L 7 KA 412/03 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 29 KA 51/03 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 KA 412/03 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Entscheidung des Zulassungsausschusses gemäß § 95 Abs. 7 Satz 2 SGB 5 beschränkt sich auf die Feststellung, dass die Zulassung mit dem Ende eines bestimmten Quartals kraft Gesetzes geendet hat. Widerspruch und Klage gegen eine solche feststellende Entscheidung kommt keine aufschiebende Wirkung zu (Anschluss an BSG, Urt. vom 25.11.1998 – B 6 KA 4/98 R – und vom 5.2.2002 – B 6 KA 22/02 R -).
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und/oder Klage gegen einen solchen Bescheid nach §§ 86a Abs. 3 oder § 86b Abs. 1 SGG kommt deshalb nicht in Betracht. Einstweiliger Rechtschutz kann nur nach § 86b Abs. 2 SGG im Wege der sog. Regelungsanordnung gewährt werden.

2. Die so genannten „Anti-Diskriminierungs-Richtlinien“ der Euro-päischen Gemeinschaft (hier: Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000, ABl. L 303/16 -sog. „Allgemeine Gleichbehandlungs-Richtlinie in Beschäftigung und Beruf“ -) entfalten grundsätzlich auch Wirkung im Vertragsarztrecht nach dem SGB 5, soweit dies nicht durch (eng auszulegende) Ausnahmevorschriften ausdrücklich ausgeschlossen ist.

3. Das Verbot der Benachteiligung im Hinblick auf das Merkmal „Alter“ nach Art. 1 u. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates kann grundsätzlich auch für die Prüfung der Frage bedeutsam sein, ob es weiterhin rechtmäßig bleibt, dass die Zulassung von Vertragspsärzten/-innen mit Vollendung des 68. Lebensjahres endet. Die Vorbemerkungen (Erwägungsgründe) Nrn. 13 und 14 der Richtlinie 2000/78/EG schließen die grundsätzliche Anwendbarkeit des Diskriminierungsverbotes wegen des Merkmals „Alter“ auf das Zulassungsrecht der als Selbständige tätigen Vertragsärzte nicht aus.

4. Soweit die Bundesrepublik Deutschland mit der Umsetzung der „Anti-Diskriminierungs-Richtlinien“ im Verzug ist, haben alle nationalen Gerichte die unmittelbare innerstaatliche Anwendung der Richtlinien zu prüfen - jedenfalls soweit öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehungen im Streit stehen - und in Zweifelsfällen ein Vorab-Entscheidungsersuchen nach Art. 234 EG an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu richten (Anschluss an BVerfGE 73, 339 ff., 366 ff.; E 75, 223 ff., 245 ff., E 82, 159 ff., 195 ff.); Dies gilt insbesondere auch in Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach §§ 86a und 86b SGG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.07.2004 – 2 BvR 2248/03 = DVBl. 2004, S. 1411).

5. In Beschwerde-Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist das Landessozialgericht als letztinstanzliches Gericht im Sinne des Art. 234 Absatz 3 EG bei Zweifeln über die Anwendbarkeit und Auslegung europäischen Rechts (hier: Anwendbarkeit einer nicht, nicht vollständig oder verspätet umgesetzten EG-Richtlinie) zur Anrufung des EuGH verpflichtet, weil sonst den Beteiligten der gesetzliche Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entzogen wird (Anschluss an BVerfGE 73, 339 ff., 366 und BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2004 - a.a.O. -).

6. Die Bundesrepublik Deutschland hat von der in Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG („Allgemeine Gleichbehandlungs-Richtlinie in Beschäftigung und Beruf“) vorgesehenen Möglichkeit, hinsichtlich des Merkmals „Alter“ eine Verlängerung der Umsetzungsfrist um drei Jahre (bis 2.12.2006) zu beantragen, form- und fristgerecht Gebrauch gemacht (Hinweis auf Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EG beim EuGH, Rs. C 43/05).
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. März 2003 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller hat dem Antragsgegner dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten. Der Antragsteller trägt weiterhin die Gerichtskosten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller möchte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erreichen, auch über die Vollendung seines 68. Lebensjahres hinaus an der vertragsärztlichen Tätigkeit teilnehmen zu können.

Der Antragsteller ist 1934 geboren. Er war seit dem 1. Januar 1974 in A-Stadt als hausärztlich tätiger Internist zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen.

Unter Berufung auf § 95 Abs. 7 S. 2 des durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I, S. 2266) geänderten Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) stellte der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH) durch Bescheid vom 30. April 2002 die Beendigung der vertragsärztlichen Zulassung des Antragstellers zum 30. September 2002 fest. Der Antragsteller legte hiergegen Widerspruch ein. Er führte im Widerspruchsverfahren aus, sein Sohn habilitiere sich derzeit an der Universitätsklinik in L-Stadt, wobei die Habilitation im Frühjahr 2003 abgeschlossen und auch die Facharztausbildung im Jahre 2003 beendet werden solle. Sein Sohn wolle die Praxis übernehmen. Er selbst bemühe sich seit zwei Jahren vergeblich darum, zur Überbrückung der Zeit bis zur Erreichung der beruflichen Ziele seines Sohnes einen Praxisvertreter zu finden. Im Rahmen seiner Tätigkeit betreue er im Quartal durchschnittlich etwa 1.000 Patienten sowie ca. 50 Drogenpatienten. Für diese Drogenpatienten fänden sich im Umkreis von 50 km zurzeit keine Substitutionsplätze. Es gelinge nicht, im Landkreis X. einen Arzt zu finden, der sich der von ihm behandelten Drogenpatienten annehmen würde.

Durch Beschluss des Antragsgegners vom 23. Oktober 2002, der dem Antragsteller am 17. Dezember 2002 zugestellt worden ist, wurde der Widerspruch des Antragstellers zurückgewiesen. Im Widerspruchsbescheid führte der Antragsgegner aus, die vom Antragsteller vorgetragenen Gründe könnten zu keiner Verlängerung der Zulassung als Vertragsarzt führen. Die gesetzliche Regelung sei insoweit eindeutig. Die Ausnahmebestimmungen des § 95 Abs. 7 SGB V lägen nicht vor. Die gesetzliche Altersgrenze sei von der Rechtsprechung (Hinweis u.a. auf BVerfG, Beschluss vom 31.3.1998 – 1 BvR 2167/93 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 17) als mit dem Grundgesetz in Einklang stehend angesehen worden. Soweit der Antragsteller im Hinblick auf seine Patienten und die von ihm betreuten Drogenabhängigen fürchte, dass nach seinem Ausscheiden dieser Personenkreis vertragsärztlich nicht betreut werden könne, so bestehe für ihn lediglich die Möglichkeit, mit der Bezirksstelle der KVH in X. Kontakt aufzunehmen, damit unter Umständen dort geprüft werden könne, ob ihm - dem Antragsteller - eine Notbeauftragung erteilt werden könne. Der Berufungsausschuss sei für die Klärung dieser Frage jedoch nicht zuständig.

Der Antragsteller hat dagegen vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben. Über diese Klage im Verfahren S 5/29 KA 89/03 ist bisher noch nicht entschieden worden.

Mit Schriftsatz vom 8. Januar 2003 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Frankfurt am Main beantragt, ihn im Wege der einstweiligen Anordnung weiterhin an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen zu lassen, hilfsweise, ihn bis Ende 2003 zur vertragsärztlichen Versorgung zu ermächtigen. Der Antragsteller hat vor dem Sozialgericht erneut vorgetragen, die Praxis solle an seinen Sohn übergeben werden, der sich derzeit an der Universitätsklinik in L-Stadt habilitiere. Die Habilitation sowie die Facharztausbildung endeten in diesem Jahr. Überdies bedürfe es der Fortführung seiner Tätigkeit auch im Hinblick auf seine Patienten, deren vertragsärztliche Versorgung ansonsten nicht sichergestellt sei. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die vertragsärztliche Versorgung von etwa 50 Drogenpatienten. Er selbst verfüge über die Genehmigung zur Methadonsubstitution von Drogenabhängigen. Im Umkreis von etwa 50 km sei derzeit eine solche Substitution nicht möglich.

Durch Beschluss vom 18. März 2003 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Anträge des Antragstellers abgewiesen und diesem zugleich die Kosten des Verfahrens auferlegt. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, die gestellten Anträge seien unzulässig. Dem Antragsteller könne insbesondere nicht im Rahmen von § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden, da mit einer Entscheidung im Rahmen einer einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache vorweggenommen würde. Zwar könne in Ausnahmefällen bei der Zulassung zur Kassenarztpraxis eine einstweilige Anordnung zulässig sein, wenn ansonsten der nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) garantierte effektive Rechtsschutz ins Leere ginge. Ein finanzielles Interesse und ein wirtschaftliches Risiko z.B. bei einer voreiligen Gründung einer Praxis reichten dafür aber nicht aus (Hinweis auf Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. § 86b, Anm. 34). Selbst wenn der Antrag jedoch für zulässig erachtet würde, sei er jedenfalls unbegründet. Denn ein Anordnungsanspruch bestehe nicht. Der Antragsteller habe die in § 95 Abs. 7 SGB V festgesetzte Altersgrenze für die Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit am 30. September 2002 erreicht, so dass die Zulassung als Vertragsarzt zu diesem Zeitpunkt geendet habe. Die gesetzliche Festlegung der Altersgrenze in § 95 Abs. 7 SGB V stehe mit dem Grundgesetz in Einklang. Dabei könne dahinstehen, ob das Begehren des Antragstellers auf vertragsärztliche Zulassung über das 68. Lebensjahr hinaus inzident auch einen Antrag auf eine Ermächtigung nach § 31 Ärzte-Zulassungsverordnung (Ärzte-ZV) enthalte. Denn die Altersgrenze der Vollendung des 68. Lebensjahres gelte auch für Ermächtigungen nach der Ärzte-ZV. Damit sei die Fortsetzung der vertragsärztlichen Tätigkeit des Antragstellers über den Stichtag hinaus auch im Rahmen einer Ermächtigung aus Altersgründen ausgeschlossen. Ein möglicherweise vorhandener Sicherstellungsbedarf sei dabei unbeachtlich. Das Gesetz sehe insoweit keine Ausnahmeregelung vor.

Gegen den dem Antragsteller am 2. April 2003 zugestellten Beschluss richtet sich die beim Sozialgericht am 30. April 2003 eingegangene Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.

Der Antragsteller hat zunächst vorgetragen (Schriftsatz vom 12.1.2004), der Fortführung seiner Praxis bedürfe es insbesondere im Hinblick auf die Versorgung der von ihm behandelten drogenabhängigen Patienten. In diesem Bereich habe er sich besondere Verdienste erworben. Im Landkreis X. bestehe insoweit eine ärztliche Unterversorgung. Die ca. 3.500 Patienten könnten durch die an der Substitution teilnehmenden 12 Ärzte nur begrenzt versorgt werden. Er selbst habe ca. 150 Patienten versorgt, insgesamt sei eine Versorgung von lediglich knapp 700 Patienten gesichert. Er erhalte deshalb täglich zwei bis drei Anrufe von Patienten, die einen Arzt suchten, der sie in eine Substitutionsbehandlung aufnehmen könne. Deshalb müsse ihm die vertragsärztliche Tätigkeit weiterhin ermöglicht werden.

Im Erörterungstermin vom 7. Juli 2004 hat der Antragsteller ausgeführt, die Frage der Übernahme seiner Praxis durch seinen Sohn Dr. J. A. stelle sich derzeit nicht mehr. Sein Sohn habe sich zwar im Frühjahr 2003 habilitiert. Er sei mit einer Medizinerin verheiratet, die sich ebenfalls in L-Stadt habilitiert habe. Sein Sohn und dessen Ehefrau lebten jedoch zurzeit in Kanada. Sein Sohn sei in T-Stadt an einer Klinik tätig. Er könne allerdings nicht ganz ausschließen, dass sein Sohn vielleicht eines Tages doch einmal seine Praxis übernehmen wolle.

Unter dem 29. September 2004 versicherte der Antragsteller an Eides statt, nach einer neuerlichen Rücksprache mit seinem Sohn habe sich ergeben, dass sein Sohn nach Beendigung seines derzeit laufenden Forschungsprojekts, das Anfang 2005 abgeschlossen sein werde, nun doch beabsichtige, die Praxis zu übernehmen, soweit diese bis zu diesem Zeitpunkt noch existent sei. Im Übrigen habe er selbst bereits etwa drei Monate vor Erreichen seines 68. Lebensjahres den Versuch unternommen, Interessenten für die Übernahme seiner Praxis zu finden. Dies sei ihm seinerzeit allerdings nicht gelungen. Auch seine nachfolgenden Bemühungen seien insoweit erfolglos geblieben. Zwar hätten sich die meisten seiner 1.000 Patienten nach dem 30. September 2002 auf seine umliegenden Kollegen verteilt. Hunderte von Patienten warteten jedoch seit nunmehr zwei Jahren auf seine Rückkehr in den Arztberuf. Mit Schriftsatz vom 5. November 2004 wurde eine darauf bezogene Patientenliste vorgelegt, welche die Namen von insgesamt 144 Patienten enthält, hinsichtlich derer der Antragsteller an Eides statt versichert, dass diese Patienten von ihm weiter behandelt werden wollten. In Bezug auf die nicht krankenversicherungspflichtigen Sozialhilfeempfänger sei er zwischenzeitlich vom Landkreis X. aufgefordert worden, diese an andere Kassenärzte weiter zu vermitteln, da eine Honorierung der Behandlung dieses Personenkreises durch das Sozialamt künftig nicht mehr in Betracht komme. Dagegen habe er den Verwaltungsrechtsweg eingeschlagen.

Zur rechtlichen Seite trägt der Antragsteller Folgendes vor:

Die Zulassungsgrenze des § 95 Abs. 7 SGB V verstoße gegen die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte berufliche Betätigungsfreiheit. Sie stelle auch eine Enteignung im Sinne von Art. 14 GG dar, die nicht hingenommen werden könne. Der gegenteiligen Rechtsprechung zur Frage der Rechtmäßigkeit der Regelung in § 95 Abs. 7 SGB V könne nicht gefolgt werden. Dies gelte insbesondere auch für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 31. März 1998 (a.a.O.), der ohnehin – da es sich lediglich um eine Nichtannahmeentscheidung gehandelt habe – keine Bindungswirkung zukomme. Im Übrigen stelle sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts insoweit als diskriminierend dar, als das Bundesverfassungsgericht ohne wissenschaftliche Begründung davon ausgegangen sei, die Gesundheit niedergelassener Ärzte ab dem 68. Lebensjahr sei soweit eingeschränkt, dass eine Gefährdung der Patienten gegeben sein könnte.

Allerdings verstoße die in § 95 Abs. 7 SGB V getroffene Regelung nicht nur gegen die Normen des Grundgesetzes sondern maßgeblich auch gegen das europäische Gemeinschaftsrecht.

Die in § 95 Abs. 7 SGB V enthaltene Altersgrenze stelle insbesondere einen Verstoß gegen diejenigen europarechtlichen Normen dar, die sich auf das Verbot von Diskriminierungen bezögen. Zu nennen sei insbesondere Art. 12 des EWG-Vertrages, durch den der Diskriminierungsbegriff zu einem zentralen Begriff des Europarechts geworden sei. Dieser Begriff habe seine Konkretisierung in der Richtlinie 2000/78/EG des Rates der Europäischen Union vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. C, L 303/16, [DE]) erfahren. Zwar seien in der Richtlinie selbst - in Anlehnung an die in den Freiheitsrechten der Europäischen Menschenrechtskonventionen verwendeten Schranken - Ausnahmen von ihrem Anwendungsbereich für bestimmte höherrangige Güter vorgesehen. Solche seien jedoch vorliegend nicht festzustellen. Insbesondere gehöre zu diesen höherrangigen Gütern ganz sicher nicht die unverständliche Maßnahme der Zwangspensionierung von Ärzten. Auch Art. 2 - 21 der Charta der Grundrechte der Union sehe ein Diskriminierungsverbot im Hinblick auf das Alter vor. Eine Differenzierung, wie sie in § 95 Abs. 7 SGB V vorgesehen sei, bedürfe deshalb der sachlichen Rechtfertigung, die vorliegend nicht erkennbar sei. Dabei könne er – der Antragsteller – sich durchaus auch unmittelbar auf die Richtlinie 2000/78/EG berufen. Die Bundesrepublik Deutschland sei insoweit nämlich ihrer Verpflichtung zur Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht bisher nicht nachgekommen. Dies führe zwar nicht zur Nichtigkeit der entgegenstehenden nationalen Bestimmungen, zwinge jedoch dazu, die nationalen Vorschriften insoweit nicht anzuwenden, als der Konflikt mit dem europäischen Recht reiche. Vorbild der Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG sei der Age Discrimination in Employment Act (ADEA), welcher zwingend ein "Retirement Age" verbiete (Hinweis auf Thüsing, NZA 2001, S. 1061, 1064). Europarechtlich werde es dabei nicht mehr zulässig sein, obligatorische Pensionierungen zu einem bestimmten Alter vorzunehmen, es sei denn, dass der Gesetzgeber ausdrücklich tätig werde und Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot wegen des Alters schaffe. Diese Ausnahmen müssten jedoch im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt werden. Der vom Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) vorgegebene Rechtfertigungsgrund des Gesundheitsschutzes der Patienten sei aber bereits durch die Zulassung der Behandlung von Privatpatienten widerlegt und auch durch die Ausnahmeregelung für Ärzte, die ihren Investitionseinsatz im Hinblick auf die 20-Jahre-Frist noch nicht ausreichend amortisiert hätten. Die notwendige Umsetzung der Richtlinie bedinge deshalb zwingend einen Wegfall der in § 95 Abs. 7 SGB V enthaltenen Altersgrenze.

Auch wenn die Richtlinie 2000/78/EG bisher noch nicht in deutsches Recht umgesetzt, vielmehr von der Bundesrepublik Deutschland eine Verlängerung der Umsetzungsfrist beantragt worden sei, entfalte diese Richtlinie dennoch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Hinweis auf EuGH, Urteil in der Rechtssache C 129/96 -Inter-Environnement Wallonie, NVwZ 98, S. 385 ff.) bereits ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens, mithin ab Dezember 2000, rechtliche Vorwirkungen. Die Mitgliedsstaaten hätten bereits während der Umsetzungsfrist Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass das Ziel der Richtlinie mit Ablauf der Frist in jedem Fall erreicht werde. Daraus folge, dass Mitgliedsstaaten keine Vorschriften erlassen dürften, deren Umsetzung geeignet sei, das vorgeschriebene Ziel bei Ablauf der Frist ernsthaft in Frage zu stellen. Eine richtlinienwidrige Fortbildung des Rechts sei damit verwehrt. Die deutschen Gerichte müssten insoweit eine richtlinienkonforme Auslegung der Gesetze schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist vornehmen (Hinweis auf Lecheler/Gundel, Einführung in das Europarecht, 2. Auflage 2003, Seite 129). Bedenken, die Gerichte würden insoweit in die Kompetenz des Gesetzgebers eingreifen, seien jedenfalls dort unbegründet, wo dem nationalen Gesetzgeber kein Spielraum bei der Umsetzung bleibe. Da die angegriffene Regelung eine unmittelbare Diskriminierung darstelle, bestehe die Verpflichtung umso mehr, je näher die Umsetzung der Richtlinie zeitlich anstehe, von Entscheidungen, die gegen die Richtlinienziele gerichtet seien, Abstand zu nehmen, weil dadurch die Rechte der Betroffenen in unverhältnismäßiger Weise beschädigt werden würden.

Darüber hinaus mache es keinen Sinn, dass dann, wenn die Bundesregierung durch das federführende Ministerium zum 1. Januar 2005 die Richtlinie umsetzen wolle, im Herbst 2004 noch nach den richtlinienwidrigen Vorschriften zu seinen – des Antragstellers - Lasten entschieden würde. Dies auch deshalb, weil sich der Gesetzgeber derzeit vorrangig auf die Anwendung der Antidiskriminierungsrichtlinie im arbeitsrechtlichen Bereich und dort auf das Problem der abhängig Beschäftigten fokusiert habe. Selbst wenn § 95 Abs. 7 SGB V jedoch zukünftig nicht ausdrücklich geändert würde, müsste entgegenstehendes nationales Recht aufgrund des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts außer Betracht bleiben.

Die "Zwangspensionierung" verletzte aber auch Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK); sie sei nämlich als entschädigungslose de facto-Enteignung anzusehen. Darüber hinaus werde der Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 14 EMRK verletzt.

Im vorliegenden Fall müsse maßgeblich seine Leistung berücksichtigt werden, die Praxis weiterhin handlungsfähig zu erhalten mit immerhin vier Beschäftigten, davon zwei Teilzeitbeschäftigten und der Perspektive, dass viele Patienten in die Praxis zurückkehren wollten.

Der Antragsteller geht davon aus, vorrangig sei vorliegend die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Beschluss des Antragsgegners vom 23. Oktober 2002 anzuordnen.

Er begründet dies wie folgt:

Nach § 97 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) a.F. habe die Klage aufschiebende Wirkung gehabt, wenn die Aufhebung einer Entscheidung in Zulassungssachen begehrt worden sei, jedenfalls soweit es nicht ausdrücklich zur Anordnung der sofortigen Vollziehung gekommen sei. Mit der Novellierung durch das 6. SGG-Änderungsgesetz vom 17. August 2001 (BGBl. I, S. 2144) sei insoweit eine Rechtsänderung nicht eingetreten. In Zulassungssachen trete die aufschiebende Wirkung vielmehr nach wie vor nach § 86 a Abs. 1 SGG mit Einlegung des Rechtsbehelfs ex tunc ein, also mit Wirkung zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes. Die aufschiebende Wirkung ende erst, wenn der Verwaltungsakt unanfechtbar werde (Hinweis auf Jung, Einstweiliger Rechtsschutz im sozialgerichtlichen Verfahren, ZAP, Fach 18, S. 781). Zwar habe der Gesetzgeber die bisher in § 86 Abs. 2 – 4 SGG a.F. und in § 97 SGG a.F. getroffenen Regelungen über den vorläufigen Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren aufgehoben und an die Stelle der bisherigen Norm den einstweiligen Rechtsschutz durch Einführung der §§ 86a und 86b SGG neu geordnet. Mit der Neuordnung sei eine inhaltliche Änderung jedoch nicht verbunden gewesen. Die Regelung des § 97 Abs. 1 Nr. 4 SGG a.F. korrespondiere mit der Regelung des § 96 Abs. 4 Satz 2 SGB V, die ausdrücklich anordne, dass die Anrufung des Berufungsausschusses nach der Entscheidung des Zulassungsausschusses aufschiebende Wirkung habe. Vorliegend sei sowohl das erstinstanzliche Gericht als auch das Beschwerdegericht im Erörterungstermin vom 7. Juli 2004 von einer Vornahmesache ausgegangen, bei der es erforderlich werde, dass nach § 86b Abs. 2 SGG eine Regelungsverfügung ergehe. Nach der Systematik des SGB V könne der Berufungsausschuss aber nur nach § 97 Abs. 4 SGB V die sofortige Vollziehung der Zulassungsentscheidung anordnen, soweit dies im öffentlichen Interesse liege. Ob dies im gegebenen Fall angesichts der besonderen Bedeutung seiner – des Antragstellers - Praxis insbesondere für die Behandlung von Substitutionspatienten möglich sei, sei mehr als fraglich. Überwiegende öffentliche Belange bestünden nämlich nicht. Letztlich komme es darauf jedoch nicht an, da der Sofortvollzug seitens des Antragsgegners tatsächlich nicht angeordnet worden sei. Soweit bisher davon ausgegangen worden sei, dass keine Anfechtungssache vorliege, stehe dies der gegenteiligen Bewertung nicht entgegen, wonach ein Zulassungsrechtsstreit stets einen Anfechtungswiderspruch und gegebenenfalls eine Anfechtungsklage zum Gegenstand habe. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts gehe die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs denknotwendig dem Erfordernis einer Regelungsanordnung vor. Dabei sei hervorzuheben, dass § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG ausdrücklich den feststellenden Verwaltungsakt in den einstweiligen Rechtsschutz mit einbeziehe. Mithin sei auch der das bloße Erreichen der Altersgrenze feststellende Verwaltungsakt unter diese Regelung zu subsumieren.

Der Antragsteller beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. März 2003 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Beschluss des Antragsgegners vom 23. Oktober 2002 anzuordnen,

hilfsweise,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn – den Antragsteller – vorläufig weiterhin an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen zu lassen,

hilfsweise,

das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 234 Abs. 1 EGV zur Vorabentscheidung die Frage vorzulegen, ob die im Hinblick auf Art. 10 EGV und der Zielvorgabe aus Art. 249 Abs. 3 EGV bei Anwendung der Richtlinie 2000/78/EG (Verbot der Altersdiskriminierung) bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist wegen der über die Umsetzungsfrist hinaus weiter wirkenden Beendigung der Zulassung zur Kassenärztlichen Versorgung des Antragstellers gemäß § 95 Abs. 7 SGB V für die Behandlung von sozialversicherten Patienten mit dem EG-Vertrag vereinbar ist.

Der Antragsgegner sowie die Beigeladenen zu 2) bis 6) beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen,

hilfsweise,

das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof zur Frage der Nichtanwendbarkeit von § 95 Abs. 7 SGB V zur Vorabentscheidung vorzulegen. Der Antragsgegner ist der Auffassung, dem Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, könne schon deshalb kein Erfolg beschieden sein, weil der Antragsteller insoweit unzutreffend von einer Zulassungsentziehung ausgehe, die jedoch nicht erfolgt sei. Der Beschluss des Zulassungsausschusses vom 30. April 2002 habe lediglich deklaratorische Wirkung gehabt, die auch dem angefochtenen Beschluss vom 23. Oktober 2002 zukomme. In den Fällen, in denen eine Rechtsfolge kraft Gesetzes eintrete, wie z.B. auch das Ende der Zulassung gemäß § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV, liege bei einer dann ergehenden deklaratorischen Feststellung ein belastender Verwaltungsakt in Wirklichkeit nicht vor, so dass ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung entfalten könne (Hinweis auf Schallen, Komm. zur Ärzte-ZV, 3. Aufl., Rdnr. 523 f.; BSG Urteil vom 8.5.1997 –6 RK 16/95 und 6 RK 20/95). Wollte man dem nicht folgen, so könnte ein Rechtssuchender einen durch Gesetz beendeten Status durch entsprechende Rechtsverfolgung nahezu unbefristet aufrechterhalten. Der vom Antragsteller erhobenen Klage komme deshalb keine aufschiebende Wirkung zu. Auch das Gericht könne eine solche auf der Grundlage der §§ 86a, 86b SGG nicht herstellen.

Auch eine einstweilige Anordnung mit dem Ziel, die weitere Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit zu ermöglichen, komme nicht in Betracht. Die gesetzliche Regelung über den Eintritt des Endes der Zulassung sei nämlich eindeutig und lasse Ausnahmen in Bezug auf den Antragsteller nicht zu.

Die in § 95 Abs. 7 SGB V getroffene Regelung verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht. Insbesondere liege kein Verstoß gegen die Normen des Grundgesetzes vor.

Auch europarechtliche Regelungen stünden der Anwendung von § 95 Abs. 7 SGB V nicht entgegen. So könne dem Antragsteller hinsichtlich der Ausführungen im Zusammenhang mit der Richtlinie 2000/78/EG nicht gefolgt werden. Diese Richtlinie gebe schon deshalb keine geeignete Rechtsgrundlage ab, weil nach Art. 152 Abs. 4 und Abs. 5 EGV Maßnahmen, die das Gesundheitswesen in den Mitgliedsstaaten betreffen, unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten zu erfolgen hätten und demzufolge die Verantwortung der Mitgliedsstaaten für die Organisation des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung in vollem Umfang gewahrt bleibe. Weil das SGB V die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung der Bevölkerung betreffe, ergebe sich schon hieraus, dass die fragliche Richtlinie die niedergelassenen Vertragsärzte der Bundesrepublik Deutschland und die hierzu ergangenen nationalen Regelungen nicht tangiere. Diese Rechtsansicht werde durch die Richtlinie selbst bestätigt, in der in Nr. 13 der vorangestellten Erwägungsgründe bestimmt werde, dass sie weder auf die Sozialversicherungs- noch auf die Sozialschutzsysteme der Vertragsstaaten Anwendung finde, soweit nicht Arbeitsentgelte und Beschäftigungsverhältnisse betroffen seien. Es sei deshalb auch nicht zu erwarten, dass die Bundesregierung bei der geplanten Umsetzung der Richtlinien Konsequenzen hinsichtlich der vertragsärztlich zugelassenen Leistungserbringer im Sinne des SGB V ziehe.

Da im Übrigen der Vortrag des Beschwerdeführers einen Anordnungsgrund nicht rechtfertige, könne seinem Rechtsschutzbegehren kein Erfolg beschieden sein.

Die Beigeladene zu 1) stellt keinen Antrag. Sie tritt dem Antrag des Antragstellers inhaltlich jedoch ebenfalls entgegen. Sie ist der Auffassung, selbst in Anwendung der Richtlinie 2000/78/EG liege bereits definitionsgemäß keine Diskriminierung vor, da die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung bei allen Ärzten in gleicher Weise ende, insoweit also alle zugelassenen Vertragsärzte gleich behandelt würden. Zumindest jedoch liege ein Rechtfertigungsgrund für die Altersbegrenzung vor. Außer den vom Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) genannten Gründen diene die Festsetzung der Altersgrenze der Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung durch eine Begrenzung der Zahl der zugelassenen Ärzte einerseits und einer gleichgewichtigen Verlagerung der mit Zulassungsbeschränkungen generell verbundenen Belastungen auf die verschiedenen Ärztegenerationen andererseits. Insoweit existierten Rechtfertigungstatbestände für eine Altersbegrenzung. In der Sache selbst liege ein Anordnungsgrund nicht vor. Eine Versorgungslücke oder gar eine Unterversorgung bestehe nicht. Ebenfalls sei es nicht opportun und widerspreche auch dem Sinn des § 95 Abs. 7 SGB V, dass dem Antragsteller die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit so lange eingeräumt werden solle, bis die Nachfolge in der Praxis durch den Sohn des Beschwerdeführers angetreten werde. Sollte dieser die Ambition haben, sich ebenfalls als hausärztlich tätiger Internist niederlassen zu wollen, so sei ihm dies unbenommen. Dafür bedürfe es jedoch der beantragten Anordnung nicht.

Die Beigeladenen zu 2) bis 8) teilen gleichfalls die Auffassung des Antragsgegners.

Vom Senat wurde beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine Auskunft hinsichtlich der Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG durch die Bundesrepublik Deutschland eingeholt. Das Bundesministerium hat mit Schreiben vom 13. April 2004 mitgeteilt, seitens der Bundesrepublik Deutschland sei die Zusatzfrist nach Art. 18 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie in Anspruch genommen worden. Derzeit werde allerdings ein Gesetzentwurf für ein Gesetz zum Schutz vor Diskriminierungen zur Umsetzung der Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und 2002/73/EG erarbeitet, das am 1. Januar 2005 in Kraft treten solle. Auf die weitere Anfrage des Senats vom 9. Dezember 2004 wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unter dem 14. Dezember 2004 mitgeteilt, das Gesetz zur Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien und damit auch der Richtlinie 2000/78/EG werde nunmehr "in Kürze" in das parlamentarische Verfahren eingebracht. Dem Senat wurde weiterhin die Mitteilung der Bundesregierung an die Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 27. November 2003 über die Fristverlängerung nach Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG in Kopie vorgelegt sowie das Schreiben der Generaldirektion Beschäftigung und Soziales der Europäischen Kommission an die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Brüssel, in welchem die von der Bundesrepublik Deutschland zum Ausdruck gebrachte Absicht zur Inanspruchnahme der Zusatzfrist für die Umsetzung der Richtlinie bestätigt und die Bundesrepublik aufgefordert wird, jährlich über die Maßnahmen zur Bekämpfung der Altersdiskriminierung Bericht zu erstatten.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird im Übrigen auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§ 173 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) ist zulässig. Sie ist jedoch sachlich nicht begründet. Den in der Beschwerdeinstanz gestellten Anträgen konnte nicht entsprochen werden.

1) Die vom Antragsteller erhobene Klage zeitigt keine aufschiebende Wirkung. Entgegen der Auffassung des Antragstellers bedurfte es auch nicht der Anordnung des Sofortvollzugs durch den Antragsgegner.

Denn die Entscheidung des Zulassungsausschusses bzw. des Antragsgegners beschränkt sich auf die kraft Gesetzes – nämlich aufgrund der in § 95 Abs. 7 SGB V in der Fassung vom 21. Dezember 1992 (a.a.O.) – eingetretene Feststellung des Endes der Zulassung des Antragstellers mit dem 30. September 2002, also mit dem Ende desjenigen Monats, in dem der Antragsteller das 68. Lebensjahr vollendet hat (vgl. insoweit BSG Urteil vom 25.11.1998 – B 6 KA 4/98 R = SozR 3 – 2500 § 95 Nr. 18). Wenn dabei die Rechtsprechung (vgl. z.B. BSG Urteil vom 5.2.2003 – B 6 KA 22/02 R = SozR 4 – 2500 § 95 Nr. 2) den Zulassungsgremien die Befugnis zubilligt, solche deklaratorischen Feststellungen über das Ende der Zulassung zu treffen, geschieht dies ausschließlich zu dem Zweck, Rechtsicherheit herzustellen und für alle an der vertragsärztlichen Versorgung Beteiligten Klarheit darüber zu schaffen, ob ein Arzt noch berechtigt ist, vertragsärztlich tätig zu werden, oder ob dies nicht der Fall ist. Weil sich der Zulassungsausschuss und mit ihm der Antragsgegner auf die Feststellung des Endes der Zulassung beschränkt und dem Antragsteller nicht etwa die Zulassung e n t z o g e n hat, kommen dem Antragsteller demgemäß die Vorteile der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsmittels nach § 96 Abs. 4 Satz 2 SGB V nicht zu (vgl. auch dazu BSG a.a.O.; anders wohl Steinhilper, Aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage im Vertragsarztrecht, MedR 2003, S. 433 ff., Fn. 33, der diese Wirkung aber lediglich darauf bezieht, dass der Feststellungsbescheid insoweit "noch nicht in Rechtskraft erwächst", so dass der Rechtsweg für die Entscheidung über die materielle Rechtsfrage offen bleibe).

Auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners kommt unter diesen Umständen nicht in Betracht. Denn dem auf die bloße Feststellung des kraft Gesetzes eingetretenen Ende der Vertragsarztzulassung gerichteten Bescheid wohnt keine Vollziehungsanordnung inne, die gem. § 86a Abs. 3 SGG bzw. § 86b Abs. 1 SGG der Aussetzung zugänglich wäre.

2) Unter diesen Voraussetzungen kommt für den Antragsteller als Anspruchsgrundlage für sein Begehren auf Verlängerung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit allenfalls einstweiliger Rechtschutz nach § 86b Abs. 2 SGG in Betracht.

Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung, § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), oder aber auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung, § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG).

Vorliegend kommt allein eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Eine solche Anordnung ist dann zu erlassen, wenn zum einen ein Anordnungsgrund besteht und zum anderen ein Anordnungsanspruch und bei einer Abwägung der Interessen der Beteiligten diese Interessensabwägung zu Gunsten des Antragstellers ausfällt.

Ein Anordnungsgrund ist dann gegeben, wenn wesentliche Gefahren zur Verwirklichung eines bestehenden Rechtsanspruchs drohen, falls eine vorläufige Regelung unterbleibt. Ein Anordnungsanspruch besteht dann, wenn die Durchsetzung einer bestehenden Rechtsposition bei summarischer Prüfung wahrscheinlich oder aber doch zumindest möglich erscheint und deshalb vorläufig begründet bzw. erweitert werden muss (im Einzelnen vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 7. Aufl., RdNrn. 23 ff. zu § 86b m.w.N.). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch müssen glaubhaft gemacht sein (vgl. §§ 920 ff. Zivilprozessordnung (- ZPO -).

Die einstweilige Anordnung darf dabei grundsätzlich eine endgültige Entscheidung nicht vorwegnehmen. Im Interesse der Effektivität des Rechtschutzes kann es aber ausnahmsweise erforderlich sein, der Entscheidung in der Hauptsache dann vorzugreifen, wenn ansonsten Rechtschutz nicht erreichbar ist und dies für den Antragsteller unzumutbar wäre (Meyer-Ladewig a.a.O. RdNr. 31 m.w.N.).

Das Bestehen eines Anordnungsgrundes ist nach Auffassung des Senats bei der vorliegenden Fallgestaltung gegeben:

Der Senat verkennt insoweit nicht, dass die besondere Eilbedürftigkeit zumindest darin begründet ist, als mit zunehmender Dauer nach Ende des Eintritts der vertragsärztlichen Tätigkeit der Patientenstamm der gesetzlich Krankenversicherten, der im Verlauf der vertragsärztlichen Tätigkeit des Antragstellers dessen Praxis aufgesucht hat, sich anderweitig orientieren wird und damit die Existenzfähigkeit der Arztpraxis in Frage gestellt ist, wenn dem Antragsteller lediglich noch die Behandlung von nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Patienten möglicht bleibt.

Eine Verweisung des Antragstellers auf den endgültigen Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist unter diesen Umständen nicht gerechtfertigt. Durch eine solche Verweisung würden Nachteile entstehen, die möglicherweise zu einem nur schwer oder sogar überhaupt nicht mehr gutzumachenden Schaden führen würden, was als Anordnungsgrund für sich genommen ausreicht, ohne dass es noch darauf ankommen würde, ob auch durch die vom Antragsteller dargelegten Umstände hinsichtlich der ärztlichen Versorgung von Drogenabhängigen - und dabei insbesondere auch der Maßnahmen der Metadonsubstitution - die Eilbedürftigkeit begründet werden könnte.

In diesem Zusammenhang erscheint auch der Umstand nicht mehr maßgeblich, dass das ursprünglich vom Antragsteller mit dem Anordnungsverfahren verfolgte Ziel einer unmittelbaren Praxisübernahme durch seinen Sohn nicht mehr – oder allenfalls noch in einer eher vagen Form – aufrecht erhalten wird, wobei allerdings ohnehin zweifelhaft ist, ob angesichts der bestehenden Zulassungsregelungen insbesondere nach § 103 SGB V das vom Antragsteller verfolgte Ziel überhaupt durchsetzbar wäre (vgl. dazu z.B. Klass, Die Fortführungsfähigkeit von Vertragsarztpraxen, MedR 2004, S. 248).

Für das Begehren des Antragstellers fehlt es jedoch an einem Anordnungsanspruch.

Mit dem Antragsgegner und den Beigeladenen geht der Senat nämlich davon aus, dass eine Fortführung der vertragsärztlichen Tätigkeit des Antragstellers über das Ende des Monats, in dem er das 68. Lebensjahr erreicht hat, selbst für eine Übergangsfrist, nicht in Betracht kommt.

a) Die gesetzliche Regelung in § 95 Abs. 7 SGB V ist insoweit eindeutig. Die Ausnahmeregelungen des § 95 Abs. 7 Nr. 1 und Nr. 2 SGB V (weniger als 20-jährige vertragsärztliche Tätigkeit und Zulassung vor dem 1. Januar 1993) liegen nicht vor. Dies wird auch vom Antragsteller nicht in Abrede gestellt.

b) Der Senat hält die Regelung in § 95 Abs. 7 SGB V auch für mit dem Grundgesetz vereinbar.

Zwar wird – wie der Antragsteller zutreffend ausgeführt hat – durch diese Regelung insbesondere die in Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Freiheit der Berufswahl tangiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. z.B. Beschluss vom 31.03.1998, a.a.O.) sowie des Bundessozialgerichts (vgl. z.B. Urteil vom 25.11.1998 a.a.O.; Urteil vom 8.11.2000 – B 6 KA 55/00 R = SozR 3-2500 § 95 Nr. 26; Beschluss vom 27.06.2001 – B 6 KA 6/01 B = Juris-Dokument Nr. KSRE 085601518) ist die durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21. Dezember 1992 (a.a.O.) verbindlich gewordene Altersgrenze nämlich zum Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsguts, nämlich der Gesundheit der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten, eingeführt worden, die nach dieser Auffassung, der sich der Senat bereits angeschlossen hat (vgl. insoweit Urteile des Senats vom 31. Oktober 2001 – L 7 KA 896/00 und vom 21.11.2001 – L 7 KA 151/00), keine übermäßige und unzumutbare Belastung der Vertragsärzte ausgelöst hat, so dass die Altersgrenzenregelung in ihrer generalisierenden Form auch keine in jedem Einzelfall erforderliche individuelle Prüfung insbesondere der Leistungsfähigkeit eines Vertragsarztes voraussetzt. Darüber hinaus wird die Altersgrenze von der Erwägung getragen, die zur Sicherung der Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung vom Gesetzgeber für zwingend erforderlich gehaltene Beschränkung der Zahl der zugelassenen Vertragsärzte dürfe nicht einseitig zu Lasten der jungen an einer Zulassung interessierten Ärztegeneration verwirklicht werden (vgl. BT-Drucks. 12/3608 Seite 93; BSG, Urteil v. 25.11.1998 a.a.O., m.w.N.), so dass auch unter diesem Gesichtspunkt die in § 95 Abs. 7 SGB V getroffene Regelung mit der grundrechtlichen Gewährleistung der Berufstätigkeit in Einklang steht.

Soweit der Antragsteller die Auffassung vertritt, die als Vertragsarzt erworbene Rechtsposition sei auch durch Art. 14 GG geschützt und die durch § 95 Abs. 7 festgelegte Altersgrenze verstoße gegen diesen grundgesetzlich eingeräumten Schutz, kann der Antragsteller auch damit nicht gehört werden. Das Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) hat insoweit bereits darauf hingewiesen, dass Art. 14 GG als Prüfungsmaßstab nicht in Betracht kommt, weil die angegriffenen Vorschriften sich auf die berufliche Betätigung und nicht auf deren Ergebnis beziehen. Durch die Altersbegrenzung wird nämlich die Möglichkeit des Verkaufs oder Übertragung der Praxis einschließlich des Patientenstammes nicht berührt. Hinzu kommt, dass auch ein Vertragsarzt, der bereits das 68. Lebensjahr vollendet hat, weiterhin als Praxisvertreter eines Vertragsarztes gem. § 32 Abs. 1 Ärzte-Zulassungsverordnung (Ärzte-ZV) tätig bleiben kann (vgl. insoweit BSG Urteil v. 30.6.2004 – B 6 KA 11/04 R = SozR 4-5525 § 32 Nr. 1). Überdies ist zu beachten, dass auch einfach-rechtliche Vorschriften schon bisher keinen Anspruch des Vertragsarztes begründet haben, seine Zulassung etwa einem von ihm ausgewählten Nachfolger weiter zu geben, da die Zulassung als Vertragsarzt höchstpersönlicher Natur und deshalb grundsätzlich nicht übertragbar ist (vgl. dazu BVerfG – Beschluss vom 4.10.2001 – 1 BvR 1435/01, bisher unveröffentlicht), einer Auffassung, der sich der Senat gleichfalls bereits angeschlossen hat (Urteile v. 31.10.2001 und v. 21.11.2001 a.a.O.).

Auch ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG etwa im Hinblick auf die Benachteiligung gegenüber Ärzten aus anderen EU-Ländern liegt nicht vor. Im Inland sind alle approbierten Ärzte von der in § 95 Abs. 7 SGB V getroffenen Regelung gleichermaßen betroffen so dass jedenfalls i n s o w e i t auch die europarechtlichen Vertragsregelungen nicht tangiert werden (vgl. zu Art. 52 EWG-Vertrag, BSG Urteil v. 25.11.1998 a.a.O.).

Auch einer weitergehenden Übergangsregelung hinsichtlich der angeführten Altersgrenze, wie sie mit etwas über sechs Jahren durch Art. 33 § 1 GSG festgesetzt worden war, bedurfte es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil v. 8.11.2000, a.a.O.), der sich der Senat gleichfalls anschließt, ebenfalls nicht.

c) Soweit sich der Antragsteller im Rahmen der hier umstrittenen Vorschrift des § 95 Abs. 7 SGB V auf die Bestimmungen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) vom 4. November 1950 (BGBl. II 1952, S. 686) i.d.F. der Bekanntmachung vom 17.5.2002 (BGBl. II, S. 1055) beruft, kann auch aus diesem Regelungswerk ein Anspruch des Antragstellers auf eine - zumindest vorübergehende - Fortführung seiner Vertragsarztpraxis nicht abgeleitet werden. Bei der EMRK handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, dem der Gesetzgeber nach Maßgabe von Art. 59 Abs. 2 Grundgesetz (GG) zugestimmt hat. Die EMRK gilt in der deutschen Rechtsordnung im Range eines Bundesgesetzes und ist bei der Interpretation des nationalen Rechts – auch der Grundrechte und der rechtsstaatlichen Garantien – zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04 = NJW 2004, S. 3407, m.w.N.). Diese Rangzuweisung führt dazu, dass die deutschen Gerichte die Konvention wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden haben. Auf der Ebene des Verfassungsrechts dienen der Konventionstext und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes, sofern dies nicht zu einer - von der Konvention selbst nicht gewollten - Einschränkung oder Minderung des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt (BVerfG, Beschluss v. 14.10.2004, a.a.O., m.w.N.).

Angesichts des eindeutigen Regelungsgehalts von § 95 Abs. 7 SGB V kommt die EMRK als Auslegungshilfe von vornherein nicht in Betracht.

Aber auch im Rahmen der verfassungsrechtlichen Bewertung von § 95 Abs. 7 SGB V führt die EMRK im Sinne des vom Antragsteller verfolgten Begehrens nicht weiter. Weder aus Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens), noch aus Art. 14 EMRK (Verbot der Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status), die der Antragsteller zur Begründung seines Anspruchs heranziehen will, lassen sich Wertentscheidungen ableiten, welche den verfassungsrechtlichen Überlegungen der Rechtsprechung zu § 95 Abs. 7 SGB V entgegen stehen.

d) Auch die Normen des europäischen Gemeinschaftsrechts selbst sind – entgegen der Auffassung des Antragstellers – durch die in § 95 Abs. 7 SGB V getroffene Altersgrenzenregelung nicht verletzt.

aa) Da – wie bereits ausgeführt – die Altersgrenze Inländer und Staatsangehörige der anderen Mitgliedsstaaten der europäischen Union in gleicher Weise betrifft, liegt eine durch Art. 52 Abs. 2 EG-Vertrag verbotene Diskriminierung von vornherein nicht vor (BSG Urteil vom 18.12.1996 – 6 RKa 73/96 = SozR 3-2500 § 98 Nr. 4)

bb) Soweit der Antragsteller auf das Diskriminierungsverbot nach der Richtlinie 2000/78/ EG des Rates der Europäischen Union vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (a.a.O.) verweist, kann auch daraus kein für den Antragsteller günstiges Ergebnis abgeleitet werden.

Zwar enthält die Richtlinie 2000/78/EG insbesondere in ihrem Art. 6 ausdrücklich auch das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters. Untersagt sind dabei nach Art. 2 der Richtlinie sowohl unmittelbare als auch mittelbare Diskriminierungen.

Wie aus den in Art. 6 Abs. 1b erfolgten Formulierungen hinsichtlich der Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter deutlich wird, sind vom Diskriminierungsverbot insoweit nicht nur Diskriminierungen wegen des besonders jugendlichen Alters sondern auch solche im Hinblick auf das hohe Alter erfasst (vgl. dazu auch Kuras, Verbot der Diskriminierung wegen des Alters, RdA 2003, Sonderbeilage Heft 5 S. 11, m.w.N.). Vom Grundsatz her kann die Richtlinie 2000/78/EG deshalb durchaus auch für Fallgestaltungen der vorliegenden Art in Betracht zu ziehen sein.

Soweit Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie in der deutschen Fassung die Regelung enthält, wonach diese Richtlinie nicht für "Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der Sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes" gelten soll, steht dies nach Auffassung des Senats ihrer grundsätzlich möglichen Anwendung auf die vorliegende Fallgestaltung nicht entgegen. Denn die Fortführung einer Vertragsarztpraxis stellt keine "Leistung" im Sinne von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie dar. Sieht man sich nämlich den Text der Richtlinie in der französischen Fassung (Journal officiel des Communautés européennes Amtsblatt C - L 303/16 [FR]), bzw. der englischen Fassung (Official Journal of the European Communities – L 303/16 [EN]) an, so wird deutlich (vgl. hierzu auch die Abgrenzung in BSG, Urteil v. 29.1.2004 – B 4 RA 29/03 R = SozR 4-2600 § 46 Nr. 1), dass es sich bei diesem Ausschlusstatbestand in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie nur um Sachverhalte im Zusammenhang mit Geldleistungen handelt und das durch die Richtlinie vorgegebene Antidiskriminierungsverbot im "übrigen" Bereich der staatlichen Systeme der Sozialen Sicherheit nicht ausgeschlossen werden soll. Insoweit hindert auch die der Richtlinie vorangestellte Erwägung Nr. 13 – entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin – deren Anwendbarkeit ebensowenig wie die Erwägung Nr. 14.

Der Anwendung der Richtlinie 2000/78/EG auf die vorliegende Fallgestaltung steht auch nicht – anders als dies von der Antragsgegnerin vertreten wird – die in Art. 152 Abs. 5 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV, Konsolidierte Fassung vgl. BGBl. II 1998, S. 465 ff.) getroffene Regelung entgegen, wonach bei der Tätigkeit der Gemeinschaft im Bereich der Gesundheit der Bevölkerung "die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung in vollem Umfang gewahrt" bleibt. Denn die Organisationsgewalt der Mitgliedstaaten, auf die Art. 152 Abs. 5 EGV in erster Linie abstellt, wird durch die Richtlinie 2000/78/EG nicht tangiert.

Als Ausdruck des in Art. 3 Buchst. b EGV enthaltenen Subsidiaritätsprinzips bleibt danach zwar die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten in der Ausgestaltung ihrer Systeme der Sozialen Sicherheit unberührt (vgl. insoweit Schwanenflügel – Die EU-Gesundheitspolitik im Spannungsfeld der wirtschaftlichen Grundfreiheiten des EG-Vertrages und nationaler Verantwortung, DVBl. 2003, S. 496; Neumann/Duesberg, Der Einfluss der EG auf die nationale Krankenversicherung, BKK 1993, S. 642). Nach einer weitergehenden Meinung (vgl. insoweit Stein, Gesundheitspolitik in der Europäischen Gemeinschaft auf der Grundlage des Vertrages über die Europäische Union und nach Vollendung des Binnenmarktes, ZSR 1993, S. 486 ff.) wird durch Art. 129 EWGVtr (jetzt Art. 152 EGV) ein Tätigwerden der Europäischen Institutionen mit dem Ziel der Harmonisierung der Gesundheitssysteme sogar gänzlich ausgeschlossen.

Unabhängig davon müssen jedoch die Mitgliedstaaten auch in diesem Bereich das bestehende Gemeinschaftsrecht beachten (Schwanenflügel a.a.O., S. 501; EuGH, Urteil vom 12.7.2001 in der Rechtssache C-157/99, Geraets-Smits/Peer-booms, = SozR 3-6030 Art. 59 Nr. 6, dort RdNr. 46; EuGH, Urteil v. 28.4.1998 – C-158/96, Kohll, = SozR 3-6030 Art. 59 Nr. 5, dort RdNr. 19). Dazu gehören aber auch die allgemeinen Regelungen über bestehende Diskriminierungsverbote. Solche allgemeinen Regelungen greifen deshalb auch im Bereich der Gesundheitssysteme. Die Anwendung der Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist deshalb auch in diesem Bereich nach Auffassung des Senats keinesfalls ausgeschlossen.

Gleichwohl ist der Senat der Auffassung, dass der Antragsteller aus der Richtlinie 2000/78/EG vorliegend keine Rechte auf Fortführung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit herleiten kann.

Allerdings könnte den in der Richtlinie 2000/78/EG enthaltenen Vorgaben auch hinsichtlich der in § 95 Abs. 7 SGB V getroffenen Regelung rechtlich zumindest insoweit Bedeutung zukommen, als die Richtlinie bereits am 2. Dezember 2000 nämlich mit dem Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - in Kraft getreten und die Frist zur Umsetzung der Richtlinie nach Art. 18 (2. Dezember 2003) zwischenzeitlich abgelaufen ist (EuGH, Urt. v. 5.10.2004 – C-397/01 bis C-403/01, Pfeiffer u.a., NJW 2004, S. 3547 m.w.N.).

aaa) Eine unmittelbare Anwendung der Richtlinie 2000/78/EG kommt dennoch vorliegend nicht in Betracht.

Denn die Regierung der Bundesrepublik Deutschland hat – wie den im Beschwerdeverfahren eingeholten Auskünften des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 13. April 2004 sowie vom 14. Dezember 2004 entnommen werden kann - mit Schreiben vom 27. November 2003 bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Verlängerung der Umsetzungsfrist hinsichtlich der Bestimmungen zur Altersdiskriminierung gemäß Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG beantragt. Damit endet die Umsetzungsfrist der Richtlinie 2000/78/EG hinsichtlich des Alters erst am 2. Dezember 2006, so dass sich der Antragsteller derzeit noch nicht unmittelbar auf den Regelungsgehalt der Richtlinie berufen kann.

bbb) Eine auf die Umsetzung in nationales Recht gerichtete Richtlinie kann jedoch auch bereits vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens innerhalb der Umsetzungsfrist Rechtswirkungen jedenfalls insoweit entfalten, als mit dem Tag des Inkrafttretens die in ihr getroffenen Wertentscheidungen, die in der entsprechenden Richtlinie verbindlich zum Ausdruck gekommen sind, namentlich im Rahmen von Generalklauseln und unbestimmten Rechtbegriffen, Berücksichtigung finden müssen (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 18.5.2004 in der Rechtssache C-313/02, Wippel, RdNr. 59, = EuGH-Celex-Dokument Nr. 602 C0313). Überdies müssen die Mitgliedstaaten schon während der Umsetzungszeit alles unterlassen, was geeignet ist, das in der Richtlinie vorgeschriebene Ziel in Frage zu stellen (EuGH Urteil vom 18.12.1997 in der Rechtssache C-129/96, Wallonie, a.a.O.).

Selbst unter Beachtung dieser Kriterien kann dem Begehren des Antragstellers jedoch kein Erfolg beschieden sein. Denn zum einen ist die in § 95 Abs. 7 SGB V getroffene Regelung eindeutig. Diese Regelung ist bei der vorliegenden Fallgestaltung nicht der Auslegung zugänglich, so dass auch die in der Richtlinie 2000/78/EG zum Ausdruck gekommene Wertentscheidung keine Grundlage dafür sein kann, von der in § 97 Abs. 7 SGB V vorgesehenen Altersbegrenzungsregelung abzusehen. Überdies war § 95 Abs. 7 SGB V zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie 2000/78/EG bereits mit Wirkung zum 1. Januar 1999 – also schon nahezu zwei Jahre vor Inkrafttreten der Richtlinie 2000/78/EG – zu nationalem Recht geworden, mit der Folge, dass allenfalls eine – bisher noch nicht erfolgte - t a t s ä c h l i c h e U m s e t z u n g der Richtlinie im Sinne des Begehrens des Antragstellers zu einem Rechtsanspruch des Antragstellers hätte führen können. V o r dem Zeitpunkt der Umsetzung oder des Ablaufs der verlängerten Umsetzungsfrist kann sich der Antragsteller demgegenüber auf die fragliche Richtlinie nicht berufen (vgl. auch EuGH Urteil vom 18.12.1997 a.a.O.).

Demgemäß ist es auch dem Senat verwehrt, eine mögliche – an der Richtlinie 2000/78/ER orientierte - Änderung der in § 95 Abs. 7 SGB V getroffenen Regelung vorwegzunehmen.

Einer A u s s e t z u n g des Beschwerdeverfahrens zur Einholung einer Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 234a EGV bedurfte es insoweit nicht. Zwar ist das Hessische Landessozialgericht im vorliegenden Anordnungsverfahren letztinstanzliches Gericht i.S.v. Art. 234 Abs. 3 EGV und deshalb vom Grundsatz her verpflichtet, den EuGH dann anzurufen, wenn europäisches Gemeinschaftsrecht entscheidungserheblich ist, an der Auslegung des Gemeinschaftsrechts jedoch Zweifel bestehen (BSG Urteil vom 18.5.2004 – B 1 KR 21/02 R = SozR 4-2500 § 31 Nr. 1, m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen jedoch hier nicht vor. Zweifel an der vorgenommenen Auslegung des europäischen Gemeinschaftsrechts bestehen aus der Sicht des Senats nämlich n i c h t.

Die Beschwerde des Antragstellers war nach alledem mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge insgesamt zurückzuweisen.

3) Ein weiteres Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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