L 7 AS 65/05 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 45 AS 419/05 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 65/05 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Antragsgegnerin wird unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. August 2005 verpflichtet, den Antragstellern für die Zeit ab dem 12. August 2005 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Bezahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – (SGB II) sowie die Übernahme von Mietrückständen und rückständiger Energiekosten nach dem Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch – (SGB XII).

Die 1981 geborene Antragstellerin zu 1. und ihr 1999 geborener Sohn (Antragsteller zu 2.) beantragten am 21. März 2005 bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Zuvor stand die Antragstellerin zu 1. im Bezug von Sozialhilfe bis zum September 2004 und der Antragsteller zu 2. erhielt Leistungen nach dem SGB XII bis Februar 2005.

Mit Schreiben vom 21. März 2005 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu 1. auf, durchgängige Kontoauszüge seit dem 1. September 2004, eine Bescheinigung der R. über ihr zugeflossene Gelder während des Zeitraumes ab dem 1. September 2004 bis heute, eine Wahlrechtserklärung der Krankenkasse und ein Nachweis über die Vorsprache bei ihrer persönlichen Ansprechpartnerin der X-Arbeit, Frau S. vorzulegen. Dieser Aufforderung kam die Antragstellerin zu 1. nach. Aus der Bescheinigung der R. vom 21. Mai 2005 ergab sich, dass sie am 4. Februar 2005 eine Beihilfe in Höhe von 50,00 Euro und am 10. März 2005 eine Beihilfe in Höhe von 20,00 Euro erhalten hatte. Mit Bescheid vom 25. Juli 2005 lehnte die Antragsgegnerin die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Antragsteller ab. Sie stützte sich darauf, dass laut Vorlage der Bescheinigungen durch den Bevollmächtigten der Antragstellerin zu 1. sich für den Monat Januar 2005 ein monatliches Einkommen in Höhe von 636,50 Euro und für den Monat Februar 2005 ein Einkommen in Höhe von 656,50 Euro ergeben habe. Laut der schriftlichen Bestätigung des Vermieters und der vorgelegten Kontoauszüge für den Monat Februar 2005 habe sie für die Monate Januar 2005 bis Februar 2005 einen monatlichen Mietbetrag in Höhe von 470,00 Euro an ihren Vermieter bezahlt. Bei der Gegenüberstellung des monatlichen Einkommens in Höhe von 636,50 Euro bzw. 656,50 Euro und der monatlichen Mietkosten in Höhe von 470,00 Euro verbliebe für die Antragstellerin zu 1. ein monatliches Resteinkommen in Höhe von 166,50 Euro bzw. 186,50 Euro. Damit habe den Antragstellern für die Monate Januar und Februar 2005 lediglich ein Betrag in Höhe von 166,50 Euro bzw. 186,50 Euro zur Sicherstellung der Lebensbedürfnisse zur Verfügung gestanden. Für den März 2005 hätten die Antragsteller über ein Einkommen in Höhe von 314,00 Euro bzw. 264,00 Euro - laut Darlegung des Bevollmächtigten - verfügt. Die von den Eltern der Antragstellerin zu 1. gemachten Zuwendungen blieben unberücksichtigt, da diese Zuwendungen zur Bestreitung von Arztrechnungen gezahlt worden seien. Selbst bei der Einschränkung der Lebensbedürfnisse könne die Antragsgegnerin nicht nachvollziehen, wie die Antragsteller seit dem Monat Januar 2005 mit dem ausgerechneten Resteinkommen ihren Lebensunterhalt hätten sichern können. Damit hätte die Antragsgegnerin die tatsächliche Einkommens- und Vermögenssituation der Antragsteller nicht feststellen können. Sie müsse vielmehr davon ausgehen, dass weiteres Einkommen oder Vermögen vorhanden sei, welches die Existenz der Antragsteller sichere.

Über den mit Schreiben vom 12. August 2005 eingelegten Widerspruch ist bislang nicht entschieden worden.

Am 12. August 2005 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) für die Antragsteller zu 1. und 2. einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihnen Hilfe zum Lebensunterhalt ab dem 21. März 2005 bis zum Ablauf des Monats der gerichtlichen Entscheidung zu gewähren. Sie haben vorgetragen, dass die Antragstellerin zu 1. notgedrungen Einnahmen aus Betteln und durch Verkauf der Obdachlosenzeitung "Streetworker" erzielt habe. Von September 2004 bis Dezember 2004 habe die Antragstellerin zu 1. keine Miete mehr zahlen können. Nach der fristlosen Kündigung sei sie in eine neue Wohnung umgezogen, wobei sie Mieten nur für Januar und Februar 2005 habe aufbringen können. Die alten Mietschulden seien unbeglichen, weshalb sie nach einem durchgeführten Mahnverfahren eine eidesstattliche Versicherung habe abgeben müssen. Seit März 2005 sei es der Antragstellerin nicht möglich, die Miete dem Vermieter zu überweisen. Die Mietschulden beliefen sich mittlerweile auf 2.700,00 Euro. Es drohe insoweit eine Räumungsklage. Auch könne sie keine Stromrechnung mehr bezahlen, weshalb die Energielieferung ab dem 18. August 2005 eingestellt werden solle. Die Antragstellerin zu 1. verfüge über keine weiteren Einkünfte und sei nur noch in der Lage, mit dem Kindergeld und durch das Betteln das reine Überleben für sich und den Antragsteller zu 2., sicherzustellen. Ab und an leihe sie sich Geld von ihren Verwandten, um damit die Arztrechnungen für ihren Sohn zu zahlen. Die Antragstellerin sei grundsätzlich erwerbsfähig und habe eine Aufenthaltsbefugnis für Deutschland. Eine Arbeitserlaubnis könne ihr aber erst erteilt werden, wenn eine Beschäftigung in Aussicht stünde. Die Begründung des ablehnenden Bescheides sei fragwürdig, da es nicht angehen könne, dass die Behörde zunächst rechtswidrig keine Leistungen mehr erbringe, um dann schließlich mit der Begründung abzulehnen, dass sie nicht nachvollziehen könne, dass jemand mit so wenig Geld auskomme und tatsächlich noch lebe. Durch die Einstellung der Sozialleistungen drohten unmittelbar die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses und die Einstellung der Energieversorgung. Die Antragstellerin zu 1. sei gezwungen, auf der Straße zu betteln. Der Antragsteller zu 2. könne nicht in die Schule gehen, da kein Geld für die Schulsachen vorhanden sei.

Die Antragsgegnerin ist diesem Vorbringen entgegen getreten. Sie ist der Auffassung, dass die Sicherung des Lebensunterhaltes in der Vergangenheit, das heißt im Jahre 2004 und zu Beginn des Jahres 2005 ungeklärt sei. Dies verhalte sich genauso mit der derzeitigen Lage der Antragsteller. Damit sei eine Bedürftigkeit nicht nachgewiesen. Die Antragstellerin zu 1. behaupte, mit den von ihr angegebenen Mitteln den Lebensunterhalt, allerdings ohne Kosten der Unterkunft und Kosten der Stromversorgung, sichergestellt zu haben. Dies könne die Antragsgegnerin nicht nachvollziehen. Nach den derzeitigen Angaben der Antragstellerin sei es ihr offensichtlich gelungen, ihren Lebensunterhalt auf unbekannte Art und Weise durch unbekannte Mittel sicherzustellen. Solange die Antragstellerin zu 1. ihre konkreten und persönlichen sowie wirtschaftlichen Verhältnisse nicht nachweise, sei sie von der Gewährung der Hilfe nach dem SGB II ausgeschlossen. Mit Schreiben vom 22. August 2005 legte die Antragstellerin zu 1. die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses zum 31. September 2005 durch ihren Vermieter vor.

Das SG hat mit Beschluss vom 24. August 2005 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es ist davon ausgegangen, dass die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zumindest offen seien. Die Hilfebedürftigkeit könne nicht mit dem Hinweis darauf verneint werden, es sei der Antragstellerin zu 1. in der Vergangenheit möglich gewesen, den Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen zu sichern. Nur wenn die Antragsgegnerin unter Angabe von Tatsachen konkret vorgetragen hätte, über welches – bisher verschwiegene – Einkommen die Antragsteller aktuell verfügten, so dass diesen auch eine Widerlegung im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten möglich gewesen wäre, könnte von berechtigten Zweifeln an Hilfsbedürftigkeit ausgegangen werden. Die Folgenabwägung falle aber zu Lasten der Antragsteller aus, da ein Anordnungsgrund in den Fällen der vorliegenden Art nicht für die Antragsteller gegeben sei. Die Antragsteller hätten den Zeitraum der begehrten einstweiligen Anordnung bis zum Ablauf des Monats der gerichtlichen Entscheidung begrenzt, so dass durch das Abwarten einer Entscheidung im Widerspruchsverfahren und in einem sich evtl. anschließenden Hauptsacheverfahren keine gegenwärtigen nicht hinzunehmenden Nachteile drohen würden.

Gegen den am 31. August 2005 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 5. September 2005 beim SG Beschwerde eingelegt. Dieser wurde laut richterlicher Verfügung vom 22. September 2005 nicht abgeholfen.

Die Antragsteller tragen vor, dass die Begründung des SG auf Befremden stoße. Es sei unzumutbar, unter den vorliegenden Umständen die Rechtslage im Hauptsacheverfahren klären zu lassen. Das Existenzminimum sei für die Antragsteller nicht gewährleistet. Im Übrigen hätte es dem Gericht freigestanden, den gestellten Antrag so auszulegen, dass auch ein längerer Zeitraum, beispielsweise für die Dauer des Widerspruchsverfahrens, in Betracht habe gezogen werden können. Es sei nach wie vor so, dass die Antragstellerin zu 1. nicht in der Lage sei, Miete und Strom zu zahlen. Sie sei auf das Betteln angewiesen. Die Antragstellerin zu 1. habe alle Fragen der Antragsgegnerin beantwortet und über geheime Geldquellen verfüge sie nicht. Sie habe auch Anspruch auf eine rückwirkende Hilfe zur Sicherung ihrer Lebenssituation, da sie seit Monaten keine Miete und keinen Strom habe zahlen können. Durch das lange Zuwarten der Antragsgegnerin habe sich die Notsituation verschärft. Ausweislich des Schreibens vom 20. September 2005 habe die E. angedroht, bei Nichtbezahlen der Rechnung die Energiezufuhr zu unterbrechen.

Die Antragsteller beantragen (sinngemäß), den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. August 2005 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zumindest bis zum Ablauf des Monats der gerichtlichen Entscheidung zu gewähren und die Mietrückstände und rückständige Energiekosten zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen.

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakte und der Behördenakte (1 Hefter), die dem Senat vorgelegen haben, Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist sie zurückzuweisen.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.

Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG – Kommentar, 8. Auflage, § 86 b Rdnrn. 27 und 29 m. w. N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05).

Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Dabei sind, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (Bundesverfassungsgericht, a. a. O.). Die Glaubhaftmachung bezieht sich im Übrigen lediglich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (vgl. Meyer-Ladewig, a. a. O., Rdnrn. 16 b, 16 c, 40).

Ausgehend von diesen Grundsätzen war dem Antrag der Antragsteller soweit es Leistungen nach dem SGB II ab der Stellung des Eilantrages bei dem SG (12. August 2005) betrifft, zu entsprechen. Im Fall der Antragsteller geht der Senat zum einen davon aus, dass die Erfolgsaussichten einer Klage im Hauptsacheverfahren zumindest offen sind. Ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung würde ihnen zudem ein gegenwärtiger erheblicher Nachteil drohen, der nicht hinzunehmen ist.

Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Gesetz Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben. Zu den zu gewährenden Leistungen gehören als Arbeitslosengeld II insbesondere die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II). Nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten grundsätzlich Sozialgeld, das die sich aus § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II ergebenden Leistungen umfasst (§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II). Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln oder aus den zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Vom Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ist im Falle der Antragsteller auszugehen, da die Antragstellerin zu 1. über lediglich geringfügige Einkünfte durch Betteln und das Kindergeld verfügt. Nach dem im Eilverfahren feststellbaren Sachverhalt ist der Lebensunterhalt der Antragsteller auch nicht durch anrechenbare Mittel Dritter gesichert.

Die Hilfebedürftigkeit der Antragsteller kann auch nicht – wie es die Antragsgegnerin tut – mit dem Hinweis darauf verneint werden, es sei den Antragstellern über Monate hinweg möglich gewesen, den Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfe zu sichern. Insbesondere kann die Antragsgegnerin nicht mit der Argumentation Erfolg haben, sie könne nicht nachvollziehen, wie die Antragsteller mit so wenig Geld (150,00 Euro Kindergeld) überhaupt über "die Runden" gekommen seien. Daraus zieht die Antragsgegnerin den unzutreffenden Schluss, dann müssten andere Einnahmen oder weiteres Vermögen vorhanden sein. Der Senat ist in ständiger Rechtsprechung der Auffassung, dass einem Hilfesuchenden die Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt nicht zunächst verweigert werden kann, um ihm dann entgegenzuhalten, dass bereits das Überleben ohne die verweigerte Hilfe Zweifel an der Hilfebedürftigkeit begründen würden (Beschluss vom 29. Juni 2005, Az.: L 7 AS 1/05 ER). Im zitierten Beschluss führt der Senat aus, nur wenn die Antragsgegnerin unter Angabe von Tatsachen konkret vorgetragen hätte, über welches – bisher verschwiegenes – Einkommen die Antragsteller aktuell verfügten, so dass diesen auch eine Widerlegung im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten möglich gewesen wäre, könnten berechtigte Zweifel an der Hilfebedürftigkeit bestehen und diese ein Gewicht erlangen, das die Ablehnung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes rechtfertige (vgl. auch: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005, Az.: 1 BvR 569/05). Ersichtlich reicht damit das schlichte Behaupten der Antragsgegnerin, es seien weiteres Vermögen oder weitere Einnahmen vorhanden, nicht aus.

Die Folgenabwägung im Rahmen der Prüfung des Anordnungsgrundes fällt vorliegend zugunsten der Antragsteller aus. Ganz offensichtlich befinden sich die Antragsteller in einer akuten, gegenwärtigen Notlage. Sie verfügen nicht über die notwendigsten Mittel zur Deckung ihres Existenzminimums.

Soweit die Antragstellerin die Übernahme von Energiekosten laut Rechnung der E. vom 20. September 2005 in Höhe von 3.197,03 Euro begehrt, hat der Antrag keinen Erfolg. Unabhängig davon, dass die "Energiekosten" nicht nachvollziehbar in Strom- und Heizungskosten unterteilt sind, betrifft dieser Betrag - laut telefonischer Auskunft der E. gegenüber der Berichterstatterin am 26. Oktober 2005 - einen Zeitraum vom 26. Oktober 2002 bis zum 8. Dezember 2004. Eine einstweilige Anordnung ist aber grundsätzlich nur zur Regelung eines vorläufigen Zustandes zulässig, wenn eine solche Regelung "zur Abwendung" wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Damit scheiden Anordnungen, die sich auf vergangene Zeiträume beziehen, grundsätzlich aus (Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 4. März 2005, Az.: L 3 B 43/05 ER SO). Insoweit gelten entsprechend die Grundsätze, die für Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz entwickelt worden sind. Danach soll Sozialhilfe ihrem Wesen nach Hilfe in gegenwärtiger Not leisten. Sozialhilfe für die Vergangenheit wird hingegen grundsätzlich nicht gewährt (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 9. Februar 2004, Az.: 12 B 99.3472). Das Gericht geht vorliegend davon aus, dass die nunmehr seit dem 12. August 2005 zu gewährenden Leistungen nach dem SGB II die aktuellen Energieaufwendungen abdecken und es kraft wieder eingehender Zahlungen nicht zu einer Energiesperre kommt.

Soweit die Antragstellerin aufgelaufene Mietrückstände geltend macht, hat der Antrag keinen Erfolg. Als Rechtsgrundlage kommt § 34 Abs. 1 SGB XII in Betracht. Dabei können Schulden nur übernommen werden, wenn sie zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt sind. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Zwar hat die Antragstellerin die fristlose Kündigung aufgrund aufgelaufener Mietrückstände mit Schreiben ihres Vermieters vom 16. August 2005 dargetan, jedoch schreibt der Vermieter ebenfalls, dass kein Interesse mehr besteht, das Mietverhältnis mit der Antragstellerin zu 1. aufrecht zu erhalten. Damit ist die Übernahme der Mietrückstände nicht geeignet, die drohende Wohnungslosigkeit der Antragstellerin zu 1. zu vermeiden. Dies müsste aber der Fall sein, um ausnahmsweise aufgelaufene Mietschulden übernehmen zu können.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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