Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 24 VG 495/97
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8/5 VG 1328/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Sprungrevision des Beklagten wird der Bescheid vom 12. November 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 1997 nach Zurückverweisung an den Senat aufgehoben und der Beklagte verurteilt, bei der Klägerin ein posttraumatisches Belastungssyndrom als Folge der Ermordung ihrer Mutter anzuerkennen und der Klägerin für ein Jahr nach dem Tod ihrer Mutter 1995 Leistungen nach dem OEG auf der Grundlage einer MdE von 30 zu gewähren. Die Klage wird abgewiesen, soweit sie darüber hinausgeht. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten aller Instanzen zu 1/2 zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).
Die Klägerin, geboren 1964, beantragte am 28. November 1995 Leistungen nach dem OEG. Dazu gab sie an, sie habe nach der Ermordung ihrer Mutter, Frau I. H., 1995 einen Schockschaden erlitten.
Der Beklagte zog daraufhin die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Darmstadt - Zweigstelle Offenbach am Main - Az. XXXXX - bei. Aus dieser Akte ergibt sich im Wesentlichen folgendes: Die Mutter der Klägerin, geboren 1938, lebte zusammen mit ihrem zweiten Ehemann und Stiefvater der Klägerin, K. O. H., geboren 1952, im Erdgeschoss des eigenen Hauses in der S-Straße in A-Stadt. Die von ihrem Ehemann getrennt lebende Klägerin wohnte mit ihren beiden Kindern im zweiten Stock und im Dachgeschoss des Hauses. Die Wohnung im ersten Stock des Hauses war fremdvermietet. Die Klägerin sagte zu dem Auffinden ihrer Mutter am Morgen des 24. Mai 1995 aus, ihr Stiefvater habe gegen 07:30 Uhr an ihrer Wohnung geklingelt und gesagt, er komme in seine Wohnung nicht hinein, weil der Schlüssel von innen stecken würde. Kurze Zeit später habe sie ihren Stiefvater schreien hören. Er habe immer wieder "Nein, nein, wie konnte sie das nur machen!" gerufen. Sie sei dann in die Wohnung im Erdgeschoss gegangen und habe ihre Mutter in der Küche auf dem Bauch in ihrem Blut liegend gesehen. Für sie sei in diesem Moment klar gewesen, dass ihre Mutter sich die Pulsadern aufgeschnitten habe, obwohl dies überhaupt nicht zu ihr gepasst habe. Ihre Mutter habe fast immer kollabiert, wenn sie Blut gesehen habe. Sie habe die Wohnung betreten können, nachdem ihr Stiefvater die Wohnungstür von innen aufgemacht habe. Er sei im Gesicht und an den Händen blutverschmiert gewesen. Ihr Stiefvater sei vor ihr in die Küche gegangen. Sie habe nur kurz geschaut und gedacht, das kann nicht wahr sein. Sie habe ihre Mutter gesehen und das viele Blut. Zu diesem Zeitpunkt sei ihr klar gewesen, dass ihre Mutter tot sei. Sie habe deshalb keine Hilfeleistungen unternommen. Sie sei zu ihrer Mutter nicht hingegangen. Die herbeigerufene Notärztin und die Polizei gingen von einer Gewalttat gegenüber der Mutter der Klägerin aus; deren Tod ist aufgrund stumpfer Gewalteinwirkung gegen den Kopf und durch Drosselung eingetreten. Die Tote lag in ihrem Blut. Der gesamte Küchenboden war voller Blut und die Küchenschränke mit Blut der Toten bespritzt. Das hinzugezogene Notarztteam musste durch die Blutlache hin- und hergehen. Im Verlauf der weiteren Ermittlungen verdichtete sich der Tatverdacht auf K. O. H ... Das Landgericht Darmstadt verurteilte K. O. H. mit Urteil vom 10. Juli 1996 wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe. Dabei ging das Landgericht davon aus, dass K. O. H. gegen 05:45 Uhr in der Küche der gemeinsamen Wohnung mit einem stumpfen bzw. stumpfkantigen Gegenstand auf die Mutter der Klägerin einschlug und sie anschließend mit einem Damenperlonstrumpf erdrosselte, den er dem Opfer fest um den Hals gebunden und im hinteren Nackenbereich verknotet hatte. Die Klägerin wurde in diesem Verfahren als Zeugin gehört.
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 12. November 1996 die Gewährung von Leistungen nach dem OEG mit der Begründung ab, die Klägerin sei nicht unmittelbar durch den Angriff betroffen gewesen. Der Tod der Mutter sei durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff verursacht worden. Schäden so genannter Drittbetroffener würden zwar grundsätzlich vom OEG erfasst, jedoch nur, wenn sie unmittelbar von dem Angriff betroffen seien. Zwischen dem tätlichen Angriff und der psychischen Belastungsreaktion müsse ein enger örtlicher, zeitlicher und persönlicher Zusammenhang bestehen. Dies sei praktisch nur dann der Fall, wenn der Drittbetroffene Augenzeuge der eigentlichen Tat gewesen sei. Die Klägerin sei später zum Tatort gekommen und sei nach eigenen Aussagen zunächst von einem Selbstmord ihrer Mutter ausgegangen. Ein eigenständiger Opferanspruch nach § 1 Abs. 1 OEG komme damit nicht in Betracht.
Dagegen erhob die Klägerin am 4. Dezember 1996 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 1997 zurückwies. Vorliegend seien die vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung im Rundschreiben vom 6. August 1996 niedergelegten Kriterien beachtet worden. Danach müssten für die Anerkennung eines Schockschadens folgende Kriterien kumulativ vorliegen:
• zwischen Schädigungstatbestand und der Straftat müsse eine "gewisse Nähe" bestehen; dies setze einen unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang voraus; das Überbringen einer Todesnachricht reiche nicht aus,
• zwischen dem unmittelbar betroffenen Opfer und dem Drittgeschädigten müsse eine Sonderbeziehung bestehen; dies sei regelmäßig bei Ehe- und Eltern-/Kindverhältnissen anzunehmen,
• der schädigende Einfluss müsse geeignet sein, einen Schock durch eigenes Erleben auszulösen; dies könne regelmäßig nur bei schweren vorsätzlichen Gewalttaten angenommen werden (z. B. bei Mord, Totschlag, schwerer Körperverletzung),
• der Schock müsse eine nicht nur vorübergehende psychische Störung von Krankheitswert verursacht haben (posttraumatische Belastungsstörung in Abgrenzung zur abnormen Trauerreaktion). Die Klägerin besitze keinen Anspruch, da diese Voraussetzungen vorliegend nicht kumulativ erfüllt seien.
Mit der am 14. Februar 1997 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhobenen Klage verfolgt die Klägerin den geltend gemachten Anspruch weiter.
Sie vertrat die Auffassung, die Rechtsauffassung des Beklagten verstoße gegen die eindeutigen Grundsätze des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 3. November 1979 - Az. 9 RVG 1/78. Zudem sei sie unmittelbar an Ort und Stelle mit dem schrecklichen Tatgeschehen konfrontiert gewesen, als sie ihre ermordete Mutter in der Küche auf dem Bauch in ihrem Blut liegend gesehen habe.
Der Beklagte vertrat die Auffassung, dies allein reiche nicht aus. Die Klägerin habe nach ihren eigenen Angaben die Tötungshandlung nicht selbst miterlebt. Sie sei vielmehr nach Vollendung der Tötungshandlung in die Wohnung ihrer Mutter gekommen und sei nach ihren Angaben auch nicht zu ihrer Mutter gegangen. Das nach der Tat geschehene Auffinden der Getöteten sei nicht geeignet einen Schock durch eigenes Erleben auszulösen.
Das Sozialgericht hat Befundberichte bei Dr. S. vom 17. September 1998 nebst div. Arztbriefen und bei Frau Diplom-Psychologin N. vom 4. September 1998 eingeholt, dem der Entlassungsbericht des Klinischen Zentrums D-Stadt vom 24. August 1993 über eine stationäre Behandlung der Klägerin wegen einer angst-konversionsneurotischen Entwicklung in der Zeit vom 10. Mai bis zum 22. Juni 1993 beigefügt war.
Mit Urteil vom 8. Dezember 1999 verurteilte das Sozialgericht den Beklagten zur Gewährung von Entschädigungsleistungen nach dem OEG. Dazu führte es im Wesentlichen aus, die Klägerin sei ein Opfer im Sinne des OEG und sei unstreitig infolge eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen ihre Mutter erkrankt. Ihre zur Tatzeit weitgehend abgeklungene psychische Erkrankung habe eine gravierende Verschlimmerung erfahren. Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung sei es unerheblich, ob bei der Person, gegen die ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff geführt werde, eine gesundheitliche Schädigung eintrete oder bei einer anderen Person. Entscheidend sei, dass infolge der Tat jemand eine gesundheitliche Schädigung erleide. Das sei vorliegend der Fall. Auf die zugelassene Sprungrevision des Beklagten hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 8. August 2001 das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Hessische Landessozialgericht verwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin zähle zu dem anspruchberechtigten Personenkreis des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG, da sie durch den Angriff auf ihre Mutter nicht nur als mittelbar geschädigt anzusehen sei. Der Grundsatz, dass nur die Folgen unmittelbarer Schädigungen entschädigt werden (Beschluss des Bundessozialgerichts vom 17. Dezember 1997 - Az. 9 BVg 5/97 -) entfalle für den Anwendungsbereich des OEG nicht deshalb, weil nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG auch eine Person anspruchsberechtigt sein könne, die durch einen auf eine andere Person gerichteten Angriff geschädigt werde (aberratio ictus). Eine unmittelbare Schädigung im Gewaltopferrecht sei auch dann anzunehmen, wenn der örtliche Zusammenhang dadurch hergestellt werde, dass eine Person die Nachricht von der Ermordung eines anderen Angehörigen erhalte und daraufhin einen Schock erleide. In einem solchen Falle bilde die Nachrichtenübermittlung eine natürliche Einheit mit dem Tatgeschehen. Der Empfänger der Nachricht eines "besonders schrecklichen Ereignisses" werde nicht etwa nur mittelbar, sondern - wenn auch zeitlich versetzt - unmittelbar geschädigt. Denn erst das Erhalten der Nachricht von der Gewalttat bilde ihm gegenüber das Ende der Gewalttat. Diese Betrachtungsweise stehe im Einklang mit der Zivilrechtsprechung zum Schadensersatz bei Schockschaden. Eine Anlehnung an diese Rechtsprechung der Zivilgerichte liege darin begründet, dass die Ansprüche nach dem OEG - wirtschaftlich betrachtet - eine Art "Ausfallbürgschaft des Staates" für die - oft nicht durchsetzbaren - Schadensersatzforderungen der Opfer (BT-Drucks. 7/4614 S. 3 f.) darstelle. Der vorliegende Fall liege zwischen dem des Augenzeugen und dem der Schädigung durch das Erhalten einer Nachricht. Der vorliegende Fall sei zumindest dem Fall der Schädigung durch Benachrichtigung gleichzustellen. Dabei spiele es keine Rolle, dass hier das Sekundäropfer nicht sogleich beim Anblick der Leiche des nahen Angehörigen sicher sein konnte, dass ein Gewaltverbrechen vorgelegen habe. Maßgeblich seien insoweit lediglich der Eintritt der Schockwirkung und das objektive Vorliegen einer Gewalttat. Ein etwa eingetretener Schockschaden der Klägerin sei somit grundsätzlich entschädigungsfähig. Soweit das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung mit Rundschreiben vom 6. August 1996 als weitere Voraussetzung u. a. eine "besondere Beziehung" zwischen dem Primär- und dem Sekundäropfer fordere, könne dies vorliegend offen bleiben, da eine solche "besondere Beziehung" zweifellos gegeben sei. Gleichwohl sei der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif. Aus dem Urteil des Sozialgerichts gehe nicht hinreichend hervor, ob und in welcher Weise die Klägerin durch den geeigneten Tatbestand (Anblick des Tatorts und der Tatfolgen zur Zeit nach der Tat) eine primäre psychische Schädigung (Schock) erlitten habe. Aus dem Urteil gehe weiterhin nicht hervor, welche Schädigungsfolgen bestünden und welche Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) diese verursache. Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Amts wegen auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet bei Prof. Dr. F ... In seinem am 15. Juli 2003 erstellten Gutachten kommt Prof. Dr. F. zu dem Ergebnis, bei der Klägerin liege ein leichtes depressives Syndrom mit somatischen Symptomen vor. Nach der Gewalttat habe die Klägerin eine Traumatisierung (Teilsymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung) mit ängstlicher und depressiver Symptomatik entwickelt. Dies sei mit Wahrscheinlichkeit auf die Kenntnis der Tat vom 24. Mai 1995 zurückzuführen oder durch diese verschlimmert worden. Die Klägerin neige auf drohende oder erfolgte Verluste - gleich welcher Art -, mit einer ängstlich-depressiven Symptomatik zu reagieren. Dies sei nicht auf die Gewalttat vom 24. Mai 1995 zurückzuführen. Es handele sich hierbei um eine Persönlichkeitseigenschaft. Im ersten Jahr nach dem Ereignis sei eine schädigungsbedingte MdE von 30 und danach bis heute eine schädigungsbedingte MdE von 20 bei einer Gesamt-MdE von 30 gerechtfertigt. Des Weiteren hat der Senat auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten auf psycho-traumatologischem Fachgebiet bei Prof. Dr. C. vom 30. Juli 2004 eingeholt. Prof. Dr. C. kommt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, bei der Klägerin liege noch heute in Folge des schädigenden Ereignisses der Ermordung ihrer Mutter durch ihren Stiefvater am 24. Mai 1995 eine psychosomatische Belastungsstörung vor, begleitet von einer ausgeprägten Angstsymptomatik und depressiven Symptomen. Die genannte Gesundheitsstörung sei mit hoher Wahrscheinlichkeit durch das besagte Ereignis wesentlich ursächlich zurückzuführen. Eine schädigungsunabhängige Gesundheitsstörung habe vor der Tat und später nicht vorgelegen. Ab dem Todestag der Mutter sei die MdE mit 40 gerechtfertigt; für die weitere Zeit sei eine schädigungsbedingte MdE von 30 festzusetzen. Der Senat hat des Weiteren eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. F. vom 11. Juli 2005 eingeholt. Danach stimme er mit Prof. Dr. C. darin überein, dass eine Traumatisierung der Klägerin durch den Tod der Mutter eingetreten sei. Übereinstimmung bestehe auch insoweit, als die Klägerin nach dem Tod der Mutter an einer psychischen Symptomatik gelitten habe, die ursächlich auf das schädigende Ereignis zurück- zuführen sei. Anders als Prof. Dr. C. gehe er nicht von einem Vollbild eines posttraumatischen Belastungssyndroms aus. Dieser Unterschied sei jedoch nicht so entscheidend, da maßgeblicher für die Bestimmung der MdE die Einschätzung des Ausmaßes der Störung sei. Nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) sei eine "stärker behindernde Störung mit wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit" anzunehmen. Nach seiner Einschätzung sei im ersten Jahr nach dem Tod der Mutter diese auf der untersten Stufe des nach den AHP vorgegebenen Rahmens mit einer MdE von 30 zu bewerten. Zwar sei die Erlebnisfähigkeit deutlich eingeschränkt gewesen, jedoch nicht die Gestaltungsfähigkeit der Klägerin in dieser Zeit. So sei sie einigermaßen in der Lage gewesen, den Anforderungen des Lebens gerecht zu werden.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2003 für ein Jahr nach dem schädigenden Ereignis einen "Schockschaden mit Teilsymptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung" mit einer MdE von 30 und für die Folgezeit eine schädigungsbedingte MdE von unter 25 v.H. anerkannt. Die Klägerin hat dieses Anerkenntnis nicht angenommen.
Sie ist der Auffassung, nach dem Gutachten von Prof. Dr. C. habe sie einen Anspruch auf Versorgungsleistungen nach einer höheren MdE. Des Weiteren sei ein besonderes berufliches Betroffensein bis Dezember 2003 anzuerkennen, da sie nach dem Gutachten von Prof. Dr. C. erst ab Januar 2004 wieder ganztägig habe arbeiten können.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 12. November 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 1997 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, als Folge der Ermordung ihrer Mutter ein posttraumatisches Belastungssyndrom anzuerkennen und ihr ab dem 24. Mai 1995 Versorgungsleistungen auf der Grundlage einer MdE von 40 für die Zeit bis Juli 1996 sowie anschließend eine MdE von 30 zu gewähren sowie bis Dezember 2003 ein besonderes berufliches Betroffensein mit einer Erhöhung der MdE um 10 anzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, soweit die Klägerin einen höheren Anspruch als sein Anerkenntnis vom 27. Oktober 2003 geltend macht.
Der Beklagte ist der Auffassung, dem Gutachten von Prof. Dr. C. könne nicht gefolgt werden. Dazu legt er eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. H. vom 1. Oktober 2004 vor. Danach habe bei der Klägerin zu keiner Zeit das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung bestanden.
Der Senat hat die Verwaltungsakte des Beklagten beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Ergebnisses der Beweisaufnahme und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Auf die Rückverweisung des Bundessozialgerichts war der Bescheid vom 12. November 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 1997 aufzuheben und der Beklagte entsprechend seinem - von der Klägerin nicht angenommenen - Anerkenntnis zu verurteilen, der Klägerin Leistungen des OEG auf der Grundlage einer MdE von 30 für ein Jahr nach dem Tod ihrer Mutter am 24. Mai 1995 zu gewähren. Im Übrigen war die Klage abzuweisen, da die Klägerin keinen weitergehenden Anspruch besitzt.
Nach § 1 Abs. 1 OEG i.V.m. den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen Versorgung, wer infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder gegen eine andere Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Hierbei müssen die anspruchsberechtigten Tatsachen im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG – der schädigende Vorgang, die gesundheitliche Schädigung und die Gesundheitsstörung – grundsätzlich bewiesen sein, also zur vollen richterlichen Überzeugung feststehen. Dagegen muss der für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche ursächliche Zusammenhang nur wahrscheinlich sein. Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn unter Berücksichtigung der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht. Es muss aber ein solcher Grad der Wahrscheinlichkeit bestehen, dass sich darauf vernünftigerweise die Überzeugung vom Kausalzusammenhang stützen kann; die reine Möglichkeit des ursächlichen Zusammenhangs oder ein zeitlicher Zusammenhang genügt nicht (BSG, SozR 4–3800, § 1 Nr. 3 m.w.N.).
Wie das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 8. August 2001 - Az. B 9 VG 1/00 R festgestellt hat, zählt die Klägerin zu dem anspruchsberechtigten Personenkreis der Sekundäropfer des § 1 Abs. 1 OEG. Der Senat verweist wegen der Zugehörigkeit der Klägerin zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach § 1 Abs. 1 OEG auf das auf die Sprungrevision des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. Dezember 1999 ergangene Urteil des Bundessozialgerichts vom 8. August 2001. Der Anblick der toten Mutter am 24. Mai 1995 ist als Ursache für die Entwicklung der sich anschließenden Traumatisierung der Klägerin anzusehen.
Der Senat stützt seine Überzeugung auf das im Berufungsverfahren eingeholte psychiatrisch-psychotherapeutische Gutachten von Prof. Dr. F. vom 14. Juli 2003. Zur Abgrenzung der Frage, ob nach der Ermordung der Mutter bei der Klägerin eine psychopathologische Symptomatik bestand, wie diese sich entwickelte und wie die Verursachung zu beurteilen ist, kam Prof. Dr. F. zu dem Ergebnis, dass der Anblick der ermordeten Mutter für die Klägerin zweifellos ein Erlebnis dramatischer Qualität gewesen ist. Dem entspricht auch die Kausalitätsbeurteilung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 2004 (AHP 2004, Hrsg. Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Bonn 2004, Nr. 71 S. 213 f., die insoweit keine inhaltliche Änderung gegenüber den AHP1996 erfahren haben). Die AHP 2004 haben zwar keine Normqualität, wirken in der Praxis jedoch wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit. Sie haben daher normähnlichen Charakter und sind in ständiger Rechtsprechung wie untergesetzliche Normen heranzuziehen (vgl. BSG, Urteil vom 27. August 1998, a.a.O.; BSGE 72, 285, 286 f. = SozR 3-3870, § 4 Nr. 6 S. 30 f.). Nach Überzeugung des Senats hat die Klägerin als so genanntes Sekundäropfer durch den Tod ihrer Mutter am 24. Mai 1995 eine gesundheitliche Schädigung in Form eines Schocks erlitten.
Durch diese Schädigung hat sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Traumatisierung (Teilsymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung) mit ängstlicher und depressiver Symptomatik als Schädigungsfolge entwickelt. Auch insoweit sind die AHP 2004 heranzuziehen. Die AHP 2004 schaffen damit unter Berücksichtigung der herrschenden Lehre in der medizinischen Wissenschaft eine verlässliche, der Gleichbehandlung dienende Grundlage für die Kausalitätsbeurteilung im sozialen Entschädigungsrecht. Zu den Folgen psychischer Traumen heißt es in Nr. 71 Abs. 1 der AHP 2004: "Durch psychische Traumen bedingte Störungen kommen sowohl nach langdauernden psychischen Belastungen, als auch nach relativ kurzdauernden Belastungen in Betracht, sofern die Belastungen ausgeprägt und mit dem Erleben von Angst und Ausgeliefertsein verbunden waren." Zwar werden dort als Belastungen nur "Kriegsgefangenschaft, rechtsstaatswidrige Haft in der DDR" sowie "Geiselnahme, Vergewaltigung" aufgeführt; bei dieser Aufzählung handelt es sich jedoch ausdrücklich um Beispielsfälle, die den Schweregrad der psychischen Belastung zum Ausdruck bringen sollen. Dieses verdeutlicht auch einen Blick auf den ICD 10. Eine posttraumatische Belastungsstörung wird dort (ICD 10 – F 43) als eine Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß beschrieben, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würden. Hierzu kann nach den herrschenden medizinischen Erkenntnissen auch der gewaltsame Tod eines nahen Angehörigen zählen (vgl. Rundschreiben des BMGS zur Kenntnisnahme des gewaltsamen Todes eines nahen Angehörigen vom 6. August 1996). Folgen psychischer Traumen können auf vielfältige Art in Erscheinung treten. Die AHP 2004, deren Vorgaben die Gerichte und der Beklagte als allgemeine Tatsachen zu beachten haben (vgl. zu AHP 1996 BSG, Urteil vom 27. August 1998 – B 9 VJ 2/97 R –, Juris; BSGE 72, 285, 286 f. = SozR 3-3870, § 4 Nr. 6 S. 30 f.), benennen solche der unterschiedlichsten Art, Ausprägung, Auswirkung und Dauer (vgl. AHP 2004 Nr. 71 Abs. 2 Satz 1). Insbesondere bei Krankheiten, die auf seelischen Einwirkungen beruhen, bestehen - anders als bei körperlichen Verletzungsfolgen - regelmäßig erhebliche Schwierigkeiten, den rechtlich entscheidenden Vorgang - also das die Entschädigungspflicht auslösende Ereignis - als die wesentliche medizinische Ursache festzustellen. Es verbleibt meistens die Unsicherheit, ob nicht andere wesentlich mitwirkende Bedingungen, etwa eine bereits zuvor bestehende Anlage von Krankheitswert, für die Ausbildung einer seelischen Dauererkrankung (des seelischen Dauerschadens) vorhanden sind. Dieses bedeutet, dass im Regelfall zahlreiche Möglichkeiten des Ursachenzusammenhangs bestehen. Wenn jedoch ein Vorgang nach den medizinischen Erkenntnissen - etwa fußend auf dem Erfahrungswissen der Ärzte - in signifikant erhöhtem Maße geeignet ist, eine bestimmte Erkrankung hervorzurufen, liegt die Wahrscheinlichkeit nahe, dass sich bei einem hiervon Betroffenen im Einzelfall die Gefahr einer Schädigung auch tatsächlich verwirklicht hat; die Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit (vgl. BSGE 77, 1, 3 f. = SozR 3-3800, § 1 Nr. 4 S. 11 f.; BSG, Urteil vom 27. August 1998 – B 9 VJ 2/97 R –, Juris). Begründen nun nach Maßgabe dieser allgemeinen Erkenntnisse im Einzelfall Tatsachen einen derartigen Kausalzusammenhang, so ist eine bestärkte Kausalität - eine bestärkte Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs - gegeben, die wiederum nur widerlegbar ist, wenn eine sichere alternative Kausalität festgestellt wird (Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Juni 2003, Az.: 9 Vg 1/02 R = BSGE 99, 107 – 114). Nach dem Gutachten von Prof. Dr. F. waren der gewaltsame Tod ihrer Mutter und der Anblick der Leiche unmittelbar danach für die Klägerin eine katastrophenartige Situation. Die Klägerin reagierte darauf mit einer tiefen Verstörung, die sich in den Stunden und Tagen danach in Symptome einer "akuten Belastungsreaktion" mit innerer Betäubung, Unruhe, Angst und Umherirren zeigte. Nach den vorliegenden Berichten und nach den Angaben der Klägerin bestand zu keinem Zeitpunkt das typische Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung, sondern Teilsymptome. Zusätzlich bestanden Angst und depressive Symptome, die als Ausdruck des Verlustes der Mutter betrachtet werden müssen, aber nicht direkter Ausdruck der Traumatisierung sind. Dieser Teil der Symptomatik ist Ausdruck einer bei der Klägerin schädigungsunabhängig bestehenden Persönlichkeit. Wie die Biografie der Klägerin zeigt, reagiert sie sehr empfindlich und mit Angst und Panik auf drohende oder tatsächliche Verluste. Diese Angstsymptomatik führte im Jahr 1992 zu einer psychotherapeutischen Behandlung ausgelöst durch eine Ehekrise und der sich abzeichnenden Trennung vom Ehemann. Auch in der weiteren Vorgeschichte finden sich Belege für diese Sichtweise. So wies die Klägerin während der Untersuchung wiederholt darauf hin, dass sie nach der Trennung der Eltern bei ihrem Vater blieb. Sie wollte bei demjenigen bleiben, der zurückgelassen werde, da sie wisse, wie schlimm es sei, wenn man verlassen werde. Insgesamt entwickelte die Klägerin nach der Gewalttat vom 24. Mai 1995 ein Mischbild aus einer Teilsymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer depressiven ängstlichen Symptomatik. Damit bestand bei der Klägerin nach Überzeugung des Senats – anders als in dem vom Bundessozialgericht mit Urteil vom 12. Juni 2003 entschiedenen Fall – eine psychische Vorerkrankung, die sich durch das schädigende Ereignis verschlimmert hat.
Das Gutachten von Prof. Dr. C. vom 30. Juli 2004 hat insoweit im Wesentlichen nichts anderes aufgezeigt. Auch Prof. Dr. C. kommt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Klägerin durch den Tod ihrer Mutter am 24. Mai 1995 eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Insoweit ist nicht ausschlaggebend, dass Prof. Dr. C. von einem Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung ausgeht, denn nicht die Diagnose ist vorliegend maßgeblich, sondern das Ausmaß der Beeinträchtigung der psychischen Funktionen.
Die schädigungsbedingte MdE der Klägerin beträgt 30 v.H. für ein Jahr nach dem Tod ihrer Mutter am 24. Mai 1995. Der Senat folgt insoweit dem Gutachten von Prof. Dr. F. vom 14. Juli 2003 und der ergänzenden Stellungnahme vom 11. Juli 2005. Danach besaßen für die Klägerin in dieser Zeit die traumabezogene Psychopathologie und der gewaltsame Tod der Mutter eine stärkere pathologische Bedeutung. Die schädigungsbedingte MdE ist in dem ersten Jahr post eventu mit 30 v.H. auf der Grundlage der AHP 2004, Nr. 26.3 S. 48 zu bewerten. Danach ist eine "stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsmöglichkeit" anzunehmen. Die AHP 2004 geben zur Bewertung einen Rahmen von 30 bis 40 v.H. vor. Dabei ist - gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. F. - das Ausmaß und die Schwere der Beeinträchtigung der psychischen Funktionen der Klägerin im unteren Bereich dieses Rahmens einzuordnen. Es ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin sehr litt, d.h. in ihrer Erlebnisfähigkeit deutlich eingeschränkt war. Trotz des hohen Leidensdrucks war die Klägerin einigermaßen in der Lage, den Anforderungen des Lebens noch gerecht zu werden.
Der Senat konnte dem Gutachten von Prof. Dr. C. in der Bewertung der MdE von 40 v.H. für diese Zeit nicht folgen. Prof. Dr. C. begründet seine Einschätzung der schädigungsbedingten MdE mit 40 für das erste Jahr nach dem gewaltsamen Tod der Mutter u.a. mit der Anwesenheit des Mörders der Mutter im Haus und die Ermittlungsarbeiten der Polizei. Prof. Dr. C. weist insoweit auf die Angaben der Klägerin hin, sie habe in der ersten Zeit Selbstmordgedanken gehabt. Gleichwohl ist nicht von der Entwicklung eines Vollbildes einer posttraumatischen Belastungsstörung auszugehen. Die Annahme von Prof. Dr. C., die Klägerin habe in dem Jahr nach dem Tod der Mutter das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung gezeigt, konnte den Senat nicht überzeugen. In dem Gutachten von Prof. Dr. C. wird keine Abwägung zwischen dem angenommenen Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung mit der von ihm angenommenen dependenten Persönlichkeitsstörung der Klägerin und der belegten Vorgeschichte der Klägerin vorgenommen. Die Feststellung, dass die psychotherapeutische Behandlung der Klägerin vier Monate vor dem gewaltsamen Tod der Mutter beendet wurde, da die Klägerin fast symptomfrei gewesen sei, stellt nach Überzeugung des Senats keine hinreichende Abwägung angesichts einer von 1992 bis Januar 1995 andauernden psychotherapeutischen Behandlung mit stationärem Aufenthalt dar.
Nach Überzeugung des Senats ist für die Folgezeit keine schädigungsbedingte MdE festzustellen. Prof. Dr. F. stellte im Zeitpunkt der Untersuchung am 16. April 2003 bei der Klägerin ein leichtes depressives Syndrom mit somatischen Symptomen fest. Es fand sich eine gedrückte Stimmung, eine Interessen- und Freudlosigkeit, eine Unfähigkeit sich zu freuen und eine Verminderung des Antriebs mit einer erhöhten Ermüdbarkeit, dazu Konzentrationsstörungen, Schuldgefühle, pessimistische Zukunftsperspektiven, Schlafstörungen, innere Unruhe und Ängstlichkeit. Wie im Entlassungsbericht der Abteilungen für Psychosomatik und Psychotherapie D-Stadt vom 24. August 1993 geschildert, bestand bei der Klägerin vor der Ermordung ihrer Mutter eine Angststörung mit klaustro-agroaphobischen Zügen. Die nunmehr anlässlich der Untersuchung durch Prof. Dr. F. festzustellenden - vergleichsweise milden - Angstsymptome rechtfertigen keine eigene Diagnose, sondern sind der depressiven Störung zuzuordnen. Eine posttraumatische Belastungsstörung lag zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht mehr vor. Die für diese Diagnose erforderliche Symptomatik mit Instrusionen und Vermeidungsverhalten fehlte oder war nur andeutungsweise vorhanden. Die Klägerin ist durch den Verlust ihrer Mutter stark belastet und reagiert darauf mit Schuldgefühlen und Depressivität. Dabei handelt es sich aber um keine intrusiven Erlebnisweisen, wie sie für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung vorhanden sein müssen, vielmehr liegt eine Fehlverarbeitung des Verlustes im Sinne einer protrahierten, pathologischen Trauerreaktion vor. Die Teilsymptomatik der posttraumatischen Belastungsstörung hat im Laufe der Jahre abgenommen. Danach ist bis heute nach den AHP 2004 Nr. 26.3 S. 48 die schädigungsbedingte MdE mit 20 v.H. zu bewerten. Der Senat folgt dem Gutachten von Prof. Dr. F ... Es ist nachvollziehbar begründet und lässt keinen Widerspruch gegen Befunderhebung und Beurteilung erkennen. Dem Gutachten von Prof. Dr. F. ist zu entnehmen, dass er die Bewertungen des AHP 2004 und die Vorerkrankung und die Biographie der Klägerin bei der Feststellung der Schädigungsfolge und der Bewertung berücksichtigt hat.
Der Senat konnte sich der Beurteilung von Prof. Dr. C. in seinem Gutachten vom 30. Juli 2004 der schädigungsbedingten MdE für die folgende Zeit nicht anschließen. Für die anschließende Zeit schätzt Prof. Dr. C. die schädigungsbedingte MdE auf 30 ein mit der Begründung, im Zeitpunkt der Untersuchung habe bei der Klägerin noch das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung bestanden. In dem Gutachten von Prof. Dr. C. werden zwar sehr ausführlich die Testergebnisse und die Schilderungen der Klägerin während der Untersuchung beschrieben. Es fehlt jedoch eine systematische Darstellung, welche eigenen Beobachtungen bei der Untersuchung der Klägerin gemacht wurden im Sinne eines Beleges für die gegenwärtig vorhandenen Krankheitssymptome.
Soweit die Klägerin erstmals im Berufungsverfahren einen Anspruch auf Erhöhung der schädigungsbedingten MdE wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins um 10 Prozentpunkte geltend macht, so konnte der Senat wegen einer fehlenden Entscheidung des Beklagten nicht entscheiden.
Bei der Kostenentscheidung nach § 193 SGG war zu berücksichtigen, dass der Beklagte nach Eingang des Gutachtens von Prof. Dr. F. den Anspruch der Klägerin in dem vorliegenden Umfang anerkannt hat, die Klägerin dieses Angebot jedoch nicht angenommen hat.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten aller Instanzen zu 1/2 zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).
Die Klägerin, geboren 1964, beantragte am 28. November 1995 Leistungen nach dem OEG. Dazu gab sie an, sie habe nach der Ermordung ihrer Mutter, Frau I. H., 1995 einen Schockschaden erlitten.
Der Beklagte zog daraufhin die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Darmstadt - Zweigstelle Offenbach am Main - Az. XXXXX - bei. Aus dieser Akte ergibt sich im Wesentlichen folgendes: Die Mutter der Klägerin, geboren 1938, lebte zusammen mit ihrem zweiten Ehemann und Stiefvater der Klägerin, K. O. H., geboren 1952, im Erdgeschoss des eigenen Hauses in der S-Straße in A-Stadt. Die von ihrem Ehemann getrennt lebende Klägerin wohnte mit ihren beiden Kindern im zweiten Stock und im Dachgeschoss des Hauses. Die Wohnung im ersten Stock des Hauses war fremdvermietet. Die Klägerin sagte zu dem Auffinden ihrer Mutter am Morgen des 24. Mai 1995 aus, ihr Stiefvater habe gegen 07:30 Uhr an ihrer Wohnung geklingelt und gesagt, er komme in seine Wohnung nicht hinein, weil der Schlüssel von innen stecken würde. Kurze Zeit später habe sie ihren Stiefvater schreien hören. Er habe immer wieder "Nein, nein, wie konnte sie das nur machen!" gerufen. Sie sei dann in die Wohnung im Erdgeschoss gegangen und habe ihre Mutter in der Küche auf dem Bauch in ihrem Blut liegend gesehen. Für sie sei in diesem Moment klar gewesen, dass ihre Mutter sich die Pulsadern aufgeschnitten habe, obwohl dies überhaupt nicht zu ihr gepasst habe. Ihre Mutter habe fast immer kollabiert, wenn sie Blut gesehen habe. Sie habe die Wohnung betreten können, nachdem ihr Stiefvater die Wohnungstür von innen aufgemacht habe. Er sei im Gesicht und an den Händen blutverschmiert gewesen. Ihr Stiefvater sei vor ihr in die Küche gegangen. Sie habe nur kurz geschaut und gedacht, das kann nicht wahr sein. Sie habe ihre Mutter gesehen und das viele Blut. Zu diesem Zeitpunkt sei ihr klar gewesen, dass ihre Mutter tot sei. Sie habe deshalb keine Hilfeleistungen unternommen. Sie sei zu ihrer Mutter nicht hingegangen. Die herbeigerufene Notärztin und die Polizei gingen von einer Gewalttat gegenüber der Mutter der Klägerin aus; deren Tod ist aufgrund stumpfer Gewalteinwirkung gegen den Kopf und durch Drosselung eingetreten. Die Tote lag in ihrem Blut. Der gesamte Küchenboden war voller Blut und die Küchenschränke mit Blut der Toten bespritzt. Das hinzugezogene Notarztteam musste durch die Blutlache hin- und hergehen. Im Verlauf der weiteren Ermittlungen verdichtete sich der Tatverdacht auf K. O. H ... Das Landgericht Darmstadt verurteilte K. O. H. mit Urteil vom 10. Juli 1996 wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe. Dabei ging das Landgericht davon aus, dass K. O. H. gegen 05:45 Uhr in der Küche der gemeinsamen Wohnung mit einem stumpfen bzw. stumpfkantigen Gegenstand auf die Mutter der Klägerin einschlug und sie anschließend mit einem Damenperlonstrumpf erdrosselte, den er dem Opfer fest um den Hals gebunden und im hinteren Nackenbereich verknotet hatte. Die Klägerin wurde in diesem Verfahren als Zeugin gehört.
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 12. November 1996 die Gewährung von Leistungen nach dem OEG mit der Begründung ab, die Klägerin sei nicht unmittelbar durch den Angriff betroffen gewesen. Der Tod der Mutter sei durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff verursacht worden. Schäden so genannter Drittbetroffener würden zwar grundsätzlich vom OEG erfasst, jedoch nur, wenn sie unmittelbar von dem Angriff betroffen seien. Zwischen dem tätlichen Angriff und der psychischen Belastungsreaktion müsse ein enger örtlicher, zeitlicher und persönlicher Zusammenhang bestehen. Dies sei praktisch nur dann der Fall, wenn der Drittbetroffene Augenzeuge der eigentlichen Tat gewesen sei. Die Klägerin sei später zum Tatort gekommen und sei nach eigenen Aussagen zunächst von einem Selbstmord ihrer Mutter ausgegangen. Ein eigenständiger Opferanspruch nach § 1 Abs. 1 OEG komme damit nicht in Betracht.
Dagegen erhob die Klägerin am 4. Dezember 1996 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 1997 zurückwies. Vorliegend seien die vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung im Rundschreiben vom 6. August 1996 niedergelegten Kriterien beachtet worden. Danach müssten für die Anerkennung eines Schockschadens folgende Kriterien kumulativ vorliegen:
• zwischen Schädigungstatbestand und der Straftat müsse eine "gewisse Nähe" bestehen; dies setze einen unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang voraus; das Überbringen einer Todesnachricht reiche nicht aus,
• zwischen dem unmittelbar betroffenen Opfer und dem Drittgeschädigten müsse eine Sonderbeziehung bestehen; dies sei regelmäßig bei Ehe- und Eltern-/Kindverhältnissen anzunehmen,
• der schädigende Einfluss müsse geeignet sein, einen Schock durch eigenes Erleben auszulösen; dies könne regelmäßig nur bei schweren vorsätzlichen Gewalttaten angenommen werden (z. B. bei Mord, Totschlag, schwerer Körperverletzung),
• der Schock müsse eine nicht nur vorübergehende psychische Störung von Krankheitswert verursacht haben (posttraumatische Belastungsstörung in Abgrenzung zur abnormen Trauerreaktion). Die Klägerin besitze keinen Anspruch, da diese Voraussetzungen vorliegend nicht kumulativ erfüllt seien.
Mit der am 14. Februar 1997 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhobenen Klage verfolgt die Klägerin den geltend gemachten Anspruch weiter.
Sie vertrat die Auffassung, die Rechtsauffassung des Beklagten verstoße gegen die eindeutigen Grundsätze des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 3. November 1979 - Az. 9 RVG 1/78. Zudem sei sie unmittelbar an Ort und Stelle mit dem schrecklichen Tatgeschehen konfrontiert gewesen, als sie ihre ermordete Mutter in der Küche auf dem Bauch in ihrem Blut liegend gesehen habe.
Der Beklagte vertrat die Auffassung, dies allein reiche nicht aus. Die Klägerin habe nach ihren eigenen Angaben die Tötungshandlung nicht selbst miterlebt. Sie sei vielmehr nach Vollendung der Tötungshandlung in die Wohnung ihrer Mutter gekommen und sei nach ihren Angaben auch nicht zu ihrer Mutter gegangen. Das nach der Tat geschehene Auffinden der Getöteten sei nicht geeignet einen Schock durch eigenes Erleben auszulösen.
Das Sozialgericht hat Befundberichte bei Dr. S. vom 17. September 1998 nebst div. Arztbriefen und bei Frau Diplom-Psychologin N. vom 4. September 1998 eingeholt, dem der Entlassungsbericht des Klinischen Zentrums D-Stadt vom 24. August 1993 über eine stationäre Behandlung der Klägerin wegen einer angst-konversionsneurotischen Entwicklung in der Zeit vom 10. Mai bis zum 22. Juni 1993 beigefügt war.
Mit Urteil vom 8. Dezember 1999 verurteilte das Sozialgericht den Beklagten zur Gewährung von Entschädigungsleistungen nach dem OEG. Dazu führte es im Wesentlichen aus, die Klägerin sei ein Opfer im Sinne des OEG und sei unstreitig infolge eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen ihre Mutter erkrankt. Ihre zur Tatzeit weitgehend abgeklungene psychische Erkrankung habe eine gravierende Verschlimmerung erfahren. Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung sei es unerheblich, ob bei der Person, gegen die ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff geführt werde, eine gesundheitliche Schädigung eintrete oder bei einer anderen Person. Entscheidend sei, dass infolge der Tat jemand eine gesundheitliche Schädigung erleide. Das sei vorliegend der Fall. Auf die zugelassene Sprungrevision des Beklagten hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 8. August 2001 das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Hessische Landessozialgericht verwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin zähle zu dem anspruchberechtigten Personenkreis des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG, da sie durch den Angriff auf ihre Mutter nicht nur als mittelbar geschädigt anzusehen sei. Der Grundsatz, dass nur die Folgen unmittelbarer Schädigungen entschädigt werden (Beschluss des Bundessozialgerichts vom 17. Dezember 1997 - Az. 9 BVg 5/97 -) entfalle für den Anwendungsbereich des OEG nicht deshalb, weil nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG auch eine Person anspruchsberechtigt sein könne, die durch einen auf eine andere Person gerichteten Angriff geschädigt werde (aberratio ictus). Eine unmittelbare Schädigung im Gewaltopferrecht sei auch dann anzunehmen, wenn der örtliche Zusammenhang dadurch hergestellt werde, dass eine Person die Nachricht von der Ermordung eines anderen Angehörigen erhalte und daraufhin einen Schock erleide. In einem solchen Falle bilde die Nachrichtenübermittlung eine natürliche Einheit mit dem Tatgeschehen. Der Empfänger der Nachricht eines "besonders schrecklichen Ereignisses" werde nicht etwa nur mittelbar, sondern - wenn auch zeitlich versetzt - unmittelbar geschädigt. Denn erst das Erhalten der Nachricht von der Gewalttat bilde ihm gegenüber das Ende der Gewalttat. Diese Betrachtungsweise stehe im Einklang mit der Zivilrechtsprechung zum Schadensersatz bei Schockschaden. Eine Anlehnung an diese Rechtsprechung der Zivilgerichte liege darin begründet, dass die Ansprüche nach dem OEG - wirtschaftlich betrachtet - eine Art "Ausfallbürgschaft des Staates" für die - oft nicht durchsetzbaren - Schadensersatzforderungen der Opfer (BT-Drucks. 7/4614 S. 3 f.) darstelle. Der vorliegende Fall liege zwischen dem des Augenzeugen und dem der Schädigung durch das Erhalten einer Nachricht. Der vorliegende Fall sei zumindest dem Fall der Schädigung durch Benachrichtigung gleichzustellen. Dabei spiele es keine Rolle, dass hier das Sekundäropfer nicht sogleich beim Anblick der Leiche des nahen Angehörigen sicher sein konnte, dass ein Gewaltverbrechen vorgelegen habe. Maßgeblich seien insoweit lediglich der Eintritt der Schockwirkung und das objektive Vorliegen einer Gewalttat. Ein etwa eingetretener Schockschaden der Klägerin sei somit grundsätzlich entschädigungsfähig. Soweit das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung mit Rundschreiben vom 6. August 1996 als weitere Voraussetzung u. a. eine "besondere Beziehung" zwischen dem Primär- und dem Sekundäropfer fordere, könne dies vorliegend offen bleiben, da eine solche "besondere Beziehung" zweifellos gegeben sei. Gleichwohl sei der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif. Aus dem Urteil des Sozialgerichts gehe nicht hinreichend hervor, ob und in welcher Weise die Klägerin durch den geeigneten Tatbestand (Anblick des Tatorts und der Tatfolgen zur Zeit nach der Tat) eine primäre psychische Schädigung (Schock) erlitten habe. Aus dem Urteil gehe weiterhin nicht hervor, welche Schädigungsfolgen bestünden und welche Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) diese verursache. Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Amts wegen auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet bei Prof. Dr. F ... In seinem am 15. Juli 2003 erstellten Gutachten kommt Prof. Dr. F. zu dem Ergebnis, bei der Klägerin liege ein leichtes depressives Syndrom mit somatischen Symptomen vor. Nach der Gewalttat habe die Klägerin eine Traumatisierung (Teilsymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung) mit ängstlicher und depressiver Symptomatik entwickelt. Dies sei mit Wahrscheinlichkeit auf die Kenntnis der Tat vom 24. Mai 1995 zurückzuführen oder durch diese verschlimmert worden. Die Klägerin neige auf drohende oder erfolgte Verluste - gleich welcher Art -, mit einer ängstlich-depressiven Symptomatik zu reagieren. Dies sei nicht auf die Gewalttat vom 24. Mai 1995 zurückzuführen. Es handele sich hierbei um eine Persönlichkeitseigenschaft. Im ersten Jahr nach dem Ereignis sei eine schädigungsbedingte MdE von 30 und danach bis heute eine schädigungsbedingte MdE von 20 bei einer Gesamt-MdE von 30 gerechtfertigt. Des Weiteren hat der Senat auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten auf psycho-traumatologischem Fachgebiet bei Prof. Dr. C. vom 30. Juli 2004 eingeholt. Prof. Dr. C. kommt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, bei der Klägerin liege noch heute in Folge des schädigenden Ereignisses der Ermordung ihrer Mutter durch ihren Stiefvater am 24. Mai 1995 eine psychosomatische Belastungsstörung vor, begleitet von einer ausgeprägten Angstsymptomatik und depressiven Symptomen. Die genannte Gesundheitsstörung sei mit hoher Wahrscheinlichkeit durch das besagte Ereignis wesentlich ursächlich zurückzuführen. Eine schädigungsunabhängige Gesundheitsstörung habe vor der Tat und später nicht vorgelegen. Ab dem Todestag der Mutter sei die MdE mit 40 gerechtfertigt; für die weitere Zeit sei eine schädigungsbedingte MdE von 30 festzusetzen. Der Senat hat des Weiteren eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. F. vom 11. Juli 2005 eingeholt. Danach stimme er mit Prof. Dr. C. darin überein, dass eine Traumatisierung der Klägerin durch den Tod der Mutter eingetreten sei. Übereinstimmung bestehe auch insoweit, als die Klägerin nach dem Tod der Mutter an einer psychischen Symptomatik gelitten habe, die ursächlich auf das schädigende Ereignis zurück- zuführen sei. Anders als Prof. Dr. C. gehe er nicht von einem Vollbild eines posttraumatischen Belastungssyndroms aus. Dieser Unterschied sei jedoch nicht so entscheidend, da maßgeblicher für die Bestimmung der MdE die Einschätzung des Ausmaßes der Störung sei. Nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) sei eine "stärker behindernde Störung mit wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit" anzunehmen. Nach seiner Einschätzung sei im ersten Jahr nach dem Tod der Mutter diese auf der untersten Stufe des nach den AHP vorgegebenen Rahmens mit einer MdE von 30 zu bewerten. Zwar sei die Erlebnisfähigkeit deutlich eingeschränkt gewesen, jedoch nicht die Gestaltungsfähigkeit der Klägerin in dieser Zeit. So sei sie einigermaßen in der Lage gewesen, den Anforderungen des Lebens gerecht zu werden.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2003 für ein Jahr nach dem schädigenden Ereignis einen "Schockschaden mit Teilsymptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung" mit einer MdE von 30 und für die Folgezeit eine schädigungsbedingte MdE von unter 25 v.H. anerkannt. Die Klägerin hat dieses Anerkenntnis nicht angenommen.
Sie ist der Auffassung, nach dem Gutachten von Prof. Dr. C. habe sie einen Anspruch auf Versorgungsleistungen nach einer höheren MdE. Des Weiteren sei ein besonderes berufliches Betroffensein bis Dezember 2003 anzuerkennen, da sie nach dem Gutachten von Prof. Dr. C. erst ab Januar 2004 wieder ganztägig habe arbeiten können.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 12. November 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 1997 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, als Folge der Ermordung ihrer Mutter ein posttraumatisches Belastungssyndrom anzuerkennen und ihr ab dem 24. Mai 1995 Versorgungsleistungen auf der Grundlage einer MdE von 40 für die Zeit bis Juli 1996 sowie anschließend eine MdE von 30 zu gewähren sowie bis Dezember 2003 ein besonderes berufliches Betroffensein mit einer Erhöhung der MdE um 10 anzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, soweit die Klägerin einen höheren Anspruch als sein Anerkenntnis vom 27. Oktober 2003 geltend macht.
Der Beklagte ist der Auffassung, dem Gutachten von Prof. Dr. C. könne nicht gefolgt werden. Dazu legt er eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. H. vom 1. Oktober 2004 vor. Danach habe bei der Klägerin zu keiner Zeit das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung bestanden.
Der Senat hat die Verwaltungsakte des Beklagten beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Ergebnisses der Beweisaufnahme und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Auf die Rückverweisung des Bundessozialgerichts war der Bescheid vom 12. November 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 1997 aufzuheben und der Beklagte entsprechend seinem - von der Klägerin nicht angenommenen - Anerkenntnis zu verurteilen, der Klägerin Leistungen des OEG auf der Grundlage einer MdE von 30 für ein Jahr nach dem Tod ihrer Mutter am 24. Mai 1995 zu gewähren. Im Übrigen war die Klage abzuweisen, da die Klägerin keinen weitergehenden Anspruch besitzt.
Nach § 1 Abs. 1 OEG i.V.m. den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen Versorgung, wer infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder gegen eine andere Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Hierbei müssen die anspruchsberechtigten Tatsachen im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG – der schädigende Vorgang, die gesundheitliche Schädigung und die Gesundheitsstörung – grundsätzlich bewiesen sein, also zur vollen richterlichen Überzeugung feststehen. Dagegen muss der für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche ursächliche Zusammenhang nur wahrscheinlich sein. Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn unter Berücksichtigung der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht. Es muss aber ein solcher Grad der Wahrscheinlichkeit bestehen, dass sich darauf vernünftigerweise die Überzeugung vom Kausalzusammenhang stützen kann; die reine Möglichkeit des ursächlichen Zusammenhangs oder ein zeitlicher Zusammenhang genügt nicht (BSG, SozR 4–3800, § 1 Nr. 3 m.w.N.).
Wie das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 8. August 2001 - Az. B 9 VG 1/00 R festgestellt hat, zählt die Klägerin zu dem anspruchsberechtigten Personenkreis der Sekundäropfer des § 1 Abs. 1 OEG. Der Senat verweist wegen der Zugehörigkeit der Klägerin zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach § 1 Abs. 1 OEG auf das auf die Sprungrevision des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. Dezember 1999 ergangene Urteil des Bundessozialgerichts vom 8. August 2001. Der Anblick der toten Mutter am 24. Mai 1995 ist als Ursache für die Entwicklung der sich anschließenden Traumatisierung der Klägerin anzusehen.
Der Senat stützt seine Überzeugung auf das im Berufungsverfahren eingeholte psychiatrisch-psychotherapeutische Gutachten von Prof. Dr. F. vom 14. Juli 2003. Zur Abgrenzung der Frage, ob nach der Ermordung der Mutter bei der Klägerin eine psychopathologische Symptomatik bestand, wie diese sich entwickelte und wie die Verursachung zu beurteilen ist, kam Prof. Dr. F. zu dem Ergebnis, dass der Anblick der ermordeten Mutter für die Klägerin zweifellos ein Erlebnis dramatischer Qualität gewesen ist. Dem entspricht auch die Kausalitätsbeurteilung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 2004 (AHP 2004, Hrsg. Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Bonn 2004, Nr. 71 S. 213 f., die insoweit keine inhaltliche Änderung gegenüber den AHP1996 erfahren haben). Die AHP 2004 haben zwar keine Normqualität, wirken in der Praxis jedoch wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit. Sie haben daher normähnlichen Charakter und sind in ständiger Rechtsprechung wie untergesetzliche Normen heranzuziehen (vgl. BSG, Urteil vom 27. August 1998, a.a.O.; BSGE 72, 285, 286 f. = SozR 3-3870, § 4 Nr. 6 S. 30 f.). Nach Überzeugung des Senats hat die Klägerin als so genanntes Sekundäropfer durch den Tod ihrer Mutter am 24. Mai 1995 eine gesundheitliche Schädigung in Form eines Schocks erlitten.
Durch diese Schädigung hat sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Traumatisierung (Teilsymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung) mit ängstlicher und depressiver Symptomatik als Schädigungsfolge entwickelt. Auch insoweit sind die AHP 2004 heranzuziehen. Die AHP 2004 schaffen damit unter Berücksichtigung der herrschenden Lehre in der medizinischen Wissenschaft eine verlässliche, der Gleichbehandlung dienende Grundlage für die Kausalitätsbeurteilung im sozialen Entschädigungsrecht. Zu den Folgen psychischer Traumen heißt es in Nr. 71 Abs. 1 der AHP 2004: "Durch psychische Traumen bedingte Störungen kommen sowohl nach langdauernden psychischen Belastungen, als auch nach relativ kurzdauernden Belastungen in Betracht, sofern die Belastungen ausgeprägt und mit dem Erleben von Angst und Ausgeliefertsein verbunden waren." Zwar werden dort als Belastungen nur "Kriegsgefangenschaft, rechtsstaatswidrige Haft in der DDR" sowie "Geiselnahme, Vergewaltigung" aufgeführt; bei dieser Aufzählung handelt es sich jedoch ausdrücklich um Beispielsfälle, die den Schweregrad der psychischen Belastung zum Ausdruck bringen sollen. Dieses verdeutlicht auch einen Blick auf den ICD 10. Eine posttraumatische Belastungsstörung wird dort (ICD 10 – F 43) als eine Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß beschrieben, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würden. Hierzu kann nach den herrschenden medizinischen Erkenntnissen auch der gewaltsame Tod eines nahen Angehörigen zählen (vgl. Rundschreiben des BMGS zur Kenntnisnahme des gewaltsamen Todes eines nahen Angehörigen vom 6. August 1996). Folgen psychischer Traumen können auf vielfältige Art in Erscheinung treten. Die AHP 2004, deren Vorgaben die Gerichte und der Beklagte als allgemeine Tatsachen zu beachten haben (vgl. zu AHP 1996 BSG, Urteil vom 27. August 1998 – B 9 VJ 2/97 R –, Juris; BSGE 72, 285, 286 f. = SozR 3-3870, § 4 Nr. 6 S. 30 f.), benennen solche der unterschiedlichsten Art, Ausprägung, Auswirkung und Dauer (vgl. AHP 2004 Nr. 71 Abs. 2 Satz 1). Insbesondere bei Krankheiten, die auf seelischen Einwirkungen beruhen, bestehen - anders als bei körperlichen Verletzungsfolgen - regelmäßig erhebliche Schwierigkeiten, den rechtlich entscheidenden Vorgang - also das die Entschädigungspflicht auslösende Ereignis - als die wesentliche medizinische Ursache festzustellen. Es verbleibt meistens die Unsicherheit, ob nicht andere wesentlich mitwirkende Bedingungen, etwa eine bereits zuvor bestehende Anlage von Krankheitswert, für die Ausbildung einer seelischen Dauererkrankung (des seelischen Dauerschadens) vorhanden sind. Dieses bedeutet, dass im Regelfall zahlreiche Möglichkeiten des Ursachenzusammenhangs bestehen. Wenn jedoch ein Vorgang nach den medizinischen Erkenntnissen - etwa fußend auf dem Erfahrungswissen der Ärzte - in signifikant erhöhtem Maße geeignet ist, eine bestimmte Erkrankung hervorzurufen, liegt die Wahrscheinlichkeit nahe, dass sich bei einem hiervon Betroffenen im Einzelfall die Gefahr einer Schädigung auch tatsächlich verwirklicht hat; die Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit (vgl. BSGE 77, 1, 3 f. = SozR 3-3800, § 1 Nr. 4 S. 11 f.; BSG, Urteil vom 27. August 1998 – B 9 VJ 2/97 R –, Juris). Begründen nun nach Maßgabe dieser allgemeinen Erkenntnisse im Einzelfall Tatsachen einen derartigen Kausalzusammenhang, so ist eine bestärkte Kausalität - eine bestärkte Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs - gegeben, die wiederum nur widerlegbar ist, wenn eine sichere alternative Kausalität festgestellt wird (Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Juni 2003, Az.: 9 Vg 1/02 R = BSGE 99, 107 – 114). Nach dem Gutachten von Prof. Dr. F. waren der gewaltsame Tod ihrer Mutter und der Anblick der Leiche unmittelbar danach für die Klägerin eine katastrophenartige Situation. Die Klägerin reagierte darauf mit einer tiefen Verstörung, die sich in den Stunden und Tagen danach in Symptome einer "akuten Belastungsreaktion" mit innerer Betäubung, Unruhe, Angst und Umherirren zeigte. Nach den vorliegenden Berichten und nach den Angaben der Klägerin bestand zu keinem Zeitpunkt das typische Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung, sondern Teilsymptome. Zusätzlich bestanden Angst und depressive Symptome, die als Ausdruck des Verlustes der Mutter betrachtet werden müssen, aber nicht direkter Ausdruck der Traumatisierung sind. Dieser Teil der Symptomatik ist Ausdruck einer bei der Klägerin schädigungsunabhängig bestehenden Persönlichkeit. Wie die Biografie der Klägerin zeigt, reagiert sie sehr empfindlich und mit Angst und Panik auf drohende oder tatsächliche Verluste. Diese Angstsymptomatik führte im Jahr 1992 zu einer psychotherapeutischen Behandlung ausgelöst durch eine Ehekrise und der sich abzeichnenden Trennung vom Ehemann. Auch in der weiteren Vorgeschichte finden sich Belege für diese Sichtweise. So wies die Klägerin während der Untersuchung wiederholt darauf hin, dass sie nach der Trennung der Eltern bei ihrem Vater blieb. Sie wollte bei demjenigen bleiben, der zurückgelassen werde, da sie wisse, wie schlimm es sei, wenn man verlassen werde. Insgesamt entwickelte die Klägerin nach der Gewalttat vom 24. Mai 1995 ein Mischbild aus einer Teilsymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer depressiven ängstlichen Symptomatik. Damit bestand bei der Klägerin nach Überzeugung des Senats – anders als in dem vom Bundessozialgericht mit Urteil vom 12. Juni 2003 entschiedenen Fall – eine psychische Vorerkrankung, die sich durch das schädigende Ereignis verschlimmert hat.
Das Gutachten von Prof. Dr. C. vom 30. Juli 2004 hat insoweit im Wesentlichen nichts anderes aufgezeigt. Auch Prof. Dr. C. kommt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Klägerin durch den Tod ihrer Mutter am 24. Mai 1995 eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Insoweit ist nicht ausschlaggebend, dass Prof. Dr. C. von einem Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung ausgeht, denn nicht die Diagnose ist vorliegend maßgeblich, sondern das Ausmaß der Beeinträchtigung der psychischen Funktionen.
Die schädigungsbedingte MdE der Klägerin beträgt 30 v.H. für ein Jahr nach dem Tod ihrer Mutter am 24. Mai 1995. Der Senat folgt insoweit dem Gutachten von Prof. Dr. F. vom 14. Juli 2003 und der ergänzenden Stellungnahme vom 11. Juli 2005. Danach besaßen für die Klägerin in dieser Zeit die traumabezogene Psychopathologie und der gewaltsame Tod der Mutter eine stärkere pathologische Bedeutung. Die schädigungsbedingte MdE ist in dem ersten Jahr post eventu mit 30 v.H. auf der Grundlage der AHP 2004, Nr. 26.3 S. 48 zu bewerten. Danach ist eine "stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsmöglichkeit" anzunehmen. Die AHP 2004 geben zur Bewertung einen Rahmen von 30 bis 40 v.H. vor. Dabei ist - gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. F. - das Ausmaß und die Schwere der Beeinträchtigung der psychischen Funktionen der Klägerin im unteren Bereich dieses Rahmens einzuordnen. Es ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin sehr litt, d.h. in ihrer Erlebnisfähigkeit deutlich eingeschränkt war. Trotz des hohen Leidensdrucks war die Klägerin einigermaßen in der Lage, den Anforderungen des Lebens noch gerecht zu werden.
Der Senat konnte dem Gutachten von Prof. Dr. C. in der Bewertung der MdE von 40 v.H. für diese Zeit nicht folgen. Prof. Dr. C. begründet seine Einschätzung der schädigungsbedingten MdE mit 40 für das erste Jahr nach dem gewaltsamen Tod der Mutter u.a. mit der Anwesenheit des Mörders der Mutter im Haus und die Ermittlungsarbeiten der Polizei. Prof. Dr. C. weist insoweit auf die Angaben der Klägerin hin, sie habe in der ersten Zeit Selbstmordgedanken gehabt. Gleichwohl ist nicht von der Entwicklung eines Vollbildes einer posttraumatischen Belastungsstörung auszugehen. Die Annahme von Prof. Dr. C., die Klägerin habe in dem Jahr nach dem Tod der Mutter das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung gezeigt, konnte den Senat nicht überzeugen. In dem Gutachten von Prof. Dr. C. wird keine Abwägung zwischen dem angenommenen Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung mit der von ihm angenommenen dependenten Persönlichkeitsstörung der Klägerin und der belegten Vorgeschichte der Klägerin vorgenommen. Die Feststellung, dass die psychotherapeutische Behandlung der Klägerin vier Monate vor dem gewaltsamen Tod der Mutter beendet wurde, da die Klägerin fast symptomfrei gewesen sei, stellt nach Überzeugung des Senats keine hinreichende Abwägung angesichts einer von 1992 bis Januar 1995 andauernden psychotherapeutischen Behandlung mit stationärem Aufenthalt dar.
Nach Überzeugung des Senats ist für die Folgezeit keine schädigungsbedingte MdE festzustellen. Prof. Dr. F. stellte im Zeitpunkt der Untersuchung am 16. April 2003 bei der Klägerin ein leichtes depressives Syndrom mit somatischen Symptomen fest. Es fand sich eine gedrückte Stimmung, eine Interessen- und Freudlosigkeit, eine Unfähigkeit sich zu freuen und eine Verminderung des Antriebs mit einer erhöhten Ermüdbarkeit, dazu Konzentrationsstörungen, Schuldgefühle, pessimistische Zukunftsperspektiven, Schlafstörungen, innere Unruhe und Ängstlichkeit. Wie im Entlassungsbericht der Abteilungen für Psychosomatik und Psychotherapie D-Stadt vom 24. August 1993 geschildert, bestand bei der Klägerin vor der Ermordung ihrer Mutter eine Angststörung mit klaustro-agroaphobischen Zügen. Die nunmehr anlässlich der Untersuchung durch Prof. Dr. F. festzustellenden - vergleichsweise milden - Angstsymptome rechtfertigen keine eigene Diagnose, sondern sind der depressiven Störung zuzuordnen. Eine posttraumatische Belastungsstörung lag zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht mehr vor. Die für diese Diagnose erforderliche Symptomatik mit Instrusionen und Vermeidungsverhalten fehlte oder war nur andeutungsweise vorhanden. Die Klägerin ist durch den Verlust ihrer Mutter stark belastet und reagiert darauf mit Schuldgefühlen und Depressivität. Dabei handelt es sich aber um keine intrusiven Erlebnisweisen, wie sie für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung vorhanden sein müssen, vielmehr liegt eine Fehlverarbeitung des Verlustes im Sinne einer protrahierten, pathologischen Trauerreaktion vor. Die Teilsymptomatik der posttraumatischen Belastungsstörung hat im Laufe der Jahre abgenommen. Danach ist bis heute nach den AHP 2004 Nr. 26.3 S. 48 die schädigungsbedingte MdE mit 20 v.H. zu bewerten. Der Senat folgt dem Gutachten von Prof. Dr. F ... Es ist nachvollziehbar begründet und lässt keinen Widerspruch gegen Befunderhebung und Beurteilung erkennen. Dem Gutachten von Prof. Dr. F. ist zu entnehmen, dass er die Bewertungen des AHP 2004 und die Vorerkrankung und die Biographie der Klägerin bei der Feststellung der Schädigungsfolge und der Bewertung berücksichtigt hat.
Der Senat konnte sich der Beurteilung von Prof. Dr. C. in seinem Gutachten vom 30. Juli 2004 der schädigungsbedingten MdE für die folgende Zeit nicht anschließen. Für die anschließende Zeit schätzt Prof. Dr. C. die schädigungsbedingte MdE auf 30 ein mit der Begründung, im Zeitpunkt der Untersuchung habe bei der Klägerin noch das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung bestanden. In dem Gutachten von Prof. Dr. C. werden zwar sehr ausführlich die Testergebnisse und die Schilderungen der Klägerin während der Untersuchung beschrieben. Es fehlt jedoch eine systematische Darstellung, welche eigenen Beobachtungen bei der Untersuchung der Klägerin gemacht wurden im Sinne eines Beleges für die gegenwärtig vorhandenen Krankheitssymptome.
Soweit die Klägerin erstmals im Berufungsverfahren einen Anspruch auf Erhöhung der schädigungsbedingten MdE wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins um 10 Prozentpunkte geltend macht, so konnte der Senat wegen einer fehlenden Entscheidung des Beklagten nicht entscheiden.
Bei der Kostenentscheidung nach § 193 SGG war zu berücksichtigen, dass der Beklagte nach Eingang des Gutachtens von Prof. Dr. F. den Anspruch der Klägerin in dem vorliegenden Umfang anerkannt hat, die Klägerin dieses Angebot jedoch nicht angenommen hat.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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