S 3 AL 129/00

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 3 AL 129/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Pflicht zur Übernahme der Kosten eines Integrationshelfers.

Der am 00.00.0000 geborene Herr B S beantragte am 29.06.1998 durch seine Erziehungsberechtigten die Bewilligung von Leistungen zur beruflichen Rehabilitation. Das daraufhin eingeholte amtsärztliche Gutachten stellte die Gesundheitsstörungen Herrn S wie folgt dar:

Schwere körperliche Behinderung auf dem Boden einer angeborenen Stoffwechselerkrankung (überwiegend spastische Lähmung von Armen und Beinen, erhebliche Sprachbehinderung, cerebrales Anfallsleiden -z.Zt. unter medikamentöser Behandlung Anfallsfreiheit-).

Es wurde eingeschätzt, dass Herr S auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht eingesetzt werden könne und vermutlich auf eine 1:1-Betreuung angewiesen sei. Weiterhin wurde die Durchführung einer Belastungserprobung/Arbeitserprobung vorgeschlagen.

Der Grad der Behinderung des Herrn S beträgt 100.

Im Zeitraum vom 00.00.1999 bis zum 00.00.1999 absolvierte Herr S erfolgreich eine Arbeitserprobung im Berufsvorbereitungslehrgang "L" in C. Der Maßnahmeträger wies jedoch darauf hin, dass während der Gesamtzeit der Qualifizierung die Unterstützung durch eine persönliche Arbeitsassistenz notwendig sei.

Die Beklagte bewilligte Herrn S mit Bescheid vom 17.09.1999 Ausbildungsgeld, Lehrgangs- und Reisekosten für die Teilnahme an der Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich beim Projekt "L". Herr S nahm im Zeitraum vom 00.00.1999 bis zum 00.00.2001 an dieser integrativen Berufsvorbereitung teil. Während der gesamten Zeit wurde er durch einen Integrationshelfer betreut. Der Umfang der Betreuung durch einen Zivildienstleistenden der Gesellschaft für T e.V. betrug ca.37 Stunden in der Woche. Die Kosten beliefen sich auf 32,00 DM pro Stunde.

Die Klägerin hat als Trägerin der Sozialhilfe diese Kosten zunächst übernommen.

Mit Schreiben vom 10.08.1999 machte die Klägerin einen Erstattungsanspruch hinsichtlich der Kosten des Zivildienstleistenden während des Projektes "L" bei der Beklagten geltend.

Mit Bescheid vom 26.11.1999 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten mit der Begründung ab, dass Kosten für einen Integrationshelfer im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches nicht vorgesehen seien. Ein Integrationshelfer werde im Falle des Herr S auch im täglichen Leben benötigt.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Widerspruch eingelegt. Die Maßnahme sei ohne einen Integrationshelfer nicht durchführbar. Da die Beklagte die Hauptmaßnahme finanziere, sei sie auch der zuständige Kostenträger für den Zivildienstleistenden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2000 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Kosten für einen Integrationshelfer seien keine vom Arbeitsamt zu erbringende Leistung. Personalkosten könnten nur im Rahmen eines Personalschlüssels von 1:6, 1:4 oder 1:2,5 berücksichtigt werden. Im vorliegenden Falle werde der Zivildienstleistende auch außerhalb der Maßnahme zur Betreuung des Herrn S benötigt.

Am 21.06.2000 hat die Klägerin Klage erhoben. Nach amtsärztlicher Sicht sei für eine erfolgreiche Teilnahme an der Maßnahme die Betreuung Herrn S durch einen Zivildienstleistenden unbedingt erforderlich. Der Einsatz des Helfers beschränke sich auf den Zeitraum der Teilnahme am Projekt "L". Im normalen Leben wären diese Kosten Herrn S nicht entstanden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 26.11.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den von der Klägerin aufgewandten Betrag für den Integrationshelfer des Herrn B S im Zeitraum vom 00.00.1999 bis zum 00.00.2001 an die Klägerin zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides und führt ergänzend aus, dass Herrn S auch in seiner Schulzeit ein Integrationshelfer zur Verfügung gestellt wurde. Die Kosten des Zivildienstleistenden seien damit nicht durch die Teilnahme an der integrativen Berufsvorbereitung unmittelbar entstanden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Frau S1 S2, Herrn T1 I und Herrn G I1 zum Umfang der Betreuungsbedürftigkeit des Herrn B S. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 27.09.2001 und 17.01.2002 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Akten der Beklagten verwiesen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid vom 26.11.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2000 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in ihren Rechten.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr übernommenen Kosten des Integrationshelfers für Herrn B S.

Die Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander richten sich nach den §§ 102 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Hat ein vorrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat (§ 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Erstattungsanspruch nach dieser Vorschrift setzt also voraus, dass ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Leistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen und der Berechtigte vorrangig einen Anspruch gegen den erstattungspflichtigen Leistungsträger hat.

§ 103 Abs. 1 SGB X bestimmt den Anspruch des Leistungsträgers, dessen Leistungsverpflichtung nachträglich entfallen ist. Die Klägerin hat als Sozialleistungsträgerin die Kosten für den Integrationshelfer im Zeitraum vom 00.00.1999 bis zum 00.00.2001 übernommen. Die Sozialhilfe ist nach § 2 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) von vornherein nachrangig ausgestattet. Somit lagen die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 SGB X nicht vor, so dass grundsätzlich der Anwendungsbereich des § 104 Abs. 1 SGB X eröffnet ist.

Der Berechtigte, Herr B S, hat jedoch gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für den Integrationshelfer während der Teilnahme am Projekt "L".

Nach Art. 67 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) sind in der vorliegenden Fallkonstellation noch die Vorschriften der §§ 97 ff. Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) i.d.F. vor Inkrafttreten des SGB IX am 01.07.2001 anzuwenden (Bundesgesetzblatt I, S. 1046, 1139).

Nach § 97 Abs. 1 SGB III können Behinderten Leistungen zur Förderung der beruflichen Eingliederung erbracht werden, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre berufliche Eingliederung zu sichern. Dabei können allgemeine und besondere Leistungen für Behinderte erbracht werden (§ 98 Abs. 1 SGB III).

Die besonderen Leistungen sind anstelle der allgemeinen Leistungen, insbesondere zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung einschließlich Berufsvorbereitung sowie blindentechnischer und vergleichbarer spezieller Grundausbildungen zu erbringen, wenn Art oder Schwere der Behinderung oder die Sicherung des Eingliederungserfolges die Teilnahme an einer Maßnahme in einer besonderen Einrichtung für Behinderte oder einer sonstigen auf die besonderen Bedürfnisse Behinderter ausgerichteten Maßnahme unerlässlich machen oder die allgemeinen Leistungen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlichen Leistungen nicht oder nicht in dem erforderlichen Umfang vorsehen (§ 102 Abs. 1 Satz 1 SGB III).

Nach § 103 Nr. 3 SGB III umfassen die besonderen Leistungen u.a. auch die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme.

§ 109 SGB III definiert die Kosten, die bei einer Teilnahme an einer Maßnahme im Sinne des § 102 SGB III erstattet werden können. Die Vorschrift lautet:

(1)

Teilnahmekosten sind die durch die Maßnahme unmittelbar entstehenden

Lehrgangskosten, einschließlich Prüfungsgebühren, die vom Arbeitsamt als angemessen anerkannt oder mit dem Träger der Maßnahme oder der Einrichtung vereinbart sind, Kosten für erforderlich Lernmittel, Kosten für erforderliche Arbeitsausrüstung, Reisekosten, Kosten für Unterbringung und Verpflegung, Kosten für eine Haushaltshilfe oder Kosten für die Betreuung von aufsichtsbedürftigen Kindern, Kosten für eine erforderliche Kranken- und Pflegeversicherung, weitere Aufwendungen, die wegen der Art oder Schwere der Behinderung unvermeidbar entstehen. (2)

Die Teilnahmekosten nach Abs. 1 können Aufwendungen für erforderliche eingliederungsbegleitende Dienste während und im Anschluss an die Maßnahme einschließen. Für Leistungen im Anschluss an die Maßnahme gelten die Vorschriften für die Übergangshilfen nach dem ersten Abschnitt des Sechsten Kapitels entsprechend.

§ 109 Abs. 1 Nr. 8 SGB III enthält eine Generalklausel, die die Arbeitsämter ermächtigt, neben den in Abs. 1 Nr. 1 - 7 vorgesehenen Kosten weitere Aufwendungen zu erbringen (Niesel, SGB III, § 109 Rdz. 10; Götze in GK-SGB III, § 109 Rdz. 13; Lauterbauch in Gagel, SGB III, § 109 Rdz. 15). Zu den erstattungsfähigen Aufwendungen gehören nach Ansicht der Kammer grundsätzlich auch die Kosten, die ein Schwerbehinderter für die vorübergehende Inanspruchnahme einer Hilfskraft (z.B. Begleitperson, Orientierungshelfer) wegen der Teilnahme an der Maßnahme aufzuwenden hat (so auch Großmann in Hauck/Noftz, SGB III, § 109 Rdz. 30). Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Kosten unmittelbar und unvermeidbar wegen Art und Schwere der Behinderung entstehen. Das Merkmal der Unmittelbarkeit erfordert für die Erstattung von Maßnahmekosten eine enge kausale Verknüpfung zwischen den entstehenden notwendigen Kosten und der Weiterbildungsmaßnahme in dem Sinne, dass sie ohne die Teilnahme an dem Lehrgang nicht entstanden wären (BSG, Urteil vom 16.09.1998, B 11 AL 19/98 R).

Das Gericht ist nach eingehender Würdigung der Zeugenaussagen zu der Auffassung gelangt, dass hier ein solch unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Integrationshelferkosten und dem integrativen Berufsvorbereitungslehrgang beim Projekt "L" nicht vorlag. Die Mutter des Herrn B S hat im Rahmen ihrer Vernehmung als Zeugin detailliert und glaubhaft geschildert, dass ihr Sohn spätestens ab dem 4. Schuljahr aufgrund seiner schwerwiegenden Behinderungen auf die ganztägige Betreuung durch einen Zivildienstleistenden und durch Angehörige angewiesen war. Unmittelbar nach Abschluss der Schulzeit schloss sich dann die Maßnahme im Projekt "L" an, die wiederum nur durch die individuelle Betreuung eines Zivildienstleistenden ermöglicht wurde. Auch nach Beendigung des Arbeitstrainings und im Rahmen seiner sich anschließenden Tätigkeit in einer Werkstatt für Behinderte benötigte Herr B S eine umfassende Betreuung. Auch der Zeuge I, der Herrn S während des Projekts "L" betreute, schätzte in seiner Vernehmung ein, dass Herr S ohne Integrationshelfer an der Maßnahme nicht hätte teilnehmen können. Er habe auf ihn aufgrund der epileptischen Anfälle in der Vergangenheit ständig aufpassen müssen. Der Einsatzleiter des Integrationshelfers, der Zeuge I1, bestätigt die Aussage des Zeugen I. Aufgrund der schwerwiegenden Behinderung des Herrn S sei dieser praktisch bei allen Verrichtungen des täglichen Lebens auf Unterstützung angewiesen. Während der Schulzeit sei Herr S auch im Freizeitbereich durch Zivildienstleistende der Gesellschaft für T e.V. betreut worden.

Aufgrund dieser Aussagen muss davon ausgegangen werden, dass die Betreuungskosten für Herrn S auch dann entstanden wären, wenn er an der Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich nicht teilgenommen hätte. Während des weiteren Schulbesuchs wäre auch dann die Betreuung eines Zivildienstleistenden notwendig gewesen. Dafür spricht auch die Tatsache, dass Herr S heute in seiner Tätigkeit in der Werkstatt für Behinderte erneut durch Zivildienstleistende betreut werden muss. Nach Aussage seiner Mutter gilt dies auch weiterhin für die Gestaltung seiner Freizeit.

Ein Anspruch auf Ersatz der Kosten des Integrationshelfers während des Projekts "L" kann daher aus § 109 Abs. 1 Nr. 8 SGB III nicht hergeleitet werden.

Ein solcher Anspruch besteht auch nicht aufgrund der Vorschrift des § 109 Abs. 2 Satz 1 SGB III. Danach sind auch Teilnahmekosten nach Abs. 1 für erforderliche eingliederungsbegleitende Dienste während und im Anschluss der Maßnahme zu übernehmen. Dies sind nach der Legaldefinition des § 241 Abs. 1 Satz 1 SGB III Maßnahmen, die eine betriebliche Ausbildung unterstützen und über betriebs- und ausbildungsübliche Inhalte hinausgehen.

Es kann nach Auffassung des Gerichts hier dahingestellt bleiben, ob die Kosten des Integrationshelfers überhaupt als Kosten für eingliederungsbegleitende Dienste einzustufen sind. Auch nach § 109 Abs. 2 Satz 1 SGB III müssen die Teilnahmekosten unmittelbar entstehen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, der auf Absatz 1 verweist. Wie oben bereits ausführlich dargestellt, waren die Integrationshelferkosten im Zeitraum vom 00.00.1999 bis zum 00.00.2001 nicht unmittelbar durch die Teilnahme am Projekt "L" entstanden.

Ein Anspruch des Berechtigten, Herrn B S, auf Übernahme der Integrationshelferkosten gegen die Beklagte als vorrangigen Leistungsträger besteht nicht.

Die Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind nicht erfüllt, so dass die Klägerin keinen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte geltend machen kann.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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