L 3 U 68/83

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 106/81
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 68/83
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Es wird daran festgehalten, daß die einseitige Erblindung bei gesundem anderen Auge als Eckwert eine unfallbedingte MdE um 25 v.H. hervorruft.
2. Verliert der Verletzte ein Infolge hochgradiger Myopie, die mit einer MdE tun 20 v.H. bemessen ist, vorgeschädigtes Auge durch Arbeitsunfall, so bewirkt diese Vorschädigung allenfalls eine unfallbedingte MdE um wenigstens 10 v.H.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 22. Dezember 1982 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger wegen des Verlustes des rechten Auges bei Vorschädigung eine Verletztenrente zu zahlen.

Der im Jahre 1936 geborene Kläger erlitt dem Augenarztbericht der Dres. R. und L. (Universitäts-Augenklinik M.) vom 20. Januar 1967 zufolge bei einem Arbeitsunfall am 17. Januar 1967 eine Prellungsverletzung am rechten Auge. Beim Zerschlagen eines Motorblockes mit einem Vorschlaghammer platzte ein Teil ab und schlug ihm gegen das rechte Auge. Während das linke Auge regelrecht war, fand sich bei dem rechten Auge eine unkorrigierte Sehschärfe von 0,05 dptr. Der Kläger wurde stationär behandelt bis zum 21. Januar 1967. Im Entlassungsschreiben an den Hausarzt Dr. S. vom 26. Januar 1967 vermerkten Prof. Dr. S. und Dr. D. u.a., daß die schlechte Sehschärfe des rechten Auges nach Angaben des Klägers schon lange bestanden habe; sie sei auf myopische Dehnungsveränderungen bei hochgradiger Myopie (Kurzsichtigkeit) zurückzuführen. In der Zeit vom 16. Mai bis zum 20. Mai 1967 fand eine weitere stationäre Behandlung in der Universitäts-Augenklinik M. wegen einer Netzhautablösung rechts statt. Nach deren Abschluß konnte der Kläger wieder Handbewegungen in 30 cm Entfernung rechts erkennen. Nach versuchter Korrektur der Totalablösung der Netzhaut 1980 wurde schließlich das rechte Auge am 15. Mai 1981 entfernt. Das 1967 eingeleitete Verwaltungsverfahren endete zunächst ohne förmlichen Abschluß. Auf seinen Antrag vom 16. Mai 1980 auf Gewährung einer Verletztenrente zog die Beklagte die Krankenblattunterlagen der Universitäts-Augenklinik M. von 1967 bis 1980 bei und holte von dieser Klinik das Gutachten des Prof. Dr. S. und des Dr. M. vom 4. November 1980 ein. Darin ist ausgeführt, daß bei dem Kläger eine bereits vor dem Arbeitsunfall bestandene Refraktionsanomalie rechts zu unscharfen Bildern auf der Netzhaut geführt habe. Das rechte Auge habe am Sehakt nicht teilnehmen können. Seine Funktion habe bei maximal 0,05 dptr. gelegen. Das Trauma habe die Netzhautablösung und schließlich völlige Blindheit des Auges bewirkt. Wegen des Vorschadens könne allenfalls eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 5 v.H. angenommen werden. Dem Ergebnis dieses Gutachtens stimmte Prof. Dr. S. (M.) am 5. März 1981 mit der Maßgabe zu, daß die unfallbedingte MdE mit 10 v.H. zu bemessen sei. Hierauf gestützt, lehnte die Beklagte mit dem Bescheid vom 13. Mai 1981 die Gewährung einer Verletztenrente ab, da kein rentenberechtigender Grad der MdE erreicht werde.

Gegen den am gleichen Tage an ihn abgesandten Bescheid vom 13. Mai 1981 legte der Kläger am 11. Juni 1981 bei der Beklagten Widerspruch ein, den diese nach Beschluss ihrer Widerspruchsstelle vom 8. Oktober 1981 dem Sozialgericht Marburg (SG) gemäß § 85 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Klage zugeleitet hat. Die Beklagte hat im Verfahren des ersten Rechtszuges den augenärztlichen Befundbericht des Priv. Dozenten Dr. W. und des Dr. P. (Universitäts-Augenklinik M.) vom 24. Juli 1981 und die Stellungnahmen der Professores Dr. S. und Dr. S. vom 13. August 1981 und vom 29. September 1982 vorgelegt. Auf ihren Inhalt wird verwiesen. Das SG hat zunächst Befundberichte von dem Hausarzt des Klägers Dr. S. und das Vorerkrankungsverzeichnis von der AOK M.-B. beigezogen und von Amts wegen das augenfachärztliche Gutachten des Prof. Dr. D. und des Oberarztes Dr. S. (Zentrum der Augenheilkunde der Universität F.) vom 10. Mai 1982 eingeholt. Darin ist die Auffassung vertreten worden, daß der Kläger vor dem Arbeitsunfall trotz bestehender Disposition zur Netzhautablösung wegen hoher Kurzsichtigkeit in der Nähe über eine gute Sehschärfe verfügt habe. Nach dem Eintritt der Blindheit rechts müsse die unfallbedingte MdE mit 25 v.H. geschätzt werden; dabei sei der Vorschaden berücksichtigt, da sonst die MdE 30 v.H. betragen würde. Das SG hat sodann die Beklagte unter Berufung auf dieses Gutachten am 22. Dezember 1982 verurteilt, dem Kläger ab dem 15. Mai 1981 Verletztenrente nach einem Grad der MdE um 30 v.H. zu gewähren. Wegen der Einzelheiten wird auf das sozialgerichtliche Urteil verwiesen.

Gegen dieses ihr am 5. Januar 1983 zugestellte Urteil hat die Beklagte schriftlich bei dem Hessischen Landessozialgericht (HLSG) am 26. Januar 1983 Berufung eingelegt. Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen, legt die Stellungnahme des sie beratenden Prof. Dr. S. vom 21. Februar 1983 vor und führt zur Begründung der Berufung ergänzend aus: Das SG habe zunächst verkannt, daß der Verlust eines Auges nach den in der Unfallversicherung geltenden Bewertungsmaßstäben mit einer MdE um 25 v.H. und nicht um 30 v.H. gebildet werde. Hiervon abgesehen, sei es unzulässig, bei der MdE-Schätzung das stark vorgeschädigte Auge unberücksichtigt zu lassen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 22. Dezember 1982 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz Ladung weder vertretene noch selbst erschienene Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
von Amts wegen ein Obergutachten einzuholen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Unfall- und Streitakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Ausbleibens bzw. Nichtvertretenseins des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung entscheiden, da sein Prozeßbevollmächtigter in der ordnungsmäßig erfolgten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 110 SGG).

Die mangels Ausschließungsgründen statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher insgesamt zulässig (§§ 143, 145, 151 Abs. 1 SGG).

Sie ist auch begründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil mußte aufgehoben werden, da das SG dieser zu Unrecht stattgegeben hat. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 1981 ist nicht rechtswidrig. Mit ihm hat es die Beklagte rechtsfehlerfrei abgelehnt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 17. Januar 1967 eine Verletztenrente zu gewähren. Die Folgen dieses Arbeitsunfalles bedingen keinen Grad der MdE in rentenberechtigendem Umfange (§ 581 Abs. 1 und 3 der Reichsversicherungsordnung – RVO –).

Zunächst sieht es der Senat aufgrund der Angaben des Klägers sowie der Feststellungen der Beklagten im Verwaltungsverfahren als erwiesen an, daß dieser am 17. Januar 1967 als gegen Arbeitsunfall Versicherter eine Prellungsverletzung des rechten Auges erlitt, als ihm ein Teil eines Motorblockes, den er mit einem Vorschlaghammer zerschlagen wollte, auf das Auge prallte (§§ 539 Abs. 1 Nr. 1, 548 Abs. 1 RVO). Dadurch war es zu oberflächlichen Ritzungen des Unterlides, der Bindehaut und der Hornhaut gekommen. Die Prellung hatte zu einer geringen Einblutung in die vordere Augenkammer und zu Netzhautblutungen geführt. Nach Beendigung der stationären Heilbehandlung am 21. Januar 1967 betrug die Sehschärfe rechts minus 15,0 = 0,05 dptr. und links 1,0 dptr. Dies ist dem Krankenblatt der Universitäts-Augenklinik M. zweifelsfrei zu entnehmen. Aus diesem sowie dem an den Hausarzt des Klägers Dr. S. gerichteten Arztbrief des Prof. Dr. S. und des Dr. D. vom 26. Januar 1967 ergibt sich zur Gewißheit des Senats ferner, daß die schlechte Sehschärfe des rechten Auges bereits vor dem Arbeitsunfall bestanden hatte, wie der Kläger seinerseits damals zugegeben hatte. Der Senat schließt sich der Beurteilung des Prof. Dr. S. und des Prof. Dr. S. dahin an, daß diese schlechte Sehschärfe auf myopische Dehnungsveränderungen bei hochgradiger Myopie zurückzuführen ist und in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall steht. Dies haben Prof. Dr. S. und Prof. Dr. S. mit überwiegenden medizinischen Gründen zutreffend dargelegt. Insoweit gehen sowohl der Kläger als auch die Sachverständigen Prof. Dr. D. und Dr. S. in ihrem Gutachten vom 10. Mai 1982 von einem unzutreffenden Sachverhalt aus.

Ferner sieht es der Senat als erwiesen an, daß aufgrund der traumatisierenden Wirkung der Prellungsverletzung deutliche Veränderungen an der Netzhaut aufgetreten waren, so daß der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und den Netzhautablösungen 1967 und fortwirkend 1980 und 1981 in ursächlichem Zusammenhang stehen. Daraus folgt, daß die einseitige Erblindung des rechten Auges und seine operative Entfernung am 15. Mai 1981 ebenfalls in ursächlichem Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall stehen. Hierüber besteht unter den Gutachtern und Sachverständigen Einigkeit. Sie vertreten lediglich unterschiedliche Auffassung zur Bewertung der unfallbedingten MdE im Hinblick auf den festgestellten Vorschaden. Auch das SG geht, wie den Entscheidungsgründen seines Urteils zu entnehmen ist, erkennbar von dem Vorschaden, nämlich der ausgeprägten Sehschwäche des rechten Auges infolge myopischer Dehnungsveränderungen bei hochgradiger Myopie aus. Es hat sich zur Begründung für den von ihm gebildeten MdE-Satz von 30 v.H. auf das Gutachten des Prof. Dr. D. und des Dr. S. bezogen und gemeint, daß eine Aufteilung von MdE-Sätzen nach unfallbedingten und unfallabhängigen Gesundheitsstörungen unzulässig sei. Damit hat es gegen die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung allgemein anerkannten Grundsätze der Bemessung der MdE verstoßen. Zunächst durfte das SG, wenn es sich schon auf das Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. D. und Oberarzt Dr. S. berief, nicht ohne wohlerwogene und stichhaltige Gründe von deren MdE-Vorschlag mit 25 v.H. abweichen (vgl. BSG, Beschluss vom 17.1.1958 – 10 RV 102/56 – in E 6, 267; HLSG, Urteil vom 10.9.1975 – L 3/U – 1062/74 –). Solche können dem angefochtenen Urteil nicht entnommen werden. Das SG hat – wie auch die Sachverständigen Prof. Dr. D. und Oberarzt Dr. S. ferner übersehen, daß für den einseitigen Augenverlust bei sonst intaktem anderen Auge – wie hier – nach den allgemein anerkannten Bewertungsmaßstäben des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung ein MdE-Satz um 25 v.H. angenommen wird (vgl. Günther-Hymmen, Unfallbegutachtung, 6. Auflage, S. 68; Gramberg-Danielsen und Hülsmeyer, in Augenarzt und gesetzliche Unfallversicherung, Heft 79, S. 57 Nr. 7.2; Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Auflage, Kennzahl 520 S. 12). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist es im Interesse einer gerechten und gleichmäßigen Beurteilung aller Verletzten bei der Bildung der MdE notwendig, Erfahrungswerte, wie sie sich aus solchen privaten Zusammenstellungen von MdE-Tabellen ergeben, heranzuziehen (vgl. HLSG a.a.O. m.w.N. sowie 16.2.1977 L 3/U – 309/76 und 177/77; 28.6.1978 – L 3/U – 1165/73 – in SozSich 1979, 93; BSG, Urteil vom 17.12.1975 – 2 RU 35/75 – in SozR 2200 § 581 RVO Nr. 5; 7.12.1975 – 8 RU 14/76 – in E 43, 53 mit jeweils weiteren Nachweisen). Besondere Umstände, die es rechtfertigen könnten, zugunsten des Klägers davon abzuweichen, liegen hier nicht vor. Dies gilt auch hinsichtlich des bei ihm festgestellten Vorschadens am rechten Auge. Nach der Rechtsprechung des BSG und des Senats kann bei einem Verletzten der Umstand, daß seine Erwerbsfähigkeit im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls bereits gemindert war, nicht unbeachtet bleiben. Die bei einer Vorschädigung unter Berücksichtigung der individuellen Erwerbsfähigkeit des Verletzten vorzunehmende Bemessung der verbliebenen Erwerbsfähigkeit führt in der Regel zu einem höheren Grad der durch den Unfall herbeigeführten MdE. Diese Höherbewertung wird deshalb als gerechtfertigt angesehen, weil im allgemeinen ein schon vorgeschädigter Verletzter durch die Auswirkungen eines Unfalls in stärkerem Maße betroffen wird als ein zur Zeit des Unfalls gesund gewesener Versicherter. Die Bedeutung einer Schädigung für die Erwerbsfähigkeit ist aber stets nach den persönlichen Verhältnissen des Verletzten zu bewerten. Eine Vorschädigung rechtfertigt es daher nicht unter allen Umständen, die unfallbedingte MdE mit einem wesentlich höheren Vomhundertsatz einzuschätzen (vgl. BSG, Urteile vom 29.1.1959 – 2 RU 273/56 – in E 9, 104; 29.4.1964 – 2 RU 155/62 – in E 21, 63; 24.8.1966 – 2 RU 53/62 – in Lauterbachkartei Nr. 6720 zu § 581 RVO; HLSG, Urteile vom 10.3.1976 – L 3/U – 255/74 –; 22.9.1976 – L 3/U – 790/75 –; Strauch in SozVers 1966, 180 ff.; Gramberg-Danielsen/Hülsmeyer a.a.O. S. 61). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Wie bereits oben festgestellt, war das Sehvermögen auf dem rechten Auge vor dem Arbeitsunfall nicht unerheblich eingeschränkt. Aufgrund des Arbeitsunfalles vom 17. Januar 1967 ist das auf diesem Auge noch vorhandene restliche Sehvermögen schließlich 1980 bzw. 1981 vollständig beseitigt worden. Der Senat stimmt dem BSG in seiner Rechtsprechung darin zu, daß die gesetzliche Unfallversicherung nur den durch den jeweiligen Arbeitsunfall herbeigeführten Schaden auszugleichen hat (vgl. BSG, Urteil vom 24.8.1966 – 2 RU 53/62 – in Lauterbachkartei Nr. 6720 zu § 581 RVO). Entgegen der Auffassung des SG ist die MdE allein danach zu bemessen, in welchem Ausmaß das Leistungsvermögen des Verletzten durch den Arbeitsunfall gemindert worden ist. War das Sehvermögen, wie hier, schon nicht unerheblich vorgeschädigt, so konnte die Sehkraft des rechten Auges infolge des Arbeitsunfalls für seine Erwerbsfähigkeit nicht dieselbe Bedeutung haben, wie bei einem unverletzten, normal sehenden Auge. Der Schaden, den der Arbeitsunfall bei einem vorgeschädigten Auge verursacht hat, wird geringer sein als der Verlust des Sehvermögens auf einem gesunden Auge (vgl. BSG a.a.O. m.w.N.). Allerdings darf die MdE nicht rein rechnerisch festgestellt werden. Es ist vielmehr unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen, welche Bedeutung das in seiner Sehfähigkeit geminderte Auge für das Leistungsvermögen und somit für die Erwerbsfähigkeit des Klägers noch gehabt hat und in welchem Maße diese Fähigkeiten durch die Folgen des Arbeitsunfalles eingeschränkt worden sind (vgl. BSG a.a.O.). Eine solche Abwägung lassen weder die Sachverständigen Prof. Dr. D. und Dr. S. in ihrem Gutachten vom 10. Mai 1982 noch das SG im angefochtenen Urteil erkennen. Wie bereits oben ausgeführt, war bei dem Kläger vor dem Arbeitsunfall das rechte Auge in seiner Sehkraft mit 0,05 dptr. erheblich eingeschränkt. Nach der allgemein anerkannten Tabelle der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) entspricht dies einer Erwerbsminderung um 20 v.H. (vgl. Günther-Hymmen, a.a.O., S. 69). Das bedeutet, daß die nunmehrige völlige Erblindung des rechten Auges bzw. die Resektion des Augapfels 1980/81 unter Berücksichtigung des sonst gültigen MdE-Wertes von 25 v.H. nicht zu einem unfallbedingten MdE-Satz über 10 v.H. führen kann. Anders könnte dies nur dann sein, wenn noch weitere Gesundheitsstörungen mit funktionsminderndem Einfluß vorliegen würden. Das ist hier aber nach den erhobenen Befunden in der Universitäts-Augenklinik M. und in dem Zentrum der Augenheilkunde der Universität F. nicht der Fall. Der Senat schließt sich insoweit den zutreffenden und überzeugenden Erwägungen der Professoren Dres. S. und S. nach eigener Überprüfung und Meinungsbildung an. Dazu bedarf es nicht der Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen. Der Kläger verkennt, daß die Einschätzung der MdE im Rahmen des Rechts der freien Beweiswürdigung (§ 128 SGG) allein Sache des Gerichts ist. Sie ist dagegen nicht die eigentliche Aufgabe des ärztlichen Gutachters, dessen Sachkunde sich in erster Linie auf die Feststellung der Befunde und die Auswirkungen der Unfallfolgen erstreckt. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit sich körperliche Beeinträchtigungen auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, können aber keine bindende Wirkung haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.11.1956 – 2 RU 121/56 – iN E 4, 147 m.w.N.; Urteil vom 21.3.1974 – 8/2 RU 55/72 – in Breithaupt 1975, 304, 308; HLSG, Urteil vom 10.9.1975 – L 3/U – 1062/74 –). Einen Beweisantrag nach § 109 SGG hat der Kläger ausdrücklich nicht gestellt.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 193, 160 SGG.
Rechtskraft
Aus
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