ausgangsverfahrens hatte sich in der Klageerwiderung lediglich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden berufen, ohne sich weiter mit der Klagebegründung auseinanderzusetzen. Insofern war eine Stellungnahme des Klägers zur Klageerwiderung offenkundig nicht zu erwarten. Soweit das Sozialgericht im Zeitraum von Mai 2015 bis April 2017 mehrere Sachstandsanfragen beantwortet hat, ist darin keine aktive Verfahrensgestaltung zu erblicken.
Die Monate Mai 2017 bis August 2017 sind demgegenüber nicht als Zeiten der Verfahrensverzögerung zu werten. Denn am 31. Mai 2017 ist ein – samt Anlagen umfangreicher - Schriftsatz des Klägers beim Sozialgericht eingegangen, der eine einmonatige Bearbeitungszeit bei Gericht ausgelöst hat und im Übrigen im Juni 2017 der BA zur Stellungnahme zugeleitet wurde. Dass damit bereits der Mai als Aktivitätsmonat zählt, ist dem Kalendermonatsprinzip geschuldet. Die am 06. Juli 2017 eingegangene Stellungnahme der BA hat das Sozialgericht wiederum am 21. Juli 2017 dem Kläger zur freigestellten Stellungnahme übersandt. Es ist nicht zu beanstanden, dass es im Hinblick auf eine mögliche Stellungnahme des Klägers bis einschließlich August 2017 zunächst keine weiteren Maßnahmen der Verfahrensförderung ergriffen hat. Denn nachdem die BA in Reaktion auf das vorangegangene Schreiben Ermessenserwägungen angestellt hatte, war es keinesfalls fernliegend, mit einer Reaktion des Klägers hierzu zu rechnen.
Von September 2017 bis Januar 2018 (5 Kalendermonate) ist es dann allerdings erneut zur Untätigkeit des Sozialgerichts gekommen. Der in diesen Zeitraum fallende Zuständigkeitswechsel (Übergang des Verfahrens von der 56. auf die 62. Kammer zum 01. Oktober 2017) ist nicht als aktive Verfahrensförderung anzusehen (vgl. BSG, Urteil vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 1/13 R –, SozR 4-1720 § 198 Nr. 7, juris Rn. 31)
Im Februar 2018 ist das Sozialgericht wieder aktiv geworden, indem es den am 06. Februar 2018 eingegangenen klägerischen Hinweis auf ein von der BA in einem parallel geführten Verfahren abgegebenes Anerkenntnis weitergeleitet hat, woraufhin wiederum die BA mit einem am 14. Februar 2018 eingegangenen Schriftsatz auf ihre bisherigen Ausführungen Bezug genommen hat. Dem schloss sich dann allerdings wieder eine Zeit der gerichtlichen Untätigkeit von März bis September 2018 (7 Kalendermonate) an.
Anschließend, nämlich von Oktober 2018 bis zur Verfügung des Rechtsstreits in das "EÖT-Fach" im Februar 2019, wurde das Verfahren vom Sozialgericht wieder engmaschig betrieben, bevor es von März bis Juni 2019 (4 Kalendermonate) erneut zu einer Phase der gerichtlichen Inaktivität gekommen ist.
In den Monaten Juli und August 2019 hat das Sozialgericht das Verfahren wieder substanziell gefördert, indem es einen Erörterungstermin anberaumt und schließlich durchgeführt hat. Durch das von der BA abgegebene und vom Kläger angenommene Anerkenntnis hat das Verfahren in dem Erörterungstermin vom 28. August 2019 auch seine Erledigung gefunden.
Nach alledem sind im Ausgangsverfahren Zeiten gerichtlicher Inaktivität im Umfang von 40 Kalendermonaten aufgetreten.
3. Dies bedeutet indes nicht, dass dem Kläger eine Entschädigung für 40 Monate zustehen würde. Denn erst die wertende Gesamtbetrachtung und Abwägung aller Einzelfallumstände ergibt, ob die Verfahrensdauer die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechts-schutz in angemessener Zeit verletzt hat (BSG, Urteil vom 07.09.2017 - B 10 ÜG 1/16 R - juris, Rn. 33). Dabei sind - wie bereits ausgeführt - dem Ausgangsgericht Vorbereitungs- und Bedenkzeiten von in der Regel zwölf Monaten je Instanz als angemessen zuzugestehen, falls sich nicht aus dem Vortrag des Klägers oder aus den Akten besondere Umstände ergeben, die vor allem mit Blick auf die Kriterien des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG im Einzelfall zu einer anderen Bewertung führen (BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/13 R – Rn. 48, – B 10 ÜG 2/14 R – Rn. 49 und - B 10 ÜG 12/13 R - Rn. 56, jeweils zitiert nach juris). Im Rahmen der Gesamtabwägung ist schließlich im Hinblick auf die Regelung des § 198 Abs. 3 Satz 4 GVG weiter zu prüfen, ob und inwieweit eine mögliche Verletzung der Hinweispflicht eines Klägers nach § 198 Abs. 3 Satz 3 GVG zu einer Verkürzung der entschädigungsrelevanten Überlänge beitragen kann (BSG, Urteil vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 11/13 R - juris, Rn. 34).
Anlass, von der Vorbereitungs- und Bedenkzeit von zwölf Monaten für das Klageverfahren zugunsten des Klägers im Sinne einer Verkürzung dieser Zeit abzuweichen, besteht zur Überzeugung des Senats weder nach Aktenlage noch nach dem Vortrag der Beteiligten. Insbesondere rechtfertigt der Streitgegenstand eine dahin-gehende Entscheidung nicht.
Indes ist im Rahmen der Gesamtbetrachtung hier zu berücksichtigen, dass im streitgegenständlichen Ausgangsverfahren die Phasen der gerichtlichen Inaktivität zu einem nicht unerheblichen Teil mit Zeiten zusammenfielen, in denen der zunächst für die Bearbeitung des Verfahrens zuständige Richter dienstunfähig gemeldet war. Denn nachdem schon spätestens für den Zeitraum ab Anfang 2015 bis zum 05. Juni 2015 – und damit bereits bei Eingang der Klage – Dienstunfähigskeitsmeldungen vorgelegen hatten und im Folgenden weitere Fehlzeiten wegen Krankmeldung in der ersten Novemberwoche 2015 sowie vom 25. Januar bis zum 05. Februar 2016 aufgetreten waren, war der Richter vom 05. Juli 2016 an durchgehend bis zum Übergang des Verfahrens in die 62. Kammer am 01. Oktober 2017 dienstunfähig geschrieben.
Soweit der Kläger meint, diese Zeiten seien schon deshalb für das Entschädigungsverfahren ohne Bedeutung, weil nicht nachgewiesen sei, dass der Richter tatsächlich erkrankt war und der Beklagte nichts unternommen habe, um die Dienstfähigkeit des Richters wiederherzustellen oder auch nur zu überprüfen, folgt der Senat ihm nicht. Abgesehen davon, dass nicht ansatzweise nachvollziehbar ist, was der Beklagte zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit eines Richters tun sollte, kann es für ein Entschädigungsverfahren zur Überzeugung des Senats allenfalls maßgeblich sein, ob sich der Richter für den infrage stehenden Zeitraum krankgemeldet hatte und deshalb tatsächlich keinen Dienst getan hat. Für den Nachweis dieser Tatsache reicht es jedoch allemal aus, wenn der Beklagte – wie hier – Auszüge aus den Personalakten des Richters vorlegt, in denen die Zeiten der Dienstunfähigkeit vermerkt sind. Nicht hingegen bedarf es einer Prüfung des Entschädigungsgerichts, ob der Richter tatsächlich dienstunfähig war. Dementsprechend ist der Beklagte auch weder verpflichtet, die Dienstunfähigkeitsbescheinigungen vorzulegen, noch auch nur die von den Ärzten gestellten Diagnosen bzw. die erhobenen Befunde mitzuteilen, zumal ihm diese in aller Regel selbst nicht bekannt sein dürften.
Soweit hingegen der Beklagte meint, die Phasen der Dienstunfähigkeit eines Richters – die er hier mit Blick auf das streitgegenständliche Verfahren im Umfang von 17 Kalendermonaten ansetzt – seien ihm im Entschädigungsverfahren nicht anzulasten, folgt der Senat auch ihm – zumindest in weiten Teilen - nicht.
Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass eine auf eine Erkrankung des zuständigen Richters zurückzuführende Verfahrensverzögerung – konkret die Umladung eines anberaumten Termins - dem beklagten Land nicht anzulasten sei, solange nicht unverzügliche Gegenmaßnahmen geboten wären (Urteil vom 02.08.2013 – L 37 SF 252/12 EK AL – juris, Rn. 48, vgl. auch Urteil vom 12.05.2015 – L 37 SF 37/12 EK VH – juris, Rn. 177). Denn eine solche Verzögerung sei nicht auf eine unzureichende Ausstattung der Justiz im Allgemeinen, sondern auf die unvorhergesehene Erkrankung des Richters zurückzuführen. Auch sei es in der vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägten Sozialgerichtsbarkeit, in der die Durchführung einer mündlichen Verhandlung eine intensive, nicht selten durch das Studium umfangreicher Akten geprägte und daher sehr zeitaufwändige Vorbereitung erfordere, in der Regel weder möglich noch auch nur geboten, dass der reguläre Vertreter im Falle der plötzlichen Erkrankung des Kammervorsitzenden kurzfristig eine mündliche Verhandlung für diesen wahrnehme. Denn es komme nicht allein auf einen raschen Verfahrensabschluss an. Gleichermaßen sei das Ziel zu berücksichtigen, einen Rechtsstreit einer möglichst richtigen Entscheidung zuzuführen. Selbst ein - nicht mit einem eigenen Dezernat belasteter - Vertreter dürfte jedoch kaum in der Lage sein, ohne jede frühere Kenntnis der Akten von heute auf morgen einen vollständigen Sitzungstermin sachgerecht vorzubereiten. Abgesehen davon erfordere das Vorhalten von Vertretern, die in Krankheitsfällen jederzeit einspringen könnten, eine Personalausstattung, die mit den Grundsätzen sparsamer Haushaltsführung nicht in Einklang zu bringen wäre. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass eine Terminsverlegung in der Sozialgerichtsbarkeit – anders als möglicherweise in Haftsachen vor den Strafgerichten – in der Regel keine dramatischen Folgen habe. Weiter hat der Senat in der vorgenannten Entscheidung allerdings auch ausgeführt, dass ein Kläger zwar keinen Anspruch auf einen optimalen Verfahrensverlauf habe, wohl aber die Erkrankung eines Richters eine Abwägung erfordere, welche Schritte einzuleiten sind, was zunächst einmal eine Kenntnis der Verwaltung davon erfordere, ob es sich voraussichtlich um eine nur kurzzeitige oder eine längerfristige Erkrankung handeln werde. Denn nur in letzterem Falle sei die Einleitung weiterer Schritte – z.B. die Bestellung eines besonderen Vertreters oder eine Umverteilung – erforderlich. Dies mache jedoch nach einer der Verwaltung zuzubilligenden Vorbereitungsphase die Einschaltung des Präsidiums erforderlich, was wiederum Zeit in Anspruch nehme. Der Senat gehe insoweit davon aus, dass die erforderlichen Schritte binnen drei Kalendermonaten nach Auftreten der Erkrankung eines Richters einzuleiten sein müssten, und sehe dementsprechend die drei auf das Auftreten der Erkrankung folgenden Kalendermonate nicht als Phase der gerichtlichen Inaktivität, sondern als von Klägern regelmäßig als "höhere Gewalt" entschädigungslos hinzunehmende Zeiten an (vgl. Urteil vom 25.02.2016 – L 37 SF 128/14 EK AL – juris Rn. 53 f.).
Ähnlich vertritt das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung, dass eine unvorhersehbare Erkrankung des Richters (im konkreten Fall: des berichterstattenden Vorsitzenden) als ein Fall höherer Gewalt anzusehen sei, der grundsätzlich eine vorübergehende Terminsverschiebung rechtfertigen könne (BVerwG, Urteil vom 11.07.2013 – 5 C 27/12 D –, juris Rn. 44). Die Erkrankung eines Richters könne im Hinblick auf die in der Geschäftsverteilung des Gerichts vorzusehenden Vertretungsregelungen aber nur eine kurzfristige Verzögerung rechtfertigen. Erkranke ein Richter, seien grundsätzlich die zur Vertretung berufenen Richter zur Förderung des Verfahrens verpflichtet.
Der Senat geht letztlich in Erweiterung der zuvor skizzierten Rechtsprechung auch für diejenigen Fälle, in denen es zwar nicht wegen der Erkrankung des Richters zu einer Terminsaufhebung bzw. –verschiebung o.ä. gekommen ist, einem Verfahren jedoch mutmaßlich deshalb kein Fortgang gegeben wird, weil der zuständige Richter erkrankt ist, davon aus, dass ein Kläger Phasen der gerichtlichen Inaktivität, die ersichtlich mit der Krankmeldung des zuständigen Richters in Zusammenhang stehen, im Umfang von drei Monaten entschädigungslos hinzunehmen hat. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass neben den Forderungen nach einem zügigen Verfahren und nach einer richtigen Entscheidung auch das im Grundgesetz verankerte Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 GG) zu beherzigen ist. Ausfluss hiervon ist die Regelung des § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG, nach der die grundsätzlich für das Geschäftsjahr im Voraus getroffenen Anordnungen im Laufe des Geschäftsjahres nur unter engen Voraussetzungen, namentlich nur bei dauernder Verhinderung einzelner Richter, geändert werden dürfen. Ein Gericht kann daher im Falle der Erkrankung eines Richters schon rechtlich, aber letztlich oft auch - mangels Kenntnis von der Art und vermutlichen Dauer der Erkrankung - tatsächlich kaum umgehend reagieren, sodass der Senat es auch in diesen Fällen als angemessen ansieht, ihm pauschal eine Phase von drei Monaten einzuräumen, um geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Dies heißt indes – entgegen der Ansicht des Beklagten - weder, dass dieser exkulpiert wäre, wenn denn die rechtlich zulässigen Maßnahmen innerhalb von drei Monaten eingeleitet wurden, noch dass ein Kläger die über drei Monate hinausgehende Zeit entschädigungslos hinzunehmen hat. Vorliegend hat das Präsidium des Sozialgerichts Berlin zunächst versucht, der Erkrankung des ursprünglich zuständigen Kammervorsitzenden durch die Bestellung besonderer Vertreter entgegenzuwirken, hat dann eine Eingangssperre verhängt, die naturgemäß keinen Einfluss auf die in einer Kammer bereits anhängigen Verfahren hat, und hat schließlich Verfahren in andere Kammern umverteilt. Auch wenn dem Präsidium – soweit ersichtlich – andere rechtmäßige Maßnahmen nicht zur Verfügung gestanden haben, so ist gleichwohl festzustellen, dass die getroffenen nicht zu dem gewünschten Erfolg geführt haben. Dies aber fällt in den Verantwortungsbereich des Beklagten. Denn letztlich ist es Folge einer nicht ausreichenden Personalausstattung, wenn die eingeleiteten Maßnahmen nicht dazu beitragen, dass ein Verfahren in angemessener Zeit zum Abschluss gebracht werden kann, weil der zum besonderen Vertreter bestellte oder mit übergehenden Akten betraute Richter bereits in seiner eigenen Kammer schon so stark belastet ist, dass er nicht auch noch weitere Verfahren in angemessener Zeit bearbeiten kann. Je größer eine Behörde ist, desto wahrscheinlicher ist es letztlich, dass – auch längerfristige – Krankheitszeiten auftreten, was bei der Personaldecke berücksichtigt werden muss. Dies ist hier jedoch offensichtlich nicht geschehen.
Von den aufgetretenen 40 Kalendermonaten der gerichtlichen Inaktivität sind mithin zur Überzeugung des Senats hier 15 Kalendermonate in Abzug zu bringen, sodass es bei 25 entschädigungspflichtigen Monaten verbleibt.
4. Durch die überlange Verfahrensdauer hat der Kläger einen Nachteil nicht vermögenswerter Art erlitten. Dies folgt bereits aus § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG, wonach ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet wird, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Umstände, die diese gesetzliche Vermutung zu widerlegen geeignet wären, sind nicht erkennbar und auch von dem Beklagten nicht vorgebracht worden.
5. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 GVG, insbesondere durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, ist zur Überzeugung des Senats im vorliegenden Fall nicht ausreichend. Unter Würdigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 und Art. 41 Europäische Menschenrechtskonvention, nach der eine derartige Kompensation eines Nichtvermögensschadens nur ausnahmsweise in Betracht kommt, besteht vorliegend kein Anlass, von der gesetzlich als Normalfall vorgesehenen Zahlung einer Entschädigung abzusehen.
6. Ausgehend von der entschädigungspflichtigen Überlänge von 25 Kalendermonaten und dem in § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG vorgegebenen Richtwert von 1.200,- Euro für jedes Jahr der Verzögerung beläuft sich die dem Kläger zustehende angemessene Entschädigung auf 2.500,- Euro. Gründe, die den Ansatz des gesetzlich vorgesehenen Pauschalbetrages unbillig und daher eine abweichende Festsetzung notwendig erscheinen lassen könnten (vgl. § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG), sind nicht ersichtlich und von den Beteiligten auch nicht vorgetragen. Zu beachten ist allerdings, dass der Beklagte auf den Anspruch des Klägers vorprozessual bereits eine Zahlung in Höhe von 1.200,- Euro geleistet hat, sodass der Anspruch insoweit durch Erfüllung erloschen ist (vgl. § 362 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Zu zahlen sind daher noch weitere 1.300,- Euro.
III. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von Prozesszinsen ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 288 Abs. 1, 291 Satz 1 BGB. Diese Vorschriften sind im Rahmen von Entschädigungsklagen (auch) in den öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten anwendbar, weil Spezialregelungen, die den allgemeinen Anspruch auf Prozesszinsen verdrängen könnten, nicht bestehen (BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 9/13 R – Rn. 52, – B 10 ÜG 12/13 R – Rn. 61, – B 10 ÜG 2/14 R – Rn. 54, jeweils zitiert nach juris). Die Zinsen sind ab Rechtshängigkeit, d.h. nach § 94 Satz 2 SGG ab Zustellung der Klage, hier ab dem 27. Dezember 2019, zu zahlen.
IV. Soweit in § 198 Abs. 4 Satz 3 GVG schließlich die Möglichkeit vorgesehen ist, in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung auszusprechen, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, sieht der Senat hierfür keinen Grund. Er vermag bereits nicht zu erkennen, dass vorliegend ein schwerwiegender Fall gegeben wäre.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
VI. Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG i.V.m. § 202 Satz 2 SGG und § 201 Abs. 2 Satz 3 GVG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Berlin zuletzt unter dem Aktenzeichen S 62 AL 519/15 geführten Klageverfahrens. Dem Ausgangsverfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 13. Februar 2015 erhob der – seinerzeit durch andere Bevollmächtigte vertretene – Kläger Klage gegen die Bundesagentur für Arbeit (im Folgenden: BA) und begehrte deren Verpflichtung zur Neubescheidung seines Antrages auf Erlass der ältesten ihn treffenden Darlehensschuld in Höhe von 376,60 Euro. Dieses Darlehen war dem Kläger, der seinerzeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bezog, vom Jobcenter zur Begleichung von Energieschulden gewährt worden. Nachdem das Sozialgericht in dem unter dem Aktenzeichen S 56 AL 519/15 registrierten Verfahren am 27. Februar 2015 den Eingang der Klage bestätigt und die BA zur Erwiderung innerhalb eines Monats aufgefordert hatte, ging deren Stellungnahme am 27. März 2015 bei Gericht ein und wurde den damaligen Bevollmächtigten am 08. April 2015 zur Kenntnisnahme übersandt. Im Folgenden wurde der Rechtsstreit mehrfach verfristet. Am 04. August 2015 erfolgte schließlich eine Verfügung in das "E-Fach".
Auf mehrere zwischen Oktober 2015 und Februar 2017 bei Gericht eingehende Sachstandsanfragen der damaligen Bevollmächtigten des Klägers teilte das Sozialgericht jeweils mit, die Sache als entscheidungsreif anzusehen, aufgrund älterer Verfahren jedoch an einer Terminierung gehindert zu sein. Zuletzt verwies es zudem auf eine Erkrankung des ordentlichen Vorsitzenden.
Am 31. Mai 2017 wurde seitens des Klägers ein fünfseitiges Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 23. Januar 2015 bzgl. der Anwendung haushaltsrechtlicher Normen im SGB II-Bereich vorgelegt, eine Neubescheidung angemahnt und ersatzweise um Mitteilung gebeten, wann mit einem Termin zu rechnen sei. Die daraufhin am 12. Juni 2017 angeforderte Stellungnahme der an ihrer Rechtsauffassung festhaltenden BA ging am 06. Juli 2017 beim Sozialgericht ein und wurde den damaligen Bevollmächtigten des Klägers am 21. Juli 2017 zur freigestellten Stellungnahme übersandt.
Zum 01. Oktober 2017 ging das Verfahren in den Zuständigkeitsbereich der 62. Kammer über und wurde nunmehr unter dem Aktenzeichen S 62 AL 519/15 geführt. Die damaligen Beteiligten wurden hiervon unter dem 02. Oktober 2017 informiert.
Am 06. Februar 2018 ging beim Sozialgericht eine erneute Sachstandsanfrage der Bevollmächtigten verbunden mit dem Hinweis, dass die BA in einem parallelen Verfahren ein Anerkenntnis abgegeben habe, ein. Das Gericht leitete den Schriftsatz an die BA weiter und unterrichtete die damaligen Bevollmächtigten am 08. Februar 2018 über die Belastungssituation. Am 14. Februar 2018 ging die Erwiderung der BA ein, in der diese auf ihre bisherigen Ausführungen Bezug nahm. Sie wurde noch am selben Tag an die damaligen Bevollmächtigten zur freigestellten Stellungnahme innerhalb eines Monats übersandt.
Mitte Oktober 2018 unterrichtete das Sozialgericht die damaligen Beteiligten, dass es zu einem Wechsel im Vorsitz der 62. Kammer gekommen sei. Weiter richtete es Anfragen an beide Beteiligte. Am 26. Oktober 2018 ging die Reaktion der damaligen Bevollmächtigten ein, die das Sozialgericht drei Tage später an die BA zur laufenden Stellungnahme weiterleitete. Weiter forderte die Kammer die Akten des von den Bevollmächtigten benannten Parallelverfahrens an. Anfang November 2018 wurden die Gerichts- und Verwaltungsakten auf Anforderung der 54. Kammer des Sozialgerichts, in der ebenfalls ein Verfahren des Klägers anhängig war, dorthin versandt. Nachdem die Akten noch im selben Monat wieder zurückgelangt waren, erinnerte das Gericht am 06. Dezember 2018 die BA an die erbetene Stellungnahme.
Am 19. Dezember 2018 erhoben die damaligen Bevollmächtigten des Klägers in dessen Namen Verzögerungsrüge.
Zwei Tage später ging die Antwort der BA zu den vom Sozialgericht aufgeworfenen Fragen ein und wurde am 11. Januar 2019 den damaligen Bevollmächtigten zur Stellungnahme übersandt. Deren Anfang Februar 2019 eingehende Antwort wurde der BA am 13. Februar 2019 zur weiteren Veranlassung zugeleitet; der Rechtsstreit wurde in das "EÖT-Fach" verfügt.
Auf die erneute Sachstandsanfrage der damaligen Bevollmächtigten des Klägers vom 13. Juni 2019 informierte das Sozialgericht die Beteiligten kurz darauf von seiner Absicht, einen Erörterungstermin anzusetzen, was es sodann am 01. Juli 2019 für den 14. August 2019 tat. Am 30. Juli 2019 wurde der Termin wegen Verhinderung der Vorsitzenden auf den 28. August 2019 verschoben. Am 02. August 2019 wurde auf entsprechenden Antrag des Klägers die Anordnung seines persönlichen Erscheinens aufgehoben. Im Erörterungstermin am 28. August 2019 gab die BA ein Anerkenntnis ab, das der Kläger annahm.
Zwei Tage später begehrte der Kläger vorprozessual vom Beklagten die Gewährung einer Entschädigung in Höhe von 4.700,- Euro. Dieser zahlte ihm eine Entschädigung in Höhe von 1.200,- Euro. Dabei räumte er eine Liegezeit von 41 Monaten ein, verwies jedoch darauf, dass diese im Wesentlichen auf die Erkrankung des ursprünglichen Vorsitzenden zurückzuführen sei, die ihm nicht anzulasten sei.
Am 26. November 2019 hat der Kläger die – dem Beklagten am 27. Dezember 2019 zugestellte – auf Gewährung einer Entschädigung in Höhe von 3.500,- Euro nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit gerichtete Klage erhoben. Er macht geltend, dass ihm für den Zeitraum ab Oktober 2015 durchgängig bis einschließlich August 2019 eine Entschädigung zustehe. Eine Reduzierung im Hinblick auf Zeiten der unregelmäßigen Erkrankung des Vorsitzenden komme nicht in Betracht. Zum einen bestreite er die Krankheitszeiten des Vorsitzenden; der Beklagte habe weder Beschwerdebilder noch Diagnosen dargelegt. Zum anderen seien auch Zeiten der Dienstunfähigkeit des Kammervorsitzenden entschädigungsrelevant. Es verbiete sich, ihm als Kläger die Zeiten der Dienstunfähigkeit des Kammervorsitzenden anzulasten, zumal er sich die 56. Kammer nicht "ausgesucht" habe. Der Beklagte trage als Dienstherr das Ausfallrisiko. Er habe es versäumt, Vorkehrungen im Hinblick auf einen längeren Ausfall des Vorsitzenden zu treffen. Ebenso habe er nichts unternommen, um die Dienstfähigkeit des Vorsitzenden wiederherzustellen bzw. zu überprüfen. Letztlich sei die Dienstunfähigkeit des Vorsitzenden auch nur zweitrangig. Bereits am 26. Oktober 2015 sei der Rechtsstreit entscheidungsreif gewesen. Der Kammervorsitzende hätte schon zu diesem Zeitpunkt durch entsprechende Hinweise die Verfahrenserledigung durch Anerkenntnis herbeiführen bzw. den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid entscheiden können. Eines Erörterungstermins im August 2019 hätte es daher nicht bedurft. Soweit der Beklagte sich vorprozessual mit der Bedeutung des Verfahrens auseinandergesetzt habe, verbiete sich dies. Dies stehe auch dem Gericht nicht zu. Im Übrigen habe es sich aber auch um einen übersichtlichen und einfachen Sachverhalt gehandelt. Schließlich sei im vorliegenden Fall nicht von einer Vorbereitungs- und Bedenkzeit von zwölf Monaten auszugehen. Die Vorbereitungs- und Bedenkzeit betrage nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bis zu zwölf Monate. Diese Höchstgrenze sei nur bei umfangreichen und komplexen Verfahren zugrunde zu legen, wozu das hiesige Ausgangsverfahren nicht zähle. Auf diese Zeiten seien etwaige Krankheitszeiten eines Richters anzurechnen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Berlin zuletzt unter dem Aktenzeichen S 62 AL 519/15 geführten Klageverfahrens eine Entschädigung in Höhe von 3.500,- Euro zzgl. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. Dezember 2019 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, das Verfahren sei für den Kläger von durchschnittlicher Bedeutung und für das Gericht als von durchschnittlicher Komplexität einzustufen gewesen. Es sei von gerichtlicher Inaktivität ab Mai 2015 auszugehen, wobei dies nicht gelte für Juni und Juli 2017, Februar 2018, Oktober 2018 bis Februar 2019 sowie Juli und August 2019. Weiter seien hier nicht alle Zeiten gerichtlicher Inaktivität entschädigungsrelevant, da ihm (dem Beklagten) die Zeiträume vom 01. Mai bis zum 05. Juni 2015 (veranschlagt mit einem Monat) sowie vom 06. Juli 2016 bis zum 31. Oktober 2017 (16 Monate) wegen Dienstunfähigkeit des damaligen Kammervorsitzenden nicht anzulasten seien. Das Sozialgericht habe im Rahmen des nach dem Gerichtsverfassungsgesetz Zulässigen auf die Erkrankung des Richters reagiert und damit das Nötige veranlasst. Insgesamt seien Zeiten gerichtlicher Inaktivität von 41 Monaten festzustellen. Abzüglich der den Gerichten regelmäßig zustehenden Vorbereitungs- und Bedenkzeit von zwölf Monaten sowie abzüglich 17 Monaten Dienstunfähigkeitszeiten des damaligen Vorsitzenden seien zwölf Monate als entschädigungsrelevant einzustufen, für die bereits eine Entschädigung gewährt worden sei.
Zur Untermauerung seines Vortrags hat der Beklagte mit Einverständnis des früheren Vorsitzenden der 56. Kammer Auszüge aus dessen Personalakte vorgelegt, in denen die Krankheitszeiten aus den Jahren 2015 bis 2017 dokumentiert sind. Weiter hat er Beschlüsse des Präsidiums des Sozialgerichts Berlin vom 21. Mai 2015, 13. September und 06. Dezember 2016 sowie 28. August und 25. Oktober 2017 vorgelegt, mit denen zunächst besondere Vertreter bestellt und sodann Akten aus der 56. Kammer umverteilt worden waren sowie eine Eingangssperre verhängt worden war. Schließlich hat er auf die richterliche Aufforderung, Kopien der Dienstunfähigkeitsbescheinigungen des damaligen Vorsitzenden der 56. Kammer einzureichen, eine Aufstellung der aus den – ihm vorliegenden – Dienstunfähigkeitsbescheinigungen der Jahre 2016 und 2017 ersichtlichen Daten (Datum der Bescheinigung, Dauer der Dienstunfähigkeit, Eingang beim Sozialgericht) übersandt. Ergänzend hat er vorgetragen, sich aus Gründen des Datenschutzes daran gehindert zu sehen, die Dienstunfähigkeitsbescheinigungen der Jahre 2016 und 2017 als solche vorzulegen; diese seien nicht beweiserheblich. Die Dienstunfähigkeitsbescheinigungen des Jahres 2015 würden ihm schließlich selbst nicht (mehr) vorliegen, sondern befänden sich aufgrund der Pensionierung des damaligen Vorsitzenden mittlerweile beim Landesverwaltungsamt B. Bzgl. der Einzelheiten wird auf die jeweiligen Schreiben samt Unterlagen Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Akten des Ausgangsverfahrens verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
A. Die auf Gewährung einer Entschädigung gerichtete Klage ist zulässig.
I. Maßgebend für das vorliegende Klageverfahren sind die §§ 198 ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sowie die §§ 183, 197a und 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), jeweils in der Fassung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV) vom 24. November 2011 (BGBl. I, S. 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2554). Bei dem geltend gemachten Anspruch auf Gewährung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer handelt es sich nicht um einen Amtshaftungsanspruch im Sinne des Art. 34 des Grundgesetzes (GG). Es ist daher nicht der ordentliche Rechtsweg, sondern vorliegend der zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Denn die grundsätzlich in § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG vorgesehene Zuweisung der Entschädigungsklagen an das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde, wird für sozialgerichtliche Verfahren in § 202 Satz 2 SGG modifiziert. Nach dieser Regelung sind die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198-201) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung (ZPO) das SGG tritt. Für die Entscheidung über die Klage ist daher das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zuständig.
II. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft und im Übrigen zulässig. Insbesondere bestehen weder an der Wahrung der gemäß § 90 SGG für die Klage vorgeschriebenen Schriftform noch an der Einhaltung der nach § 198 Abs. 5 Satz 1 und 2 GVG zu wahrenden Fristen Zweifel.
B. Auch ist die - nach § 200 S. 1 GVG zu Recht gegen das Land Berlin gerichtete -Entschädigungsklage in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung einer – über die vom Beklagten bereits in Höhe von 1.200,- Euro gezahlte Entschädigung hinausgehende – Entschädigung in Höhe weiterer 1.300,- Euro wegen des erlittenen immateriellen Nachteils.
I. Der Kläger ist aktivlegitimiert, ohne dass es hier darauf ankäme, ob er aktuell, zu irgendeinem Zeitpunkt während des Entschädigungsverfahrens oder während der Dauer des streitgegenständlichen Ausgangsverfahrens Leistungen nach dem SGB II bezieht bzw. bezogen hat. Denn zur Überzeugung des Senats gehen Ansprüche nach § 198 GVG jedenfalls während eines Entschädigungsklageverfahrens nicht gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II auf den Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende über (vgl. ausführlich: Senatsurteil vom 25.01.2018 – L 37 SF 69/17 EK AS – juris Rn. 24 ff.; a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 22.09.2016 – L 15 SF 21/15 EK AS – juris Rn. 18 ff.).
II. Auch liegen die Voraussetzungen für die Gewährung einer (weiteren) Entschädigung vor.
Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Für einen Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist (§ 198 Abs. 2 Satz 2 GVG). Eine Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur dann, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (§ 198 Abs. 3 Satz 1 GVG).
Der Kläger hat die Dauer des Ausgangsverfahrens ordnungsgemäß gerügt (Verzögerungsrüge vom 19. Dezember 2018). Auch weist das sich ab Klageerhebung am 13. Februar 2015 bis zur Erledigung durch angenommenes Anerkenntnis am 28. August 2019 über gut viereinhalb Jahre hinziehende Verfahren eine unangemessene Dauer auf.
Gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG kommt es für die Beurteilung der Verfahrensdauer auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritten sowie die Schwierigkeit, Komplexität und Bedeutung des Verfahrens an, wobei nicht nur die Bedeutung für den auf Entschädigung klagenden Verfahrensbeteiligten aus der Sicht eines verständigen Betroffenen von Belang ist, sondern auch die Bedeutung für die Allgemeinheit.
1. Die mithin – entgegen der Ansicht des Klägers – vom Gericht sehr wohl zu beurteilende Bedeutung des Ausgangsverfahrens ist als eher unterdurchschnittlich anzusehen.
Die Bedeutung des Verfahrens ergibt sich zum einen aus der allgemeinen Tragweite der Entscheidung für die materiellen und ideellen Interessen der Beteiligten. Zum anderen trägt zur Bedeutung der Sache im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG im Kontext des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz maßgeblich das Interesse des Betroffenen gerade an einer raschen Entscheidung bei. Entscheidend ist deshalb auch, ob und wie sich der Zeitablauf nachteilig auf die Verfahrensposition eines Klägers und das geltend gemachte materielle Recht sowie möglicherweise auf die weiteren geschützten Interessen auswirkt (BSG, Urteile vom 03.09.2014 - B 10 ÜG 2/13 -, Rn. 29, - B 10 ÜG 9/13 R -, Rn. 31, - B 10 ÜG 12/13 R -, Rn. 35, - B 10 ÜG 2/14 R -, Rn. 38, 12.02.2015 – B 10 ÜG 7/14 R -, Rn. 30 und vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 1/16 R -, Rn. 34, jeweils zitiert nach juris).
Streitgegenständlich war im Ausgangsverfahren nicht die Gewährung existenzsichernder Leistungen. Vielmehr ging es lediglich um einen Anspruch auf Neubescheidung eines Antrags des Klägers auf Erlass einer Darlehensschuld in Höhe von 376,60 Euro. Dass dem Kläger, der weitere Darlehen vom Jobcenter erhalten und im Übrigen erhebliche weitere Schulden hatte, durch den Zeitablauf weitergehende Schwierigkeiten drohten, ist ebenso wenig ersichtlich oder dargetan wie ein Beweisverlust durch die Dauer des Verfahrens zu befürchten war. Für die Allgemeinheit war das Verfahren, in dem es um eine reine Einzelfallbeurteilung ging, ohne jede Bedeutung.
Die Schwierigkeiten und Komplexität des Verfahrens sind schließlich als allenfalls durchschnittlich anzusehen.
2. Für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist weiter – auch insoweit entgegen der Ansicht des Klägers – nicht entscheidend, wann das Sozialgericht die Sache erstmals als entscheidungsreif angesehen hat und durch gerichtliche Hinweise möglicherweise zum Abschluss hätte bringen können. Maßgeblich ist damit auch nicht, welche prozessualen Handlungsmöglichkeiten dem Sozialgericht in den jeweiligen Phasen des Verfahrens zur Verfügung gestanden hätten. Denn hypothetische Verfahrensverläufe haben außer Betracht zu bleiben (Senatsurteil vom 24.01.2019 – L 37 SF 102/18 EK AS WA –, juris Rn. 55). Für die Entscheidung, ob eine überlange Verfahrensdauer vorliegt, sind vielmehr nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der der Senat folgt, aktive und inaktive Zeiten der Bearbeitung gegenüberzustellen. Dabei sind dem Ausgangsgericht gewisse Vorbereitungs- und Bedenkzeiten, die regelmäßig je Instanz zwölf Monate betragen, als angemessen zuzugestehen, selbst wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte als begründet und gerechtfertigt angesehen werden können. Angemessen bleibt die Gesamtverfahrensdauer in Hauptsacheverfahren regelmäßig zudem dann, wenn sie den genannten Zeitraum überschreitet, aber insoweit auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung des Gerichts beruht oder durch Verhalten des Klägers oder Dritter verursacht wird, die das Gericht nicht zu vertreten hat (BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R – juris, Rn. 33, 54 f.). Bedeutsam ist dabei zudem, dass dann keine inaktive Zeit der Verfahrensführung vorliegt, wenn ein Kläger während Phasen (vermeintlicher) Inaktivität des Gerichts selbst durch das Einreichen von Schriftsätzen eine Bearbeitung des Vorganges durch das Gericht bewirkt. Denn eingereichte Schriftsätze, die einen gewissen Umfang haben und sich inhaltlich mit Fragen des Verfahrens befassen, bewirken generell eine Überlegungs- und Bearbeitungszeit beim Gericht, die mit einem Monat zu Buche schlägt (BSG, Urteil vom 03.09.2014 - B 10 ÜG 12/13 R - juris Rn. 57). Weiter ist zu beachten, dass die Übersendung eines Schriftsatzes, z.B. eines Gutachtens, einer gutachtlichen Stellungnahme oder auch der Berufungserwiderung an die Beteiligten zur Kenntnis stets die Möglichkeit zur Stellungnahme beinhaltet sowie die Entscheidung des Gerichts, im Hinblick auf eine mögliche Stellungnahme zunächst nicht weitere Maßnahmen zur Verfahrensförderung zu ergreifen, grundsätzlich noch seiner Entscheidungsprärogative unterliegt und - mit Ausnahme unvertretbarer oder schlechthin unverständlicher Wartezeiten - durch das Entschädigungsgericht nicht als Verfahrensverzögerung zu bewerten ist (BSG, Urteil vom 07.09.2017 - B 10 ÜG 1/16 R - juris, Rn. 43). Schließlich ist kleinste relevante Zeiteinheit im Geltungsbereich des GRüGV stets der Kalendermonat (BSG, Urteil vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 11/13 R – 2. Leitsatz und Rn. 34, vgl. auch Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R –, Rn. 29, - B 10 ÜG 9/13 R – Rn. 25, - B 10 ÜG 2/13 – Rn. 24, jeweils zitiert nach juris).
Unter Berücksichtigung dieser Grundlagen hat das Sozialgericht die im Februar 2015 eingegangene Klage zunächst sachgerecht bearbeitet, indem es der BA eine Abschrift hiervon zur Stellungnahme übermittelt hat. Nach Eingang der Klageerwiderung und deren Weiterleitung an den Kläger im April 2015 hat das Sozialgericht dem Verfahren jedoch ab Mai 2015 für längere Zeit keinen Fortgang mehr gegeben. Es war vielmehr von Mai 2015 bis April 2017 (24 Kalendermonate) inaktiv. Im Monat Mai 2015 durfte das Sozialgericht auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass der Kläger seinerseits zu der Klageerwiderung hätte Stellung nehmen können, von weiteren Maßnahmen der Verfahrensförderung absehen. Die BA als Beklagte des Ausgangsverfahrens hatte sich in der Klageerwiderung lediglich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden berufen, ohne sich weiter mit der Klagebegründung auseinanderzusetzen. Insofern war eine Stellungnahme des Klägers zur Klageerwiderung offenkundig nicht zu erwarten. Soweit das Sozialgericht im Zeitraum von Mai 2015 bis April 2017 mehrere Sachstandsanfragen beantwortet hat, ist darin keine aktive Verfahrensgestaltung zu erblicken.
Die Monate Mai 2017 bis August 2017 sind demgegenüber nicht als Zeiten der Verfahrensverzögerung zu werten. Denn am 31. Mai 2017 ist ein – samt Anlagen umfangreicher - Schriftsatz des Klägers beim Sozialgericht eingegangen, der eine einmonatige Bearbeitungszeit bei Gericht ausgelöst hat und im Übrigen im Juni 2017 der BA zur Stellungnahme zugeleitet wurde. Dass damit bereits der Mai als Aktivitätsmonat zählt, ist dem Kalendermonatsprinzip geschuldet. Die am 06. Juli 2017 eingegangene Stellungnahme der BA hat das Sozialgericht wiederum am 21. Juli 2017 dem Kläger zur freigestellten Stellungnahme übersandt. Es ist nicht zu beanstanden, dass es im Hinblick auf eine mögliche Stellungnahme des Klägers bis einschließlich August 2017 zunächst keine weiteren Maßnahmen der Verfahrensförderung ergriffen hat. Denn nachdem die BA in Reaktion auf das vorangegangene Schreiben Ermessenserwägungen angestellt hatte, war es keinesfalls fernliegend, mit einer Reaktion des Klägers hierzu zu rechnen.
Von September 2017 bis Januar 2018 (5 Kalendermonate) ist es dann allerdings erneut zur Untätigkeit des Sozialgerichts gekommen. Der in diesen Zeitraum fallende Zuständigkeitswechsel (Übergang des Verfahrens von der 56. auf die 62. Kammer zum 01. Oktober 2017) ist nicht als aktive Verfahrensförderung anzusehen (vgl. BSG, Urteil vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 1/13 R –, SozR 4-1720 § 198 Nr. 7, juris Rn. 31)
Im Februar 2018 ist das Sozialgericht wieder aktiv geworden, indem es den am 06. Februar 2018 eingegangenen klägerischen Hinweis auf ein von der BA in einem parallel geführten Verfahren abgegebenes Anerkenntnis weitergeleitet hat, woraufhin wiederum die BA mit einem am 14. Februar 2018 eingegangenen Schriftsatz auf ihre bisherigen Ausführungen Bezug genommen hat. Dem schloss sich dann allerdings wieder eine Zeit der gerichtlichen Untätigkeit von März bis September 2018 (7 Kalendermonate) an.
Anschließend, nämlich von Oktober 2018 bis zur Verfügung des Rechtsstreits in das "EÖT-Fach" im Februar 2019, wurde das Verfahren vom Sozialgericht wieder engmaschig betrieben, bevor es von März bis Juni 2019 (4 Kalendermonate) erneut zu einer Phase der gerichtlichen Inaktivität gekommen ist.
In den Monaten Juli und August 2019 hat das Sozialgericht das Verfahren wieder substanziell gefördert, indem es einen Erörterungstermin anberaumt und schließlich durchgeführt hat. Durch das von der BA abgegebene und vom Kläger angenommene Anerkenntnis hat das Verfahren in dem Erörterungstermin vom 28. August 2019 auch seine Erledigung gefunden.
Nach alledem sind im Ausgangsverfahren Zeiten gerichtlicher Inaktivität im Umfang von 40 Kalendermonaten aufgetreten.
3. Dies bedeutet indes nicht, dass dem Kläger eine Entschädigung für 40 Monate zustehen würde. Denn erst die wertende Gesamtbetrachtung und Abwägung aller Einzelfallumstände ergibt, ob die Verfahrensdauer die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechts-schutz in angemessener Zeit verletzt hat (BSG, Urteil vom 07.09.2017 - B 10 ÜG 1/16 R - juris, Rn. 33). Dabei sind - wie bereits ausgeführt - dem Ausgangsgericht Vorbereitungs- und Bedenkzeiten von in der Regel zwölf Monaten je Instanz als angemessen zuzugestehen, falls sich nicht aus dem Vortrag des Klägers oder aus den Akten besondere Umstände ergeben, die vor allem mit Blick auf die Kriterien des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG im Einzelfall zu einer anderen Bewertung führen (BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/13 R – Rn. 48, – B 10 ÜG 2/14 R – Rn. 49 und - B 10 ÜG 12/13 R - Rn. 56, jeweils zitiert nach juris). Im Rahmen der Gesamtabwägung ist schließlich im Hinblick auf die Regelung des § 198 Abs. 3 Satz 4 GVG weiter zu prüfen, ob und inwieweit eine mögliche Verletzung der Hinweispflicht eines Klägers nach § 198 Abs. 3 Satz 3 GVG zu einer Verkürzung der entschädigungsrelevanten Überlänge beitragen kann (BSG, Urteil vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 11/13 R - juris, Rn. 34).
Anlass, von der Vorbereitungs- und Bedenkzeit von zwölf Monaten für das Klageverfahren zugunsten des Klägers im Sinne einer Verkürzung dieser Zeit abzuweichen, besteht zur Überzeugung des Senats weder nach Aktenlage noch nach dem Vortrag der Beteiligten. Insbesondere rechtfertigt der Streitgegenstand eine dahin-gehende Entscheidung nicht.
Indes ist im Rahmen der Gesamtbetrachtung hier zu berücksichtigen, dass im streitgegenständlichen Ausgangsverfahren die Phasen der gerichtlichen Inaktivität zu einem nicht unerheblichen Teil mit Zeiten zusammenfielen, in denen der zunächst für die Bearbeitung des Verfahrens zuständige Richter dienstunfähig gemeldet war. Denn nachdem schon spätestens für den Zeitraum ab Anfang 2015 bis zum 05. Juni 2015 – und damit bereits bei Eingang der Klage – Dienstunfähigskeitsmeldungen vorgelegen hatten und im Folgenden weitere Fehlzeiten wegen Krankmeldung in der ersten Novemberwoche 2015 sowie vom 25. Januar bis zum 05. Februar 2016 aufgetreten waren, war der Richter vom 05. Juli 2016 an durchgehend bis zum Übergang des Verfahrens in die 62. Kammer am 01. Oktober 2017 dienstunfähig geschrieben.
Soweit der Kläger meint, diese Zeiten seien schon deshalb für das Entschädigungsverfahren ohne Bedeutung, weil nicht nachgewiesen sei, dass der Richter tatsächlich erkrankt war und der Beklagte nichts unternommen habe, um die Dienstfähigkeit des Richters wiederherzustellen oder auch nur zu überprüfen, folgt der Senat ihm nicht. Abgesehen davon, dass nicht ansatzweise nachvollziehbar ist, was der Beklagte zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit eines Richters tun sollte, kann es für ein Entschädigungsverfahren zur Überzeugung des Senats allenfalls maßgeblich sein, ob sich der Richter für den infrage stehenden Zeitraum krankgemeldet hatte und deshalb tatsächlich keinen Dienst getan hat. Für den Nachweis dieser Tatsache reicht es jedoch allemal aus, wenn der Beklagte – wie hier – Auszüge aus den Personalakten des Richters vorlegt, in denen die Zeiten der Dienstunfähigkeit vermerkt sind. Nicht hingegen bedarf es einer Prüfung des Entschädigungsgerichts, ob der Richter tatsächlich dienstunfähig war. Dementsprechend ist der Beklagte auch weder verpflichtet, die Dienstunfähigkeitsbescheinigungen vorzulegen, noch auch nur die von den Ärzten gestellten Diagnosen bzw. die erhobenen Befunde mitzuteilen, zumal ihm diese in aller Regel selbst nicht bekannt sein dürften.
Soweit hingegen der Beklagte meint, die Phasen der Dienstunfähigkeit eines Richters – die er hier mit Blick auf das streitgegenständliche Verfahren im Umfang von 17 Kalendermonaten ansetzt – seien ihm im Entschädigungsverfahren nicht anzulasten, folgt der Senat auch ihm – zumindest in weiten Teilen - nicht.
Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass eine auf eine Erkrankung des zuständigen Richters zurückzuführende Verfahrensverzögerung – konkret die Umladung eines anberaumten Termins - dem beklagten Land nicht anzulasten sei, solange nicht unverzügliche Gegenmaßnahmen geboten wären (Urteil vom 02.08.2013 – L 37 SF 252/12 EK AL – juris, Rn. 48, vgl. auch Urteil vom 12.05.2015 – L 37 SF 37/12 EK VH – juris, Rn. 177). Denn eine solche Verzögerung sei nicht auf eine unzureichende Ausstattung der Justiz im Allgemeinen, sondern auf die unvorhergesehene Erkrankung des Richters zurückzuführen. Auch sei es in der vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägten Sozialgerichtsbarkeit, in der die Durchführung einer mündlichen Verhandlung eine intensive, nicht selten durch das Studium umfangreicher Akten geprägte und daher sehr zeitaufwändige Vorbereitung erfordere, in der Regel weder möglich noch auch nur geboten, dass der reguläre Vertreter im Falle der plötzlichen Erkrankung des Kammervorsitzenden kurzfristig eine mündliche Verhandlung für diesen wahrnehme. Denn es komme nicht allein auf einen raschen Verfahrensabschluss an. Gleichermaßen sei das Ziel zu berücksichtigen, einen Rechtsstreit einer möglichst richtigen Entscheidung zuzuführen. Selbst ein - nicht mit einem eigenen Dezernat belasteter - Vertreter dürfte jedoch kaum in der Lage sein, ohne jede frühere Kenntnis der Akten von heute auf morgen einen vollständigen Sitzungstermin sachgerecht vorzubereiten. Abgesehen davon erfordere das Vorhalten von Vertretern, die in Krankheitsfällen jederzeit einspringen könnten, eine Personalausstattung, die mit den Grundsätzen sparsamer Haushaltsführung nicht in Einklang zu bringen wäre. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass eine Terminsverlegung in der Sozialgerichtsbarkeit – anders als möglicherweise in Haftsachen vor den Strafgerichten – in der Regel keine dramatischen Folgen habe. Weiter hat der Senat in der vorgenannten Entscheidung allerdings auch ausgeführt, dass ein Kläger zwar keinen Anspruch auf einen optimalen Verfahrensverlauf habe, wohl aber die Erkrankung eines Richters eine Abwägung erfordere, welche Schritte einzuleiten sind, was zunächst einmal eine Kenntnis der Verwaltung davon erfordere, ob es sich voraussichtlich um eine nur kurzzeitige oder eine längerfristige Erkrankung handeln werde. Denn nur in letzterem Falle sei die Einleitung weiterer Schritte – z.B. die Bestellung eines besonderen Vertreters oder eine Umverteilung – erforderlich. Dies mache jedoch nach einer der Verwaltung zuzubilligenden Vorbereitungsphase die Einschaltung des Präsidiums erforderlich, was wiederum Zeit in Anspruch nehme. Der Senat gehe insoweit davon aus, dass die erforderlichen Schritte binnen drei Kalendermonaten nach Auftreten der Erkrankung eines Richters einzuleiten sein müssten, und sehe dementsprechend die drei auf das Auftreten der Erkrankung folgenden Kalendermonate nicht als Phase der gerichtlichen Inaktivität, sondern als von Klägern regelmäßig als "höhere Gewalt" entschädigungslos hinzunehmende Zeiten an (vgl. Urteil vom 25.02.2016 – L 37 SF 128/14 EK AL – juris Rn. 53 f.).
Ähnlich vertritt das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung, dass eine unvorhersehbare Erkrankung des Richters (im konkreten Fall: des berichterstattenden Vorsitzenden) als ein Fall höherer Gewalt anzusehen sei, der grundsätzlich eine vorübergehende Terminsverschiebung rechtfertigen könne (BVerwG, Urteil vom 11.07.2013 – 5 C 27/12 D –, juris Rn. 44). Die Erkrankung eines Richters könne im Hinblick auf die in der Geschäftsverteilung des Gerichts vorzusehenden Vertretungsregelungen aber nur eine kurzfristige Verzögerung rechtfertigen. Erkranke ein Richter, seien grundsätzlich die zur Vertretung berufenen Richter zur Förderung des Verfahrens verpflichtet.
Der Senat geht letztlich in Erweiterung der zuvor skizzierten Rechtsprechung auch für diejenigen Fälle, in denen es zwar nicht wegen der Erkrankung des Richters zu einer Terminsaufhebung bzw. –verschiebung o.ä. gekommen ist, einem Verfahren jedoch mutmaßlich deshalb kein Fortgang gegeben wird, weil der zuständige Richter erkrankt ist, davon aus, dass ein Kläger Phasen der gerichtlichen Inaktivität, die ersichtlich mit der Krankmeldung des zuständigen Richters in Zusammenhang stehen, im Umfang von drei Monaten entschädigungslos hinzunehmen hat. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass neben den Forderungen nach einem zügigen Verfahren und nach einer richtigen Entscheidung auch das im Grundgesetz verankerte Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 GG) zu beherzigen ist. Ausfluss hiervon ist die Regelung des § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG, nach der die grundsätzlich für das Geschäftsjahr im Voraus getroffenen Anordnungen im Laufe des Geschäftsjahres nur unter engen Voraussetzungen, namentlich nur bei dauernder Verhinderung einzelner Richter, geändert werden dürfen. Ein Gericht kann daher im Falle der Erkrankung eines Richters schon rechtlich, aber letztlich oft auch - mangels Kenntnis von der Art und vermutlichen Dauer der Erkrankung - tatsächlich kaum umgehend reagieren, sodass der Senat es auch in diesen Fällen als angemessen ansieht, ihm pauschal eine Phase von drei Monaten einzuräumen, um geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Dies heißt indes – entgegen der Ansicht des Beklagten - weder, dass dieser exkulpiert wäre, wenn denn die rechtlich zulässigen Maßnahmen innerhalb von drei Monaten eingeleitet wurden, noch dass ein Kläger die über drei Monate hinausgehende Zeit entschädigungslos hinzunehmen hat. Vorliegend hat das Präsidium des Sozialgerichts Berlin zunächst versucht, der Erkrankung des ursprünglich zuständigen Kammervorsitzenden durch die Bestellung besonderer Vertreter entgegenzuwirken, hat dann eine Eingangssperre verhängt, die naturgemäß keinen Einfluss auf die in einer Kammer bereits anhängigen Verfahren hat, und hat schließlich Verfahren in andere Kammern umverteilt. Auch wenn dem Präsidium – soweit ersichtlich – andere rechtmäßige Maßnahmen nicht zur Verfügung gestanden haben, so ist gleichwohl festzustellen, dass die getroffenen nicht zu dem gewünschten Erfolg geführt haben. Dies aber fällt in den Verantwortungsbereich des Beklagten. Denn letztlich ist es Folge einer nicht ausreichenden Personalausstattung, wenn die eingeleiteten Maßnahmen nicht dazu beitragen, dass ein Verfahren in angemessener Zeit zum Abschluss gebracht werden kann, weil der zum besonderen Vertreter bestellte oder mit übergehenden Akten betraute Richter bereits in seiner eigenen Kammer schon so stark belastet ist, dass er nicht auch noch weitere Verfahren in angemessener Zeit bearbeiten kann. Je größer eine Behörde ist, desto wahrscheinlicher ist es letztlich, dass – auch längerfristige – Krankheitszeiten auftreten, was bei der Personaldecke berücksichtigt werden muss. Dies ist hier jedoch offensichtlich nicht geschehen.
Von den aufgetretenen 40 Kalendermonaten der gerichtlichen Inaktivität sind mithin zur Überzeugung des Senats hier 15 Kalendermonate in Abzug zu bringen, sodass es bei 25 entschädigungspflichtigen Monaten verbleibt.
4. Durch die überlange Verfahrensdauer hat der Kläger einen Nachteil nicht vermögenswerter Art erlitten. Dies folgt bereits aus § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG, wonach ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet wird, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Umstände, die diese gesetzliche Vermutung zu widerlegen geeignet wären, sind nicht erkennbar und auch von dem Beklagten nicht vorgebracht worden.
5. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 GVG, insbesondere durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, ist zur Überzeugung des Senats im vorliegenden Fall nicht ausreichend. Unter Würdigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 und Art. 41 Europäische Menschenrechtskonvention, nach der eine derartige Kompensation eines Nichtvermögensschadens nur ausnahmsweise in Betracht kommt, besteht vorliegend kein Anlass, von der gesetzlich als Normalfall vorgesehenen Zahlung einer Entschädigung abzusehen.
6. Ausgehend von der entschädigungspflichtigen Überlänge von 25 Kalendermonaten und dem in § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG vorgegebenen Richtwert von 1.200,- Euro für jedes Jahr der Verzögerung beläuft sich die dem Kläger zustehende angemessene Entschädigung auf 2.500,- Euro. Gründe, die den Ansatz des gesetzlich vorgesehenen Pauschalbetrages unbillig und daher eine abweichende Festsetzung notwendig erscheinen lassen könnten (vgl. § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG), sind nicht ersichtlich und von den Beteiligten auch nicht vorgetragen. Zu beachten ist allerdings, dass der Beklagte auf den Anspruch des Klägers vorprozessual bereits eine Zahlung in Höhe von 1.200,- Euro geleistet hat, sodass der Anspruch insoweit durch Erfüllung erloschen ist (vgl. § 362 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Zu zahlen sind daher noch weitere 1.300,- Euro.
III. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von Prozesszinsen ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 288 Abs. 1, 291 Satz 1 BGB. Diese Vorschriften sind im Rahmen von Entschädigungsklagen (auch) in den öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten anwendbar, weil Spezialregelungen, die den allgemeinen Anspruch auf Prozesszinsen verdrängen könnten, nicht bestehen (BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 9/13 R – Rn. 52, – B 10 ÜG 12/13 R – Rn. 61, – B 10 ÜG 2/14 R – Rn. 54, jeweils zitiert nach juris). Die Zinsen sind ab Rechtshängigkeit, d.h. nach § 94 Satz 2 SGG ab Zustellung der Klage, hier ab dem 27. Dezember 2019, zu zahlen.
IV. Soweit in § 198 Abs. 4 Satz 3 GVG schließlich die Möglichkeit vorgesehen ist, in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung auszusprechen, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, sieht der Senat hierfür keinen Grund. Er vermag bereits nicht zu erkennen, dass vorliegend ein schwerwiegender Fall gegeben wäre.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
VI. Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG i.V.m. § 202 Satz 2 SGG und § 201 Abs. 2 Satz 3 GVG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
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