L 14 KR 780/02

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 3 RJ 606/01
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 14 KR 780/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1) Für die Feststellung der Versicherungspflicht, der Beitragspflicht und der Beitragshöhe in der gesetzlichen Sozialversicherung ist das gesetzlich oder vertraglich geschuldete und nicht das tatsächlich gezahlte Arbeitsentgelt maßgeblich.
2) Nachträgliche Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien über die Höhe des Arbeitsentgeltes sind sowohl für die Beurteilung der Versicherungs- als auch der Beitragspflicht grundsätzlich unbeachtlich.
3) Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien ein Gehalt in der übereinstimmenden Erwartung, dieses überschreite die Jahresarbeitsentgeltgrenze und führe zur Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung, und stellt sich dies später als Irrtum heraus, weil ein Gehaltsbestandteil (Direktversicherung) nicht zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt zählt, so stellt die dann vorgenommene rückwirkende Erhöhung des Gehalts auf einen Betrag oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze keine (sozialversicherungsrechtlich unbeachtliche) nachträgliche Änderung des Arbeitsentgeltanspruchs dar. Vielmehr finden in einem solchen Fall die Regeln über das ursprüngliche Fehlen der Geschäftsgrundlage Anwendung.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 23. April 2002 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2001 wird aufgehoben, soweit damit Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für den Beigeladenen zu 1) nachgefordert worden sind.

II. Die Beklagte hat der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der Kranken- und Pflegeversicherung in der Zeit vom 1. Juli 1997 bis 31. Dezember 1998.

Der Beigeladene zu 1) war vom 1. Oktober 1995 bis 30. Juni 1997 bei der Firma K. AG beschäftigt. Im Rahmen dieser Beschäftigung war er in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei und hatte sich privat kranken- und pflegeversichert. In der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1997 erzielte er ein Bruttoarbeitsentgelt von 39.411,64 DM. Zum 1. Juli 1997 wechselte er zur Klägerin. Sein Anstellungsvertrag vom 1. Juli 1997 sah eine monatliche Vergütung in Höhe von 5.460,00 DM brutto, ein zusätzliches dreizehntes Brutto-Monatsgehalt und die Zahlung von 52,00 brutto für die Vermögensbildung vor; außerdem verpflichtete sich die Klägerin, für eine Direktversicherung des Arbeitnehmers eine jährliche Beitragssumme von 2.400,00 brutto zu zahlen.

Am 26. Mai 2000 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung nach § 28 p Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) statt, welche den Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis 31. Dezember 1999 umfasste. Dabei stellte die Beklagte u. a. fest, dass für den Beigeladenen zu 1) ab Beschäftigungsbeginn keine Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung entrichtet worden waren.

Nach vorheriger Anhörung der Klägerin forderte die Beklagte daraufhin mit Bescheid vom 26. Mai 2000 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 17.576,60 DM nach, wovon 17.016,96 DM auf den Beigeladenen zu 1) entfielen. Dieser sei in der Zeit vom 1. Juli 1997 bis 31. Dezember 1998 kranken- und pflegeversicherungspflichtig beschäftigt gewesen, weil sein Bruttoarbeitsentgelt die jeweilige Jahresarbeitsentgeltgrenze unterschritten habe. Hierbei legte die Beklagte für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1997 ein erzieltes Brutto-Arbeitsentgelt von 35.802,00 DM und für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1998 ein erzieltes Brutto-Arbeitsentgelt von 73.281,00 DM zugrunde. Den Arbeitgeberbeitrag für die Direktversicherung des Beigeladenen zu 1) in Höhe von 2.400,00 DM ließ die Beklagte dabei als steuer- und beitragsfreie Einnahme unberücksichtigt.

Die Klägerin erhob am 29. Juni 2000 Widerspruch. Sie trug vor, der Beigeladene zu 1) habe im ersten Halbjahr 1997 von seinem vorherigen Arbeitgeber, der Firma K. AG, bereits ein Entgelt in Höhe von 39.411,64 DM erhalten. Zusammen mit dem von ihr im zweiten Halbjahr 1997 gezahlten Entgelt in Höhe von 35.802,00 DM ergebe sich ein Betrag in Höhe von insgesamt 75.213,64 DM mit der Folge, dass die für das Kalenderjahr 1997 in der Kranken- und Pflegeversicherung geltende Beitragsbemessungsgrenze in Höhe von 73.800,00 DM überschritten werde. Ihr Arbeitnehmer sei deshalb nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V – wie in seinem vorherigen Beschäftigungsverhältnis – kranken- und pflegeversicherungsfrei. Auch für das Jahr 1997 liege keine Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung vor. Zwar habe der Arbeitnehmer mit einem Brutto-Arbeitsentgelt von 73.281,00 DM knapp unter der Beitragsbemessungsgrenze in Höhe von 75.600,00 DM gelegen. Dem habe jedoch ein Berechnungsfehler zugrunde gelegen. Das Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses zwischen ihr und dem Beigeladenen zu 1) sei ausdrücklich von der Bedingung abhängig gemacht worden, dass dem Arbeitnehmer ein Gehalt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze der Kranken- und Pflegeversicherung gezahlt werden sollte, damit dieser weiterhin krankenversicherungsfrei bleibe. Lediglich aufgrund eines Berechnungsfehlers seitens ihres Steuerberaters sei das Gehalt des Beigeladenen zu 1) zu niedrig ermittelt worden, obwohl dies nach dem Willen der Vertragsparteien zu keiner Zeit gewollt gewesen sei. Der demgemäß noch ausstehende Anspruch auf die verabredungsgemäße Vergütung sei zwischenzeitlich von dem Beigeladenen zu 1) ihr gegenüber geltend gemacht worden und werde mit der nächsten Lohnabrechnung ausgezahlt.

Hierzu legte die Klägerin eine Aktennotiz vom 17. Juni 1997 ihres Steuerberaters, Herrn W., über eine Besprechung zwischen ihrem Geschäftsführer und dem Steuerberater vor, aus der sich ergab, dass das Steuerberatungsbüro mit dem Entwurf des Anstellungsvertrages für den Beigeladenen zu 1) betraut worden war; wörtlich heißt es hier: "Bitte AV Herr C. vorbereiten, Gehalt über BBG KV". Ferner legte die Klägerin eine Vereinbarung vom 10. Juli 2000 zwischen ihr und dem Beigeladenen zu 1) vor, nach der der "ausstehende Gehaltsanspruch für den Zeitraum vom 1. Juli 1997 bis 31. Dezember 1998 in Höhe von insgesamt 3.420,00 DM" mit der Lohnabrechnung für den Monat August 2000 ausgezahlt werde. Der Anspruch bestehe aufgrund der Vereinbarung zum Zeitpunkt des Zustandekommens des Arbeitsverhältnisses mit dem Beigeladenen zu 1), dass ihm ein Gehalt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze der Kranken- und Pflegeversicherung gezahlt werde, um weiterhin krankenversicherungsfrei zu bleiben. Ergänzend legte die Klägerin die Lohnabrechnung für August 2000 vor, in der die Nachversteuerung für die Kalenderjahre 1997 und 1998 in Höhe von insgesamt 3.420,00 DM vorgenommen worden war, und teilte mit, dass auf den Zeitraum Juli bis Dezember 1997 eine Nachzahlung in Höhe von 1.100,00 DM und auf das Kalenderjahr 1998 eine Nachzahlung in Höhe von 2.320,00 DM entfalle. Hieraus ergab sich rechnerisch ein Jahresarbeitsentgelt in Höhe von 36.902,00 für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 31. Dezember 1997 DM und von 75.601 DM für die Zeit vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 1998.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Beigeladene zu 1) habe in dem streitigen Zeitraum der Versicherungspflicht der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unterlegen, da das gewährte Arbeitsentgelt unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze gelegen habe. Die Zusatzvereinbarung vom 10. Juli 2000 über die nachträgliche Zahlung einer Gehaltsdifferenz in Höhe von 3.420,00 DM sei als nachträgliche Konstruktion zur Vermeidung der zwingend eingetretenen Kranken- und Pflegeversicherungspflicht einzustufen, zumal die Zusatzvereinbarung erst nach Abschluss der Betriebsprüfung getroffen worden sei.

Die Klägerin hat am 27. September 2001 Klage erhoben. Sie hat ausgeführt, die Zusatzvereinbarung vom 10. Juli 2000 sei keine nachträgliche Konstruktion, sondern entspreche der bereits vor Beginn des Beschäftigungsverhältnisses zwischen ihr und dem Beigeladenen zu 1) getroffenen Vereinbarung, dass das Gehalt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze für die Kranken- und Pflegeversicherung liegen sollte. Die Vergütungsvereinbarung in § 3 des Anstellungsvertrages sei daher teilweise unwirksam gewesen, so dass gemäß § 6 Ziffer 2 des Anstellungsvertrages an ihre Stelle die Regelung trete, die dem am nächsten komme, was die Parteien gewollt hätten. Dies sei genau der in der Vereinbarung vom 10. Juli 2000 noch einmal klargestellte Nachzahlungsbetrag, weil die bisherige Regelung nicht dem Parteiwillen entsprochen habe.

In der mündlichen Verhandlung vom 23. April 2002 hat das Sozialgericht den Beigeladenen zu 1) persönlich gehört. Dieser hat angegeben, seit der Aufnahme seiner Beschäftigung am 1. Oktober 1995 bei der Firma K. AG sei er privat krankenversichert gewesen. Es sei von Anfang an beabsichtigt gewesen, dass er mit seinem Gehalt ab dem 1. Juli 1997 weiterhin kranken- und pflegeversicherungsfrei habe bleiben sollen.

Mit Urteil vom 23. April 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Nachforderung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen in Höhe von 17.016,96 DM für den Beigeladenen zu 1) sei rechtmäßig. Dieser sei nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V krankenversicherungsfrei gewesen, weil sein regelmäßiges Jahresarbeitentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht überschritten habe. Der Entgeltberechnung könne lediglich das monatliche Gehalt von 5.460,00 DM brutto sowie die vermögenswirksame Leistung von monatlich 52,00 DM brutto zugrunde gelegt werden, woraus sich für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1997 ein Arbeitsentgelt von 35.802,00 DM (Beitragsbemessungsgrenze 1997: 73.800,00 DM) sowie in der Zeit vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 1998 ein Jahresarbeitentgelt von 73.281,00 DM (Beitragsbemessungsgrenze 1998: 75.600,00 DM) ergebe. Der Arbeitgeberbeitrag für die Direktversicherung in Höhe von 2.400,00 DM sei gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Arbeitsentgeltverordnung beitragsfrei gewesen, da diese Leistung vom Arbeitgeber nach § 40 b Einkommenssteuergesetz pauschal versteuert und zusätzlich zum Arbeitsentgelt aufgebracht worden sei. Unbeachtlich sei, dass der Beigeladene zu 1) im Kalenderjahr 1997 unter zusätzlicher Berücksichtigung des bei der Firma K. AG erzielten Entgeltes ein Jahresarbeitentgelt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze erhielt habe, denn aufgrund der Begründung eines neuen Beschäftigungsverhältnisses ab dem 1. Juli 1997 sei für dieses Beschäftigungsverhältnis die Kranken- und Pflegeversicherungspflicht unter Berücksichtigung des neuen regelmäßigen Jahresarbeitentgeltes neu festzustellen. Das Vorbringen der Klägerin, das Beschäftigungsverhältnis sei unter der Bedingung geschlossen worden, dass der Beigeladene weiterhin kranken- und pflegeversicherungsfrei bleiben sollte, sei nicht beachtlich. Die Sozialversicherung sei zum Schutz des Beschäftigten als auch zum Schutz der Solidargemeinschaft bedingungsfeindlich. Nachträgliche Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien über das Arbeitsentgelt führten nicht zu einer nachträglichen Verringerung der Beitragsschuld bzw. einen nachträglichen Eintritt der Versicherungsfreiheit. Einmal getroffene Vereinbarungen, welche die öffentlich-rechtliche Versicherungs- und Beitragspflicht auslösten, könnten durch ein späteres Verhalten für die Vergangenheit nicht mehr verändert werden. Der Beigeladene zu 1) habe ab dem 1. Juli 1997 die vereinbarte Vergütung erhalten; nur aufgrund der Nichtberücksichtigung des Direktversicherungsbeitrags in Höhe von 2.400,00 DM sei Krankengeld- und Pflegeversicherungspflicht eingetreten. Die Vergütungsbestimmung im Anstellungsvertrag sei weder ganz noch teilweise unwirksam. Die Zusatzvereinbarung vom 10. Juli 2000 beinhalte lediglich eine nachträgliche Gehaltserhöhung bzw. eine nachträgliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien über die Höhe des Arbeitsentgelts für den Zeitraum vom 1. Juli 1997 bis 31. Dezember 1998, welche sozialversicherungsrechtlich unbeachtlich sei.

Gegen das am 13. Mai 2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. Juni 2002 Berufung eingelegt.

Sie wiederholt im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Das Sozialgericht verkenne, dass zwischen ihr und dem Beigeladenen zu 1) keine nachträgliche Vereinbarung über die Höhe des Arbeitsentgelts getroffen worden sei; vielmehr sei die Vereinbarung, dass dem Beigeladenen zu 1) ein Gehalt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze gezahlt werden sollte, bereits vor Beginn des Anstellungsverhältnisses vereinbart worden. Damit sei die Vergütungsbestimmung in § 3 des Anstellungsvertrages jedoch von Anfang an teilweise unwirksam gewesen, weshalb die Vereinbarung vom 10. Juli 2000 lediglich die gemäß § 6 Ziffer 2 des Anstellungsvertrags vorgesehene rückwirkende Anpassung des Vertrags an das tatsächlich gewollte beinhalte.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 23. April 2002 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2001 aufzuheben, soweit damit Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für den Beigeladenen zu 1) nachgefordert worden sind.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Die Beigeladenen haben sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 23. April 2002 kann nicht aufrecht erhalten bleiben. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind, soweit sie Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für den Beigeladenen zu 1) nachfordern, rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Denn der Beigeladene zu 1) war in der Zeit vom 1. Juli 1997 bis 31. Dezember 1998 in seiner Beschäftigung bei der Klägerin in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versicherungsfrei.

Als Ausnahme von der grundsätzlichen Versicherungspflicht der Beschäftigten in der Kranken- und Pflegeversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI) bestimmt § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V (in der hier noch anzuwendenden, bis 31. Dezember 2002 geltenden Fassung), dass Arbeiter und Angestellte versicherungsfrei sind, deren regelmäßiges Arbeitsentgelt 75 v. H. der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (Jahresarbeitsentgeltgrenze) übersteigt. Hierbei ist eine vorausschauende Betrachtungsweise vorzunehmen. Für den Eintritt von Versicherungsfreiheit kommt es darauf an, ob das im Kalenderjahr erzielte Entgelt die maßgebliche Jahresarbeitsentgeltgrenze voraussichtlich übersteigen wird. Ändert sich aber im Verlauf des Kalenderjahres – z. B. durch den Wechsel auf einen Arbeitsplatz mit geringerer Entlohnung – das voraussehbare regelmäßige Jahresarbeitsentgelt in der Weise, dass in den nächsten zwölf Monaten die Jahresarbeitsentgeltgrenze voraussichtlich nicht mehr überschritten wird, so tritt sofort Versicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ein (Krauskopf/Baier, Soziale Krankenversicherung, Kommentar, § 6 SGB V Rdnr. 8; Hauck/Haines-Gerlach, Kommentar zum SGB V, § 6 Rdnr. 29, 45).

Hiervon ausgehend war der Beigeladene zu 1) in der Zeit ab dem 1. Juli 1997 bis 31. Dezember 1998 in der Kranken- und Pflegeversicherung versicherungsfrei. Unstreitig lag sein vorhersehbares Arbeitsentgelt während seiner Beschäftigung vom 1. Januar bis 30. Juni 1997 bei der Firma K. AG mit 39.411,64 DM oberhalb der (anteiligen) Jahresarbeitsentgeltgrenze von (73.800,00 DM: 12 x 6 =) 36.900,00 DM. Durch den Wechsel zu der Klägerin ging die bis dahin bestehende Versicherungsfreiheit auch nicht verloren. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts hatte der Beigeladene zu 1) in seiner Beschäftigung bei der Klägerin von Beginn an Anspruch auf ein Arbeitsentgelt oberhalb der genannten Jahresarbeitsentgeltgrenze.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gilt für die Feststellung der Versicherungspflicht, der Beitragspflicht und der Beitragshöhe das sog. Entstehungsprinzip. Für den Beginn der Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt und der Versicherungsverhältnisse kommt es nach dem Schutzzweck der Sozialversicherung nicht darauf an, ob und wann der Arbeitgeber das mit dem Arbeitnehmer vereinbarte Arbeitsentgelt tatsächlich zahlt und dieses dem Arbeitsnehmer zufließt. Anderenfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand, durch verzögerte oder verkürzte Zahlung des Arbeitsentgelts über den Versicherungsschutz des Arbeitnehmers zu verfügen. Zum Schutz der Beschäftigten muss bei der Frage, ob das Arbeitsentgelt die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt oder die Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung überschritten wird, auf das dem Arbeitnehmer zustehende Arbeitsentgelt abgestellt werden. Auf tatsächlich zugeflossenes Arbeitsentgelt kommt es nur an, soweit dem Arbeitnehmer mehr geleistet wird, als ihm tariflich oder einzelvertraglich zusteht, soweit ihm also über das geschuldete Arbeitsentgelt hinaus überobligatorische Zahlungen zugewendet oder geleistet werden (BSG, Urteil vom 14. Juli 2004, Az.: B 12 KR 1/04 R m. w. N.). Andererseits ist, worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat, nur das ursprünglich vereinbarte bzw. ausgezahlte Arbeitsentgelt für die Beurteilung der Versicherungs- und Beitragspflicht maßgebend. Nachträgliche Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien über die Höhe des Arbeitsentgelts sind sowohl für die Beurteilung der Versicherungs- als auch der Beitragspflicht unbeachtlich. Das öffentlich-rechtlich ausgestaltete Versicherungsverhältnis kann durch nachträgliche privatrechtliche Vereinbarungen für die Vergangenheit nicht mehr geändert werden (BSG, a. a. O.).

Im Fall des Beigeladenen zu 1) lag das ihm zustehende Arbeitsentgelt in der Zeit vom 1. Juli 1997 bis 31. Dezember 1997 mit 36.902,00 DM oberhalb der anteiligen Jahresarbeitsentgeltgrenze von 36.900,00 DM. Gleiches gilt für das Jahr 1998 mit einem zustehenden Arbeitsentgelt von 75.601,00 DM (Jahresarbeitsentgeltgrenze 75.600,00 DM). Zwar lag das dem Beigeladenen zu 1) ab dem Beginn seiner Beschäftigung bei der Klägerin tatsächlich gezahlte Arbeitsentgelt zunächst unter der (anteiligen) Jahresarbeitsentgeltgrenze, weil – wie das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat und worauf der Senat Bezug nimmt – der von der Klägerin gezahlte Direktversicherungsbeitrag in Höhe von 2.400,00 DM nicht zum Bruttoarbeitsentgelt zählte. Der Beigeladene zu 1) hatte jedoch bereits ab dem 1. Juli 1997 einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Deshalb stellt die Vereinbarung vom 10. Juli 2000 über die Zahlung von insgesamt 3.420,00 DM für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 31. Dezember 1998 keine nachträgliche Gehaltserhöhung bzw. nachträgliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien über die Höhe des Arbeitsentgelts für den streitigen Zeitraum, sondern lediglich eine Anpassung des Arbeitsvertrags an das tatsächlich gewollte dar.

Aufgrund des Aktenvermerks des Steuerberaters W. und den damit übereinstimmenden Erklärungen des Beigeladenen zu 1) im Rahmen seiner Anhörung durch das Sozialgericht steht fest, dass von Anfang an beabsichtigt war, dass dem Beigeladenen zu 1) ab dem 1. Juli 1997 ein Gehalt gezahlt werden sollte, mit dem er weiterhin kranken- und pflegeversicherungsfrei blieb. Damit fehlte der in § 3 des Anstellungsvertrags getroffenen Vergütungsvereinbarung jedoch von Beginn an die Geschäftsgrundlage. Damit gemeint sind Fälle des gemeinschaftlichen Irrtums der Vertragsparteien über einen für die Willensbildung wesentlichen Umstand. Ein solcher Irrtum muss sich nicht notwendig auf die Hauptpflichten des Vertrags beziehen, sondern kann auch außerhalb des Vertrags liegende Konsequenzen des Geschäfts, z. B. seine steuerlichen Folgen, betreffen (Palandt-Heinrichs, Kommentar zum BGB, 63. Aufl., § 313 Rdnr. 20). Ein solcher Fall liegt hier vor, denn die Arbeitsvertragsparteien waren sich darüber einig, dass der Beigeladene zu 1) ein Gehalt oberhalb der Versicherungsfreigrenze erhalten sollte, da dieser privat kranken- und pflegeversichert war und diesen Status behalten wollte; dies war auch das Interesse der Klägerin, die dadurch von der Pflicht zur Zahlung des gesetzlichen Arbeitgeberanteils frei wurde und sie in Bezug auf die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung des Beigeladenen zu 1) keine Pflichten übernahm (§ 3 Nr. 3 des Anstellungsvertrags). Dass das vertraglich zunächst vereinbarte Arbeitsentgelt die Versicherungsfreigrenze dann tatsächlich nicht überschritt, beruhte nur auf einem rechtlichen Irrtum, nämlich der irrigen Annahme, die Beiträge zur Direktversicherung seien Teil des sozialversicherungspflichtigen Entgelts. Zu Recht verweist die Klägerin deshalb auf § 6 Nr. 2 des Anstellungsvertrags und die dort vorgesehene Anpassungsklausel. Denn diese entspricht inhaltlich den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen, wie zu verfahren ist, wenn einem Vertrag infolge eines rechtlich beachtlichen Irrtums der Parteien von Beginn an die Geschäftsgrundlage fehlt. In diesem Fall ist der Vertrag an die wirkliche, bei seinem Abschluss unerkannt gebliebene Sachlage anzupassen (BGH NJW 1995, 1428; BAGE 57, 192, 196). Diese Anpassung haben die Arbeitsvertragsparteien durch die Vereinbarung vom 10. Juli 2000 vollzogen und dass Bruttoarbeitsentgelt des Beigeladenen zu 1) dergestalt erhöht, dass dieses die (anteilige) Jahresarbeitentgeltgrenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V für die Jahre 1997/1998 überschreitet.

Darin liegt keine nachträgliche Änderung der privatrechtlichen Rechtsbeziehungen, die aus den o. g. Gründen im Hinblick auf einen bereits entstandenen öffentlich-rechtlichen Beitragsanspruch unwirksam wäre. Vielmehr ist der vorliegende Sachverhalt nicht anders zu behandeln als andere Fälle der nachträglichen Erfüllung von – im Zeitpunkt der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge bereits geschuldeten – Arbeitsentgeltansprüchen. Bereits am 1. Juli 1997 stand dem Beigeladenen zu 1) aufgrund des - unerkannt fehlerhaften - Arbeitsvertrags eine zusätzliche Vergütung in der durch die Vereinbarung vom 10. Juli 2000 festgelegten Höhe zu. Denn nach der Rechtsprechung des BGH bedurfte es, falls einem Vertrag die Geschäftsgrundlage fehlte, keiner Willenserklärungen der Vertragspartner, um die Rechtsbeziehungen an die tatsächlichen Verhältnisse anzupassen; die Anpassung trat vielmehr unmittelbar kraft Gesetzes ein und war auch ohne besondere Geltendmachung seitens der Beteiligten bei der richterlichen Entscheidung vom Amts wegen zu berücksichtigen (BGH NJW 1972, 153 m. w. N.; Palandt-Heinrichs, a. a. O., 60. Aufl., § 242 Rdnr. 130). Diese Rechtslage hat sich zwischenzeitlich allerdings insoweit geändert, als die Anpassung nicht mehr kraft Gesetzes erfolgt, sondern nach § 313 Abs. 1 BGB in der nunmehr geltenden Fassung durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26. November 2001 lediglich ein Anspruch auf Anpassung besteht (vgl. Palandt-Heinrichs, a. a. O., § 313 Rdnr. 29). § 313 Abs. 1 BGB n. F. gilt aber erst seit dem 1. Januar 2002 und betrifft damit den vorliegenden Sachverhalt, der mit der Vertragsanpassung vom 10. Juli 2000 abgeschlossen war, nicht, weshalb es dahinstehen kann, ob sich hieraus eine andere Beurteilung ergeben würde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung des Rechtsstreits zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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