Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 16 AS 219/05 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 1/06 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
und L 7 AS 13/06 ER
I. Auf die Beschwerden der Antragstellerin und der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 15. Dezember 2005 abgeändert und die Antragsgegnerin verpflichtet, der Antragstellerin ab dem 27. Oktober 2005 bis zum 26. April 2006 vorläufig darlehensweise die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in gesetzlicher Höhe (Regelsatz, Unterkunftskosten, Heizungskosten) zu gewähren, wobei die Antragsgegnerin berechtigt ist die Unterkunftskosten direkt an die Vermieterin und die Energiepauschale direkt an den Energieversorger ESWE zu entrichten. Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen und der Antrag abgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten der Verfahren zu zwei Dritteln zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – (SGB II).
Die 1941 geborene Antragstellerin stellte - laut Behördenakte - am 30. September 2005 einen schriftlichen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II bei der Antragsgegnerin, nachdem sie bereits am 28. September 2005 vorgesprochen hatte. Im Abschnitt VIII "Unterhaltspflichtige Angehörige außerhalb der Haushaltsgemeinschaft" gab sie ihre 1973 geborene Tochter und ihren 1941 geborenen Ehemann an. Beide würden für sie keine Unterhaltsleistungen erbringen. Im Zusatzblatt 1 zur "Feststellung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung" gab sie an, eine 85 qm große Wohnung in W. zu bewohnen. Im Zusatzblatt 2 "Einkommenserklärung/Verdienstbescheinigung" kreuzte sie Einkommen aus selbständiger Tätigkeit in einer geschätzten Höhe in der Zeit vom 1. September 2005 bis zum 30. September 2005 von 212,90 Euro monatlich an. Laut dem am 18. März 2004 geschlossenen Mietvertrag bewohnt die Antragstellerin eine 85 qm große 3-Zimmer-Wohnung für eine monatliche Netto-Miete in Höhe von 665,00 Euro. Die Nebenkosten wurden mit 155,00 Euro beziffert. Am 29. September 2005 schloss die Antragstellerin mit der Antragsgegnerin einen Darlehensvertrag in Höhe von 828,28 Euro, vereinbart mit einer monatlichen Tilgungsrate von 34,50 Euro für die Antragstellerin. Als Darlehensgrund war "Energielieferung" benannt. Hintergrund des Darlehensvertrages war eine durchgeführte Stromsperre der E-Versorgung in W. aufgrund von Zahlungsrückstand.
Mit Schreiben vom 28. September 2005 (Bl. III 22 BA) wies die Antragsgegnerin auf eine angemessene Wohnungsgröße von 50 qm für Alleinstehende hin und darauf, dass der qm-Preis nicht 7,62 Euro pro qm Kaltmiete übersteigen dürfe. Im Verlaufe des Verwaltungsverfahrens legte die Antragstellerin eine Gewerbeabmeldung ihres angemeldeten Gewerbes "F." zum 23. August 2005 vor. Weiter legte sie eine ärztliche Bescheinigung vom 28. September 2005 vor, mit der ihr eine ärztlich-psychotherapeutische Behandlung seit dem 21. Juni 2005 bestätigt wurde. Es bestünde eine seelische Störung von Krankheitswert, die Arbeitsunfähigkeit bedinge. Die Antragstellerin sei momentan nicht belastbar, ihre Leistungsfähigkeit sei erheblich eingeschränkt. Des Weiteren legte sie die Kontoauszüge über ihr Konto bei der P-Bank vor.
Mit einem weiteren Schreiben vom 28. September 2005 gab ihr die Antragsgegnerin auf, unterschiedliche Unterlagen zur Prüfung der Berechtigung ihres Antrages nach dem SGB II vorzulegen (Bl. III 48 BA). Sie erhielt einen Scheck in Höhe von 100,00 Euro, weil sie angegeben hatte, völlig mittellos zu sein. Aus der von der Antragstellerin und der Antragsgegnerin unterschriebenen Verhandlungsniederschrift über einen Vorsprachetermin am 30. September 2005 geht hervor, dass die Antragstellerin darauf hingewiesen worden ist, dass die von ihr bewohnte Wohnung nach den Richtlinien des Amtes für soziale Arbeit hinsichtlich der Größe und dem Preis nicht angemessen sei. Der zuständige Sachbearbeiter teilte mit, dass die Kosten der Unterkunft lediglich für drei Monate in tatsächlicher Höhe übernommen würden. Um die angemessenen Kosten der Unterkunft zu ermitteln, wurde der Antragstellerin ein Wohnungsbeschreibungsbogen übergeben, welchen sie durch die Vermieterin ausgefüllt zurückreichen sollte. Bis zur Vorlage des Nachweises würde gemäß Mietpreisspiegel mit einem Quadratmeterpreis von 6,09 Euro pro qm und einer monatlichen Nebenkostenzahlung in Höhe von 1,00 Euro pro qm für einen angemessenen Wohnraum von 50 qm gerechnet werden. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2005 legte sie teilweise die gewünschten Unterlagen mit dem Hinweis vor, dass die Finanzamtsunterlagen und die betriebswirtschaftlichen Abrechnungen ihres Unternehmens, rückwirkend für die letzten drei Quartale, aufgrund des größeren Aufwandes von ihr momentan krankheitsbedingt nicht vorgelegt werden könnten. Im Übrigen bäte sie um Scheckzustellung, da ihr Konto bei der P-Bank mittlerweile gelöscht sei. Sie teilte mit, dass sie ihre Miete nicht habe zahlen können und die Wohnung selbst vermessen habe und auf eine Größe von 80,16 qm käme, so dass sich auch der Mietzins nach ihrer Ansicht um 10 Euro senken müsste. Ferner bitte sie wegen des schwebenden Verfahrens derzeit an die Vermieterin noch keine Miete zu zahlen, da dadurch "das Verfahren" (womit wohl Mietrechtsstreitigkeit gemeint ist) negativ beeinflusst werden könnte.
Offenbar schrieb die Antragsgegnerin zwischenzeitlich an die Antragstellerin, um einen Hausbesuch zur Inaugenscheinnahme der Wohnverhältnisse der Antragstellerin anzukündigen (das Schreiben findet sich nicht in der Akte). Die Antragstellerin antwortete unter Hinweis auf ihre Erkrankung am 18. Oktober 2005 dahingehend, dass sie wissen wolle, warum und mit welchem Recht bei ihr eine "Hausdurchsuchung" durchgeführt werden solle. Am 19. Oktober 2005 antwortete die Antragsgegnerin, dass sie zur Kenntnis nehme, dass die Antragstellerin keinen Hausbesuch wünsche. Gerne hätte sie die Antragstellerin telefonisch über ihre Vorgehensweise informiert, sie habe diese aber nicht erreichen können. Hausbesuche würden grundsätzlich bei allen Bürgern durchgeführt werden, die Anträge auf Leistungen nach dem SGB II stellten, um klären zu können, ob die Angaben in dem Antrag korrekt seien. Dabei solle sichergestellt werden, dass mit Steuergeldern sparsam und wirtschaftlich umgegangen würde. Man wolle Missbrauchsfällen vorbeugen und z. B. feststellen, ob weitere Personen im Haushalt lebten oder zur Untermiete wohnten. Daher bitte die Antragsgegnerin darum, den Hausbesuch zu erlauben.
Mit Bescheid vom 26. Oktober 2005 (Bl. 90 BA) lehnte die Antragsgegnerin die Leistungen nach dem SGB II ab. Zur Feststellung des Bedarfes der Antragstellerin sei eine Wohnungsbesichtigung erforderlich, welche die Antragstellerin ohne triftigen Grund verweigere. Damit sei ein Anspruch nach dem SGB II nicht nachgewiesen. Die einmalige Inaugenscheinnahme der Wohnung sei zuzumuten. Ergänzend nehme sie auf einen Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden (SG) (Az.: S 16 AS 16/05) vom 22. März 2005 Bezug.
Mit Schreiben vom 27. Oktober 2005, eingegangen beim SG am gleichen Tage, hat die Antragstellerin Eilantrag erhoben mit dem Ziel, Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II zu erhalten. Sie habe keinen Hausbesuch verweigert, sondern lediglich eine Belehrung über ihre Rechte und Pflichten verlangt. Die Teilzahlungen der Oktober-Grundsicherung in Höhe von 100,00 Euro und 274,00 Euro seien aufgebraucht. Die fällige E-Rechnung könne sie nicht bezahlen. Sie legte erneut die ärztliche Bescheinigung von Frau Dr. C. vom 28. September 2005 vor sowie ein ärztliches Attest, datierend auf den 21. Oktober 2005, in dem die behandelnde Ärztin bestätigte, dass die Antragstellerin sich in ihrer ärztlichen psychotherapeutischen Behandlung wegen einer seelischen Störung von Krankheitswert befinde. Die Antragstellerin sei arbeitsunfähig und auch verhandlungsunfähig. Mit Schreiben vom 4. November 2005 trug die Antragstellerin vor, dass sie schon das zweite Wochenende keine Lebensmittel habe einkaufen können und es ihr an frischem Obst, Gemüse und Milchprodukten ermangele.
Mit Schreiben vom 11. November 2005 entgegnete die Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin erstmalig am 28. September 2005 bei ihr vorgesprochen habe. Obwohl nicht alle entscheidungsrelevanten Unterlagen vorgelegen hätten, habe man der Antragstellerin ein Darlehen in Höhe von 828,28 Euro für aufgelaufene Stromrückstände gewährt. Am gleichen Tage habe sie ebenfalls einen Vorschuss von 100,00 Euro per Scheck erhalten. Neben der detaillierten Anforderung von weiteren Unterlagen für die Antragsbearbeitung habe man den Außendienstmitarbeiter eingeschaltet, um einen Hausbesuch - wie bei Neuanträgen üblich - durchzuführen. Nachdem die Antragstellerin am 18. Oktober 2005 nach dem Grund des Hausbesuches gefragt habe, der Versuch, sie telefonisch zu erreichen, erfolglos gewesen sei, habe man die Antragstellerin über den Grund des Hausbesuches informiert (BA Bl. 67). Im Übrigen verweise sie auf die der Antragstellerin ausgehändigten Merkblätter. Außerdem habe ein ausführliches 1 ½-stündiges Beratungsgespräch stattgefunden. Im Übrigen sei der Antragstellerin ein Scheck in Höhe von 274,00 Euro am 20. Oktober 2005 ausgehändigt worden und man habe ihr die Möglichkeit eingeräumt, die betriebswirtschaftlichen Abrechnungen ihrer Selbständigkeit bis Ende 2005 einzureichen.
Am 2. Dezember 2005 hat das SG einen Erörterungstermin mit der Antragsgegnerin und der Antragstellerin durchgeführt. Dort erklärte die Antragstellerin u. a., dass sie eine Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr ihrer Selbständigkeit 2004 und 2005 aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme nicht fertig gestellt habe. Die Leasing-Rate für ihr Auto in Höhe von 278,00 Euro würde von Freunden bezahlt. Sie habe im August und September 2005 noch aus ihrer gewerblichen Tätigkeit Zahlungseingänge wegen Bücherverkäufen gehabt in Höhe von 159,30 Euro am 1. September 2005 und am 13. September 2005 noch einmal in Höhe von 42,80 Euro. Die Beteiligten haben dann nachfolgendes Vorgehen laut Sitzungsniederschrift vom gleichen Tag verabredet:
1. die Antragstellerin verpflichtet sich, bis zum 15. Dezember 2005 dem Gericht und der Antragsgegnerin folgende Unterlagen vorzulegen:
- Visa-Kontoauszüge ab dem 1. Juli 2005 -
- ein vom Vermieter ausgefülltes Formular "Wohnungsbeschreibungs- bogen" der Landeshauptstadt Wiesbaden
2. die Antragsgegnerin erkläre ihr Bemühen, vor Weihnachten einen Bescheid zu erteilen.
3. ungeachtet weiterer eigener Ermittlungen erklärten die Vertreter der Antragsgegnerin, dass die unter Ziff. 1 geforderten Unterlagen zunächst zur Prüfung des Bedarfes hinreichend seien.
Die Antragstellerin reichte sodann der Antragsgegnerin zwei Lebensmittelgutscheine in Höhe von einer Gesamtsumme von 43,10 Euro zurück. Die Beteiligten einigten sich darauf, dass eine vorläufige Sicherstellung des Lebensunterhaltes über eine Scheckzahlung erfolge, die den Zeitraum Dezember vollständig abdecke, soweit es um den Bedarf von Lebensmitteln gehe. Im Übrigen wird auf die Niederschrift – GA Bl. 56-58 – Bezug genommen.
Mit beim SG eingegangen Schreiben vom 5. Dezember 2005 rügte die Antragstellerin, dass ihr die Antragsgegnerin für Dezember lediglich einen Scheck in Höhe von 129,30 Euro überreicht habe. Sie verwies nochmals auf ihre Situation. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2005 wies sie darauf hin, dass ihre eigenen aktuellen Ausmessungen der Wohnung eine qm-Zahl von 80,16 ergeben habe und nicht, wie es im Mietvertrag stünde von 85,15 qm. Die Mietkosten betrügen auch nicht 665,00 Euro sondern 655,00 Euro. Bezüglich der Visa-Card habe sie noch 3 Kontoauszüge von Mai, August und September 2005 gefunden. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2005 bemängelte sie das Sitzungsprotokoll, die Entscheidungsverzögerung durch Nichtberücksichtigung des einzigen Versagens- und Eilantragsgrundes "Hausbesuch" und stellte zahlreiche Anträge an das Gericht. Auf dieses Schreiben wird Bezug genommen.
Am 15. Dezember 2005 entgegnete die Antragsgegnerin, dass der von der Hausverwaltung ausgefüllte Wohnungsbeschreibungsbogen die Wohnungsgröße von 85,15 qm wiedergebe. Dieser Widerspruch zu den Angaben der Antragstellerin könne nur durch einen Hausbesuch aufgeklärt werden. Wegen der nicht vorgelegten betriebswirtschaftlichen Abrechnungen und aktuellen Steuerbescheide ließe sich keine abschließende Aussage über die wirtschaftliche Situation der Antragstellerin treffen. Das Verhalten der Antragstellerin sei widersprüchlich, da sie einerseits vortrage, keine Möglichkeit zu haben, Lebensmittel zu finanzieren, andererseits habe sie die ausgehändigten Lebensmittelgutscheine im Erörterungstermin am 2. Dezember 2005 dem Gericht zurückgegeben. Dies lege die Vermutung nahe, dass sie entgegen ihrem Vortrag von anderen Personen Unterstützung erhalten habe. Die Angaben der Antragstellerin zu ihrer Lebensmittelversorgung seien auch angesichts der Tatsache, dass die Finanzierung des Autos sichergestellt sei, zweifelhaft. Es bestünden Zweifel, dass tatsächlich in vollem Umfang eine Betriebseinstellung vorläge, Recherchen im Internet hätten ergeben, dass ein Buch der Antragstellerin mit dem Titel "F." R. in Deutschland 2005/2006 über zahlreiche Internetanbieter käuflich zu erwerben sei. Die Internetseite sei nach wie vor in Betrieb. Über die tatsächliche Einstellung des Betriebes könne auch nur ein Hausbesuch Aufschluss geben. Zu prüfen wäre hier, inwieweit von der Wohnung der Antragstellerin aus noch ein Handel mit Büchern stattfinde.
Das SG hat mit Beschluss vom 15. Dezember 2005 die Antragsgegnerin verpflichtet, für die Monate Oktober 2005 bis einschließlich Januar 2006 vorläufig Leistungen der Grundsicherung in Höhe von 345,00 Euro monatlich (Regelsatz) zuzüglich der Kosten für die Krankenversicherung der Antragstellerin zu gewähren. Bei der Nachzahlung sei die Antragsgegnerin berechtigt, die Auszahlung in Höhe von 274,00 Euro vom 20. Oktober 2005 und die Auszahlung nach dem Erörterungstermin vom 2. Dezember 2005 in Abzug zu bringen. Es hat ausgeführt, dass die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren offen seien, da die im Eilverfahren von der Antragsgegnerin erhobenen Zweifel an der Einkommenssituation nicht in hinreichender Weise aufzuklären seien. Die erforderliche Interessenabwägung gehe zu Gunsten der Antragstellerin aus, was die Regelsatzleistung und die Krankenversicherung beträfe. Die Angaben der Antragstellerin sprächen für eine Hilfebedürftigkeit. Aufklärungsbedarf bestünde allerdings noch in dem Umstand, dass die Antragstellerin Lebensmittelgutscheine am 2. Dezember 2005 unbenützt zurückgegeben habe, obwohl ihr seit Ende September 2005 seitens der Antragsgegnerin lediglich Leistungen zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes in Höhe von 374,00 Euro zugeflossen seien. Dies könne auf den Fortbestand von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit schließen lassen. Eine weitere Überprüfung der Einkommens-Vermögensverhältnisse könne nur durch die Auswertung aktueller Gewinn-/Verlustrechnungen u. a. geschehen. Die Antragstellerin sei allerdings aus nachvollziehbaren Gründen derzeit nicht in der Lage, diese vorzulegen. Da die Homepage der Antragstellerin noch in Betrieb sei, wovon sich das Gericht überzeugt habe, müsse eine Überprüfung sicherstellen, ob an dem dort angegebenen Sitz A-Straße (Wohnsitz der Antragstellerin) noch einer gewerblichen Tätigkeit nachgegangen würde. Auf die übrigen Ausführungen wird Bezug genommen.
Gegen den der Antragstellerin am 17. Dezember 2005 zugestellten Beschluss hat diese per Faxeingang beim Hessischen Landessozialgericht am 3. Januar 2006 Beschwerde erhoben.
Sie habe mit Schreiben vom 12. Oktober 2005 den Sachbearbeiter darauf hingewiesen, dass in Anbetracht der Räumungsklage auf eine Vermieterbescheinigung zu verzichten sei. Die begehrten Unterkunftskosten sollten an sie direkt und nicht an die Vermieterin geleistet werden. Die nicht vom Netz genommene Homepage sei bereits seit Anfang des Jahres 2005 nicht mehr aktualisiert worden. Sie diene lediglich als Platzhalter. Eine Wiederaufnahme ihrer selbständigen Tätigkeit würde durch ein völliges optisches Verschwinden vom Markt erschwert. Aber dies könne nicht dafür sprechen, dass sie ihre Selbstständigkeit noch derzeit fortsetze. Der Hausbesuch könne auch nicht mit der 5 qm-Differenz der Wohnung begründet werden, da die Vermieterin einen unbeheizten Abstellraum außerhalb der Wohnfläche zur Wohnung hinzugerechnet habe. Auch wenn man bei ihr anlässlich eines Hausbesuches einen Computer und einen Schreibtisch in Augenschein nehme, könne daraus nicht der Schluss über eine andauernde verlegerische oder journalistische Tätigkeit gezogen werden. Im Übrigen bezöge sie sich auf die Rechtsprechung des Landessozialgerichts, nach der es nicht im Belieben der Verwaltung läge, Umfang und Reichweite der Mitwirkungspflichten von Antragstellern ohne konkrete rechtliche Grundlage festzulegen und bei der Nichterfüllung sogar die Sanktion der Leistungsversagung zu verhängen.
Gegen den am 20. Dezember 2005 der Antragsgegnerin zugestellten Beschluss, hat diese Beschwerde, eingegangen beim SG am 3. Januar 2006, erhoben. Abweichend von der ständigen Rechtsprechung des Gerichtes seien der Antragstellerin Leistungen bereits für die Zeit vor Antragstellung des Eilantrages zugesprochen worden. Darüber hinaus habe das Gericht nicht berücksichtigt, dass der Antragstellerin am 30. September 2005 ein Vorschuss auf die beantragten Leistungen gezahlt worden sei. Die Antragstellerin käme ihren Mitwirkungspflichten nur zögerlich nach. Die in den Attesten bescheinigte psychotherapeutische Behandlung könne nicht dazu führen, dass an die Mitwirkungspflichten der Antragstellerin geringere Anforderungen gestellt würden als bei anderen Antragstellern. Im Übrigen wiederholte sie ihr bisheriges Vorbringen.
Mit Schreiben vom 23. Januar 2006 legte die Antragstellerin einen Beschluss des Amtsgerichtes W. vor, demzufolge eine Güteverhandlung am 26. Januar 2006 wegen Mietrückstand und Räumung ihrer Wohnung stattfinden sollte. Weiter trug sie vor, dass sie sich um die Anmietung einer neuen Wohnung bemüht habe und dass die Antragsgegnerin bislang zwei Wohnungen zu Unrecht abgelehnt habe. Mit Schreiben vom 26. Januar 2006 trug sie erneut vor, dass sie kein Geld für den Einkauf von Lebensmitteln habe und dass sie wegen ihrer Ernährungsweise mit frischem Obst und Gemüse Ernährungsgutscheine zurückweise, da sie mit diesen nicht auf dem Wochenmarkt bezahlen könne. Des Weiteren legte sie einen Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. Januar 2006 vor. Damit sind ihr offenbar ab dem 1. Februar 2006 beantragte Leistungen versagt worden, da sie ihren Mitwirkungspflichten nach § 60 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) nicht nachgekommen sei, die Einkünfte aus ihrem ehemals betriebenen Gewerbe nachzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II in voller Höhe zu gewähren sowie die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss vom 15. Dezember 2005 zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unter Aufhebung des Beschlusses vom 15. Dezember 2005 in vollem Umfang zurückzuweisen.
Das SG hat laut richterlicher Verfügung vom 11. Januar 2006 den Beschwerden nicht abgeholfen (GA Bl. 127 R).
Die Antragsgegnerin führt unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens aus, dass die Antragstellerin eine Fristsetzung zur Vorlage der Nachweise über ihr Gewerbe habe verstreichen lassen. Die Konsequenzen daraus, auch der Verweigerung des Hausbesuches, habe man mit ihr in einem persönlichen Gespräch am 19. Januar 2006 erörtert. Die Unterlagen lägen bis heute nicht vor. Die Unterkunftskosten würden erbracht werden, wenn die Antragsgegnerin abschließend über den Antrag entscheiden würde. Es wurde darauf verwiesen, dass die Antragstellerin ausdrücklich darum gebeten hatte, die Kosten der Unterkunft nicht an die Vermieterin, sondern an sie selbst zu leisten. Die Räumungsklage gegen die Antragstellerin sei wegen aufgelaufener Mietrückstände anhängig. Die Antragsgegnerin ziehe vor, die Kosten der Unterkunft direkt an die Vermieterin zu zahlen, da die Antragstellerin die Regelleistung für den Monat Januar 2006 bereits Mitte des Monats verbraucht hätte.
Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakte sowie der Behördenakte (1 Hefter) Bezug genommen. Sämtliche Akten sind Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gewesen.
II.
Die Beschwerden der Antragstellerin und der Antragsgegnerin haben nur aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG – Kommentar, 8. Auflage, § 86 b Rdnrn. 27 und 29 m. w. N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05, info also 2005, 166 ff.).
Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Dabei sind, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (Bundesverfassungsgericht, a. a. O.). Die Glaubhaftmachung bezieht sich im Übrigen lediglich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (vgl. Meyer-Ladewig, a. a. O., Rdnrn. 16 b, 16 c, 40).
Ausgehend von diesen Grundsätzen war dem Antrag der Antragstellerin insoweit zu entsprechen als Leistungen nach dem SGB II (Regelsatz, Unterkunftskosten, Heizungskosten) für die Zeit ab dem 27. Oktober 2005 bis zum 26. April 2006 begehrt werden. Vorliegend ist die vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich. Dies ist u. a. deshalb der Fall, da weder das Gericht noch einer der anderen Beteiligten aufgrund der fehlenden Gewinn- und Verlustrechnungen der ehemals aufgenommenen selbständigen und mittlerweile beendeten Tätigkeit der Antragstellerin für die Jahre 2004 und 2005 unter der Webadresse w. die konkrete Vermögenssituation derzeit klären kann. Grundsätzlich ist die Antragstellerin zwar gemäß §§ 60 ff. SGB I verpflichtet, die entsprechenden Unterlagen zeitnah zu fertigen und vorzulegen. Sie hat jedoch aufgrund der von ihr vorgelegten ärztlichen Atteste vom 28. September 2005 und vom 21. Oktober 2005 einen sachlichen Grund glaubhaft gemacht, warum ihr die sofortige Vorlage der Unterlagen nicht möglich war. Eine Verweigerungshaltung hat auch das SG zu Recht nicht darin gesehen, dass die Antragstellerin bislang diese Unterlagen nicht vorgelegt hat, zumal sie alle anderen verlangten Nachweise zu erbringen versucht hat. Insoweit sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen. Im Rahmen der Folgenabwägung haben die Gerichte in den Fällen der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu berücksichtigen, dass diese Leistungen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen. Diese Sicherstellung ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, die aus dem Gebot zum Schutze der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt (vgl. BVerfGE 82, 60 (80)). Diese Pflicht besteht unabhängig von den Gründen der Hilfebedürftigkeit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, a.a.O). Die Antragsgegnerin hat nicht nachvollziehbar dargelegt, warum die Vermögensangaben der Antragstellerin im Rahmen des Verwaltungsverfahrens insbesondere des erstinstanzlichen Eilverfahrens die Obliegenheitsverletzungen nach §§ 60, 66 SGB I auslösen sollen. Vielmehr stützt sich die Antragsgegnerin bei der Unterstellung, dass weitere Einkünfte oder weiteres Vermögen bei der Antragstellerin vorhanden sei, auf schlichte Mutmaßungen. Der erkennende Senat hat aber in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass existenzsichernde Leistungen nicht aufgrund bloßer Mutmaßungen verweigert werden dürfen (u. a. Beschluss vom 29. Juni 2005 – L 7 AS 1/05 ER - info also 2005 S. 166 ff., Beschluss vom 26. Oktober 2005, Az.: L 7 AS 65/05 ER). Der Versagungsbescheid vom 25. Januar 2006 ist auf Grund dieser Ausführungen ebenfalls nicht haltbar.
Die Ablehnung der Leistungen durch die Antragsgegnerin kann auch nicht, wie es im Schreiben vom 19. Oktober 2005 zum Ausdruck kommt, darauf gestützt werden, dass grundsätzlich bei allen Bürgern, die einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II stellten, ein Hausbesuch durchzuführen sei, um klären zu können, ob deren Angaben aus dem Antrag korrekt seien. Vor allen Dingen reicht nicht als pauschale Begründung für den Einzelfall aus, dass sichergestellt werden solle, dass mit Steuergeldern sparsam umzugehen sei, man wolle dadurch Betrugsfälle verhindern. Ebenso wenig ist die Begründung im Bescheid vom 26. Oktober 2005 stichhaltig, indem ausgeführt wurde, dass zur Feststellung des Bedarfes eine Wohnungsbesichtigung erforderlich sei, welche die Antragstellerin ohne triftigen Grund verweigern würde. Die angeführte Entscheidung des SG vom 22. März 2005 (Az.: S 16 AS 16/05), bestätigt durch den ergänzenden Senat mit Beschluss vom 25. April 2005 (Az.: L 7 AS 9/05 ER), zur Zulässigkeit von Hausbesuchen, wird von der Antragsgegnerin in der rechtlichen Anwendung missverstanden.
Zunächst ist festzuhalten, dass weder das SGB II, noch das Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch – (SGB X), das nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II anwendbar ist, Hausbesuche direkt vorsehen. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Grundgesetz - GG -) ist hier der Gesetzgeber gefordert, für eine klare Ermächtigungsgrundlage für die Exekutive zu sorgen. Zwar erlaubt § 21 Abs. 1 Nr. 4 des Zehntes Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) die Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts durch Augenscheinnahme, soweit diese erforderlich ist. Deshalb ist in jedem Einzelfall die Erforderlichkeit zu prüfen. Im Übrigen ist auch die Augenscheinnahme nicht notwendigerweise ein Hausbesuch. Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhaltes mitwirken und insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken, besteht nur, soweit dies gesetzlich vorgesehen ist (§ 21 Abs. 2 SGB X). Das ist bei einem Hausbesuch gerade nicht der Fall (VG Gera, Beschluss vom 16. Januar 2004, Az.: 6 E 2561/04 GE; VG Münster, Urteil vom 4. Februar 2003, Az.: 5 K 190/99; Armborst in LPK-SGB II, Anhang Verfahren Rdnr. 17). Im Lichte der verfassungsrechtlichen Garantie des Artikel 13 GG darf der Ermittler nur mit Zustimmung des Wohnungsinhabers die Wohnung betreten. Der Hausbesuch kann deshalb auch nicht nach § 66 SGB I erzwungen werden (vgl. zu weiteren Bedenken Ute Winkler, info also 2005 S. 251 ff.).
Solange der Gesetzgeber nicht die gesetzliche Eingriffsermächtigung geschaffen hat, verbleibt es bei der Rechtsauffassung des Senates in den oben zitierten Beschlüssen: Danach ist ein Hausbesuch nur bei Erforderlichkeit und auch nur dann zulässig, wenn der Träger der Grundsicherung den Zweck des Hausbesuches deutlich definiert und - soweit weitere Aufklärungsmöglichkeiten zu Gebote stünden – er keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre darstellt. Vor Durchführung eines Hausbesuches ist also grundsätzlich vom Träger der Grundsicherungsleistungen zu verlangen, dass er seine berechtigten Zweifel an den jeweiligen Angaben in jedem Einzelfall dem Betroffenen darlegt und auch in Abhängigkeit von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls beurteilt, ob der Hausbesuch ein taugliches Mittel zur Feststellung des begehrten Bedarfes ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30. Juli 1991, Az.: 5 ER 657/91, Hess. Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 18. November 1985, Az.: 9 TG 974/85; SG Düsseldorf Beschluss vom 22. April 2005, Az.: S 35 AS 119/05, VG Gera, Beschluss vom 16. Januar 2004, Az.: 6 E 2561/03 GE). Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt (Darlegung der berechtigten Zweifel an den Angaben und die Tauglichkeit des Hausbesuches zur Aufklärung dieser berechtigten Zweifel), ist der Hausbesuch zulässig und dessen Verweigerung durch den Betroffenen für diesen nachteilig, da er nach der zitierten Rechtsprechung in diesen Fällen zumindest einer einmaligen Inaugenscheinnahme seiner Wohnung zustimmen muss und diese auch zumutbar ist. In diesen Fällen wird die Nichtaufklärbarkeit der anspruchsbegründenden Tatsachen zu Lasten des Betroffenen gewichtet und die Leistung kann wegen Nichtaufklärbarkeit durch den Sozialhilfeträger verweigert werden (SG Wiesbaden, Beschluss vom 21. März 2005, Az.: S 16 AS 16/05 ER). Auf die dort gemachten Ausführungen wird Bezug genommen.
Bei der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin gerade keine Einzelfallprüfung vorgenommen, sondern zunächst zum Ausdruck gebracht, dass der Hausbesuch grundsätzlich auch ohne konkrete Zweifel an den Angaben der Antragstellerin in der Verwaltungspraxis durchgeführt wird (Schreiben vom 19. Oktober 2005). Sie hat gerade nicht substantiiert dargelegt, warum in diesem konkreten Fall der Hausbesuch ein taugliches Mittel für welche fehlenden Angaben sein soll. Soweit die Antragsgegnerin im Laufe des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens vorträgt, dass nur die Inaugenscheinnahme der Wohnung der Antragstellerin gewährleiste, ob diese 80 qm oder 85 qm groß sei und ob das Unternehmen F. noch in Betrieb sei, überzeugt dies den erkennenden Senat nicht. Ob die Wohnung nun 80 qm oder 85 qm groß ist, kann dahingestellt bleiben, denn sie ist in jedem Fall zu groß für eine Einzelperson. Sie ist weder der Größe noch der Miethöhe nach angemessen, wie es auch die Antragsgegnerin der Antragstellerin bereits mitgeteilt hat. Zweifel hat der Senat auch, ob der Hausbesuch ein taugliches Mittel ist, um eine Geschäftstätigkeit der Antragstellerin nachzuweisen. Über die Geschäftstätigkeit der Antragstellerin kann nur eine Gewinn- und Verlustrechnung und die entsprechenden Steuererklärungen sowie die Prüfung von Geschäftsunterlagen und die Vernehmung von Zeugen verlässlich Auskunft geben. Wie die Inaugenscheinnahme der Wohnung zuverlässigere Anhaltspunkte über die vermietete Geschäftstätigkeit erbringen soll, ist nicht nachvollziehbar. Aus dem Internet ist bereits ersichtlich, dass die Antragstellerin auch eine Homepage hat. Welche weiteren anspruchsbegründenden Erkenntnisse durch den Hausbesuch gewonnen werden sollen, ist durch die Antragsgegnerin bislang nicht - auch nicht mit ihrem Schriftsatz vom 26. Januar 2006 - dargelegt worden. Damit können die Leistungen nach dem SGB II ab dem 27. Oktober 2005 jedenfalls nicht mit der Verweigerung des Hausbesuches begründet werden.
Da das SG trotz Aufklärungsbedarf hinsichtlich der Bedürftigkeit im Rahmen der Folgenabwägung zutreffend die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin bejaht hat, - insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen des SG im streitgegenständlichen Beschluss an und macht sich dessen Ausführungen in diesem Punkt gemäß § 142 Abs. 2 SGG zu eigen - , sind ihr neben der anteiligen Regelleistung ab dem 27. Oktober 2005 auch die anteiligen Unterkunfts- und Heizungskosten gemäß § 22 Abs. 1 SGB II in tatsächlicher Höhe zu gewähren. Zwar bestehen erhebliche Zweifel an der Angemessenheit der Wohnungsgröße und der dafür erforderlichen Aufwendungen, jedoch sieht § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II sinngemäß vor, dass die Aufwendungen der Unterkunft so lange zu übernehmen sind, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen durch einen Wohnungswechsel nicht möglich ist, die Aufwendungen zu senken, wenn auch mit der Einschränkung, dass diese Ausnahme nur sechs Monate gilt. Jedenfalls kommt es für die Gewährung der Leistungen nach § 22 Abs. 1 SGB II nicht darauf an, ob Obdachlosigkeit droht, sondern vielmehr darauf, ob die Antragstellerin hilfebedürftig ist. Dies ist, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, bei allen Zweifeln im Ergebnis der Fall.
Fehl geht die Antragsgegnerin auch in der Annahme, dass die am 28. September 2005 gewährten 100,00 Euro durch das SG bei den gewährten Leistungen in Ansatz hätten gebracht werden müssen. Zwar sind geleistete Vorschüsse gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 SGB I auf zustehende Leistungen anzurechnen, jedoch ist zu berücksichtigen, dass Sozialleistungen in Eilverfahren grundsätzlich erst ab Stellung des Eilantrages gewährt werden können, zustehende Leistungen durch den Sozialhilfeträger aber in der Regel ab Stellung eines Antrages auf die entsprechenden Leistungen (hier: 30. September 2005) gewährt werden bzw. gewährt werden können. Insoweit kann die Antragsgegnerin den Vorschuss von 100,00 Euro auf die gegebenenfalls durch sie bis zum 26. Oktober 2005 zu gewährende Leistungen in Anrechnung bringen.
Zu Unrecht hat das SG den Regelsatz in Höhe von 345,00 Euro für den gesamten Oktober gewährt und die Antragsgegnerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Eilantrag erst am 27. Oktober 2005 beim SG gestellt worden ist. In ständiger Rechtsprechung verpflichtet der Senat im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zur Gewährung von Leistungen für die Vergangenheit (u. a. Beschluss vom 26. Oktober 2005, Az.: L 7 AS 65/05 ER). Grundsicherungsleistungen und Sozialhilfe werden ihrem Wesen nach nur für eine gegenwärtige Notlage geleistet. Das Gericht geht vorliegend davon aus, dass die nunmehr seit dem 27. Oktober 2005 zu gewährenden Leistungen nach dem SGB II den aktuellen Bedarf der Antragstellerin abdecken.
Die vorliegend lediglich darlehensweise Gewährung der Leistungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ist durch den weiteren Aufklärungsbedarf im Rahmen der Folgenabwägung gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Entscheidung ist unanfechtbar gemäß § 177 SGG.
II. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten der Verfahren zu zwei Dritteln zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – (SGB II).
Die 1941 geborene Antragstellerin stellte - laut Behördenakte - am 30. September 2005 einen schriftlichen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II bei der Antragsgegnerin, nachdem sie bereits am 28. September 2005 vorgesprochen hatte. Im Abschnitt VIII "Unterhaltspflichtige Angehörige außerhalb der Haushaltsgemeinschaft" gab sie ihre 1973 geborene Tochter und ihren 1941 geborenen Ehemann an. Beide würden für sie keine Unterhaltsleistungen erbringen. Im Zusatzblatt 1 zur "Feststellung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung" gab sie an, eine 85 qm große Wohnung in W. zu bewohnen. Im Zusatzblatt 2 "Einkommenserklärung/Verdienstbescheinigung" kreuzte sie Einkommen aus selbständiger Tätigkeit in einer geschätzten Höhe in der Zeit vom 1. September 2005 bis zum 30. September 2005 von 212,90 Euro monatlich an. Laut dem am 18. März 2004 geschlossenen Mietvertrag bewohnt die Antragstellerin eine 85 qm große 3-Zimmer-Wohnung für eine monatliche Netto-Miete in Höhe von 665,00 Euro. Die Nebenkosten wurden mit 155,00 Euro beziffert. Am 29. September 2005 schloss die Antragstellerin mit der Antragsgegnerin einen Darlehensvertrag in Höhe von 828,28 Euro, vereinbart mit einer monatlichen Tilgungsrate von 34,50 Euro für die Antragstellerin. Als Darlehensgrund war "Energielieferung" benannt. Hintergrund des Darlehensvertrages war eine durchgeführte Stromsperre der E-Versorgung in W. aufgrund von Zahlungsrückstand.
Mit Schreiben vom 28. September 2005 (Bl. III 22 BA) wies die Antragsgegnerin auf eine angemessene Wohnungsgröße von 50 qm für Alleinstehende hin und darauf, dass der qm-Preis nicht 7,62 Euro pro qm Kaltmiete übersteigen dürfe. Im Verlaufe des Verwaltungsverfahrens legte die Antragstellerin eine Gewerbeabmeldung ihres angemeldeten Gewerbes "F." zum 23. August 2005 vor. Weiter legte sie eine ärztliche Bescheinigung vom 28. September 2005 vor, mit der ihr eine ärztlich-psychotherapeutische Behandlung seit dem 21. Juni 2005 bestätigt wurde. Es bestünde eine seelische Störung von Krankheitswert, die Arbeitsunfähigkeit bedinge. Die Antragstellerin sei momentan nicht belastbar, ihre Leistungsfähigkeit sei erheblich eingeschränkt. Des Weiteren legte sie die Kontoauszüge über ihr Konto bei der P-Bank vor.
Mit einem weiteren Schreiben vom 28. September 2005 gab ihr die Antragsgegnerin auf, unterschiedliche Unterlagen zur Prüfung der Berechtigung ihres Antrages nach dem SGB II vorzulegen (Bl. III 48 BA). Sie erhielt einen Scheck in Höhe von 100,00 Euro, weil sie angegeben hatte, völlig mittellos zu sein. Aus der von der Antragstellerin und der Antragsgegnerin unterschriebenen Verhandlungsniederschrift über einen Vorsprachetermin am 30. September 2005 geht hervor, dass die Antragstellerin darauf hingewiesen worden ist, dass die von ihr bewohnte Wohnung nach den Richtlinien des Amtes für soziale Arbeit hinsichtlich der Größe und dem Preis nicht angemessen sei. Der zuständige Sachbearbeiter teilte mit, dass die Kosten der Unterkunft lediglich für drei Monate in tatsächlicher Höhe übernommen würden. Um die angemessenen Kosten der Unterkunft zu ermitteln, wurde der Antragstellerin ein Wohnungsbeschreibungsbogen übergeben, welchen sie durch die Vermieterin ausgefüllt zurückreichen sollte. Bis zur Vorlage des Nachweises würde gemäß Mietpreisspiegel mit einem Quadratmeterpreis von 6,09 Euro pro qm und einer monatlichen Nebenkostenzahlung in Höhe von 1,00 Euro pro qm für einen angemessenen Wohnraum von 50 qm gerechnet werden. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2005 legte sie teilweise die gewünschten Unterlagen mit dem Hinweis vor, dass die Finanzamtsunterlagen und die betriebswirtschaftlichen Abrechnungen ihres Unternehmens, rückwirkend für die letzten drei Quartale, aufgrund des größeren Aufwandes von ihr momentan krankheitsbedingt nicht vorgelegt werden könnten. Im Übrigen bäte sie um Scheckzustellung, da ihr Konto bei der P-Bank mittlerweile gelöscht sei. Sie teilte mit, dass sie ihre Miete nicht habe zahlen können und die Wohnung selbst vermessen habe und auf eine Größe von 80,16 qm käme, so dass sich auch der Mietzins nach ihrer Ansicht um 10 Euro senken müsste. Ferner bitte sie wegen des schwebenden Verfahrens derzeit an die Vermieterin noch keine Miete zu zahlen, da dadurch "das Verfahren" (womit wohl Mietrechtsstreitigkeit gemeint ist) negativ beeinflusst werden könnte.
Offenbar schrieb die Antragsgegnerin zwischenzeitlich an die Antragstellerin, um einen Hausbesuch zur Inaugenscheinnahme der Wohnverhältnisse der Antragstellerin anzukündigen (das Schreiben findet sich nicht in der Akte). Die Antragstellerin antwortete unter Hinweis auf ihre Erkrankung am 18. Oktober 2005 dahingehend, dass sie wissen wolle, warum und mit welchem Recht bei ihr eine "Hausdurchsuchung" durchgeführt werden solle. Am 19. Oktober 2005 antwortete die Antragsgegnerin, dass sie zur Kenntnis nehme, dass die Antragstellerin keinen Hausbesuch wünsche. Gerne hätte sie die Antragstellerin telefonisch über ihre Vorgehensweise informiert, sie habe diese aber nicht erreichen können. Hausbesuche würden grundsätzlich bei allen Bürgern durchgeführt werden, die Anträge auf Leistungen nach dem SGB II stellten, um klären zu können, ob die Angaben in dem Antrag korrekt seien. Dabei solle sichergestellt werden, dass mit Steuergeldern sparsam und wirtschaftlich umgegangen würde. Man wolle Missbrauchsfällen vorbeugen und z. B. feststellen, ob weitere Personen im Haushalt lebten oder zur Untermiete wohnten. Daher bitte die Antragsgegnerin darum, den Hausbesuch zu erlauben.
Mit Bescheid vom 26. Oktober 2005 (Bl. 90 BA) lehnte die Antragsgegnerin die Leistungen nach dem SGB II ab. Zur Feststellung des Bedarfes der Antragstellerin sei eine Wohnungsbesichtigung erforderlich, welche die Antragstellerin ohne triftigen Grund verweigere. Damit sei ein Anspruch nach dem SGB II nicht nachgewiesen. Die einmalige Inaugenscheinnahme der Wohnung sei zuzumuten. Ergänzend nehme sie auf einen Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden (SG) (Az.: S 16 AS 16/05) vom 22. März 2005 Bezug.
Mit Schreiben vom 27. Oktober 2005, eingegangen beim SG am gleichen Tage, hat die Antragstellerin Eilantrag erhoben mit dem Ziel, Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II zu erhalten. Sie habe keinen Hausbesuch verweigert, sondern lediglich eine Belehrung über ihre Rechte und Pflichten verlangt. Die Teilzahlungen der Oktober-Grundsicherung in Höhe von 100,00 Euro und 274,00 Euro seien aufgebraucht. Die fällige E-Rechnung könne sie nicht bezahlen. Sie legte erneut die ärztliche Bescheinigung von Frau Dr. C. vom 28. September 2005 vor sowie ein ärztliches Attest, datierend auf den 21. Oktober 2005, in dem die behandelnde Ärztin bestätigte, dass die Antragstellerin sich in ihrer ärztlichen psychotherapeutischen Behandlung wegen einer seelischen Störung von Krankheitswert befinde. Die Antragstellerin sei arbeitsunfähig und auch verhandlungsunfähig. Mit Schreiben vom 4. November 2005 trug die Antragstellerin vor, dass sie schon das zweite Wochenende keine Lebensmittel habe einkaufen können und es ihr an frischem Obst, Gemüse und Milchprodukten ermangele.
Mit Schreiben vom 11. November 2005 entgegnete die Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin erstmalig am 28. September 2005 bei ihr vorgesprochen habe. Obwohl nicht alle entscheidungsrelevanten Unterlagen vorgelegen hätten, habe man der Antragstellerin ein Darlehen in Höhe von 828,28 Euro für aufgelaufene Stromrückstände gewährt. Am gleichen Tage habe sie ebenfalls einen Vorschuss von 100,00 Euro per Scheck erhalten. Neben der detaillierten Anforderung von weiteren Unterlagen für die Antragsbearbeitung habe man den Außendienstmitarbeiter eingeschaltet, um einen Hausbesuch - wie bei Neuanträgen üblich - durchzuführen. Nachdem die Antragstellerin am 18. Oktober 2005 nach dem Grund des Hausbesuches gefragt habe, der Versuch, sie telefonisch zu erreichen, erfolglos gewesen sei, habe man die Antragstellerin über den Grund des Hausbesuches informiert (BA Bl. 67). Im Übrigen verweise sie auf die der Antragstellerin ausgehändigten Merkblätter. Außerdem habe ein ausführliches 1 ½-stündiges Beratungsgespräch stattgefunden. Im Übrigen sei der Antragstellerin ein Scheck in Höhe von 274,00 Euro am 20. Oktober 2005 ausgehändigt worden und man habe ihr die Möglichkeit eingeräumt, die betriebswirtschaftlichen Abrechnungen ihrer Selbständigkeit bis Ende 2005 einzureichen.
Am 2. Dezember 2005 hat das SG einen Erörterungstermin mit der Antragsgegnerin und der Antragstellerin durchgeführt. Dort erklärte die Antragstellerin u. a., dass sie eine Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr ihrer Selbständigkeit 2004 und 2005 aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme nicht fertig gestellt habe. Die Leasing-Rate für ihr Auto in Höhe von 278,00 Euro würde von Freunden bezahlt. Sie habe im August und September 2005 noch aus ihrer gewerblichen Tätigkeit Zahlungseingänge wegen Bücherverkäufen gehabt in Höhe von 159,30 Euro am 1. September 2005 und am 13. September 2005 noch einmal in Höhe von 42,80 Euro. Die Beteiligten haben dann nachfolgendes Vorgehen laut Sitzungsniederschrift vom gleichen Tag verabredet:
1. die Antragstellerin verpflichtet sich, bis zum 15. Dezember 2005 dem Gericht und der Antragsgegnerin folgende Unterlagen vorzulegen:
- Visa-Kontoauszüge ab dem 1. Juli 2005 -
- ein vom Vermieter ausgefülltes Formular "Wohnungsbeschreibungs- bogen" der Landeshauptstadt Wiesbaden
2. die Antragsgegnerin erkläre ihr Bemühen, vor Weihnachten einen Bescheid zu erteilen.
3. ungeachtet weiterer eigener Ermittlungen erklärten die Vertreter der Antragsgegnerin, dass die unter Ziff. 1 geforderten Unterlagen zunächst zur Prüfung des Bedarfes hinreichend seien.
Die Antragstellerin reichte sodann der Antragsgegnerin zwei Lebensmittelgutscheine in Höhe von einer Gesamtsumme von 43,10 Euro zurück. Die Beteiligten einigten sich darauf, dass eine vorläufige Sicherstellung des Lebensunterhaltes über eine Scheckzahlung erfolge, die den Zeitraum Dezember vollständig abdecke, soweit es um den Bedarf von Lebensmitteln gehe. Im Übrigen wird auf die Niederschrift – GA Bl. 56-58 – Bezug genommen.
Mit beim SG eingegangen Schreiben vom 5. Dezember 2005 rügte die Antragstellerin, dass ihr die Antragsgegnerin für Dezember lediglich einen Scheck in Höhe von 129,30 Euro überreicht habe. Sie verwies nochmals auf ihre Situation. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2005 wies sie darauf hin, dass ihre eigenen aktuellen Ausmessungen der Wohnung eine qm-Zahl von 80,16 ergeben habe und nicht, wie es im Mietvertrag stünde von 85,15 qm. Die Mietkosten betrügen auch nicht 665,00 Euro sondern 655,00 Euro. Bezüglich der Visa-Card habe sie noch 3 Kontoauszüge von Mai, August und September 2005 gefunden. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2005 bemängelte sie das Sitzungsprotokoll, die Entscheidungsverzögerung durch Nichtberücksichtigung des einzigen Versagens- und Eilantragsgrundes "Hausbesuch" und stellte zahlreiche Anträge an das Gericht. Auf dieses Schreiben wird Bezug genommen.
Am 15. Dezember 2005 entgegnete die Antragsgegnerin, dass der von der Hausverwaltung ausgefüllte Wohnungsbeschreibungsbogen die Wohnungsgröße von 85,15 qm wiedergebe. Dieser Widerspruch zu den Angaben der Antragstellerin könne nur durch einen Hausbesuch aufgeklärt werden. Wegen der nicht vorgelegten betriebswirtschaftlichen Abrechnungen und aktuellen Steuerbescheide ließe sich keine abschließende Aussage über die wirtschaftliche Situation der Antragstellerin treffen. Das Verhalten der Antragstellerin sei widersprüchlich, da sie einerseits vortrage, keine Möglichkeit zu haben, Lebensmittel zu finanzieren, andererseits habe sie die ausgehändigten Lebensmittelgutscheine im Erörterungstermin am 2. Dezember 2005 dem Gericht zurückgegeben. Dies lege die Vermutung nahe, dass sie entgegen ihrem Vortrag von anderen Personen Unterstützung erhalten habe. Die Angaben der Antragstellerin zu ihrer Lebensmittelversorgung seien auch angesichts der Tatsache, dass die Finanzierung des Autos sichergestellt sei, zweifelhaft. Es bestünden Zweifel, dass tatsächlich in vollem Umfang eine Betriebseinstellung vorläge, Recherchen im Internet hätten ergeben, dass ein Buch der Antragstellerin mit dem Titel "F." R. in Deutschland 2005/2006 über zahlreiche Internetanbieter käuflich zu erwerben sei. Die Internetseite sei nach wie vor in Betrieb. Über die tatsächliche Einstellung des Betriebes könne auch nur ein Hausbesuch Aufschluss geben. Zu prüfen wäre hier, inwieweit von der Wohnung der Antragstellerin aus noch ein Handel mit Büchern stattfinde.
Das SG hat mit Beschluss vom 15. Dezember 2005 die Antragsgegnerin verpflichtet, für die Monate Oktober 2005 bis einschließlich Januar 2006 vorläufig Leistungen der Grundsicherung in Höhe von 345,00 Euro monatlich (Regelsatz) zuzüglich der Kosten für die Krankenversicherung der Antragstellerin zu gewähren. Bei der Nachzahlung sei die Antragsgegnerin berechtigt, die Auszahlung in Höhe von 274,00 Euro vom 20. Oktober 2005 und die Auszahlung nach dem Erörterungstermin vom 2. Dezember 2005 in Abzug zu bringen. Es hat ausgeführt, dass die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren offen seien, da die im Eilverfahren von der Antragsgegnerin erhobenen Zweifel an der Einkommenssituation nicht in hinreichender Weise aufzuklären seien. Die erforderliche Interessenabwägung gehe zu Gunsten der Antragstellerin aus, was die Regelsatzleistung und die Krankenversicherung beträfe. Die Angaben der Antragstellerin sprächen für eine Hilfebedürftigkeit. Aufklärungsbedarf bestünde allerdings noch in dem Umstand, dass die Antragstellerin Lebensmittelgutscheine am 2. Dezember 2005 unbenützt zurückgegeben habe, obwohl ihr seit Ende September 2005 seitens der Antragsgegnerin lediglich Leistungen zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes in Höhe von 374,00 Euro zugeflossen seien. Dies könne auf den Fortbestand von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit schließen lassen. Eine weitere Überprüfung der Einkommens-Vermögensverhältnisse könne nur durch die Auswertung aktueller Gewinn-/Verlustrechnungen u. a. geschehen. Die Antragstellerin sei allerdings aus nachvollziehbaren Gründen derzeit nicht in der Lage, diese vorzulegen. Da die Homepage der Antragstellerin noch in Betrieb sei, wovon sich das Gericht überzeugt habe, müsse eine Überprüfung sicherstellen, ob an dem dort angegebenen Sitz A-Straße (Wohnsitz der Antragstellerin) noch einer gewerblichen Tätigkeit nachgegangen würde. Auf die übrigen Ausführungen wird Bezug genommen.
Gegen den der Antragstellerin am 17. Dezember 2005 zugestellten Beschluss hat diese per Faxeingang beim Hessischen Landessozialgericht am 3. Januar 2006 Beschwerde erhoben.
Sie habe mit Schreiben vom 12. Oktober 2005 den Sachbearbeiter darauf hingewiesen, dass in Anbetracht der Räumungsklage auf eine Vermieterbescheinigung zu verzichten sei. Die begehrten Unterkunftskosten sollten an sie direkt und nicht an die Vermieterin geleistet werden. Die nicht vom Netz genommene Homepage sei bereits seit Anfang des Jahres 2005 nicht mehr aktualisiert worden. Sie diene lediglich als Platzhalter. Eine Wiederaufnahme ihrer selbständigen Tätigkeit würde durch ein völliges optisches Verschwinden vom Markt erschwert. Aber dies könne nicht dafür sprechen, dass sie ihre Selbstständigkeit noch derzeit fortsetze. Der Hausbesuch könne auch nicht mit der 5 qm-Differenz der Wohnung begründet werden, da die Vermieterin einen unbeheizten Abstellraum außerhalb der Wohnfläche zur Wohnung hinzugerechnet habe. Auch wenn man bei ihr anlässlich eines Hausbesuches einen Computer und einen Schreibtisch in Augenschein nehme, könne daraus nicht der Schluss über eine andauernde verlegerische oder journalistische Tätigkeit gezogen werden. Im Übrigen bezöge sie sich auf die Rechtsprechung des Landessozialgerichts, nach der es nicht im Belieben der Verwaltung läge, Umfang und Reichweite der Mitwirkungspflichten von Antragstellern ohne konkrete rechtliche Grundlage festzulegen und bei der Nichterfüllung sogar die Sanktion der Leistungsversagung zu verhängen.
Gegen den am 20. Dezember 2005 der Antragsgegnerin zugestellten Beschluss, hat diese Beschwerde, eingegangen beim SG am 3. Januar 2006, erhoben. Abweichend von der ständigen Rechtsprechung des Gerichtes seien der Antragstellerin Leistungen bereits für die Zeit vor Antragstellung des Eilantrages zugesprochen worden. Darüber hinaus habe das Gericht nicht berücksichtigt, dass der Antragstellerin am 30. September 2005 ein Vorschuss auf die beantragten Leistungen gezahlt worden sei. Die Antragstellerin käme ihren Mitwirkungspflichten nur zögerlich nach. Die in den Attesten bescheinigte psychotherapeutische Behandlung könne nicht dazu führen, dass an die Mitwirkungspflichten der Antragstellerin geringere Anforderungen gestellt würden als bei anderen Antragstellern. Im Übrigen wiederholte sie ihr bisheriges Vorbringen.
Mit Schreiben vom 23. Januar 2006 legte die Antragstellerin einen Beschluss des Amtsgerichtes W. vor, demzufolge eine Güteverhandlung am 26. Januar 2006 wegen Mietrückstand und Räumung ihrer Wohnung stattfinden sollte. Weiter trug sie vor, dass sie sich um die Anmietung einer neuen Wohnung bemüht habe und dass die Antragsgegnerin bislang zwei Wohnungen zu Unrecht abgelehnt habe. Mit Schreiben vom 26. Januar 2006 trug sie erneut vor, dass sie kein Geld für den Einkauf von Lebensmitteln habe und dass sie wegen ihrer Ernährungsweise mit frischem Obst und Gemüse Ernährungsgutscheine zurückweise, da sie mit diesen nicht auf dem Wochenmarkt bezahlen könne. Des Weiteren legte sie einen Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. Januar 2006 vor. Damit sind ihr offenbar ab dem 1. Februar 2006 beantragte Leistungen versagt worden, da sie ihren Mitwirkungspflichten nach § 60 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) nicht nachgekommen sei, die Einkünfte aus ihrem ehemals betriebenen Gewerbe nachzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II in voller Höhe zu gewähren sowie die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss vom 15. Dezember 2005 zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unter Aufhebung des Beschlusses vom 15. Dezember 2005 in vollem Umfang zurückzuweisen.
Das SG hat laut richterlicher Verfügung vom 11. Januar 2006 den Beschwerden nicht abgeholfen (GA Bl. 127 R).
Die Antragsgegnerin führt unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens aus, dass die Antragstellerin eine Fristsetzung zur Vorlage der Nachweise über ihr Gewerbe habe verstreichen lassen. Die Konsequenzen daraus, auch der Verweigerung des Hausbesuches, habe man mit ihr in einem persönlichen Gespräch am 19. Januar 2006 erörtert. Die Unterlagen lägen bis heute nicht vor. Die Unterkunftskosten würden erbracht werden, wenn die Antragsgegnerin abschließend über den Antrag entscheiden würde. Es wurde darauf verwiesen, dass die Antragstellerin ausdrücklich darum gebeten hatte, die Kosten der Unterkunft nicht an die Vermieterin, sondern an sie selbst zu leisten. Die Räumungsklage gegen die Antragstellerin sei wegen aufgelaufener Mietrückstände anhängig. Die Antragsgegnerin ziehe vor, die Kosten der Unterkunft direkt an die Vermieterin zu zahlen, da die Antragstellerin die Regelleistung für den Monat Januar 2006 bereits Mitte des Monats verbraucht hätte.
Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakte sowie der Behördenakte (1 Hefter) Bezug genommen. Sämtliche Akten sind Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gewesen.
II.
Die Beschwerden der Antragstellerin und der Antragsgegnerin haben nur aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG – Kommentar, 8. Auflage, § 86 b Rdnrn. 27 und 29 m. w. N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05, info also 2005, 166 ff.).
Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Dabei sind, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (Bundesverfassungsgericht, a. a. O.). Die Glaubhaftmachung bezieht sich im Übrigen lediglich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (vgl. Meyer-Ladewig, a. a. O., Rdnrn. 16 b, 16 c, 40).
Ausgehend von diesen Grundsätzen war dem Antrag der Antragstellerin insoweit zu entsprechen als Leistungen nach dem SGB II (Regelsatz, Unterkunftskosten, Heizungskosten) für die Zeit ab dem 27. Oktober 2005 bis zum 26. April 2006 begehrt werden. Vorliegend ist die vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich. Dies ist u. a. deshalb der Fall, da weder das Gericht noch einer der anderen Beteiligten aufgrund der fehlenden Gewinn- und Verlustrechnungen der ehemals aufgenommenen selbständigen und mittlerweile beendeten Tätigkeit der Antragstellerin für die Jahre 2004 und 2005 unter der Webadresse w. die konkrete Vermögenssituation derzeit klären kann. Grundsätzlich ist die Antragstellerin zwar gemäß §§ 60 ff. SGB I verpflichtet, die entsprechenden Unterlagen zeitnah zu fertigen und vorzulegen. Sie hat jedoch aufgrund der von ihr vorgelegten ärztlichen Atteste vom 28. September 2005 und vom 21. Oktober 2005 einen sachlichen Grund glaubhaft gemacht, warum ihr die sofortige Vorlage der Unterlagen nicht möglich war. Eine Verweigerungshaltung hat auch das SG zu Recht nicht darin gesehen, dass die Antragstellerin bislang diese Unterlagen nicht vorgelegt hat, zumal sie alle anderen verlangten Nachweise zu erbringen versucht hat. Insoweit sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen. Im Rahmen der Folgenabwägung haben die Gerichte in den Fällen der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu berücksichtigen, dass diese Leistungen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen. Diese Sicherstellung ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, die aus dem Gebot zum Schutze der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt (vgl. BVerfGE 82, 60 (80)). Diese Pflicht besteht unabhängig von den Gründen der Hilfebedürftigkeit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, a.a.O). Die Antragsgegnerin hat nicht nachvollziehbar dargelegt, warum die Vermögensangaben der Antragstellerin im Rahmen des Verwaltungsverfahrens insbesondere des erstinstanzlichen Eilverfahrens die Obliegenheitsverletzungen nach §§ 60, 66 SGB I auslösen sollen. Vielmehr stützt sich die Antragsgegnerin bei der Unterstellung, dass weitere Einkünfte oder weiteres Vermögen bei der Antragstellerin vorhanden sei, auf schlichte Mutmaßungen. Der erkennende Senat hat aber in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass existenzsichernde Leistungen nicht aufgrund bloßer Mutmaßungen verweigert werden dürfen (u. a. Beschluss vom 29. Juni 2005 – L 7 AS 1/05 ER - info also 2005 S. 166 ff., Beschluss vom 26. Oktober 2005, Az.: L 7 AS 65/05 ER). Der Versagungsbescheid vom 25. Januar 2006 ist auf Grund dieser Ausführungen ebenfalls nicht haltbar.
Die Ablehnung der Leistungen durch die Antragsgegnerin kann auch nicht, wie es im Schreiben vom 19. Oktober 2005 zum Ausdruck kommt, darauf gestützt werden, dass grundsätzlich bei allen Bürgern, die einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II stellten, ein Hausbesuch durchzuführen sei, um klären zu können, ob deren Angaben aus dem Antrag korrekt seien. Vor allen Dingen reicht nicht als pauschale Begründung für den Einzelfall aus, dass sichergestellt werden solle, dass mit Steuergeldern sparsam umzugehen sei, man wolle dadurch Betrugsfälle verhindern. Ebenso wenig ist die Begründung im Bescheid vom 26. Oktober 2005 stichhaltig, indem ausgeführt wurde, dass zur Feststellung des Bedarfes eine Wohnungsbesichtigung erforderlich sei, welche die Antragstellerin ohne triftigen Grund verweigern würde. Die angeführte Entscheidung des SG vom 22. März 2005 (Az.: S 16 AS 16/05), bestätigt durch den ergänzenden Senat mit Beschluss vom 25. April 2005 (Az.: L 7 AS 9/05 ER), zur Zulässigkeit von Hausbesuchen, wird von der Antragsgegnerin in der rechtlichen Anwendung missverstanden.
Zunächst ist festzuhalten, dass weder das SGB II, noch das Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch – (SGB X), das nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II anwendbar ist, Hausbesuche direkt vorsehen. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Grundgesetz - GG -) ist hier der Gesetzgeber gefordert, für eine klare Ermächtigungsgrundlage für die Exekutive zu sorgen. Zwar erlaubt § 21 Abs. 1 Nr. 4 des Zehntes Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) die Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts durch Augenscheinnahme, soweit diese erforderlich ist. Deshalb ist in jedem Einzelfall die Erforderlichkeit zu prüfen. Im Übrigen ist auch die Augenscheinnahme nicht notwendigerweise ein Hausbesuch. Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhaltes mitwirken und insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken, besteht nur, soweit dies gesetzlich vorgesehen ist (§ 21 Abs. 2 SGB X). Das ist bei einem Hausbesuch gerade nicht der Fall (VG Gera, Beschluss vom 16. Januar 2004, Az.: 6 E 2561/04 GE; VG Münster, Urteil vom 4. Februar 2003, Az.: 5 K 190/99; Armborst in LPK-SGB II, Anhang Verfahren Rdnr. 17). Im Lichte der verfassungsrechtlichen Garantie des Artikel 13 GG darf der Ermittler nur mit Zustimmung des Wohnungsinhabers die Wohnung betreten. Der Hausbesuch kann deshalb auch nicht nach § 66 SGB I erzwungen werden (vgl. zu weiteren Bedenken Ute Winkler, info also 2005 S. 251 ff.).
Solange der Gesetzgeber nicht die gesetzliche Eingriffsermächtigung geschaffen hat, verbleibt es bei der Rechtsauffassung des Senates in den oben zitierten Beschlüssen: Danach ist ein Hausbesuch nur bei Erforderlichkeit und auch nur dann zulässig, wenn der Träger der Grundsicherung den Zweck des Hausbesuches deutlich definiert und - soweit weitere Aufklärungsmöglichkeiten zu Gebote stünden – er keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre darstellt. Vor Durchführung eines Hausbesuches ist also grundsätzlich vom Träger der Grundsicherungsleistungen zu verlangen, dass er seine berechtigten Zweifel an den jeweiligen Angaben in jedem Einzelfall dem Betroffenen darlegt und auch in Abhängigkeit von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls beurteilt, ob der Hausbesuch ein taugliches Mittel zur Feststellung des begehrten Bedarfes ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30. Juli 1991, Az.: 5 ER 657/91, Hess. Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 18. November 1985, Az.: 9 TG 974/85; SG Düsseldorf Beschluss vom 22. April 2005, Az.: S 35 AS 119/05, VG Gera, Beschluss vom 16. Januar 2004, Az.: 6 E 2561/03 GE). Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt (Darlegung der berechtigten Zweifel an den Angaben und die Tauglichkeit des Hausbesuches zur Aufklärung dieser berechtigten Zweifel), ist der Hausbesuch zulässig und dessen Verweigerung durch den Betroffenen für diesen nachteilig, da er nach der zitierten Rechtsprechung in diesen Fällen zumindest einer einmaligen Inaugenscheinnahme seiner Wohnung zustimmen muss und diese auch zumutbar ist. In diesen Fällen wird die Nichtaufklärbarkeit der anspruchsbegründenden Tatsachen zu Lasten des Betroffenen gewichtet und die Leistung kann wegen Nichtaufklärbarkeit durch den Sozialhilfeträger verweigert werden (SG Wiesbaden, Beschluss vom 21. März 2005, Az.: S 16 AS 16/05 ER). Auf die dort gemachten Ausführungen wird Bezug genommen.
Bei der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin gerade keine Einzelfallprüfung vorgenommen, sondern zunächst zum Ausdruck gebracht, dass der Hausbesuch grundsätzlich auch ohne konkrete Zweifel an den Angaben der Antragstellerin in der Verwaltungspraxis durchgeführt wird (Schreiben vom 19. Oktober 2005). Sie hat gerade nicht substantiiert dargelegt, warum in diesem konkreten Fall der Hausbesuch ein taugliches Mittel für welche fehlenden Angaben sein soll. Soweit die Antragsgegnerin im Laufe des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens vorträgt, dass nur die Inaugenscheinnahme der Wohnung der Antragstellerin gewährleiste, ob diese 80 qm oder 85 qm groß sei und ob das Unternehmen F. noch in Betrieb sei, überzeugt dies den erkennenden Senat nicht. Ob die Wohnung nun 80 qm oder 85 qm groß ist, kann dahingestellt bleiben, denn sie ist in jedem Fall zu groß für eine Einzelperson. Sie ist weder der Größe noch der Miethöhe nach angemessen, wie es auch die Antragsgegnerin der Antragstellerin bereits mitgeteilt hat. Zweifel hat der Senat auch, ob der Hausbesuch ein taugliches Mittel ist, um eine Geschäftstätigkeit der Antragstellerin nachzuweisen. Über die Geschäftstätigkeit der Antragstellerin kann nur eine Gewinn- und Verlustrechnung und die entsprechenden Steuererklärungen sowie die Prüfung von Geschäftsunterlagen und die Vernehmung von Zeugen verlässlich Auskunft geben. Wie die Inaugenscheinnahme der Wohnung zuverlässigere Anhaltspunkte über die vermietete Geschäftstätigkeit erbringen soll, ist nicht nachvollziehbar. Aus dem Internet ist bereits ersichtlich, dass die Antragstellerin auch eine Homepage hat. Welche weiteren anspruchsbegründenden Erkenntnisse durch den Hausbesuch gewonnen werden sollen, ist durch die Antragsgegnerin bislang nicht - auch nicht mit ihrem Schriftsatz vom 26. Januar 2006 - dargelegt worden. Damit können die Leistungen nach dem SGB II ab dem 27. Oktober 2005 jedenfalls nicht mit der Verweigerung des Hausbesuches begründet werden.
Da das SG trotz Aufklärungsbedarf hinsichtlich der Bedürftigkeit im Rahmen der Folgenabwägung zutreffend die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin bejaht hat, - insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen des SG im streitgegenständlichen Beschluss an und macht sich dessen Ausführungen in diesem Punkt gemäß § 142 Abs. 2 SGG zu eigen - , sind ihr neben der anteiligen Regelleistung ab dem 27. Oktober 2005 auch die anteiligen Unterkunfts- und Heizungskosten gemäß § 22 Abs. 1 SGB II in tatsächlicher Höhe zu gewähren. Zwar bestehen erhebliche Zweifel an der Angemessenheit der Wohnungsgröße und der dafür erforderlichen Aufwendungen, jedoch sieht § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II sinngemäß vor, dass die Aufwendungen der Unterkunft so lange zu übernehmen sind, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen durch einen Wohnungswechsel nicht möglich ist, die Aufwendungen zu senken, wenn auch mit der Einschränkung, dass diese Ausnahme nur sechs Monate gilt. Jedenfalls kommt es für die Gewährung der Leistungen nach § 22 Abs. 1 SGB II nicht darauf an, ob Obdachlosigkeit droht, sondern vielmehr darauf, ob die Antragstellerin hilfebedürftig ist. Dies ist, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, bei allen Zweifeln im Ergebnis der Fall.
Fehl geht die Antragsgegnerin auch in der Annahme, dass die am 28. September 2005 gewährten 100,00 Euro durch das SG bei den gewährten Leistungen in Ansatz hätten gebracht werden müssen. Zwar sind geleistete Vorschüsse gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 SGB I auf zustehende Leistungen anzurechnen, jedoch ist zu berücksichtigen, dass Sozialleistungen in Eilverfahren grundsätzlich erst ab Stellung des Eilantrages gewährt werden können, zustehende Leistungen durch den Sozialhilfeträger aber in der Regel ab Stellung eines Antrages auf die entsprechenden Leistungen (hier: 30. September 2005) gewährt werden bzw. gewährt werden können. Insoweit kann die Antragsgegnerin den Vorschuss von 100,00 Euro auf die gegebenenfalls durch sie bis zum 26. Oktober 2005 zu gewährende Leistungen in Anrechnung bringen.
Zu Unrecht hat das SG den Regelsatz in Höhe von 345,00 Euro für den gesamten Oktober gewährt und die Antragsgegnerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Eilantrag erst am 27. Oktober 2005 beim SG gestellt worden ist. In ständiger Rechtsprechung verpflichtet der Senat im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zur Gewährung von Leistungen für die Vergangenheit (u. a. Beschluss vom 26. Oktober 2005, Az.: L 7 AS 65/05 ER). Grundsicherungsleistungen und Sozialhilfe werden ihrem Wesen nach nur für eine gegenwärtige Notlage geleistet. Das Gericht geht vorliegend davon aus, dass die nunmehr seit dem 27. Oktober 2005 zu gewährenden Leistungen nach dem SGB II den aktuellen Bedarf der Antragstellerin abdecken.
Die vorliegend lediglich darlehensweise Gewährung der Leistungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ist durch den weiteren Aufklärungsbedarf im Rahmen der Folgenabwägung gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Entscheidung ist unanfechtbar gemäß § 177 SGG.
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