Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KR 55/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 235/03
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Mit seiner Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Neuversorgung mit einem behindertengerechten Dreirad.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger leidet an geistiger Minderbegabung bei frühkindlichem Hirnschaden sowie einer schweren Hüftdysplasie, Fußdeformität und rechtsseitiger Beinverkürzung mit hieraus resultierender schwerer Gangbehinderung. Von der Beklagten ist er insoweit mit einem Aktivrollstuhl bzw. seit September 1991 mit einem behindertengerechten Dreirad versorgt.
Gestützt auf eine ärztliche Bescheinigung von Dr. H, Arzt für Allgemeinmedizin in I (vom 25.08.2001), beantragte der Kläger wegen irreparablem Zustand des vorhandenen Dreirades die Übernahme der Kosten für eine Neuanschaffung; Dr. H wies dabei darauf hin, daß zur Fortbewegung und Sicherstellung außerhäuslicher Sozialkontakte der Kläger auf die Benutzung des Rades angewiesen sei.
Mit Bescheid vom 20.02.2002 lehnte die Beklagte die beantragte Kostenübernahme mit der Begründung ab, behindertengerechte Dreiräder unterfielen nur bei Kindern mit neuromuskulären Erkrankungen der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Hiergegen erhob der Kläger am 05.03.2002 Widerspruch mit der Begründung, ohne Benutzung des Dreirades nur kürzeste Strecken mühsam und unter Schmerzen zurücklegen zu können und somit gezwungen zu sein, viele seiner Aktivitäten zu unterlassen; alternativ drohe auch die Notwendigkeit der Benutzung eines motorbetriebenen Rollstuhles. Widerspruchsunterstützend verwies er auf eine neuerliche ärztliche Bescheinigung von Dr. H (vom 23.02.2002) sowie seines behandelnden Orthopäden Dr. N, H (vom 15.05.2002), welcher ebenfalls die Versorgung zum Erhalt seiner Mobilität befürwortete, im übrigen darauf hinwies, dass durch regelmäßige Mobilisierung des Hüftgelenkes ohne Belastung eine sonst baldig drohende Operation weiter hinausgezögert würde. Die Beklagte holte hierauf von Dr. O-C, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) Westfalen-Lippe, ein sozialmedizinisches Gutachten (vom 06.06.2002) ein, welche darauf hinwies, dass nachgesuchte behindertengerechte Dreirad sei jedenfalls bei Erwachsenen kein anerkanntes Hilfsmittel zur Verbesserung der Mobilität; im übrigen käme beim Kläger Heilmittelanwendung in Betracht; diesbezüglich hatte bereits Dr. N, MDK Westfalen-Lippe, in einem früheren sozialmedizinischen Gutachten vom 22.02.2002 zum Erhalt und zur Förderung der Mobilität des Klägers bzw. einer eventuellen Operation vorzubeugen, eine intensive dauerhafte krankengymnastische Übungsbehandlung befürwortet, welche auch im Rahmen einer Langfristverordnung erfolgen könne. Dementsprechend wurde dem Kläger nachfolgend Krankengymnastik außerhalb des Regelfalles verordnet und bewilligt. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2002 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, Mobilitätshilfen wie die nachgesuchte kommen nur für Kinder und Jugendliche zur Förderung deren Entwicklung in Betracht; für Erwachsene stünden unter Therapieaspekten wirtschaftlichere Behandlungsmaßnahmen zur Verfügung; auch eingeschränkte Mobilität könne ein Bedürfnis nach Unterstützung der Fortbewegung über längere Wegstrecken sowie einer schnelleren Fortbewegung die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht begründen.
Hiergegen richtet sich die am 19.09.2002 erhobene Klage, mit welcher der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Klageunterstützend beruft er sich auf die Stellungnahmen seiner seinen Antrag befürwortenden Ärzte und weist darauf hin, dass im Falle der Nichtversorgung eine Versteifung der Hüfte mit Notwendigkeit anschließender Operation drohe. Neben dem Aspekt der Förderung der Mobilität diene somit das behindertengerechte Dreirad der Sicherung des Erfolges seiner Krankenbehandlung; über ein diesen Zweck ansonsten erfüllendes Trainingsgerät verfüge er nicht. Auch sei das Dreirad unter dem Aspekt der Reduzierung täglicher krankengymnastischer Maßnahmen bzw. Wegfall von Krankentransporten zu derartigen Maßnahmen die kostengünstigere Möglichkeit.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.02.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2002 zu verurteilen, ihn mit einem Therapie-Dreirad zu versorgen, hilfsweise durch Einholung eines Gutachtens von Amts wegen Beweis über die Frage der Notwendigkeit einer derartigen Versorgung zu erheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht zunächst die Ausführungen ihres Widerspruchsbescheides zum Gegenstand ihrer Klageerwiderung und vertritt die Auffassung, vorrangig komme für den Kläger Heilmittelanwendung zur Vermeidung der Verschlimmerung der Erkrankung bzw. Sicherung des Behandlungserfolges in Betracht. Im übrigen sei der angestrebte therapeutische Erfolg durch andere, als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehende, nicht in die Leistungspflicht der Krankenversicherung fallende Geräte günstiger zu erreichen, was einen Leistungsanspruch ebenfalls ausschlösse. Auch der verständliche Wunsch nach Mobilität begründe keine Leistungspflicht, da sich diese lediglich auf Gestellung solcher Mittel erstrecke, deren Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt würden; dabei seien die zu den Grundbedürfnissen zählenden körperlichen Grundfunktionen im Sinne eines Basisausgleichs und nicht im Sinne unbegrenzter Mobilitätsmöglichkeiten eines Gesunden zu verstehen, so dass hinsichtlich der Bewegungsfreiheit als Grundbedürfnis auf diejenigen Entfernungen abzustellen sei, die ein Gesunder üblicherweise zurücklege.
Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Versorgung mit dem von ihm begehrten behindertengerechten Dreirad zu. Von daher ist er durch den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 20.02.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2002 nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 des 5. Buches des Sozialgesetzbuches -SGB V- haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Bei dem streitigen behindertengerechten Dreirad handelt es sich insoweit nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, weil es speziell für die Bedürfnisse behinderter Menschen konstruiert worden ist und nur von Behinderten eingesetzt wird (BSG SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 33).
Das Dreirad ist jedoch nicht erforderlich zum Ausgleich der beim Kläger bestehenden Behinderungen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) fällt insoweit die Ermöglichung des Fahrradfahrens für einen behinderten Menschen grundsätzlich nicht in die Leistungspflicht, da der gesetzlichen Krankenversicherung allein die medizinische Rehabilitation obliegt, d. h. die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation, welche auch die Versorgung mit einem Hilfsmittel umfassen kann, ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (BSG SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 32). Die Förderung der Selbstbestimmung des behinderten Menschen und seiner gleichberechtigten Teilhabe an Leben in der Gemeinschaft durch Versorgung mit Hilfsmitteln begründet nur dann die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn sie die Auswirkungen der Behinderung nicht nur in einem bestimmten Lebensbereich (Beruf/Gesellschaft/Freizeit), sondern im gesamten täglichen Leben (allgemein) beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft (BSG SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 5, 27, 29 und 32). Zu den derartigen Grundbedürfnissen gehören dabei neben allgemeinen Verrichtungen des täglichen Lebens wie Gehen, Stehen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Körperpflege etc. auch die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraumes zur Aufnahme von Informationen und Kommunikation mit anderen. Ist insoweit die Fähigkeit des Gehens, Laufens, Stehens durch eine Behinderung beeinträchtigt, richtet sich die Notwendigkeit eines Hilfsmittels in erster Linie danach, ob dadurch der Bewegungsradius in dem Umfang erweitert wird, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht; zutreffend weist dabei die Beklagte darauf hin, dass die zu den Grundbedürfnissen zählenden körperlichen Grundfunktionen im Sinne eines Basisausgleichs und nicht im Sinne unbegrenzter Mobilitätsmöglichkeiten eines Gesunden zu verstehen sind, so dass bei Bestimmung der Bewegungsfreiheit als Grundbedürfnis auf diejenigen Entfernungen abzustellen ist, welche ein Gesunder üblicherweise zu Fuß zurücklegt (BSG SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 7; Urteil vom 16.09.1999 - Az. B 3 KR 8/98 R - und Urteil vom 23.07.2002 - Az. B 3 KR 3/02 R -). Dient insoweit ein behindertengerechtes Fahrzeug dem Zweck, einen größeren Radius als Fußgänger zu erreichen, so ist es grundsätzlich nicht im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V erforderlich. Ausnahmen sind nach ständiger Rechtsprechung des BSG dann zu machen, wenn das Fahrzeug ein weitergehendes Grundbedürfnis deckt. Derartige Umstände hat das Gericht bei behinderten Kindern und Jugendlichen angenommen, wobei sich hier die Notwendigkeit der Hilfsmittelversorgung nicht aus der quantitativen Erweiterung des Bewegungsradius, sondern aus dem Gesichtspunkt der Integration des behinderten Kindes/Jugendlichen in das Lebensumfeld nichtbehinderter Gleichaltriger ergab. Ebenso gefestigte Rechtsprechung ist jedoch, dass diese Argumentation auf Erwachsene nicht anwendbar ist und insoweit die Versorgung eines solchen mit einem Therapie-Dreirad oder z. B. einem sog. Rollstuhl-Bike nicht zu den von der gesetzlichen Krankenkasse geschuldeten Leistungen gehört, weil das Gerät für Erwachsene kein Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V, jedenfalls unter dem dargelegten Aspekt des Behindertenausgleichs und der Befriedigung der Grundbedürfnisse (BSG in SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 31), ist.
Das nachgesuchte behindertengerechte Dreirad ist zum weiteren auch nicht unter therapeutischen Aspekten erforderlich, um nämlich den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern. Zwar konstatiert sowohl der MDK in seinem Gutachten vom 22.02.2002 deckungsgleich mit dem behandelnden Orthopäden Dr. N, daß die Erhaltung und Förderung der Mobilität, auch unter dem Aspekt, eine eventuell drohende Operation der Hüfte infolge von Versteifung vorzubeugen, notwendig ist. Dies ist jedoch nicht ausreichend, da bei derartigen therapeutischen Effekten und auch nur Nebeneffekten das BSG nur dann eine Leistungspflicht angenommen hat (Urteil vom 30.01.2001 - B 3 KR 6/00 R -), wenn zum einen ein vergleichbarer therapeutischer Erfolg weder durch ärztliche noch krankengymnatische Behandlungsmaßnahmen, noch zum anderen durch ein anderes, als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehendes Gerät, hinsichtlich dessen gemäß § 33 Abs. 1 SGB V keine Leistungspflicht besteht, zu erreichen wäre. Im vorliegenden Fall kann insoweit dahinstehen, ob der gleiche Bewegungs- und Förderungseffekt durch Benutzung des behindertengerechten Dreirades auch durch intensive krankengymnastische Übungsbehandlungen -solche sind dem Kläger seit Februar 2002 als Langfristverordnung außerhalb des Regelfalles bewilligt worden- erzielt werden kann, da unzweifelhaft der gewünschte Effekt durch ein Heimfahrrad (Heimtrainer) in gleichem Maße zu erreichen wäre; dem Gericht sind insoweit keine Gründe ersichtlich, aus welchen einem solchen Gebrauchsgegenstand zur Bewegungsförderung ein geringerer therapeutischer Effekt zukommen sollte, zumal mit einem solchen Gebrauchsgegenstand die individuelle Belastung des Klägers infolge Unabhängigsein äußerer Umgebungseinflüsse besser berücksichtigt werden könnte. Dass der Kläger nicht in der Lage ist, sich ein derartiges, unzweifelhaft als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehendes Gerät -es ist nämlich nicht speziell für die Bedürfnisse von behinderten Menschen konstuiert und wird auch in einer Vielzahl von nichtbehinderten Menschen eingesetzt- aus finanziellen Gründen nicht zu beschaffen, ist insoweit irrelevant.
Die Klage war daher abzuweisen.
Unabhängig von obigen Ausführungen will das Gericht nicht verhehlen, dass unter Berücksichtigung der im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowie der vorbereitenden Schriftsätze dargelegten Kostenaspekte, nämlich dass durch den Einsatz des behindertengerechten Dreirades es zum einen ermöglicht wird, die ansonsten notwendigen krankengymnastischen, kontinuierlichen Bewegungsübungen zu minimieren, zum anderen Krankentransport- und Fahrtkosten zur Behandlungsstätte wegfallen, es angebracht und sinnvoll erscheint, dass die Beteiligten einvernehmlich nach einer möglichst dem Anliegen des Klägers weitgehend rechnungtragenden Lösung suchen, um die Solidargemeinschaft der Versicherten von Mehrkosten zu entlasten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Mit seiner Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Neuversorgung mit einem behindertengerechten Dreirad.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger leidet an geistiger Minderbegabung bei frühkindlichem Hirnschaden sowie einer schweren Hüftdysplasie, Fußdeformität und rechtsseitiger Beinverkürzung mit hieraus resultierender schwerer Gangbehinderung. Von der Beklagten ist er insoweit mit einem Aktivrollstuhl bzw. seit September 1991 mit einem behindertengerechten Dreirad versorgt.
Gestützt auf eine ärztliche Bescheinigung von Dr. H, Arzt für Allgemeinmedizin in I (vom 25.08.2001), beantragte der Kläger wegen irreparablem Zustand des vorhandenen Dreirades die Übernahme der Kosten für eine Neuanschaffung; Dr. H wies dabei darauf hin, daß zur Fortbewegung und Sicherstellung außerhäuslicher Sozialkontakte der Kläger auf die Benutzung des Rades angewiesen sei.
Mit Bescheid vom 20.02.2002 lehnte die Beklagte die beantragte Kostenübernahme mit der Begründung ab, behindertengerechte Dreiräder unterfielen nur bei Kindern mit neuromuskulären Erkrankungen der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Hiergegen erhob der Kläger am 05.03.2002 Widerspruch mit der Begründung, ohne Benutzung des Dreirades nur kürzeste Strecken mühsam und unter Schmerzen zurücklegen zu können und somit gezwungen zu sein, viele seiner Aktivitäten zu unterlassen; alternativ drohe auch die Notwendigkeit der Benutzung eines motorbetriebenen Rollstuhles. Widerspruchsunterstützend verwies er auf eine neuerliche ärztliche Bescheinigung von Dr. H (vom 23.02.2002) sowie seines behandelnden Orthopäden Dr. N, H (vom 15.05.2002), welcher ebenfalls die Versorgung zum Erhalt seiner Mobilität befürwortete, im übrigen darauf hinwies, dass durch regelmäßige Mobilisierung des Hüftgelenkes ohne Belastung eine sonst baldig drohende Operation weiter hinausgezögert würde. Die Beklagte holte hierauf von Dr. O-C, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) Westfalen-Lippe, ein sozialmedizinisches Gutachten (vom 06.06.2002) ein, welche darauf hinwies, dass nachgesuchte behindertengerechte Dreirad sei jedenfalls bei Erwachsenen kein anerkanntes Hilfsmittel zur Verbesserung der Mobilität; im übrigen käme beim Kläger Heilmittelanwendung in Betracht; diesbezüglich hatte bereits Dr. N, MDK Westfalen-Lippe, in einem früheren sozialmedizinischen Gutachten vom 22.02.2002 zum Erhalt und zur Förderung der Mobilität des Klägers bzw. einer eventuellen Operation vorzubeugen, eine intensive dauerhafte krankengymnastische Übungsbehandlung befürwortet, welche auch im Rahmen einer Langfristverordnung erfolgen könne. Dementsprechend wurde dem Kläger nachfolgend Krankengymnastik außerhalb des Regelfalles verordnet und bewilligt. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2002 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, Mobilitätshilfen wie die nachgesuchte kommen nur für Kinder und Jugendliche zur Förderung deren Entwicklung in Betracht; für Erwachsene stünden unter Therapieaspekten wirtschaftlichere Behandlungsmaßnahmen zur Verfügung; auch eingeschränkte Mobilität könne ein Bedürfnis nach Unterstützung der Fortbewegung über längere Wegstrecken sowie einer schnelleren Fortbewegung die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht begründen.
Hiergegen richtet sich die am 19.09.2002 erhobene Klage, mit welcher der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Klageunterstützend beruft er sich auf die Stellungnahmen seiner seinen Antrag befürwortenden Ärzte und weist darauf hin, dass im Falle der Nichtversorgung eine Versteifung der Hüfte mit Notwendigkeit anschließender Operation drohe. Neben dem Aspekt der Förderung der Mobilität diene somit das behindertengerechte Dreirad der Sicherung des Erfolges seiner Krankenbehandlung; über ein diesen Zweck ansonsten erfüllendes Trainingsgerät verfüge er nicht. Auch sei das Dreirad unter dem Aspekt der Reduzierung täglicher krankengymnastischer Maßnahmen bzw. Wegfall von Krankentransporten zu derartigen Maßnahmen die kostengünstigere Möglichkeit.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.02.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2002 zu verurteilen, ihn mit einem Therapie-Dreirad zu versorgen, hilfsweise durch Einholung eines Gutachtens von Amts wegen Beweis über die Frage der Notwendigkeit einer derartigen Versorgung zu erheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht zunächst die Ausführungen ihres Widerspruchsbescheides zum Gegenstand ihrer Klageerwiderung und vertritt die Auffassung, vorrangig komme für den Kläger Heilmittelanwendung zur Vermeidung der Verschlimmerung der Erkrankung bzw. Sicherung des Behandlungserfolges in Betracht. Im übrigen sei der angestrebte therapeutische Erfolg durch andere, als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehende, nicht in die Leistungspflicht der Krankenversicherung fallende Geräte günstiger zu erreichen, was einen Leistungsanspruch ebenfalls ausschlösse. Auch der verständliche Wunsch nach Mobilität begründe keine Leistungspflicht, da sich diese lediglich auf Gestellung solcher Mittel erstrecke, deren Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt würden; dabei seien die zu den Grundbedürfnissen zählenden körperlichen Grundfunktionen im Sinne eines Basisausgleichs und nicht im Sinne unbegrenzter Mobilitätsmöglichkeiten eines Gesunden zu verstehen, so dass hinsichtlich der Bewegungsfreiheit als Grundbedürfnis auf diejenigen Entfernungen abzustellen sei, die ein Gesunder üblicherweise zurücklege.
Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Versorgung mit dem von ihm begehrten behindertengerechten Dreirad zu. Von daher ist er durch den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 20.02.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2002 nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 des 5. Buches des Sozialgesetzbuches -SGB V- haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Bei dem streitigen behindertengerechten Dreirad handelt es sich insoweit nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, weil es speziell für die Bedürfnisse behinderter Menschen konstruiert worden ist und nur von Behinderten eingesetzt wird (BSG SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 33).
Das Dreirad ist jedoch nicht erforderlich zum Ausgleich der beim Kläger bestehenden Behinderungen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) fällt insoweit die Ermöglichung des Fahrradfahrens für einen behinderten Menschen grundsätzlich nicht in die Leistungspflicht, da der gesetzlichen Krankenversicherung allein die medizinische Rehabilitation obliegt, d. h. die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation, welche auch die Versorgung mit einem Hilfsmittel umfassen kann, ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (BSG SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 32). Die Förderung der Selbstbestimmung des behinderten Menschen und seiner gleichberechtigten Teilhabe an Leben in der Gemeinschaft durch Versorgung mit Hilfsmitteln begründet nur dann die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn sie die Auswirkungen der Behinderung nicht nur in einem bestimmten Lebensbereich (Beruf/Gesellschaft/Freizeit), sondern im gesamten täglichen Leben (allgemein) beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft (BSG SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 5, 27, 29 und 32). Zu den derartigen Grundbedürfnissen gehören dabei neben allgemeinen Verrichtungen des täglichen Lebens wie Gehen, Stehen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Körperpflege etc. auch die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraumes zur Aufnahme von Informationen und Kommunikation mit anderen. Ist insoweit die Fähigkeit des Gehens, Laufens, Stehens durch eine Behinderung beeinträchtigt, richtet sich die Notwendigkeit eines Hilfsmittels in erster Linie danach, ob dadurch der Bewegungsradius in dem Umfang erweitert wird, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht; zutreffend weist dabei die Beklagte darauf hin, dass die zu den Grundbedürfnissen zählenden körperlichen Grundfunktionen im Sinne eines Basisausgleichs und nicht im Sinne unbegrenzter Mobilitätsmöglichkeiten eines Gesunden zu verstehen sind, so dass bei Bestimmung der Bewegungsfreiheit als Grundbedürfnis auf diejenigen Entfernungen abzustellen ist, welche ein Gesunder üblicherweise zu Fuß zurücklegt (BSG SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 7; Urteil vom 16.09.1999 - Az. B 3 KR 8/98 R - und Urteil vom 23.07.2002 - Az. B 3 KR 3/02 R -). Dient insoweit ein behindertengerechtes Fahrzeug dem Zweck, einen größeren Radius als Fußgänger zu erreichen, so ist es grundsätzlich nicht im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V erforderlich. Ausnahmen sind nach ständiger Rechtsprechung des BSG dann zu machen, wenn das Fahrzeug ein weitergehendes Grundbedürfnis deckt. Derartige Umstände hat das Gericht bei behinderten Kindern und Jugendlichen angenommen, wobei sich hier die Notwendigkeit der Hilfsmittelversorgung nicht aus der quantitativen Erweiterung des Bewegungsradius, sondern aus dem Gesichtspunkt der Integration des behinderten Kindes/Jugendlichen in das Lebensumfeld nichtbehinderter Gleichaltriger ergab. Ebenso gefestigte Rechtsprechung ist jedoch, dass diese Argumentation auf Erwachsene nicht anwendbar ist und insoweit die Versorgung eines solchen mit einem Therapie-Dreirad oder z. B. einem sog. Rollstuhl-Bike nicht zu den von der gesetzlichen Krankenkasse geschuldeten Leistungen gehört, weil das Gerät für Erwachsene kein Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V, jedenfalls unter dem dargelegten Aspekt des Behindertenausgleichs und der Befriedigung der Grundbedürfnisse (BSG in SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 31), ist.
Das nachgesuchte behindertengerechte Dreirad ist zum weiteren auch nicht unter therapeutischen Aspekten erforderlich, um nämlich den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern. Zwar konstatiert sowohl der MDK in seinem Gutachten vom 22.02.2002 deckungsgleich mit dem behandelnden Orthopäden Dr. N, daß die Erhaltung und Förderung der Mobilität, auch unter dem Aspekt, eine eventuell drohende Operation der Hüfte infolge von Versteifung vorzubeugen, notwendig ist. Dies ist jedoch nicht ausreichend, da bei derartigen therapeutischen Effekten und auch nur Nebeneffekten das BSG nur dann eine Leistungspflicht angenommen hat (Urteil vom 30.01.2001 - B 3 KR 6/00 R -), wenn zum einen ein vergleichbarer therapeutischer Erfolg weder durch ärztliche noch krankengymnatische Behandlungsmaßnahmen, noch zum anderen durch ein anderes, als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehendes Gerät, hinsichtlich dessen gemäß § 33 Abs. 1 SGB V keine Leistungspflicht besteht, zu erreichen wäre. Im vorliegenden Fall kann insoweit dahinstehen, ob der gleiche Bewegungs- und Förderungseffekt durch Benutzung des behindertengerechten Dreirades auch durch intensive krankengymnastische Übungsbehandlungen -solche sind dem Kläger seit Februar 2002 als Langfristverordnung außerhalb des Regelfalles bewilligt worden- erzielt werden kann, da unzweifelhaft der gewünschte Effekt durch ein Heimfahrrad (Heimtrainer) in gleichem Maße zu erreichen wäre; dem Gericht sind insoweit keine Gründe ersichtlich, aus welchen einem solchen Gebrauchsgegenstand zur Bewegungsförderung ein geringerer therapeutischer Effekt zukommen sollte, zumal mit einem solchen Gebrauchsgegenstand die individuelle Belastung des Klägers infolge Unabhängigsein äußerer Umgebungseinflüsse besser berücksichtigt werden könnte. Dass der Kläger nicht in der Lage ist, sich ein derartiges, unzweifelhaft als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehendes Gerät -es ist nämlich nicht speziell für die Bedürfnisse von behinderten Menschen konstuiert und wird auch in einer Vielzahl von nichtbehinderten Menschen eingesetzt- aus finanziellen Gründen nicht zu beschaffen, ist insoweit irrelevant.
Die Klage war daher abzuweisen.
Unabhängig von obigen Ausführungen will das Gericht nicht verhehlen, dass unter Berücksichtigung der im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowie der vorbereitenden Schriftsätze dargelegten Kostenaspekte, nämlich dass durch den Einsatz des behindertengerechten Dreirades es zum einen ermöglicht wird, die ansonsten notwendigen krankengymnastischen, kontinuierlichen Bewegungsübungen zu minimieren, zum anderen Krankentransport- und Fahrtkosten zur Behandlungsstätte wegfallen, es angebracht und sinnvoll erscheint, dass die Beteiligten einvernehmlich nach einer möglichst dem Anliegen des Klägers weitgehend rechnungtragenden Lösung suchen, um die Solidargemeinschaft der Versicherten von Mehrkosten zu entlasten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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