Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 42 KR 158/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 204/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Ein qualifizierter Zeitstempel nach § 2 Nr. 14 SigG hat nicht denselben Beweiswert wie ein Posteingangsstempel, denn er bescheinigt nur den Zeitpunkt der elektronischen Erfassung.
2. Bleibt offen, wie die Krankenkasse das Posteingangsmanagement und Einscannen von Post, die in einem zentralen Postfach anlandet, organisiert hat, kann für den Nachweis des (rechtzeitigen) Eingangs von fristgebundenen Dokumenten und schriftlichen Tatsachenmitteilungen von Versicherten eine Umkehr der allgemeinen Beweislast des § 130 BGB eintreten.
2. Bleibt offen, wie die Krankenkasse das Posteingangsmanagement und Einscannen von Post, die in einem zentralen Postfach anlandet, organisiert hat, kann für den Nachweis des (rechtzeitigen) Eingangs von fristgebundenen Dokumenten und schriftlichen Tatsachenmitteilungen von Versicherten eine Umkehr der allgemeinen Beweislast des § 130 BGB eintreten.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 2. Mai 2019 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt Krankengeld für den Zeitraum vom 13. Januar 2017 bis zum 19. Januar 2017.
Die Klägerin ist 1959 geboren und bei der Beklagten krankenversichert. Sie erkrankte während eines Beschäftigungsverhältnisses am 22. September 2016 arbeitsunfähig nach der Implantation einer Kniegelenkstotalendoprothese (ärztliche Folgebescheinigung vom 13. Dezember 2016 mit einer bis zum 12. Januar 2017 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit). Eine unter dem 12. Januar 2017 ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stellte Arbeitsunfähigkeit bis zum 9. Februar 2017 fest. Die Klägerin übersandte diese auf dem Postweg am 16. Januar 2017 an das zentrale Postfach der Beklagten in 42267 Wuppertal. Die im Postfach eingehende Post wird von der Beklagten in deren Dienstleistungszentrum (DLZ) händisch auf Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen überprüft, diese aussortiert und dem Scanvorgang (elektronische Erfassung) zugeführt. Danach wird durch die Mitarbeiter mittels ihrer Signaturkarte und persönlicher PIN-Nummer eine qualifizierte elektronische Signatur erstellt. Die Scan-Dokumente der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen weisen die elektronische Signatur vertikal am linken Rand auf. Nach Ablauf von drei Wochen wird das Original der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vernichtet.
Der Scan-Ausdruck der von der Beklagten eingescannten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Klägern mit Datum vom 12. Januar 2017 enthält eine Scan-ID-Nr. sowie den handschriftlichen Vermerk "Posteingang 20. Januar 2017", gefolgt von einem Handzeichen sowie dahinter den gestempelten Namen "S M".
Die Beklagte lehnte eine Krankengeldzahlung für die Zeit vom 13. Januar 2017 bis zum 19. Januar 2017 ab, die Überweisung erfolge dann wieder für den Zeitraum ab dem 20. Januar 2017. Die Klägerin müsse ihre weitere Arbeitsunfähigkeit der Beklagten innerhalb einer Woche melden. Die Meldung (vom 13. Dezember 2016) sei zunächst nur bis zum 12. Januar 2017 erfolgt, die weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12. Januar 2017 habe die Beklagte hingegen erst am 20. Januar 2017 erreicht. Sie sei daher nicht innerhalb der Wochenfrist bei der Beklagten eingegangen. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2017 zurück.
Die Klägerin hat am 15. Juni 2017 Klage zum Sozialgericht Frankfurt/Oder erhoben. Das Sozialgericht hat die Beklagte mit seinem Urteil vom 2. Mai 2019 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 13. Januar bis zum 19. Januar 2017 weiteres Krankengeld zu gewähren. Der Krankengeldanspruch der Klägerin sei für die streitige Zeit nicht zum Ruhen gekommen. Zwar sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Gewährung von Krankengeld bei verspäteter Meldung nach der Frist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) auch dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben seien und die Versicherten keinerlei Verschulden an einem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung treffe. Auch eine rechtzeitig zur Post gegebene, aber auf dem Postweg verloren gegangene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung könne den Eintritt der Ruhenswirkung selbst dann nicht verhindern, wenn die Meldung unverzüglich nachgeholt werde. Ausgehend von der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 13. Dezember 2016, welche die Arbeitsunfähigkeit bis zum 12. Januar 2017 festgestellt habe, beginne die für die nachfolgende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12. Januar 2017 maßgebliche Meldefrist erst am 13. Januar 2017 (Freitag). Sie ende mit Ablauf des siebten Tages am 19. Januar 2017.
Die Meldung, bei der es sich um eine Obliegenheit der Versicherten handele, sei in entsprechender Anwendung von § 130 Abs. 1 und 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erst dann erfolgt, wenn sie der Krankenkasse zugegangen sei. Dazu müsse sie innerhalb einer Woche mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme in den Machtbereich der Krankenkasse gelangt sein. Die Beweislast für einen solchen rechtzeitigen Zugang liege bei den Versicherten. Grundsätzlich könne der Beweis eines rechtzeitigen Eingangs, soweit die Meldung wie im Fall der Klägerin schriftlich erfolge, durch einen von der Krankenkasse aufgebrachten Eingangsstempel erfolgen. Dieser beweise als öffentliche Urkunde (gemäß § 415, 418 Zivilprozessordnung – ZPO) in der Regel, dass das Schriftstück an dem betreffenden Tag bei der Behörde eingegangen sei. Hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12. Januar 2017 fehle es an einem solchen Eingangsstempel. Soweit darauf handschriftlich vermerkt worden sei "Posteingang 20.1.2017" handele es sich gerade nicht um eine Bestätigung des Eingangs des physischen Posteingangs. Vielmehr sei dieser Hinweis, wie die Beklagte bestätigt habe, von der Sachbearbeiterin der Beklagten bei der Zusammenstellung der Verwaltungsakte als Arbeitshilfe erstellt worden. Ein verspäteter Posteingang lasse sich nicht beweisen. Zwar verweise die Beklagte auf den qualifizierten Zeitstempel im Sinne des § 2 Nr. 14 Signaturgesetz (SigG). Hierbei handele es sich jedoch lediglich um elektronische Bescheinigung eines Zertifizierungsdiensteanbieters darüber, dass bestimmte elektronische Daten zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgelegen hätten. Mit dem Stempel werde gerade nicht der physische Posteingang garantiert. Auch der Hinweis der Beklagten, sämtliche Posteingänge, insbesondere die prioritär behandelten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, würden taggleich bei der Beklagten eingescannt, sodass der Zeitstempel zum Scanvorgang auch den physischen Posteingang belege, führe nicht weiter. Ein Nachweis darüber, dass sämtliche Post, die im DLZ vor Mitternacht eingehe, noch bis Mitternacht gescannt werde und damit den Zeitstempel des Posteingangstages erhalte, könne von der Beklagten gerade nicht geführt werden. Vielmehr lasse die Organisation des Scanprozesses das Gegenteil vermuten. Zunächst gingen dem Einscannen eine Vielzahl von Arbeitsschritten voraus, sodass bereits rein tatsächlich zweifelhaft sei, inwieweit die Beklagte sicherstelle, dass sämtliche an einem Tag eingehende Post auch noch diesem Tag zugeordnet werden könne. Ungeachtet dessen habe die Beklagte selbst ausgeführt, es werde im 24-stündigen Dreischichtbetrieb an jedem Tag der Woche im DLZ Post bearbeitet. Dies führe zwangsläufig dazu, dass bei den Posteingängen, die am Sonntag oder werktags unmittelbar nach Mitternacht eingescannt würden, der Zeitstempel der Digitalisierung des Dokuments nicht mehr dem physischen Posteingang im DLZ entspreche. Hierauf komme es jedoch nicht an, denn den Beweis für den papierhaften Eingang der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12. Januar 2017 im DLZ der Beklagten könnten weder die Beklagte noch die Klägerin führen. Angesichts der Beweislastverteilung würde die Nichtaufklärbarkeit des tatsächlichen Posteingangs bei der Beklagten grundsätzlich zulasten der Klägerin gehen. Im konkreten Fall würde der Klägerin damit jedoch die Beweislast für Vorgänge aufgebürdet, die sie nicht aufklären könne, weil sie sich ausschließlich im behördeninternen Bereich abspielten und ihr daher unbekannt seien. Diese habe zudem keinerlei Möglichkeit, die internen Vorgänge im DLZ der Beklagten aufzuklären oder insoweit Beweis zu führen. Die fehlende Aufklärbarkeit falle allein in den Verantwortungsbereich der Beklagten. Diese habe es versäumt, den physischen Eingang der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch Aufbringen eines Posteingangstempels beweissicher zu dokumentieren. Dies sei umso unverständlicher, als sich auf anderen Schriftstücken der Klägerin in der Verwaltungsakte durchaus ein Posteingangsstempel befinde. In so einem Fall könne die Beweislosigkeit der Klägerin dieser nicht zum Nachteil gereichen. Folglich müsse davon ausgegangen werden, dass die Meldung über die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit ab dem 13. Januar 2017 die Beklagte fristgerecht innerhalb einer Woche erreicht habe.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 10. Mai 2019 zugestellte Urteil am 5. Juni 2019 Berufung eingelegt. Die Bewertung des Sozialgerichts sei in sich widersprüchlich. Es sei nicht nachvollziehbar, warum dem Scandatum misstraut werde, dagegen nicht dem früher üblichen Posteingangsstempel. Warum werde der Aussage einer Bundesbehörde, wonach taggleich Eingangsstempel verteilt würden mehr Glauben geschenkt als der Aussage, es würde taggleich gescannt? Die AU-Bescheinigungen unterlägen im DLZ der Beklagten der Prioritätsstufe 1. Dies bedeute, dass sie am Tag ihres Eingangs bis spätestens 13 Uhr dort eingesannt würden. Sie würden von ausgesuchten Mitarbeitern der Beklagten nach einem festgelegten Shuttle-Service, in dem Ort und Zeit vorgegeben sei, zum Scannen gebracht. Es sei daher auszuschließen, dass noch nachts, vor allem nach 24 Uhr, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingescannt werde und so das Scandatum des nächsten Tages tragen könne. Nach einer Stichprobenprüfung, ob der Scan mit dem Original übereinstimme, erfolge durch die Mitarbeiter mittels ihrer Signaturkarte und persönlicher PIN-Nummer die elektronische Signierung. Das Tagesdatum werde dabei maschinell vorgegeben und könne nicht verändert werden. Ein elektronisches Posteingangsbuch oder –verwaltungsmanagement werde nicht geführt. Die Beklagte habe aber verschiedene interne Sicherungsmaßnahmen implementiert, die ein rechtssicheres Vorgehen gewährleisten. Dazu gehörten dezidierte Arbeitsanweisungen, die Etablierung und Anwendung eines internen Kontrollsystems (IKS) sowie von Risikomanagementsystemen, maschinelle Tools zur Risikobewertung und die gesetzlich für eine Körperschaft des öffentlichen Rechts vorgegebenen Sicherheits- und Kontrollvorschriften (SIKO). Die Führungskräfte überzeugten sich regelmäßig durch unangekündigte Beteiligungen und Stichproben von der sach- und fachgerechten Bearbeitung der Eingangspost. Im Rahmen eines Monitoring, welches von den QS-Mitarbeitern der Beklagten des DLZ überwacht werde, sei bereits 2017 eine tägliche Überwachung der Verarbeitung des Posteinganges erfolgt. Für den Fall, dass ein taggleiches Scannen nicht möglich sei, würden Störungsmeldungen abgegeben, die bundesweit für alle Versicherten Berücksichtigung fänden. Für den vorliegenden Zeitraum seien ihr keine Störungsmeldungen bekannt. Bei der Beklagten seien weitere Fälle einer verspäteten Meldung der Arbeitsunfähigkeit bekannt geworden, in denen auf Seiten der Beklagten ein Scanvorgang ohne Posteingangsstempel etabliert gewesen sei. Ein früherer Zugang der AU-Bescheinigung vom 12. Januar 2017 als derjenige am 20. Januar 2017 sei aber gerade für die Klägerin nicht nachgewiesen. Eine weitere Aufklärung sei nicht möglich. Selbst wenn die Klägerin den Brief rechtzeitig und ausreichend frankiert zur Post gegeben hätte, sei daraus nicht zu schließen, dass dieser tatsächlich vor dem 20. Januar 2017 in den Machtbereich der Beklagten gelangt sei oder jedenfalls Organisationsmängel der Beklagten für einen nicht rechtzeitigen Zugang verantwortlich seien. Verlängerte Postzeiten seien im Einzelfall schlicht nicht auszuschließen. Die Klägerin trage nach allgemeinen Grundsätzen die objektive Beweislast für die rechtzeitige Meldung.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 2. Mai 2019 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Zeugin L könne bestätigen, dass sie im Auftrag der Klägerin den Brief mit der AU-Bescheinigung für die seinerzeit noch stark gehbehinderte Klägerin am 16. Januar 2017 direkt bei der Poststelle in S/O am entsprechenden Postschalter aufgegeben habe. Dies sei nötig geworden, weil sie am 13. Januar 2017 (einem Freitag) den Brief zunächst in den ihr bekannten Briefkasten der Beklagten in S/O habe einwerfen sollen, der sich an der Geschäftsstelle der H Versicherung in der Rstraße befunden habe. Dieser sei aber am 13. Januar 2017 nicht mehr vorhanden gewesen.
Die Ausführungen der Beklagten seien widersprüchlich. So habe diese gegenüber dem Sozialgericht noch angegeben, dass die Briefe, die per Post gesandt würden, direkt an das DLZ der Beklagten in Wuppertal gelangten. Nunmehr werde im Berufungsverfahren ausgeführt, dass sie von der Postfachanlage durch Mitarbeiter erst in das DLZ transportiert werden würden. Soweit behauptet werde, dies geschehe stets bis 9.15 Uhr, bestehe das Risiko, dass Briefe, die nach dieser Zeit unter der Postfachadresse eingehen würden, offensichtlich nicht mehr bearbeitet würden. Den entsprechenden Shuttleplan habe die Beklagte nicht vorgelegt. Auch seien die Ausführungen zu den Überwachungsmaßnahmen eher allgemein gehalten. Die in Bezug genommenen Störungsmeldungen seien zudem wohl nur auf technische Störungen bezogen, nicht auf menschliches Versagen. Die Arbeitsunfähigkeitsfeststellung sei mit Anlanden im Postfach der Beklagten bereits in deren Machtbereich gelangt.
Der Senat hat am 10. Oktober 2019 einen Termin zur Erörterung in der Sache durchgeführt. Er hat den Beteiligten mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Berufung ohne mündliche Verhandlung mittels einstimmigen Beschluss zurückzuweisen (Benachrichtigung zur Terminsaufhebung vom 7. Mai 2020).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die ausgetauschten Schriftsätze nebst Anlagen, die Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
II.
A. Der Senat durfte über die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Beteiligten sind vorher gehört worden. B. Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat sie zu Recht zur Gewährung des streitigen Krankengeldes verurteilt. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Auszahlung des Krankengeldes für die Zeit vom 13. Januar 2017 bis zum 19. Januar 2017. Der Anspruch ist nicht deshalb zum Ruhen gekommen, weil die Klägerin die weiterbestehende Arbeitsunfähigkeit der Beklagten nicht rechtzeitig innerhalb der Frist des §§ 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V gemeldet hat.
I. Die Klägerin hat ihre Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig der Beklagten gemeldet. Selbst wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12. Januar 2017, wie es die Beklagte behauptet, (erst) am 20. Januar 2017 bei ihr einging, erfolgte diese noch innerhalb der Frist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V. Das folgt bereits daraus, dass die maßgebliche Meldefrist für die am 12. Januar 2017 festgestellte Arbeitsunfähigkeit nicht vor dem 13. Januar 2017 zu laufen begann. Denn bereits mit der vorherigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 13. Dezember 2016 war Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 12. Januar 2017 festgestellt worden. Die nachfolgende (gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V verfrühte) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12. Januar 2017 ist noch vor Ablauf der vorherigen Feststellung erfolgt. Bei überlappenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen trifft Versicherte eine erneute Meldeobliegenheit nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V erst dann, wenn wegen der Befristung der bisher attestierten Arbeitsunfähigkeit über die Weitergewährung von Krankengeld neu zu befinden ist. Dann beginnt aber auch die Wochenfrist für die Meldung erst mit dem Tag nach dem Ablauf des vorangegangenen Arbeitsunfähigkeitszeitraums der bisher attestierten Arbeitsunfähigkeit bzw. mit dem Beginn der "weiteren" Arbeitsunfähigkeit. Das Ausstellungsdatum der weiteren Bescheinigung ist dabei ebenso irrelevant, wie bei einer Erstbescheinigung (BSG, Beschluss vom 4. Juni 2019 – B 3 KR 48/18 B –, Rn. 11, juris, so auch Urteil des Senats vom 11. März 2020 – L 9 KR 420/17 –, Rn. 20, juris). Gemessen daran begann die Wochenfrist nach § 26 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. den §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit dem Tage nach dem Ende der letzten Arbeitsunfähigkeit (12. Januar 2017), hier also am 13. Januar 2020, und endete eine Woche später mit dem Ablauf des Tages, der dem Tag entspricht, an dem die (neue) Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, somit im Fall der Klägerin am 20. Januar 2020 (Brinkhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 49 SGB V, Rn. 65).
II. Selbst wenn die maßgebende Wochenfrist zur Meldung der Arbeitsunfähigkeit aber bereits am 19. Januar 2017 endete, weil für die Fristbestimmung doch auf das Datum der Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, damit den 12. Januar 2017, abgestellt wird, kann die Beklagte der Klägerin dies jedenfalls nicht entgegenhalten. Es liegt hinsichtlich des maßgebenden Eingangsdatums eine Umkehr der Beweislast zu Gunsten der Klägerin vor. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf die erstinstanzliche Entscheidung, die alle wesentlichen Aspekte des Falles sorgfältig und überzeugend würdigt (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Zu ergänzen und zu betonen bleibt:
Eine Umkehr der allgemeinen Beweislast liegt auch bei Berücksichtigung der Erkenntnisse des Berufungsverfahrens vor. Eine Umkehr der Beweislast ist für eine Tatsache gerechtfertigt, wenn für sie eine besondere Beweisnähe zu einem Beteiligten besteht. Das ist anzunehmen, wenn in dessen Sphäre oder in dessen Verantwortungssphäre wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind, insbesondere der andere Beteiligte diese nicht kennt und nicht kennen muss (allgemein BSG, Urteil vom 15. Juni 2016 – B 4 AS 41/15 R –, SozR 4-4200 § 9 Nr 14, Rn. 30; Urteil vom 24. November 2010 – B 11 AL 35/09 R –, Rn. 22, juris).
Zwar liegt die Beweislast für den rechtzeitigen Zugang einer per Brief übersandten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der Krankenkasse grundsätzlich bei den Versicherten. Spiegelbildlich dazu obliegt den Krankenkassen die Pflicht, ihren Herrschaftsbereich so organisieren, dass der Eingangszeitpunkt der o.g. fristgebundenen Bescheinigung bei ihr jederzeit beweissicher dokumentiert ist. Verzichtet die Krankenkasse auf die Verwendung eines Posteingangsstempels, der als öffentliche Urkunde den vollen Beweis der Tatsache des Eingangsdatums einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung begründet (§ 418 ZPO), muss das stattdessen eingesetzte System eine vergleichbare Gewähr bieten. Ist das nicht der Fall, kann sich die Krankenkasse nicht auf einen behaupteten verspäteten Posteingang berufen, sondern muss diesen ihrerseits konkret nachweisen. So liegt der Fall hier.
Die Beklagte kann sich für einen Posteingang am 20. Januar 2017 nicht auf einen Posteingangsstempel berufen, weil ein solcher nicht zum Einsatz gekommen ist. Sie hat mit der Verwendung der elektronischen Signatur ein Mittel genutzt, welches bereits nicht geeignet war, einen Posteingang zu dem Zeitpunkt, den die Signatur auswies, zu belegen. Der qualifizierte Zeitstempel i.S. des § 2 Nr. 14 SigG bescheinigt den Zeitpunkt der elektronischen Erfassung, dagegen nicht den Zugang der Post im Herrschaftsbereich der Beklagten. Dieser liegt bereits in dem Moment vor, in dem die Post in das zentrale Postfach gelangt. Eine Koinzidenz des Scan-Datums mit dem Datum des (physischen) Posteingangs bei der Beklagten ist vor dem Hintergrund des insgesamt in dem Verfahren variierenden Beklagtenvorbringens zu ihrem Postmanagement gerade nicht gerechtfertigt. So hat die Beklagte vor dem Sozialgericht noch behauptet, dass die Briefpost an ihr DLZ gehe, in welchem diese taggleich eingescannt und archiviert werde. Die eingehende Post werde nicht von der Beklagten versendet, sondern die Deutsche Post AG stelle die Post im DLZ Wuppertal zu (Schriftsätze vom 14. Februar und vom 30. Mai 2018). Im Berufungsverfahren hat die Beklagte dann erstmals auf gezielte Frage des Senats ausgeführt, dass ein Mitarbeiter der Beklagten die eingehende Post in der Postfachanlage der Beklagten abhole und diese in dem DLZ anliefere (Schriftsätze vom 25. September und vom 2. Dezember 2012). Im Termin zur Erörterung vor dem Senat vom 10. Oktober 2019 zu diesem Widerspruch befragt, hat der anwesende Beklagtenvertreter erklärt, er könne ihn nicht aufklären. Der Unterschied ist aber bedeutsam: liegt zwischen Eingang bei der Beklagten im Postfach und dem Scan-Vorgang noch ein Zwischenschritt (Anlieferung im DLZ), so kann bereits deshalb der qualifizierte Zeitstempel, der im DLZ vergeben wird, nicht zuverlässig den Posteingang dokumentieren. Das unterscheidet dieses Postmanagement auch von jenem bei Gerichten, soweit diese eingehende Post elektronisch erfassen und entsprechende Zeitstempel aufbringen. Die Post landet direkt in den Gerichten und wird dort taggleich von Gerichtsangehörigen gescannt. Auf die Umstände des Scan-Vorgangs im DLZ der Beklagten kommt es demzufolge nicht an. Soweit die Beklagte aber dazu zuletzt vor dem Senat versicherte, die eingehenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen würden stets unmittelbar dem Scanvorgang zugeführt und dieser Vorgang sei bis 13.00 Uhr eines jeden Tages abgeschlossen, so steht auch diese Darstellung im Widerspruch zu früheren Behauptungen und ist deshalb wenig überzeugend. Ihr steht die Aussage der Prozessvertreterin vor dem Sozialgericht entgegen, wonach das DLZ im Drei-Schichtsystem Post bearbeite und Poststücke auch nach 24 Uhr eingescannt würden und so u.U. auch das Scan-Datum des nächsten Tages tragen könnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.
Die Revision war nicht zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt Krankengeld für den Zeitraum vom 13. Januar 2017 bis zum 19. Januar 2017.
Die Klägerin ist 1959 geboren und bei der Beklagten krankenversichert. Sie erkrankte während eines Beschäftigungsverhältnisses am 22. September 2016 arbeitsunfähig nach der Implantation einer Kniegelenkstotalendoprothese (ärztliche Folgebescheinigung vom 13. Dezember 2016 mit einer bis zum 12. Januar 2017 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit). Eine unter dem 12. Januar 2017 ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stellte Arbeitsunfähigkeit bis zum 9. Februar 2017 fest. Die Klägerin übersandte diese auf dem Postweg am 16. Januar 2017 an das zentrale Postfach der Beklagten in 42267 Wuppertal. Die im Postfach eingehende Post wird von der Beklagten in deren Dienstleistungszentrum (DLZ) händisch auf Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen überprüft, diese aussortiert und dem Scanvorgang (elektronische Erfassung) zugeführt. Danach wird durch die Mitarbeiter mittels ihrer Signaturkarte und persönlicher PIN-Nummer eine qualifizierte elektronische Signatur erstellt. Die Scan-Dokumente der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen weisen die elektronische Signatur vertikal am linken Rand auf. Nach Ablauf von drei Wochen wird das Original der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vernichtet.
Der Scan-Ausdruck der von der Beklagten eingescannten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Klägern mit Datum vom 12. Januar 2017 enthält eine Scan-ID-Nr. sowie den handschriftlichen Vermerk "Posteingang 20. Januar 2017", gefolgt von einem Handzeichen sowie dahinter den gestempelten Namen "S M".
Die Beklagte lehnte eine Krankengeldzahlung für die Zeit vom 13. Januar 2017 bis zum 19. Januar 2017 ab, die Überweisung erfolge dann wieder für den Zeitraum ab dem 20. Januar 2017. Die Klägerin müsse ihre weitere Arbeitsunfähigkeit der Beklagten innerhalb einer Woche melden. Die Meldung (vom 13. Dezember 2016) sei zunächst nur bis zum 12. Januar 2017 erfolgt, die weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12. Januar 2017 habe die Beklagte hingegen erst am 20. Januar 2017 erreicht. Sie sei daher nicht innerhalb der Wochenfrist bei der Beklagten eingegangen. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2017 zurück.
Die Klägerin hat am 15. Juni 2017 Klage zum Sozialgericht Frankfurt/Oder erhoben. Das Sozialgericht hat die Beklagte mit seinem Urteil vom 2. Mai 2019 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 13. Januar bis zum 19. Januar 2017 weiteres Krankengeld zu gewähren. Der Krankengeldanspruch der Klägerin sei für die streitige Zeit nicht zum Ruhen gekommen. Zwar sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Gewährung von Krankengeld bei verspäteter Meldung nach der Frist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) auch dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben seien und die Versicherten keinerlei Verschulden an einem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung treffe. Auch eine rechtzeitig zur Post gegebene, aber auf dem Postweg verloren gegangene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung könne den Eintritt der Ruhenswirkung selbst dann nicht verhindern, wenn die Meldung unverzüglich nachgeholt werde. Ausgehend von der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 13. Dezember 2016, welche die Arbeitsunfähigkeit bis zum 12. Januar 2017 festgestellt habe, beginne die für die nachfolgende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12. Januar 2017 maßgebliche Meldefrist erst am 13. Januar 2017 (Freitag). Sie ende mit Ablauf des siebten Tages am 19. Januar 2017.
Die Meldung, bei der es sich um eine Obliegenheit der Versicherten handele, sei in entsprechender Anwendung von § 130 Abs. 1 und 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erst dann erfolgt, wenn sie der Krankenkasse zugegangen sei. Dazu müsse sie innerhalb einer Woche mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme in den Machtbereich der Krankenkasse gelangt sein. Die Beweislast für einen solchen rechtzeitigen Zugang liege bei den Versicherten. Grundsätzlich könne der Beweis eines rechtzeitigen Eingangs, soweit die Meldung wie im Fall der Klägerin schriftlich erfolge, durch einen von der Krankenkasse aufgebrachten Eingangsstempel erfolgen. Dieser beweise als öffentliche Urkunde (gemäß § 415, 418 Zivilprozessordnung – ZPO) in der Regel, dass das Schriftstück an dem betreffenden Tag bei der Behörde eingegangen sei. Hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12. Januar 2017 fehle es an einem solchen Eingangsstempel. Soweit darauf handschriftlich vermerkt worden sei "Posteingang 20.1.2017" handele es sich gerade nicht um eine Bestätigung des Eingangs des physischen Posteingangs. Vielmehr sei dieser Hinweis, wie die Beklagte bestätigt habe, von der Sachbearbeiterin der Beklagten bei der Zusammenstellung der Verwaltungsakte als Arbeitshilfe erstellt worden. Ein verspäteter Posteingang lasse sich nicht beweisen. Zwar verweise die Beklagte auf den qualifizierten Zeitstempel im Sinne des § 2 Nr. 14 Signaturgesetz (SigG). Hierbei handele es sich jedoch lediglich um elektronische Bescheinigung eines Zertifizierungsdiensteanbieters darüber, dass bestimmte elektronische Daten zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgelegen hätten. Mit dem Stempel werde gerade nicht der physische Posteingang garantiert. Auch der Hinweis der Beklagten, sämtliche Posteingänge, insbesondere die prioritär behandelten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, würden taggleich bei der Beklagten eingescannt, sodass der Zeitstempel zum Scanvorgang auch den physischen Posteingang belege, führe nicht weiter. Ein Nachweis darüber, dass sämtliche Post, die im DLZ vor Mitternacht eingehe, noch bis Mitternacht gescannt werde und damit den Zeitstempel des Posteingangstages erhalte, könne von der Beklagten gerade nicht geführt werden. Vielmehr lasse die Organisation des Scanprozesses das Gegenteil vermuten. Zunächst gingen dem Einscannen eine Vielzahl von Arbeitsschritten voraus, sodass bereits rein tatsächlich zweifelhaft sei, inwieweit die Beklagte sicherstelle, dass sämtliche an einem Tag eingehende Post auch noch diesem Tag zugeordnet werden könne. Ungeachtet dessen habe die Beklagte selbst ausgeführt, es werde im 24-stündigen Dreischichtbetrieb an jedem Tag der Woche im DLZ Post bearbeitet. Dies führe zwangsläufig dazu, dass bei den Posteingängen, die am Sonntag oder werktags unmittelbar nach Mitternacht eingescannt würden, der Zeitstempel der Digitalisierung des Dokuments nicht mehr dem physischen Posteingang im DLZ entspreche. Hierauf komme es jedoch nicht an, denn den Beweis für den papierhaften Eingang der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12. Januar 2017 im DLZ der Beklagten könnten weder die Beklagte noch die Klägerin führen. Angesichts der Beweislastverteilung würde die Nichtaufklärbarkeit des tatsächlichen Posteingangs bei der Beklagten grundsätzlich zulasten der Klägerin gehen. Im konkreten Fall würde der Klägerin damit jedoch die Beweislast für Vorgänge aufgebürdet, die sie nicht aufklären könne, weil sie sich ausschließlich im behördeninternen Bereich abspielten und ihr daher unbekannt seien. Diese habe zudem keinerlei Möglichkeit, die internen Vorgänge im DLZ der Beklagten aufzuklären oder insoweit Beweis zu führen. Die fehlende Aufklärbarkeit falle allein in den Verantwortungsbereich der Beklagten. Diese habe es versäumt, den physischen Eingang der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch Aufbringen eines Posteingangstempels beweissicher zu dokumentieren. Dies sei umso unverständlicher, als sich auf anderen Schriftstücken der Klägerin in der Verwaltungsakte durchaus ein Posteingangsstempel befinde. In so einem Fall könne die Beweislosigkeit der Klägerin dieser nicht zum Nachteil gereichen. Folglich müsse davon ausgegangen werden, dass die Meldung über die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit ab dem 13. Januar 2017 die Beklagte fristgerecht innerhalb einer Woche erreicht habe.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 10. Mai 2019 zugestellte Urteil am 5. Juni 2019 Berufung eingelegt. Die Bewertung des Sozialgerichts sei in sich widersprüchlich. Es sei nicht nachvollziehbar, warum dem Scandatum misstraut werde, dagegen nicht dem früher üblichen Posteingangsstempel. Warum werde der Aussage einer Bundesbehörde, wonach taggleich Eingangsstempel verteilt würden mehr Glauben geschenkt als der Aussage, es würde taggleich gescannt? Die AU-Bescheinigungen unterlägen im DLZ der Beklagten der Prioritätsstufe 1. Dies bedeute, dass sie am Tag ihres Eingangs bis spätestens 13 Uhr dort eingesannt würden. Sie würden von ausgesuchten Mitarbeitern der Beklagten nach einem festgelegten Shuttle-Service, in dem Ort und Zeit vorgegeben sei, zum Scannen gebracht. Es sei daher auszuschließen, dass noch nachts, vor allem nach 24 Uhr, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingescannt werde und so das Scandatum des nächsten Tages tragen könne. Nach einer Stichprobenprüfung, ob der Scan mit dem Original übereinstimme, erfolge durch die Mitarbeiter mittels ihrer Signaturkarte und persönlicher PIN-Nummer die elektronische Signierung. Das Tagesdatum werde dabei maschinell vorgegeben und könne nicht verändert werden. Ein elektronisches Posteingangsbuch oder –verwaltungsmanagement werde nicht geführt. Die Beklagte habe aber verschiedene interne Sicherungsmaßnahmen implementiert, die ein rechtssicheres Vorgehen gewährleisten. Dazu gehörten dezidierte Arbeitsanweisungen, die Etablierung und Anwendung eines internen Kontrollsystems (IKS) sowie von Risikomanagementsystemen, maschinelle Tools zur Risikobewertung und die gesetzlich für eine Körperschaft des öffentlichen Rechts vorgegebenen Sicherheits- und Kontrollvorschriften (SIKO). Die Führungskräfte überzeugten sich regelmäßig durch unangekündigte Beteiligungen und Stichproben von der sach- und fachgerechten Bearbeitung der Eingangspost. Im Rahmen eines Monitoring, welches von den QS-Mitarbeitern der Beklagten des DLZ überwacht werde, sei bereits 2017 eine tägliche Überwachung der Verarbeitung des Posteinganges erfolgt. Für den Fall, dass ein taggleiches Scannen nicht möglich sei, würden Störungsmeldungen abgegeben, die bundesweit für alle Versicherten Berücksichtigung fänden. Für den vorliegenden Zeitraum seien ihr keine Störungsmeldungen bekannt. Bei der Beklagten seien weitere Fälle einer verspäteten Meldung der Arbeitsunfähigkeit bekannt geworden, in denen auf Seiten der Beklagten ein Scanvorgang ohne Posteingangsstempel etabliert gewesen sei. Ein früherer Zugang der AU-Bescheinigung vom 12. Januar 2017 als derjenige am 20. Januar 2017 sei aber gerade für die Klägerin nicht nachgewiesen. Eine weitere Aufklärung sei nicht möglich. Selbst wenn die Klägerin den Brief rechtzeitig und ausreichend frankiert zur Post gegeben hätte, sei daraus nicht zu schließen, dass dieser tatsächlich vor dem 20. Januar 2017 in den Machtbereich der Beklagten gelangt sei oder jedenfalls Organisationsmängel der Beklagten für einen nicht rechtzeitigen Zugang verantwortlich seien. Verlängerte Postzeiten seien im Einzelfall schlicht nicht auszuschließen. Die Klägerin trage nach allgemeinen Grundsätzen die objektive Beweislast für die rechtzeitige Meldung.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 2. Mai 2019 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Zeugin L könne bestätigen, dass sie im Auftrag der Klägerin den Brief mit der AU-Bescheinigung für die seinerzeit noch stark gehbehinderte Klägerin am 16. Januar 2017 direkt bei der Poststelle in S/O am entsprechenden Postschalter aufgegeben habe. Dies sei nötig geworden, weil sie am 13. Januar 2017 (einem Freitag) den Brief zunächst in den ihr bekannten Briefkasten der Beklagten in S/O habe einwerfen sollen, der sich an der Geschäftsstelle der H Versicherung in der Rstraße befunden habe. Dieser sei aber am 13. Januar 2017 nicht mehr vorhanden gewesen.
Die Ausführungen der Beklagten seien widersprüchlich. So habe diese gegenüber dem Sozialgericht noch angegeben, dass die Briefe, die per Post gesandt würden, direkt an das DLZ der Beklagten in Wuppertal gelangten. Nunmehr werde im Berufungsverfahren ausgeführt, dass sie von der Postfachanlage durch Mitarbeiter erst in das DLZ transportiert werden würden. Soweit behauptet werde, dies geschehe stets bis 9.15 Uhr, bestehe das Risiko, dass Briefe, die nach dieser Zeit unter der Postfachadresse eingehen würden, offensichtlich nicht mehr bearbeitet würden. Den entsprechenden Shuttleplan habe die Beklagte nicht vorgelegt. Auch seien die Ausführungen zu den Überwachungsmaßnahmen eher allgemein gehalten. Die in Bezug genommenen Störungsmeldungen seien zudem wohl nur auf technische Störungen bezogen, nicht auf menschliches Versagen. Die Arbeitsunfähigkeitsfeststellung sei mit Anlanden im Postfach der Beklagten bereits in deren Machtbereich gelangt.
Der Senat hat am 10. Oktober 2019 einen Termin zur Erörterung in der Sache durchgeführt. Er hat den Beteiligten mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Berufung ohne mündliche Verhandlung mittels einstimmigen Beschluss zurückzuweisen (Benachrichtigung zur Terminsaufhebung vom 7. Mai 2020).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die ausgetauschten Schriftsätze nebst Anlagen, die Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
II.
A. Der Senat durfte über die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Beteiligten sind vorher gehört worden. B. Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat sie zu Recht zur Gewährung des streitigen Krankengeldes verurteilt. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Auszahlung des Krankengeldes für die Zeit vom 13. Januar 2017 bis zum 19. Januar 2017. Der Anspruch ist nicht deshalb zum Ruhen gekommen, weil die Klägerin die weiterbestehende Arbeitsunfähigkeit der Beklagten nicht rechtzeitig innerhalb der Frist des §§ 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V gemeldet hat.
I. Die Klägerin hat ihre Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig der Beklagten gemeldet. Selbst wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12. Januar 2017, wie es die Beklagte behauptet, (erst) am 20. Januar 2017 bei ihr einging, erfolgte diese noch innerhalb der Frist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V. Das folgt bereits daraus, dass die maßgebliche Meldefrist für die am 12. Januar 2017 festgestellte Arbeitsunfähigkeit nicht vor dem 13. Januar 2017 zu laufen begann. Denn bereits mit der vorherigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 13. Dezember 2016 war Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 12. Januar 2017 festgestellt worden. Die nachfolgende (gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V verfrühte) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12. Januar 2017 ist noch vor Ablauf der vorherigen Feststellung erfolgt. Bei überlappenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen trifft Versicherte eine erneute Meldeobliegenheit nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V erst dann, wenn wegen der Befristung der bisher attestierten Arbeitsunfähigkeit über die Weitergewährung von Krankengeld neu zu befinden ist. Dann beginnt aber auch die Wochenfrist für die Meldung erst mit dem Tag nach dem Ablauf des vorangegangenen Arbeitsunfähigkeitszeitraums der bisher attestierten Arbeitsunfähigkeit bzw. mit dem Beginn der "weiteren" Arbeitsunfähigkeit. Das Ausstellungsdatum der weiteren Bescheinigung ist dabei ebenso irrelevant, wie bei einer Erstbescheinigung (BSG, Beschluss vom 4. Juni 2019 – B 3 KR 48/18 B –, Rn. 11, juris, so auch Urteil des Senats vom 11. März 2020 – L 9 KR 420/17 –, Rn. 20, juris). Gemessen daran begann die Wochenfrist nach § 26 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. den §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit dem Tage nach dem Ende der letzten Arbeitsunfähigkeit (12. Januar 2017), hier also am 13. Januar 2020, und endete eine Woche später mit dem Ablauf des Tages, der dem Tag entspricht, an dem die (neue) Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, somit im Fall der Klägerin am 20. Januar 2020 (Brinkhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 49 SGB V, Rn. 65).
II. Selbst wenn die maßgebende Wochenfrist zur Meldung der Arbeitsunfähigkeit aber bereits am 19. Januar 2017 endete, weil für die Fristbestimmung doch auf das Datum der Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, damit den 12. Januar 2017, abgestellt wird, kann die Beklagte der Klägerin dies jedenfalls nicht entgegenhalten. Es liegt hinsichtlich des maßgebenden Eingangsdatums eine Umkehr der Beweislast zu Gunsten der Klägerin vor. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf die erstinstanzliche Entscheidung, die alle wesentlichen Aspekte des Falles sorgfältig und überzeugend würdigt (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Zu ergänzen und zu betonen bleibt:
Eine Umkehr der allgemeinen Beweislast liegt auch bei Berücksichtigung der Erkenntnisse des Berufungsverfahrens vor. Eine Umkehr der Beweislast ist für eine Tatsache gerechtfertigt, wenn für sie eine besondere Beweisnähe zu einem Beteiligten besteht. Das ist anzunehmen, wenn in dessen Sphäre oder in dessen Verantwortungssphäre wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind, insbesondere der andere Beteiligte diese nicht kennt und nicht kennen muss (allgemein BSG, Urteil vom 15. Juni 2016 – B 4 AS 41/15 R –, SozR 4-4200 § 9 Nr 14, Rn. 30; Urteil vom 24. November 2010 – B 11 AL 35/09 R –, Rn. 22, juris).
Zwar liegt die Beweislast für den rechtzeitigen Zugang einer per Brief übersandten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der Krankenkasse grundsätzlich bei den Versicherten. Spiegelbildlich dazu obliegt den Krankenkassen die Pflicht, ihren Herrschaftsbereich so organisieren, dass der Eingangszeitpunkt der o.g. fristgebundenen Bescheinigung bei ihr jederzeit beweissicher dokumentiert ist. Verzichtet die Krankenkasse auf die Verwendung eines Posteingangsstempels, der als öffentliche Urkunde den vollen Beweis der Tatsache des Eingangsdatums einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung begründet (§ 418 ZPO), muss das stattdessen eingesetzte System eine vergleichbare Gewähr bieten. Ist das nicht der Fall, kann sich die Krankenkasse nicht auf einen behaupteten verspäteten Posteingang berufen, sondern muss diesen ihrerseits konkret nachweisen. So liegt der Fall hier.
Die Beklagte kann sich für einen Posteingang am 20. Januar 2017 nicht auf einen Posteingangsstempel berufen, weil ein solcher nicht zum Einsatz gekommen ist. Sie hat mit der Verwendung der elektronischen Signatur ein Mittel genutzt, welches bereits nicht geeignet war, einen Posteingang zu dem Zeitpunkt, den die Signatur auswies, zu belegen. Der qualifizierte Zeitstempel i.S. des § 2 Nr. 14 SigG bescheinigt den Zeitpunkt der elektronischen Erfassung, dagegen nicht den Zugang der Post im Herrschaftsbereich der Beklagten. Dieser liegt bereits in dem Moment vor, in dem die Post in das zentrale Postfach gelangt. Eine Koinzidenz des Scan-Datums mit dem Datum des (physischen) Posteingangs bei der Beklagten ist vor dem Hintergrund des insgesamt in dem Verfahren variierenden Beklagtenvorbringens zu ihrem Postmanagement gerade nicht gerechtfertigt. So hat die Beklagte vor dem Sozialgericht noch behauptet, dass die Briefpost an ihr DLZ gehe, in welchem diese taggleich eingescannt und archiviert werde. Die eingehende Post werde nicht von der Beklagten versendet, sondern die Deutsche Post AG stelle die Post im DLZ Wuppertal zu (Schriftsätze vom 14. Februar und vom 30. Mai 2018). Im Berufungsverfahren hat die Beklagte dann erstmals auf gezielte Frage des Senats ausgeführt, dass ein Mitarbeiter der Beklagten die eingehende Post in der Postfachanlage der Beklagten abhole und diese in dem DLZ anliefere (Schriftsätze vom 25. September und vom 2. Dezember 2012). Im Termin zur Erörterung vor dem Senat vom 10. Oktober 2019 zu diesem Widerspruch befragt, hat der anwesende Beklagtenvertreter erklärt, er könne ihn nicht aufklären. Der Unterschied ist aber bedeutsam: liegt zwischen Eingang bei der Beklagten im Postfach und dem Scan-Vorgang noch ein Zwischenschritt (Anlieferung im DLZ), so kann bereits deshalb der qualifizierte Zeitstempel, der im DLZ vergeben wird, nicht zuverlässig den Posteingang dokumentieren. Das unterscheidet dieses Postmanagement auch von jenem bei Gerichten, soweit diese eingehende Post elektronisch erfassen und entsprechende Zeitstempel aufbringen. Die Post landet direkt in den Gerichten und wird dort taggleich von Gerichtsangehörigen gescannt. Auf die Umstände des Scan-Vorgangs im DLZ der Beklagten kommt es demzufolge nicht an. Soweit die Beklagte aber dazu zuletzt vor dem Senat versicherte, die eingehenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen würden stets unmittelbar dem Scanvorgang zugeführt und dieser Vorgang sei bis 13.00 Uhr eines jeden Tages abgeschlossen, so steht auch diese Darstellung im Widerspruch zu früheren Behauptungen und ist deshalb wenig überzeugend. Ihr steht die Aussage der Prozessvertreterin vor dem Sozialgericht entgegen, wonach das DLZ im Drei-Schichtsystem Post bearbeite und Poststücke auch nach 24 Uhr eingescannt würden und so u.U. auch das Scan-Datum des nächsten Tages tragen könnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.
Die Revision war nicht zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved