L 3 U 142/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 18 U 18/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 142/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Hat der Versicherte keine der in § 49 SGB IX a. F. ausdrücklich genannten Entgeltersatzleistungen bezogen, kann die dieser Vorschrift immanente Kontinuitätsregel, wonach bei den die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ergänzende Leistungen zum Lebensunterhalt als Bemessungsgrundlage von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen wird, nicht greifen.

2. Übergangsgeld wird dann nicht nach Maßgabe der §§ 46, 47 SGB IX a. F. berechnet, wenn der Kläger vor Beginn des Übergangsgeldes Arbeitslosengeld I und mithin kein Arbeitseinkommen, sondern eine Entgeltersatzleistung bezogen hat. In den Fällen eines vorangegangenen Arbeitslosengeldbezugs besteht mangels analoger Anwendbarkeit von vornherein kein Zugriff auf die §§ 46 ff. SGB IX a. F.

3. Eine Rückanknüpfung an das zuletzt bezogene Arbeitsentgelt ist auch dann nicht möglich, wenn der Empfänger des Übergangsgeldes vor Beginn der Übergangsleistungen durchgehend arbeitsunfähig war. Eine rückwirkende Beurteilung der Frage der Arbeitsunfähigkeit liefe überdies Anforderungen an die Verwaltungspraktikabilität zuwider.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. Juni 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Übergangsgeldes des Klägers für den Zeitraum eines von ihm als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben absolvierten Reha-Vorbereitungslehrgangs und einer Umschulung in der Zeit vom 21. Oktober 2014 bis zum 26. Januar 2017.

Der 1971 geborene Kläger erlitt am 27. Oktober 1978 im Rahmen des Sportunterrichts als Schüler der T-Oberschule in Z einen Unfall, als er beim Handballtraining stürzte und mit dem rechten Ellenbogen an eine Wand prallte. Dabei zog er sich eine Abrissfraktur des Epicondylus ulnaris ohne wesentliche Dislokation zu, die konservativ mit einer Gipsschiene behandelt wurde.

Nach Abschluss der Schulausbildung mit der 10. Klasse und Abschluss einer Tischlerlehre im Jahr 1989 war der Kläger bis zum 30. Juni 2011 als Tischler und Trockenbauer tätig.

Wegen zunehmender Schmerzen und Probleme insbesondere beim Heben und Tragen schwerer Gegenstände stellte er sich am 10. Februar 1996 bei dem Facharzt für Chirurgie Dr. F in F vor. Aufgrund der von ihm diagnostizierten röntgenologischen Veränderungen im Bereich des rechten Ellenbogengelenks im Sinne einer Chondrokalzinose veranlasste Dr. Feine am 27. März 1996 erfolgte stationäre Einweisung des Klägers in das Klinikum F Klinik für Chirurgie. Während der bis zum 02. April 1996 andauernden stationären Behandlung wurde der größte Teil der Chondrokalzinoseperlen des rechten Ellenbogengelenks arthroskopisch entfernt. Arbeitsunfähigkeit des Klägers wegen der Diagnosen Arthrose des rechten Ellenbogengelenks, Knorpelaffektionen, Geschwulst und Chondrokalzinose bestand bis zum 12. Mai 1996.

Zur Prüfung möglicher Ansprüche übersandte die Beklagte dem Kläger einen Fragebogen zum Unfallgeschehen vom 27. Oktober 1978, den der Kläger mit Schreiben vom 13. Mai 1996 beantwortete und an den sich weitere Ermittlungen der Beklagten zum Unfallgeschehen aus dem Jahr 1978 anschlossen.

Nachdem die Beklagte bei dem Facharzt für Chirurgie Dr. F ein auf einer ambulanten Untersuchung des Klägers vom 01. September 1997 beruhendes Gutachten vom 15. September 1997 sowie eine Stellungnahme des Chirurgen und Unfallchirurgen Prof. Dr. S, Klinikum F Klinik für Chirurgie, vom 28. April 1998 eingeholt hatte, gewährte sie dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 27. Oktober 1978 mit bestandskräftigem Bescheid vom 09. Juni 1998 ab dem 13. Mai 1996 bis auf weiteres eine Verletztenrente als Dauerrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 vom Hundert. Als Folgen des Arbeitsunfalls erkannte sie an: Verschleißerscheinungen und leichte Einschränkung der Funktion des rechten Ellenbogengelenks sowie Muskelschonschwund leichten Grades im rechten Arm nach Ellenbogengelenksbruch.

Am 07. Oktober 2010 stellte sich der Kläger bei dem Durchgangsarzt Dr. W in F vor und gab bewegungsabhängig starke Schmerzen im rechten Ellenbogengelenk an. Dr. W veranlasste eine am 19. Oktober 2010 erfolgte Einweisung des Klägers in das Klinikum F, wo am 20. Oktober 2010 eine Arthroskopie des rechten Ellenbogengelenks mit Entfernung freier Gelenkskörper vorgenommen wurde. Am 25. Oktober 2010 wurde der Kläger mit der Diagnose "posttraumatische Arthrose des rechten Ellenbogengelenks" in die ambulante Weiterbehandlung entlassen. Ab dem 08. Dezember 2010 war er wieder arbeitsfähig.

In der sozialmedizinischen Stellungnahme des Diplom-Mediziners R, Bundesagentur für Arbeit in F vom 29. August 2012 heißt es, der Kläger leide unter unfallbedingten Belastungs- und Funktionseinschränkungen des rechten Armes. Aus ärztlicher Sicht sei eine berufliche Umorientierung angeraten. Die Leistungseinschränkungen, die dazu führten, dass eine Tätigkeit im erlernten Beruf des Trockenbauers mit schwerer körperlicher Belastung, auch des rechten Armes, nicht mehr möglich sei, seien ausschließlich unfallbedingt.

Nachdem der Kläger im Mai 2011 seine seit dem Jahr 1989 ausgeübte Tätigkeit als Tischler und Trockenbauer aufgegeben hatte, war er von Juni 2011 bis zum 31. Dezember 2012 beruflich als Operator bei der Firma F GmbH in F tätig. Danach befand er sich vom 01. Januar 2013 bis zum 30. September 2013 in einer Auffanggesellschaft, wo er nach eigenen Angaben rund 80% des zuletzt von ihm bezogenen Lohns erhielt. Vom 01. Oktober 2013 bis zum 30. September 2014 bezog er von der Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit C, Arbeitslosengeld I in Höhe von 29,45 EUR täglich.

Am 16. September 2013 stellte sich der Kläger wiederum im Klinikum F Klinik für Unfallchirurgie, vor und berichtete über eine erneute Zunahme der Beschwerdesymptomatik im Bereich seines rechten Ellenbogens. Der dort behandelnde Facharzt für Chirurgie und Orthopädie sowie Unfallchirurgie Dr. Hof teilte in seinem Bericht vom 16. September 2013 mit, der Kläger könne die Tätigkeiten eines Trockenbauers oder eines Tischlers nicht mehr durchführen. Die Bundesagentur für Arbeit habe eine Umschulung bisher abgelehnt.

Mit Bescheid vom 12. Februar 2014 gewährte die Beklagte dem Kläger dem Grunde nach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, insbesondere qualifizierte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben - Ausbildung in einem neuen Beruf – gemäß § 35 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) in Verbindung mit § 33 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX, alte Fassung (a.F.), gültig bis zum 31. Dezember 2017). Sodann nahm der Kläger vom 28. April 2014 bis zum 09. Mai 2014 an einer Berufsfindung und Arbeitserprobung des Berufsförderungswerks Bin M teil. Laut einer im Auftrag des Berufsförderungswerkes von der Fachärztin für Orthopädie W abgegebenen sozialmedizinischen Beurteilung vom 29. April 2014 bestand bei dem Kläger auf orthopädischem Fachgebiet die Rehabilitationsdiagnose "schwere Verschleißerkrankung im Bereich des rechten Ellenbogens nach Unfall mit schmerzhafter erheblicher Bewegungseinschränkung". Aus ärztlicher Sicht sei eine Umschulung erforderlich.

Auf der Grundlage der während dieser Maßnahme der Berufsfindung und Arbeitserprobung erzielten Ergebnisse gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 25. Juni 2014 als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß §§ 26 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 und 35 Abs. 1 SGB VII in Verbindung mit § 33 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 SGB IX a. F. einen Reha-Vorbereitungslehrgang vom 21. Oktober 2014 bis zum 26. Januar 2015 mit anschließender, am 27. Januar 2015 beginnender und voraussichtlich zwei Jahre dauernder Umschulung zum Qualitätsfachmann.

Mit Schreiben vom 20. August 2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass für den Zeitraum, in dem er aufgrund der Schließung des F Werks Arbeitslosengeld erhalten habe, kein Anspruch auf Zahlung von Verletztengeld bestehe. Eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Unfallfolgen sei nicht bescheinigt worden und habe nach den vorliegenden Unterlagen auch nicht bestanden.

Am 10. Oktober 2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie ihm für die Dauer des Reha-Vorbereitungslehrgangs und der Umschulung zum Qualitätsfachmann vom 21. Oktober 2014 bis voraussichtlich zum 26. Januar 2017 Übergangsgeld in Höhe des zuvor gezahlten Arbeitslosengeldes, mithin in Höhe von täglich 29,45 EUR, gewähre.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 04. November 2014 Widerspruch ein. Er habe das letzte Arbeitsentgelt im Dezember 2012 erzielt. Dieses sei der Berechnung des Übergangsgeldes zugrunde zu legen. Zudem sei eine Vergleichsberechnung vorzunehmen, bei der ermittelt werde, welches Entgelt tariflich unmittelbar vor Beginn der Maßnahme, also im September 2014, durch ihn verdient worden wäre.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 04. Februar 2015 zurück. Für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung richte sich die Berechnung des Übergangsgeldes nur dann nach § 47 SGB IX a.F., wenn vor Beginn der berufsfördernden Maßnahme Arbeitsentgelt (§ 47 Abs. 1 SGB IX a. F.), Teilarbeitslosengeld (§ 47 Abs. 2 SGB IX a. F.), Kurzarbeiter- oder Winterausfallgeld (§ 47 Abs. 3 SGB IX a. F.) oder Arbeitsentgelt im Ausland (§ 47 Abs. 5 SGB IX a. F.) erzielt worden sei. Ein solcher Fall liege im Fall des Klägers nicht vor, siehe auch Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13. November 2012, B 2 U 26/11 R, Randnummer 20. Ebenso setze die Vergleichsberechnung nach § 48 SGB IX a. F. tarifliches oder ortsübliches Arbeitsentgelt) voraus, dass die Regelberechnung der Höhe des Übergangsgeldes nach §§ 46, 47 SGB IX a. F. vorgenommen worden sei. Bei vorherigem Bezug von Arbeitslosengeld komme hingegen § 47 Abs. 2 SGB VII in Verbindung mit § 47b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zum Tragen, so dass für die Berechnung des Übergangsgeldes das letzte abgerechnete Arbeitslosengeld vor Beginn der berufsfördernden Maßnahme heranzuziehen sei.

Am 05. März 2015 hat der Kläger über seinen Bevollmächtigten Klage vor dem Sozialgericht (SG) Frankfurt (Oder) erhoben. Zur Berechnung seines Anspruchs auf Übergangsgeld sei auf das zuletzt von ihm bezogene Arbeitsentgelt abzustellen. Auf den vorherigen Bezug von Arbeitslosengeld komme es nicht an, weil er aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage gewesen sei, seiner letzten beruflichen Tätigkeit weiter nachzugehen. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht bis zum Beginn der Maßnahme förmlich festgestellt worden sei. Entscheidend sei allein, dass eine Arbeitsunfähigkeit in Bezug auf die zuvor ausgeübten Tätigkeiten als Bautischler bzw. Trockenbauer bzw. Operator tatsächlich vorgelegen habe. Dies ergebe sich auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 47 Abs. 1 S. 1 SGB IX a. F. Das Übergangsgeld sei eine Entgeltersatzleistung und solle während der Maßnahme, für die es gewährt werde, den Lebensstandard des behinderten Menschen sichern. Dabei sei derjenige Lebensstandard maßgeblich, den der Leistungsberechtigte unmittelbar vor seiner behinderungsbedingten Arbeitsunfähigkeit erlangt habe.

Zur weiteren Begründung hat der Kläger Zeugnisse über seine Ausbildung zum Bautischler und zu seinen beruflichen Tätigkeiten als Trockenbauer sowie zu seiner Tätigkeit für die Firma F GmbH eingereicht. Ferner hat er insbesondere einen Bescheid des Landesamtes für Soziales und Versorgung Brandenburg vom 01. Oktober 2013, mit dem ihm ein Grad der Behinderung von 40 zuerkannt worden war, einen Widerspruchsbescheid der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg vom 11. April 2013, der Ausführungen zu den bei ihm vorliegenden qualitativen Leistungseinschränkungen enthält, einen Arztbrief der Praxis für Diagnostische Radiologie F vom 04. Oktober 2010 sowie ärztliche Unterlagen des Klinikums F zu den dort durchgeführten und oben näher bezeichneten stationären Aufenthalten zu den Akten gereicht. Schließlich hat der Kläger auf gerichtliche Anforderung Verdienstabrechnungen für die Monate Oktober bis Dezember 2012 für seine Tätigkeit bei der Firma F GmbH eingereicht.

Das SG Frankfurt (Oder) hat am 08. Juni 2016 einen Erörterungstermin durchgeführt. Im Rahmen dieses Erörterungstermins hat der Kläger insbesondere Angaben zu seiner beruflichen Tätigkeit als Operator gemacht und Einzelheiten zu der von ihm durchgeführten Qualitätskontrolle von Solarmodulen, bei der es sich um eine Anlerntätigkeit ohne weitergehende Ausbildungserfordernisse gehandelt habe, geschildert.

Weiterhin hat das SG Frankfurt (Oder) gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 5 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben, indem es den Facharzt für Orthopädie Dr. med. H mit einem orthopädisch-unfallchirurgischen Gutachten nach Aktenlage beauftragt hat. In seinem Gutachten vom 03. Dezember 2016 hat der Sachverständige Dr. H ausgeführt, die ihm vorliegenden Unterlagen – insbesondere die sozialmedizinische Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit vom 29. August 2012, der Bericht aus dem Klinikum F vom 16. September 2013 sowie die im Auftrag des Berufsförderungswerkes gefertigte Stellungnahme der Fachärztin für Orthopädie W vom 29. April 2014 - ließen den Schluss zu, dass bei dem Kläger im Zeitraum vom 01. Oktober 2013 bis zum 20. Oktober 2014 eine durch den Unfall vom 27. Oktober 1978 bedingte Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe.

Die Beklagte hat auf das Gutachten von Dr. H mit Schriftsatz vom 11. Januar 2017 erwidert, sie könne sich im Ergebnis der Schlussfolgerung, dass bei dem Kläger im Zeitraum ab 01. Oktober 2013 eine seinerzeit nicht bescheinigte Arbeitsunfähigkeit vorgelegen haben müsse, nicht anschließen.

Das SG Frankfurt (Oder) hat daraufhin bei Dr. H eine am 03. Februar 2017 verfasste ergänzende Stellungnahme eingeholt. Darin hat er ausgeführt, dass und weshalb er bei seiner Beurteilung aus dem Gutachten verbleibe.

Mit Urteil vom 21. Juni 2017 hat das SG Frankfurt (Oder) die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 10. Oktober 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Februar 2015 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 21. Oktober 2014 bis zum 26. Januar 2017 höheres Übergangsgeld unter Berücksichtigung mindestens des im Dezember 2012 gezahlten Arbeitsentgelts als Regelentgelt unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 47 SGB IX a. F., d. h. insbesondere ohne Berücksichtigung der im Monat Dezember 2012 gezahlten Abfindung, zu gewähren. Zur Begründung seines Urteils hat das SG Frankfurt (Oder) ausgeführt, der Kläger habe nach §§ 49 f. SGB VII in Verbindung mit §§ 46 bis 48 SGB IX a. F. Anspruch auf Gewährung eines höheren Übergangsgeldes in Höhe von monatlich mindestens 80 % seines bereinigten Bruttomonatslohns des Monats Dezember 2012. Mit Rücksicht darauf, dass das von dem Kläger bezogene Arbeitslosengeld I kein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen im Sinne des § 46 f. SGB IX a. F. und auch keine Entgeltersatzleistung im Sinne des § 49 SGB IX a. F. darstelle, käme zwar grundsätzlich die Norm des § 50, 2. Halbsatz SGB VII in Verbindung mit § 47 SGB VII zur Anwendung mit der Folge, dass nach § 47 Abs. 2 in Verbindung mit § 47b SGB V Übergangsgeld in Höhe des zuletzt bezogenen Arbeitslosengeldes zu leisten wäre. Vorliegend sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Normen der §§ 46 ff. SGB IX a.F. und insbesondere die Norm des § 47 Abs. 1 S. 1, 2. Fall SGB IX a. F. für die Berechnung des Übergangsgeldes eine Rückanknüpfung an das zuletzt bezogene Arbeitsentgelt, vorliegend dasjenige des Monats Dezember 2012 vorsähen, wenn der Empfänger des Übergangsgeldes vor Beginn der Übergangsleistungen durchgehend arbeitsunfähig gewesen sei (in diesem Sinne auch SG Dresden, Urteil vom 26. September 2013 – S 35 R 90/12 -, Rn. 19 ff., zitiert nach Juris). Für diese Rückanknüpfung an das zuletzt erzielte Arbeitsentgelt im Sinne des § 47 Abs. 1 S. 1 SGB IX a. F. sei notwendig, dass in diesem Zeitraum kein Kranken- oder Verletztengeld gezahlt worden sei, da ansonsten vorrangig ein Fall des § 49 SGB IX a. F. vorliege. Mit Rücksicht darauf, dass der Kläger nach Überzeugung der Kammer seit Beginn seines Arbeitslosengeldbezugs im Oktober 2013 und bei im Wesentlichen gleicher gesundheitlicher Situation auch schon seit tatsächlicher Aufgabe seiner Tätigkeit als Operator im Dezember 2012 bezogen auf diese von ihm verrichtete Tätigkeit arbeitsunfähig gewesen sei, habe in diesem Fall eine Berechnung des Übergangsgeldes nach den allgemeinen Regelungen der §§ 46f. SGB IX unter Zugrundelegung des letzten Arbeitseinkommens des Klägers zu erfolgen, so dass für die ergänzende Anwendung der Regelungen zur Berechnung des Übergangsgeldes nach den Vorgaben der Verletztengeldberechnung über § 50, 2. Halbsatz SGB VII kein Raum sei. Mit Rücksicht auf die bei ihm auch schon im Monat Dezember 2012 fortgeschrittene rechtsseitige Ellenbogengelenksarthrose habe der Kläger die Tätigkeit als Operator bei der Firma F nicht mehr zumutbar verrichten können. Für eine Annahme der Arbeitsunfähigkeit reiche deren objektives Vorliegen aus. Einer förmlichen Krankschreibung durch einen Arzt bedürfe es nicht. Als Operator bei der Firma F sei der Kläger nicht nur Maschinenbediener gewesen. Ein wichtiger und ständiger Bestandteil seiner Tätigkeit sei auch das fachgerechte Verpacken der von ihm zuvor verkabelten und auf ihre Funktionsfähigkeit hin geprüften Solarmodule zum Versand gewesen, wobei diese jeweils 13-14 kg gewogen hätten. Seine Tätigkeit sei mit einer erheblichen Belastung beider Arme, insbesondere auch der Ellenbogengelenke einhergegangen. Entsprechende Tätigkeiten seien dem Kläger bereits nach den Feststellungen der Gutachterin R in dem für die Bundesagentur für Arbeit erstellten Gutachten vom 29. August 2012 nicht mehr zumutbar gewesen. Das tatsächliche Vorliegen von körperlichen Einschränkungen des Klägers, die einer dauerhaften weiteren Verrichtung der Tätigkeit als Operator bei der Firma F oder einer ähnlich gelagerten Tätigkeit mit nicht unerheblichen Anteilen an körperlicher Arbeit entgegengestanden hätten, werde schließlich dadurch belegt, dass sich der Kläger im Jahr 2012 eigeninitiativ um eine Umschulung bei der Bundesagentur für Arbeit bemüht habe. Mit Rücksicht auf die durchgehend bestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers habe eine Rückanknüpfung an den letzten Bruttoarbeitslohn des Monats Dezember 2012 zu erfolgen. Der hier zu entscheidende Fall sei anders gelagert als derjenige, der dem Urteil des BSG vom 13. November 2012 – B 2 U 26/11 R - zugrunde gelegen habe. Dort habe zuerst eine Arbeitslosigkeit des Klägers bestanden, sodann ein (Wieder-) Eintritt der Arbeitsunfähigkeit mit Bezug von Verletztengeld und danach ein Bezug von Übergangsgeld. Eine bis zum Ende der letzten Arbeitstätigkeit festzustellende Arbeitsunfähigkeit habe daher, anders als vorliegend, nicht bestanden.

Gegen das ihr am 03. Juli 2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28. Juli 2017 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg eingelegt. Zur Begründung hat sie im Folgenden mit Schriftsatz vom 10. August 2017 ausgeführt, das SG Frankfurt (Oder) setze sich mit seinem Urteil in Widerspruch zu der grundlegenden Entscheidung des BSG vom 13. November 2012 – B 2 U 26/11 R. Danach knüpfe die Regelberechnung nach den §§ 46 und 47 SGB IX a. F. ausschließlich an einen Arbeitsverdienst und nicht an den Bezug einer Entgeltersatzleistung an. Nur wenn Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder auch eine Entgeltersatzleistung nicht bezogen würden und wenn die Berücksichtigung der tatsächlichen Einkommensverhältnisse aus den im § 48 Abs. 1 Nr. 1 oder 3 SGB IX a. F. genannten Gründen ausscheide, sei ein fiktives Arbeitsentgelt festzustellen. Weiterhin sei den Entscheidungsgründen entgegenzuhalten, dass dort eine Arbeitsunfähigkeit rückwirkend festgestellt worden sei, obwohl mit bindendem Bescheid vom 20. August 2014 gegenüber dem Kläger festgestellt worden sei, dass ein Anspruch auf Verletztengeld nicht bestehe. Überdies lasse sich auf der Grundlage der spekulativ anmutenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. H eine Arbeitsunfähigkeit nicht rückwirkend feststellen. Des Weiteren würde eine Rückdatierung der Arbeitsunfähigkeit voraussetzen, dass es überhaupt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gegeben habe, bei der man den Beginn der Arbeitsunfähigkeit verschieben könne. Der Kläger habe jedoch ausweislich der Vorerkrankungsverzeichnisse im gesamten Zeitraum der Jahre 2012 und 2013 keine Arbeitsunfähigkeitszeiten aufzuweisen. Im Übrigen dürfte die Begründung der Kammer auch nicht den Anforderungen an die Praktikabilität im Urteil des BSG vom 13. November 2012 gerecht werden, soweit nach den dortigen Ausführungen auf eine erneute Ermittlung und Feststellung des Bemessungsentgelts in der Regel verzichtet werden solle, um eine Kontinuität der Leistungen zu gewährleisten und andererseits der Verwaltungsvereinfachung zu dienen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. Juni 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die Entscheidung des BSG vom 13. November 2012 sei auf den vorliegenden Fall wegen eines in tatsächlicher Hinsicht abweichenden Sachverhalts nicht anwendbar. Ihm könne auch nicht entgegengehalten werden, dass mit bestandskräftigem Bescheid vom 20. August 2014 eine Zahlung von Verletztengeld abgelehnt worden sei. Diese Ablehnung sei offensichtlich wegen einer nicht bescheinigten Arbeitsunfähigkeit erfolgt, wobei die Beklagte aber insoweit keine eigenständige Überprüfung der Frage des Bestehens einer Arbeitsunfähigkeit vorgenommen habe. Wie sich dem erstinstanzlich eingeholten Gutachten entnehmen lasse, habe bei ihm tatsächlich eine Arbeitsunfähigkeit vorgelegen. Dies sei hier maßgeblich zu berücksichtigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen. Die Akten lagen in der mündlichen Verhandlung und bei der Entscheidung vor.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet. Das Urteil vom 21. Juni 2017 erweist sich als unzutreffend, so dass es aufzuheben war. Das SG Frankfurt (Oder) hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 21. Oktober 2014 bis zum 26. Januar 2017 höheres Übergangsgeld unter Berücksichtigung mindestens des im Dezember 2012 gezahlten Arbeitsentgelts als Regelentgelt unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 47 SGB IX a. F. zu gewähren. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Februar 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Dabei geht der Senat zunächst davon aus, dass dem an den Kläger gerichteten Schreiben der Beklagten vom 10. Oktober 2014 Regelungswirkung zukommt, so dass dieses einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) darstellt, gegen den der Kläger Widerspruch erheben konnte. Zwar wird mit diesem Schreiben lediglich ein weiteres, an die A in P gerichtetes Schreiben vom gleichen Tag übersandt, in dem die Beklagte der A mitteilt, sie gewähre dem Kläger für die Dauer der Umschulung zum Qualitätsfachmann Übergangsgeld in Höhe des zuvor gezahlten Arbeitslosengeldes. Durch die in dem an den Kläger gerichteten Schreiben erfolgte Bezugnahme auf das an die A gerichtete Schreiben wird nach Auffassung des Senats eine noch hinreichend deutliche Regelung gegenüber dem Kläger im Sinne des § 31 SGB X getroffen, und zwar dergestalt, dass dieser in der Zeit vom 21. Oktober 2014 bis zum 26. Januar 2017 Übergangsgeld in Höhe des letzten Arbeitslosengeldbezugs, mithin in Höhe von 29,45 EUR täglich, erhalte.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen – zulässigerweise im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGG verfolgten - Anspruch auf Gewährung eines höheren Übergangsgeldes im Zeitraum vom 21. Oktober 2014 bis zum 26. Januar 2017 als nach einem Betrag von täglich 29,45 EUR.

Übergangsgeld wird nach § 49 SGB VII erbracht, wenn Versicherte infolge eines Versicherungsfalls Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten. Solche, einen Anspruch auf Übergangsgeld grundsätzlich auslösenden Teilhabeleistungen hat die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 25. Juni 2014 gewährt, und zwar in Gestalt eines Reha-Vorbereitungslehrgangs vom 21. Oktober 2014 bis zum 26. Januar 2015 mit anschließender, am 27. Januar 2015 beginnender und voraussichtlich zwei Jahre dauernder Umschulung zum Qualitätsfachmann.

Nach § 50 SGB VII a. F. (BGBl. I S. 1046) - gültig vom 01. Juli 2001 bis zum 31. Dezember 2017 und damit in Anbetracht des hier streitgegenständlichen Zeitraumes vom 21. Oktober 2014 bis zum 26. Januar 2017 vorliegend anwendbar - bestimmen sich Höhe und Berechnung des Übergangsgeldes nach den §§ 46 bis 51 SGB IX a. F. (in der bis zum 31. Dezember 2017 gültigen Fassung), soweit das SGB VII nichts Abweichendes bestimmt; im Übrigen gelten die Vorschriften für das Verletztengeld entsprechend.

Dabei bestimmt sich – wie das SG Frankfurt (Oder) in seiner Entscheidung insoweit zutreffend festgestellt hat – der Wert des Rechts auf Übergangsgeld vorliegend nicht nach der in § 50 Halbsatz 1 SGB VII a. F. auch in Bezug genommenen Kontinuitätsregel des § 49 SGB IX a. F. Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird nach § 49 SGB IX a. F. bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen. § 49 SGB IX a. F. zielt darauf ab, die Bemessungsgrundlage zur Wahrung der Kontinuität durchgehend für mehrere Entgeltersatzleistungen zu übernehmen. Zugleich soll der Besitzstand des Berechtigten gewahrt und der Wechsel von einer Leistung zur anderen Leistung auch hinsichtlich des Verwaltungsaufwandes erleichtert und beschleunigt werden (BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 2 U 26/11 R -, Rn. 23, zitiert nach Juris m. w. N.). Die Vorschrift setzt auf der Tatbestandsseite sowohl den Bezug einer der aufgeführten Sozialleistungen als auch eine sich daran anschließende Teilnahme an einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben voraus. Hat der Kläger hier jedoch keine der in § 49 SGB IX a. F. genannten Entgeltersatzleistungen bezogen – insbesondere hat die Beklagte ihm vor Beginn der Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben am 21. Oktober 2014 kein Verletztengeld gewährt (siehe auch Bescheid der Beklagten vom 20. August 2014) - kann hier an keinen tatsächlich stattgehabten Bezug einer Entgeltersatzleistung angeknüpft werden und die Kontinuitätsregel des § 49 SGB IX a. F. somit nicht greifen.

Entgegen der durch das SG Frankfurt (Oder) vertretenen Ansicht hat der Kläger nach Auffassung des Senats keinen Anspruch auf einen höheren Wert des Rechts auf Übergangsgeld nach der Regel- bzw. Sonderberechnung gemäß §§ 46 bis 48 SGB IX a. F. Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 SGB IX a. F. werden der Berechnung des Übergangsgelds 80 vom Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens zugrunde gelegt, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt), höchstens jedoch das in entsprechender Anwendung des § 47 berechnete Nettoarbeitsentgelt; hierbei gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze. Regelentgelt ist nach § 47 Abs. 1 Satz 1 bis 3 SGB IX a. F. das zuletzt vor Beginn der Leistung oder einer vorangegangenen Arbeitsunfähigkeit erzielte und um Einmalzahlungen verminderte Arbeitsentgelt. Neben dieser Regelberechnung sieht der Sondertatbestand des § 48 SGB IX a. F. als Berechnungsgrundlage 65 vom Hundert des auf ein Jahr bezogenen tariflichen oder, wenn es an einer tariflichen Regelung fehlt, des ortsüblichen Arbeitsentgelts für den Fall vor, dass die Berechnung nach den §§ 46 und 47 SGB IX a. F. zu einem geringeren Betrag führt (Nr. 1), Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nicht erzielt worden ist (Nr. 2) oder der letzte Tag des Bemessungszeitraums bei Beginn der Leistungen länger als drei Jahre zurückliegt (Nr. 3).

Die Regelberechnung nach den §§ 46 und 47 SGB IX a. F. knüpft damit ihrem Wortlaut nach ausschließlich an einen Arbeitsverdienst und nicht an den Bezug einer Entgeltersatzleistung an. Nur wenn Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen und auch eine Entgeltersatzleistung nicht bezogen wurden oder wenn die Berücksichtigung der tatsächlichen Einkommensverhältnisse aus den in § 48 Satz 1 Nr. 1 oder 3 SGB IX a. F. genannten Gründen ausscheidet, ist ein fiktives Arbeitsentgelt festzustellen.

Der Kläger hat indes vor Beginn des Übergangsgeldes Arbeitslosengeld I – mithin eine Entgeltersatzleistung - bezogen und damit weder Arbeitsentgelt noch Arbeitseinkommen erzielt. Ein Sonderfall im Sinne des § 48 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB IX a. F. ist ebenfalls nicht gegeben. Der Tatbestand einer ungünstigeren Regelberechnung (Nr. 1) ist schon mangels Anwendbarkeit der §§ 46 und 47 SGB IX a. F. nicht einschlägig. Da der Kläger zuletzt vor Eintritt der Arbeitslosigkeit bis zum 30. September 2013 Arbeitsentgelt erhalten hat, sind auch die Tatbestände des fehlenden Arbeitsverdienstes (Nr. 2) und des länger als drei Jahre zurückliegen Bemessungszeitraums (Nr. 3 nicht erfüllt.

Entgegen der Annahme des SG Frankfurt (Oder) besteht in den Fällen vorangegangenen Arbeitslosengeldbezugs über § 50 SGB VII a. F. von vornherein kein Zugriff auf die §§ 46 ff. SGB IX a. F. Die Vorschrift des § 50 SGB VII a. F. inkorporiert die Bestimmungen der §§ 46 bis 51 SGB IX a. F. so in das SGB VII, dass sie nur in den unmittelbar geregelten Fallgestaltungen anzuwenden sind und nicht analog auf andere. Abweichendes für die gesetzliche Unfallversicherung enthalten sie nicht (so auch Ricke, in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 96. Erg.-Lfg. September 2017, § 50 SGB VII Rn. 3). Eine Erstreckung der durch § 50 SGB VII ausgesprochenen Inkorporierung auf nicht erfasste Fallgestaltungen im Wege der Analogie kommt mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht (vgl. insoweit zu den ab 01. Januar 2018 geltenden Nachfolgevorschriften der §§ 66 bis 71 SGB IX: Kunkel, in Ehmann/Karmanski/Kuhn-Zuber, Kommentar Sozialrechtsberatung, 2. Aufl. 2018, §§ 49, 50 SGB VII Rn. 6). Der Auffassung, dass §§ 46 ff. SGB IX a. F. auch dann entsprechend Anwendung finden können, wenn unmittelbar vor dem Bezug von Übergangsgeld kein Arbeitsentgelt bezogen worden ist, ist mithin nicht zu folgen.

Eine Rückanknüpfung an das zuletzt bezogene Arbeitsentgelt – vorliegend an das im Monat Dezember 2012 bezogene Arbeitsentgelt – ist auch dann nicht möglich, wenn der Empfänger des Übergangsgeldes vor Beginn der Übergangsleistungen durchgehend arbeitsunfähig war (a. A.: SG Dresden, Urteil vom 26. September 2013 – S 35 R 90/12 – , Rn. 19 ff. zitiert nach Juris). Eine solche Rückanknüpfung würde dem durch das BSG in seinem Urteil vom 13. November 2012 (Az. B 2 U 26/11 R) aufgestellten Rechtssatz widersprechen, wonach die Regelberechnung nach den §§ 46 und 47 SGB IX ausschließlich an einen Arbeitsverdienst, nicht aber an den Bezug einer Entgeltersatzleistung anschließt. Nur wenn Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen und auch eine Entgeltersatzleistung nicht bezogen wurden oder wenn die Berücksichtigung der tatsächlichen Einkommensverhältnisse aus den in § 48 Satz 1 Nr. 1 oder 3 SGB IX genannten Gründen ausscheidet, ist ein fiktives Arbeitsentgelt festzustellen (vgl. Rn. 20 des genannten Urteils des BSG, zitiert nach Juris). Für die Gültigkeit dieses abstrakten Rechtssatzes kommt der Sachverhaltsabweichung, dass der Kläger im Fall des BSG vor der Gewährung von Übergangsgeld Verletztengeld – und nicht wie hier Arbeitslosengeld I – bezogen hat, keine entscheidende Bedeutung zu.

Stellt das von dem Kläger bezogene Arbeitslosengeld I mithin kein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen im Sinne der §§ 46 f. SGB IX a. F. und auch keine Entgeltersatzleistung gemäß § 49 SGB IX a. F. dar, so kommt § 50, 2. Halbsatz SGB VII a. F. in Verbindung mit § 47 SGB VII zur Anwendung mit der Folge, dass nach § 47 Abs. 2 SGB VII in Verbindung mit § 47b SGB V Übergangsgeld in Höhe des zuletzt bezogenen Arbeitslosengeldes zu leisten ist. Einen solchen Leistungsanspruch hat die Beklagte dem Kläger mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 10. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Februar 2015 zuerkannt.

Steht bereits der tatsächliche Bezug von Arbeitslosengeld I unmittelbar vor Beginn des Anspruchs auf Übergangsgeld einer Berücksichtigung (fiktiven) Arbeitsentgelts bei der Bemessung der Höhe des Anspruchs auf Übergangsgeld entgegen, so kommt es hier nicht mehr darauf an, ob der Kläger zeitgleich zum Bezug von Arbeitslosengeld I tatsächlich auch arbeitsunfähig war. Es kommt damit vorliegend auch nicht darauf an, ob die von der Beklagten mit bindendem Bescheid vom 20. August 2014 getroffene Feststellung, dem Kläger stehe mangels Arbeitsunfähigkeit kein Anspruch auf Zahlung von Verletztengeld zu, der Annahme einer Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der hier zu treffenden Entscheidung über die Bemessung des Anspruchs auf Übergangsgeld entgegensteht.

Überdies weist der Senat darauf hin – ohne dass es in Anbetracht der obigen rechtlichen Erwägungen entscheidend darauf ankäme -, dass Bedenken bestehen gegen die rückwirkende Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit nach Aktenlage durch den Sachverständigen Dr. H.

Zwar ist – entgegen der Annahme der Beklagten – ungeachtet der Vorgaben in der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie in der Fassung vom 14. November 2013, zuletzt geändert am 26. Juni 2020, im Internet veröffentlicht unter https://www.g-ba.de/downloads/62-492-2203/AU-RL 2020-06-26 iK-2020-06-23.pdf), wonach Arbeitsunfähigkeit für eine vor der ärztlichen Inanspruchnahme liegende Zeit grundsätzlich nicht und ausnahmsweise nur für bis zu drei Tagen rückwirkend bescheinigt werden soll (vgl. § 5 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Richtlinie), eine rückwirkende Beurteilung der Frage der Arbeitsunfähigkeit im Wege der unfallversicherungsrechtlichen Begutachtung durch einen gerichtlichen Sachverständigen grundsätzlich möglich. Denn die Richtlinie betrifft ausweislich ihres § 1 Abs. 2 (Präambel) lediglich das Verhältnis zwischen Vertragsarzt und Krankenkasse.

Dennoch dürfte sich vorliegend die im Gutachten des Dr. H vom 03. Dezember 2016 ausgesprochene rückwirkende Annahme einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Befunden aus den Jahren 2012 und 2013 als eher hypothetisch erweisen, liegen doch für diesen Zeitraum keinerlei ärztliche Atteste hinsichtlich einer Arbeitsunfähigkeit vor, an die hätte angeknüpft werden können.

Darüber hinaus hat Dr. H in seinem Gutachten eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers lediglich für den Zeitraum vom 01. Oktober 2013 bis zum 20. Oktober 2014 postuliert, also für denjenigen Zeitraum, der sich an die Beendigung der Tätigkeit des Klägers in der Auffanggesellschaft anschloss und in dem er – jedenfalls bis zum 30. September 2014 – Leistungen der Bundesagentur für Arbeit bezogen hat. Fraglich ist indes, ob in der Logik der Entscheidung des SG Frankfurt (Oder), nach der für die Bemessung der Höhe des Übergangsgeldes an den Verdienst aus dem Monat Dezember 2012 anzuknüpfen war, die Beurteilung der Frage der Arbeitsunfähigkeit nicht (auch) für den Zeitraum vor dem 01. Oktober 2013 hätte vorgenommen werden müssen. Weiterhin ist fraglich, ob zur Beurteilung der Frage der Arbeitsunfähigkeit tatsächlich an die Ausübung des Berufs des Operators abzustellen war, oder ob stattdessen nicht vielmehr die gesundheitlichen Anforderungen hätten maßgeblich sein müssen, die an die Ausübung der Tätigkeit des Klägers in der Auffanggesellschaft zu stellen waren bzw. diejenigen, die an die Arbeitsunfähigkeit von Arbeitslosen zu stellen sind (vgl. insoweit § 2 Abs. 3 Satz 1 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie, die bestimmt, dass Versicherte, die arbeitslos sind, dann arbeitsunfähig sind, wenn sie krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage sind, leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang zu verrichten, für den sie sich bei der Agentur für Arbeit zur Verfügung gestellt haben). Ggf. wäre somit für die Beurteilung der Frage der Arbeitsunfähigkeit des Klägers ein sowohl zeitlich als auch von der Bezugstätigkeit her anderer Maßstab anzulegen gewesen, als es Dr. H anknüpfend an die Beweisfragen des SG Frankfurt (Oder) getan hat.

Nicht zuletzt wird aus den aufgezeigten tatsächlichen Schwierigkeiten bei der rückwirkenden Beurteilung der Frage der Arbeitsunfähigkeit ersichtlich, dass diese den Anforderungen an die Praktikabilität zuwiderläuft, die das BSG in seiner oben näher bezeichneten Entscheidung vom 13. November 2012 aufgestellt hat. Nach den dortigen Ausführungen soll im Sinne einer Kontinuität der Leistungen und der Verwaltungsvereinfachung auf eine erneute Ermittlung und Feststellung des Bemessungsentgelts in der Regel verzichtet werden (vgl. Rn. 23, zitiert nach Juris). Der erstinstanzlich vorgenommene Versuch einer mehrere Jahre zurückreichenden Rekonstruktion einer fiktiven Arbeitsunfähigkeit des Klägers, der leicht zu vagen und eher spekulativen Ergebnissen führen kann, steht diesen Zielen diametral entgegen.

Nach alledem war der Berufung der Beklagten stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die Auslegung und Analogiefähigkeit des § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB IX a. F., der wortgleich in § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB IX übernommen worden ist, sowie das Zusammenspiel dieser Vorschrift mit § 49 SGB IX a. F. bzw. nunmehr § 69 SGB IX sind bislang höchstrichterlich nicht geklärt.
Rechtskraft
Aus
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