Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 2 J 326/93
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 13 J 857/93
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 RJ 35/94
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die für den Beginn der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X erforderliche Kenntnis der die rückwirkende Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen umfaßt nicht die lediglich für die Ermessensausübung relevanten Tatsachen (Anschluß an BSG v. 5. Juni 1988, SozR 1300 § 48 Nr. 47).
2. Zur Erkenntnis der Rechtswidrigkeit als fristauslösendes Tatbestandsmerkmal.
3. Für den Begriff der Behörde i.S.v. § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X gilt die Legaldefinition des § 1 Abs. 2 SGB X.
2. Zur Erkenntnis der Rechtswidrigkeit als fristauslösendes Tatbestandsmerkmal.
3. Für den Begriff der Behörde i.S.v. § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X gilt die Legaldefinition des § 1 Abs. 2 SGB X.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 28. Juli 1993 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist die Aufhebung eines Bewilligungsbescheides und die Verpflichtung des Klägers zur Erstattung überzahlten Übergangsgeldes in Höhe von 7.524,00 DM,
Auf seinen Antrag bewilligte die Beklagte dem 1941 geborenen Kläger nach einer stationären Entgiftung im Psychiatrischen Krankenhaus in R. ein Heilverfahren wegen einer Alkoholerkrankung für die Zeit vom 10. April bis zum 9. Oktober 1990 in der Fachklinik H. Der Kläger war bei der Firma W. GmbH & Co. arbeiterrentenversicherungspflichtig beschäftigt und wurde ausweislich des ärztlichen Entlassungsberichts der Fachklinik H. vom 3. Dezember 1990 nach Beendigung des Heilverfahrens als in der Lage angesehen, seine zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit vollschichtig fortzusetzen.
Mit Bescheid vom 14. Mai 1990 hatte die Beklagte dem Kläger Übergangsgeld ab 10. April 1990 in Höhe von kalendertäglich 84,00 DM bewilligt und dieses bis zum 9. Oktober 1990 an den Kläger bezahlt. Das Übergangsgeld wurde gemäß der Anlage zu dem Bewilligungsbescheid "erhöht um 70,37 durchschnittliche Überstunden in den letzten drei abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträumen”. Dies beruhte auf einer fehlerhaften Interpretation der Verdienstbescheinigung der Firma W. GmbH & Co. vom 18. April 1990, die der Beklagten seit 25. April 1990 vorlag und in der der Arbeitgeber in der eigentlich für Mehrarbeitsstunden vorgesehenen Rubrik die Gesamtarbeitsstunden für die Monate Oktober, November und Dezember 1989 bescheinigte. Der Arbeitgeber hatte dabei allerdings die Worte "Mehrarbeit” durchgestrichen und außerdem in der zutreffenden Rubrik die Anzahl der im Monat Dezember 1989 geleisteten Arbeitsstunden in gleicher Höhe wie in der Rubrik "bezahlte Mehrarbeitsstunden” angegeben. Bereits am 23. April 1990 war der Beklagten eine Mitteilung der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) über die stationäre Aufnahme des Klägers in der Fachklinik H. sowie ein Arbeitsblatt zur Berechnung des Krankengeldes des Klägers einschließlich einer ordnungsgemäß ausgeführten Gehaltsbescheinigung der Firma W. GmbH & Co. vom 7. März 1990 in Kopie zugegangen. Das Krankengeld betrug hiernach 56,23 DM täglich.
Mit Schreiben vom 15. März 1991 stellte das Rechnungsprüfungsamt der Beklagten im Zuge einer Innenrevision die auf der zusätzlichen Berücksichtigung der Gesamtarbeitsstunden als Überstunden beruhende fehlerhafte Berechnung des Übergangsgeldes und eine hierdurch eingetretene Überzahlung in Höhe von 7.594,20 DM fest. Nach einer internen Neuberechnung des Übergangsgeldes am 5. April 1991 teilte die Beklagte der DAK unter dem 5. April 1991 für die Zeit vom 10. April bis 9. Oktober 1990 einen kalendertäglichen Übergangsgeldbetrag von 41,81 DM mit. Die Anhörung des Klägers zu der beabsichtigten Rückforderung des Überzahlungsbetrages erfolgte mit Schreiben der Beklagten vom 10. Oktober 1991 sowie nach einer Korrektur der Berechnung des überzahlten Übergangsgeldes mit weiterem Schreiben vom 31. Oktober 1991. Zugleich erließ die Beklagte unter dem 29. Oktober 1991 einen neuen Übergangsgeldbescheid für die Zeit vom 10. April bis 9. Oktober 1990, in welchem sie das Übergangsgeld auf kalendertäglich 42,20 DM festsetzte.
Mit Bescheid vom 5. Februar 1992 setzte die Beklagte den vom Kläger gemäß § 50 Abs. 2 in Verbindung mit § 45 Sozialgesetzbuch – 10. Buch (SGB X) zu erstattenden Betrag auf 7.524,00 DM fest. Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers nahm die Beklagte durch Bescheid vom 30. September 1992 den Erstattungsbescheid vom 5. Februar 1992 sowie den Übergangsgeldbescheid vom 14. Mai 1990 zurück und setzte den von dem Kläger gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstattenden Betrag auf 7.524,00 DM fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 1993 zurück.
Auf die hiergegen am 12. März 1993 erhobene Klage hat das Sozialgericht Darmstadt durch Urteil vom 28. Juli 1993 die angegriffenen Bescheide der Beklagten aufgehoben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, ein Erstattungsanspruch der Beklagten setze voraus, daß der rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakt vom 14. Mai 1990 mit Wirkung für die Vergangenheit noch habe zurückgenommen werden können. Als Rechtsgrundlage für eine derartige Rücknahme komme lediglich § 45 SGB X in Betracht. Die Rücknahme des Bescheides vom 14. Mai 1990 sei hiernach schon deshalb ausgeschlossen gewesen, weil der Neuberechnungsbescheid der Beklagten vom 29. Oktober 1991, mit dem die Beklagte den fehlerhaften Bescheid vom 14. Mai 1990 erstmals konkludent habe zurücknehmen können, bereits länger als ein Jahr nach Kenntnis der Tatsachen ergangen sei, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts für die Vergangenheit habe rechtfertigen können. Nach Ablauf dieser Ausschlußfrist sei eine Rücknahme für die Vergangenheit nicht mehr möglich. Nach zutreffender Auffassung genüge hierfür die Kenntnis aller zur Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen, während die Rechtskenntnis, d.h. das Bewußtsein von der Rechtswidrigkeit des zurückzunehmenden Verwaltungsakts und der rechtlichen Voraussetzungen für die Rücknahme, nicht vorliegen müßten, denn schon nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X sei lediglich auf Tatsachenkenntnis nicht jedoch auf das Rechtsbewußtsein abzustellen. Die für eine richtige Übergangsgeldberechnung erforderlichen Tatsachen seien der Beklagten bereits bei Erlaß des fehlerhaften Bescheides vom 14. Mai 1990 bekannt gewesen, denn bei genauer Durchsicht der Verdienstbescheinigung des Arbeitgebers des Klägers vom 18. April 1990 sei ohne größere Anstrengung feststellbar gewesen, daß es sich bei den dort aufgeführten Arbeitsstunden nicht um Mehrarbeit, sondern um die gesamte Arbeitszeit handelte.
Darüber hinaus sei auch die weitere Rücknahmevoraussetzung der grob fahrlässigen Unkenntnis des Klägers von der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 14. Mai 1990 nicht gegeben. Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X liege grobe Fahrlässigkeit vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe. Dies sei der Fall, wenn er aufgrund einfachster und naheliegender Überlegungen sicher hätte erkennen können, daß ein Anspruch in dieser Höhe nicht bestanden habe. Im vorliegenden Fall hätte dies auf selten des Klägers die Kenntnis vorausgesetzt, daß Übergangsgeld grundsätzlich in gleicher Weise wie Krankengeld berechnet wird. Eine derartige Kenntnis könne von einem Versicherten ohne einschlägige Vorkenntnisse jedoch nicht erwartet werden. Ebensowenig gereiche es dem Kläger zum Vorwurf der groben Fahrlässigkeit, wenn er die Anlage zum Übergangsgeldbescheid vom 14. Mai 1990 nicht genau gelesen oder nicht verstanden habe, denn die dort enthaltenen umfangreichen Ausführungen über die Berechnung des Übergangsgeldes seien für einen im Umgang mit einschlägigen Bescheidtexten nicht erfahrenen Versicherten nur schwer verständlich.
Gegen dieses der Beklagten am 16. August 1993 zugestellte Urteil richtet sich deren am 30. August 1993 beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingegangene Berufung. Zur Begründung macht die Beklagte geltend, daß entgegen der Auffassung des Sozialgerichts die Einjahresfrist des § 45 Abs. 4 SGB X nicht schon mit Erlaß des zurückgenommenen Verwaltungsakts zu laufen beginne, sondern frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem die Behörde die Fehlerhaftigkeit ihres Handelns erkannt habe. Dies sei vorliegend der Aktenvermerk des Rechnungsprüfungsamtes der Beklagten vom 15. März 1991. Aber auch mit diesem Zeitpunkt beginne die Frist nicht zwangsläufig zu laufen. Maßgebend für den Fristbeginn sei sachlich vielmehr der Zeitpunkt, in dem die Behörde Kenntnis von allen entscheidungserheblichen Tatsachen habe, die für ihre konkrete Rücknahmeentscheidung erforderlich sind. Vor dem Beginn der Einjahresfrist müsse also vor allem die Vertrauensschutzprüfung nach § 45 Abs. 2 SGB X abgeschlossen sein. Die Frist beginne demgemäß zu laufen, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung objektiv in der Lage sei, unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über die Rücknahme ihres Verwaltungsakts zu entscheiden. Dies sei regelmäßig der Abschluß der Anhörung nach § 24 SGB X, denn ohne Anhörung des Versicherten könne sich die Behörde keine Kenntnis von den Tatsachen verschaffen, die einen Vertrauensschutz begründen oder ausschließen und daher für ihre Ermessensausübung bestimmend sein könnten. Der Kläger sei im Oktober 1991 angehört worden, so daß der Rücknahmebescheid vom 30. September 1992 in jedem Fall noch innerhalb der Einjahresfrist ergangen sei. Schließlich sei die Akte dem zuständigen Referenten und damit der Behörde im Sinne des § 45 Abs. 4 SGB X erst im Zusammenhang mit der eingetretenen Überzahlung zwecks Unterzeichnung des Anhörungsschreibens vom 10. Oktober 1991 vorgelegt worden, so daß "die Behörde” auch erstmals zu diesem Zeitpunkt die erforderliche Kenntnis gehabt haben könne. Schließlich könne auch der Auffassung des Sozialgerichts, daß der Kläger die Rechtswidrigkeit des Übergangsgeldbescheides weder gekannt noch infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe, nicht gefolgt werden. Die Beklagte verlange nicht zu viel von ihren Versicherten, wenn sie erwarte, daß sich diese die mit dem Bewilligungsbescheid übersandten Informationen durchlesen. Aufgrund der Höhe des Übergangsgeldes hätte sich dem Kläger aufdrängen müssen, daß dessen Berechnung nicht zutreffend sein konnte, dieses sei nicht nur höher als das zuvor bezogene Krankengeld gewesen, sondern auch wesentlich höher (nahezu 50 %) als sein letztes Netto-Arbeitsentgelt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 28. Juli 1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Beklagte habe sämtliche erforderlichen Tatsachen für eine richtige Berechnung des Übergangsgeldes bereits bei Erlaß des Bewilligungsbescheides gekannt. Mit dem Sozialgericht könne vorliegend auch nicht angenommen werden, er habe grob fahrlässig gehandelt.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten ergänzend Bezug genommen. Der wesentliche Inhalt dieser Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Rücknahme des Übergangsgeldbescheids vom 14. Mai 1990 und die sich hieraus ergebende Rückforderung überzahlten Übergangsgeldes stellen zwei getrennt zu beurteilende prozessuale Ansprüche dar (BSG, Urteil vom 21. April 1988 – 4/11 a RA 24/87 –). Die Berufung ist zulässig eingelegt und hinsichtlich beider Ansprüche auch statthaft, da überzahltes Übergangsgeld von mehr als 1.000,00 DM im Streit steht (§§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die Berufung ist in der Sache jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die angegriffenen Bescheide der Beklagten im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Diese sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.
Soweit mit den angegriffenen Bescheiden der Übergangsgeldbescheid vom 14. Mai 1990 zurückgenommen wird, können diese keinen Bestand haben, da sie nicht den Voraussetzungen des § 45 SGB X entsprechen, der hier allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommt. Nach dieser Vorschrift darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 und 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Abs. 1). Dies ist nur dann der Fall, wenn entweder den Begünstigten ein erheblicher Vorwurf trifft und dieser sich deshalb nicht auf sein Vertrauen in den begünstigenden Verwaltungsakt berufen kann, weil er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte oder wenn ein Wiederaufnahmegrund nach § 580 Zivilprozeßordnung (ZPO) vorliegt (Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2). Auch bei Vorliegen dieser Voraussetzungen muß die Behörde den begünstigenden Verwaltungsakt ferner innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen zurücknehmen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen (Abs. 4 Satz 2).
Die Bestimmung des § 45 SGB X ist vorliegend anzuwenden, weil es sich bei dem Übergangsgeldbescheid um einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt handelt. Der Verwaltungsakt ist rechtswidrig, weil bei der Berechnung des Übergangsgeldes die Gesamtarbeitsstunden irrtümlich zusätzlich wie Überstunden berücksichtigt wurden und hierdurch ein Übergangsgeld in Höhe von kalendertäglich 84,00 DM anstelle eines Übergangsgeldes in gesetzlicher Höhe von 41,81 DM zur Auszahlung kam.
Vorliegend gebietet allein die Nichteinhaltung der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X die Aufhebung des Rücknahmebescheides. Die Beklagte hatte spätestens am 5. April 1991 die nach dieser Vorschrift erforderliche Kenntnis von den die Rücknahme des Übergangsgeldbescheides rechtfertigenden Tatsachen. Gleichwohl hat sie diesen Bescheid erst nach Ablauf eines Jahres durch den angegriffenen Bescheid vom 30. September 1992 aufgehoben.
Bei der Prüfung dieser Ausschlußfrist muß der durch die angegriffenen Bescheide aufgehobene Rückforderungsbescheid vom 5. Februar 1992 außer Betracht bleiben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gilt nämlich die einjährige Ausschlußfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X auch für einen Rücknahmebescheid uneingeschränkt, der – wie die hier streitbefangenen Bescheide – an die Stelle eines denselben Gegenstand regelnden, zwar fristgemäß erteilten, aber wegen Rechtswidrigkeit aufgehobenen bzw. aufzuhebenden früheren Aufhebungs- oder Rücknahmebescheides tritt (BSG, Urteil vom 27. Juli 1989 – 11/7 RAr 115/87 = SozR 1300 § 45 Nr. 46; BSG, Urteil vom 27. Juli 1989 – 11 RAr 7/88 = SozR 4100 § 103 Nr. 42; BSG, Urteil vom 9. November 1989 – 11 RAr 39/89 = SozR 4100 § 104 Nr. 19, BSG, Urteil vom 15. Februar 1990 – 7 RAr 28/88 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 1). Es bedarf daher keiner Prüfung der vom Sozialgericht angesprochenen Möglichkeit, ob der Rückforderungsbescheid vom 5. Februar 1992 evtl. konkludent eine Aufhebung des Übergangsgeldbescheides enthält, nachdem die Beklagte hierin eine ausdrückliche Entscheidung über die Rücknahme des Übergangsgeldbescheides nicht getroffen hat, sondern von einer Leistungserbringung ohne Verwaltungsakt ausgegangen ist. Auch der Übergangsgeldbescheid vom 19. Oktober 1991, mit dem das Übergangsgeld zutreffend berechnet wurde, enthält keine Entscheidung über die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 14. Mai 1990 und entfaltet daher keine fristwahrende Wirkung.
Hinsichtlich der Voraussetzungen für den Beginn der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X, d.h. zu der konkret erforderlichen Kenntnis der Tatsachen, welche die Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen und die Jahresfrist beginnen lassen, werden in Rechtsprechung und Literatur auch für die Parallelvorschrift des § 48 Abs. 4 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (VwVfG) sowie die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder unterschiedliche Auffassungen vertreten (vgl. z.B. Schroeder/Printzen u.a., SGB X, Kommentar, 2. Aufl. 1990, § 45 Anm. 6.3; VDR (Hrsg), Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, SGB X, Loseblatt, § 45 Rz. 27 Steinwedel, in: Kasseler Kommentar, Loseblatt, SGB X § 45 Rz. 25 ff. und Köhler, SdL 1992, 95 ff. jeweils m.w.N.). Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 21. März 1990 – 7 RAr 112/88 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 2 m.w.N.) sowie nach herrschender Meinung im Schrifttum (z.B. VDR (Hrsg) a.a.O.) rechnen zu der erforderlichen Tatsachenkenntnis im Sinne dieser Vorschrift neben den Tatsachen, die die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts ergeben, nach dem Wortlaut des Gesetzes auch die Tatsachen, die § 45 Abs. 2 Satz 3 oder Abs. 3 Satz 2 SGB X voraussetzt, denn nur unter diesen Voraussetzungen ist die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit zugelassen. Dies bedeutet, daß der Behörde die arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung durch den Adressaten des Verwaltungsakts oder dessen Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, d.h. die Kenntnis der äußeren Tatsachen, die den Schluß auf diese inneren oder subjektiven Tatsachen zulassen, bekannt sein muß. Regelmäßig ist damit – wie im vorliegenden Fall – aber auch verbunden, daß die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, d.h. in Irrtumsfällen den Irrtum, erkannt haben muß. Ob die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsakts darüber hinaus als eigenständiges Tatbestandsmerkmal des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X anzusehen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 45 Nr. 26), kann daher hier dahinstehen (zum Streitstand vgl. Weides, DÖV 1985, 431 ff., 432 f. und Köhler a.a.O., 110 ff.)
Der Beginn der Jahresfrist kann daher nicht, wie das Sozialgericht angenommen hat, bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Übergangsgeldbescheides vom 14. Mai 1990 angenommen werden. Die vollständige Kenntnis der o.g. tatbestandlichen Voraussetzungen für die Rücknahme des ursprünglichen Übergangsgeldbescheides liegt aber jedenfalls nach der Entdeckung der fehlerhaften Berechnung des Übergangsgeldes durch das Rechnungsprüfungsamt im März 1991 und mit der zutreffenden internen Neuberechnung durch die Beklagte am 5. April 1991 vor. Zu diesem Zeitpunkt wußte die Beklagte von den konkreten Umständen, die zu der rechtswidrig wesentlich zu hohen Festsetzung und Zahlung des Übergangsgeldes geführt hatten, und damit auch von der hieraus abgeleiteten und in den angefochtenen Bescheiden geltend gemachten zumindest grob fahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des Übergangsgeldbescheides auf Seiten des Klägers.
Entgegen der Auffassung der Beklagten und einer verbreiteten Auffassung in der Literatur (siehe z.B. Steinwedel a.a.O., Rz. 27; Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, Kommentar, SGB X, Loseblatt, § 45 Anm. 5; BfA-Kommentar, SGB X, Loseblatt, § 45 Anm. 4.2.6) ist für die nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X erforderliche Tatsachenkenntnis jedoch nicht Voraussetzung, daß die Behörde auch alle ggf. für die Ermessensausübung relevanten Tatsachen kennt und die Jahresfrist daher (regelmäßig) erst beginnt, wenn das Ergebnis der nach § 24 SGB X durchzuführenden Anhörung vorliegt. In diesem Sinne hat zwar der Große Senat des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 19. Dezember 1984, BVerwGE 70, 356 ff. = NJW 1985, 819 ff.) zu § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG des Bundes und der gleichlautenden Bestimmung des VwVfG des Freistaates Bayern entschieden, daß die normierte Jahresfrist als Entscheidungsfrist aufzufassen sei, die erst zu laufen beginne, wenn der berufene Amtswalter "positive und vollständige Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts und von allen für die Rücknehmbarkeit des Bescheides erheblichen Tatsachen erlangt hat und ohne weitere Sachaufklärung objektiv in der Lage ist, unter sachgerechter Ermessensausübung zu entscheiden.” Indessen steht diese Auffassung nicht im Einklang mit Sinn und Zweck der Vorschrift, jedenfalls nicht der Jahresvorschrift im Sinne von § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X. Diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hat im Schrifttum daher auch vielfache Kritik erfahren (z.B. Kopp DVBl. 1985, 525 f.; Weides a.a.O., 431 ff.; Köhler a.a.O.; zweifelnd auch BSG-Urteil vom 9. Juni 1988 – 4 RA 9/88 = SozR 1300 § 48 Nr. 47).
Nach der amtlichen Begründung zur Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG, auf die in den Materialien zu dem damaligen § 44 SGB X hingewiesen und die dort abgedruckt wurden (BT-Drs. 8/2304, 34 f.), ist die Behörde hierdurch gehalten, sich innerhalb eines Jahres von der Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen zu entscheiden, ob sie von ihrem Rücknahmerecht Gebrauch machen will (ebenso amtliche Begründung zu § 44 EVwVfG 1973, BT-Drs. 7/910, 71). Die Vorschrift des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X ist dabei nicht das Ergebnis eines die Vorschrift insgesamt kennzeichnenden gesetzgeberischen Abwägens zwischen dem Vertrauen des Adressaten des Verwaltungsakts in dessen Richtigkeit und dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände, insbesondere im Ergebnis an der Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Sozialleistungen, denn auf Vertrauensschutz kann sich nicht berufen, wer durch schuldhaftes Verhalten den Erlaß einer rechtswidrigen Begünstigung selbst verursacht oder zumindest in grob fahrlässiger Unkenntnis ihrer Rechtswidrigkeit hingenommen hat (§ 45 Abs. 2 S. 3 SGB X). Insbesondere nachdem diese Vorschrift im Gegensatz zu § 48 Abs. 4 S. 2 VerfG selbst dann keine Ausnahme von der Jahresfrist kennt, wenn der Verwaltungsakt durch eine strafbare Handlung erwirkt wurde, läßt sich diese nicht mit dem Vertrauensschutzprinzip erklären (Köhler a.a.O., 96). Die Jahresfrist hat als absolute Ausschlußfrist vielmehr eine für die Behörde disziplinierende und edukatorische Funktion. Diese hat die Entscheidung über die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte für die Vergangenheit im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit (BSG SozR 3 – 1300 § 45 Nr. 1) zügig zu treffen. Diese Funktion kann diese Regelung jedoch nur dann erfüllen, wenn sie als Frist für die Bearbeitung und Entscheidung verstanden wird, mithin die Verpflichtung der Behörde umfaßt, innerhalb dieser Frist die Anhörung durchzuführen und sich erforderlichenfalls auch die Kenntnis von weiteren für die Ausübung ihres Ermessens erforderlichen Tatsachen zu verschaffen (in diesem Sinne auch BSG, Urteil vom 9. Juni 1988 a.a.O.; ebenso Köhler a.a.O., 114). Dies ist den Sozialversicherungsträgern auch ohne weiteres möglich, insbesondere durch Fristsetzungen in den Anhörungsschreiben.
Demgegenüber würde die Jahresfristenregelung zur Disposition der Behörde gestellt und damit leerlaufen, interpretierte man sie lediglich als Entscheidungsfrist, die erst mit Abschluß des Anhörungsverfahrens zu laufen beginnt (Weides, a.a.O., 435; Schoch NVwZ 1985, 880 ff., 882). Die Behörde könnte sich nach dieser Auffassung praktisch bis zu einem Jahr nach der Erkenntnis der Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsakts Zeit lassen, das Anhörungsverfahren durchzuführen und ansonsten durch stetige Ermittlungen der für die Rücknahmeentscheidung maßgeblichen Umstände den Beginn der Jahresfrist hinauszögern, da sie selbst bestimmt, welche (sachgerechten) Umstände für ihre Ermessensausübung relevant sein sollen (BSG SozR 3-1300, § 45 Nrn. 2 und 5). Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb der Behörde nach vollständig geklärtem Sachverhalt noch ein Zeitraum von einem Jahr für die Rücknahmeentscheidung selbst eingeräumt sein soll (Köhler a.a.O., 114). Nachdem anerkannt ist, daß sich die Kenntnis keinesfalls darauf beziehen muß, daß überhaupt Ermessen auszuüben ist (BSG SozR 3-1300 § 45 Nrn. 1, 5 und 10) kann schließlich der Beginn der Jahresfrist auch nicht im Einzelfall davon abhängen, ob objektiv ein Ermessen auszuüben ist, ob nur in Ausnahmefällen ein Gestaltungsspielraum für eine Ermessensausübung verbleibt, wie beispielsweise bei der Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte auf dem Gebiet des Versorgungsrechts (BSG, Urteil vom 6. September 1989 – 9/9 a RVs 17/87 = SozR 1300 § 45 Nr. 46) oder gegenüber Betrügern (BSG, Urteil vom 26. September 1990 – 9 b/7 RAr 30/89 = SozR 3-4100 § 155 Nr. 2), oder ob kein Ermessen ausgeübt werden kann, weil der Ermessensspielraum auf Null reduziert ist oder weil die Ermittlungen keine hierfür geeigneten Tatsachen erbracht haben. Allein der Umstand, daß die Beklagte innerhalb der Jahresfrist noch Ermittlungen angestellt hat, reicht jedenfalls nicht aus (in diesem Sinne BSG, Urteil vom 11. September 1991 – 5 RJ 25/90).
Für den Beginn der Jahresfrist sind demnach die von der Beklagten im Oktober 1991 durchgeführten Anhörungen ebenso wie die von ihr im Widerspruchsverfahren angestellten Ermittlungen zur beruflichen Tätigkeit des Klägers unerheblich, zumal sie für die Rücknahmeentscheidung im Ergebnis nicht relevant geworden sind. Bereits aus dem ärztlichen Entlassungsbericht des Chefarztes der Fachklinik H., Dr. med. S., vom 3. Dezember 1990 war ersichtlich, daß der Kläger zu Beginn der Suchtbehandlung in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis gestanden hat und nach dem Abschluß der Behandlung als in der Lage erachtet wurde, der zuletzt ausgeübten Erwerbstätigkeit vollschichtig nachzugehen.
Die erforderliche Kenntnis hatte auch die für die Angelegenheit zuständige Behörde. Dies ist nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 SGB X die innerhalb der Organisation der Beklagten nach deren Geschäftsverteilung zur Aufhebung berufene Stelle (BSGE 63, 224, 228 f. = SozR 1300 § 48 Nr. 47 und Köhler a.a.O., S. 116 ff.). Entgegen der Auffassung der Beklagten und des 11. Senats des BSG (E 60, 239 – SozR 1300 § 45 Nr. 26) ist hiermit nach dem dargelegten Sinn und Zweck der Jahresfrist als Bearbeitungsfrist und nicht als reine Entscheidungsfrist nicht nur der allein zur Unterzeichnung von Anhörungsschreiben zuständige Abteilungsreferent zu zählen, sondern auch dessen für die Aktenbearbeitung und die zur Vorbereitung des Rücknahmeverfahrens zuständigen Sachbearbeiter. Es kann daher hier dahinstehen, ob der Vortrag der Beklagten zutrifft, wonach von dem Ergebnis der Innenrevision durch deren Rechnungsamt lediglich die einzelnen Sachbearbeiter, nicht aber der zuständige Abteilungsreferent Kenntnis erlangt haben. Ebensowenig wird die Frage relevant, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen das Tatsachenwissen eines unzuständigen Behördenmitarbeiters dem sachlich und funktional zuständigen Sachbearbeiter insbesondere aus dem Gesichtspunkt des Organisationsmangels zuzurechnen wäre.
Nachdem damit das tatsächlich gezahlte Übergangsgeld seine rechtliche Grundlage in dem Bewilligungsbescheid vom 14. Mai 1990 behalten hat, waren die angefochtenen Bescheide auch hinsichtlich der ausgesprochenen Verpflichtung des Klägers zu Erstattung des Überzahlungsbetrages aufzuheben.
Nach alledem konnte die Berufung insgesamt keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist die Aufhebung eines Bewilligungsbescheides und die Verpflichtung des Klägers zur Erstattung überzahlten Übergangsgeldes in Höhe von 7.524,00 DM,
Auf seinen Antrag bewilligte die Beklagte dem 1941 geborenen Kläger nach einer stationären Entgiftung im Psychiatrischen Krankenhaus in R. ein Heilverfahren wegen einer Alkoholerkrankung für die Zeit vom 10. April bis zum 9. Oktober 1990 in der Fachklinik H. Der Kläger war bei der Firma W. GmbH & Co. arbeiterrentenversicherungspflichtig beschäftigt und wurde ausweislich des ärztlichen Entlassungsberichts der Fachklinik H. vom 3. Dezember 1990 nach Beendigung des Heilverfahrens als in der Lage angesehen, seine zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit vollschichtig fortzusetzen.
Mit Bescheid vom 14. Mai 1990 hatte die Beklagte dem Kläger Übergangsgeld ab 10. April 1990 in Höhe von kalendertäglich 84,00 DM bewilligt und dieses bis zum 9. Oktober 1990 an den Kläger bezahlt. Das Übergangsgeld wurde gemäß der Anlage zu dem Bewilligungsbescheid "erhöht um 70,37 durchschnittliche Überstunden in den letzten drei abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträumen”. Dies beruhte auf einer fehlerhaften Interpretation der Verdienstbescheinigung der Firma W. GmbH & Co. vom 18. April 1990, die der Beklagten seit 25. April 1990 vorlag und in der der Arbeitgeber in der eigentlich für Mehrarbeitsstunden vorgesehenen Rubrik die Gesamtarbeitsstunden für die Monate Oktober, November und Dezember 1989 bescheinigte. Der Arbeitgeber hatte dabei allerdings die Worte "Mehrarbeit” durchgestrichen und außerdem in der zutreffenden Rubrik die Anzahl der im Monat Dezember 1989 geleisteten Arbeitsstunden in gleicher Höhe wie in der Rubrik "bezahlte Mehrarbeitsstunden” angegeben. Bereits am 23. April 1990 war der Beklagten eine Mitteilung der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) über die stationäre Aufnahme des Klägers in der Fachklinik H. sowie ein Arbeitsblatt zur Berechnung des Krankengeldes des Klägers einschließlich einer ordnungsgemäß ausgeführten Gehaltsbescheinigung der Firma W. GmbH & Co. vom 7. März 1990 in Kopie zugegangen. Das Krankengeld betrug hiernach 56,23 DM täglich.
Mit Schreiben vom 15. März 1991 stellte das Rechnungsprüfungsamt der Beklagten im Zuge einer Innenrevision die auf der zusätzlichen Berücksichtigung der Gesamtarbeitsstunden als Überstunden beruhende fehlerhafte Berechnung des Übergangsgeldes und eine hierdurch eingetretene Überzahlung in Höhe von 7.594,20 DM fest. Nach einer internen Neuberechnung des Übergangsgeldes am 5. April 1991 teilte die Beklagte der DAK unter dem 5. April 1991 für die Zeit vom 10. April bis 9. Oktober 1990 einen kalendertäglichen Übergangsgeldbetrag von 41,81 DM mit. Die Anhörung des Klägers zu der beabsichtigten Rückforderung des Überzahlungsbetrages erfolgte mit Schreiben der Beklagten vom 10. Oktober 1991 sowie nach einer Korrektur der Berechnung des überzahlten Übergangsgeldes mit weiterem Schreiben vom 31. Oktober 1991. Zugleich erließ die Beklagte unter dem 29. Oktober 1991 einen neuen Übergangsgeldbescheid für die Zeit vom 10. April bis 9. Oktober 1990, in welchem sie das Übergangsgeld auf kalendertäglich 42,20 DM festsetzte.
Mit Bescheid vom 5. Februar 1992 setzte die Beklagte den vom Kläger gemäß § 50 Abs. 2 in Verbindung mit § 45 Sozialgesetzbuch – 10. Buch (SGB X) zu erstattenden Betrag auf 7.524,00 DM fest. Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers nahm die Beklagte durch Bescheid vom 30. September 1992 den Erstattungsbescheid vom 5. Februar 1992 sowie den Übergangsgeldbescheid vom 14. Mai 1990 zurück und setzte den von dem Kläger gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstattenden Betrag auf 7.524,00 DM fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 1993 zurück.
Auf die hiergegen am 12. März 1993 erhobene Klage hat das Sozialgericht Darmstadt durch Urteil vom 28. Juli 1993 die angegriffenen Bescheide der Beklagten aufgehoben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, ein Erstattungsanspruch der Beklagten setze voraus, daß der rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakt vom 14. Mai 1990 mit Wirkung für die Vergangenheit noch habe zurückgenommen werden können. Als Rechtsgrundlage für eine derartige Rücknahme komme lediglich § 45 SGB X in Betracht. Die Rücknahme des Bescheides vom 14. Mai 1990 sei hiernach schon deshalb ausgeschlossen gewesen, weil der Neuberechnungsbescheid der Beklagten vom 29. Oktober 1991, mit dem die Beklagte den fehlerhaften Bescheid vom 14. Mai 1990 erstmals konkludent habe zurücknehmen können, bereits länger als ein Jahr nach Kenntnis der Tatsachen ergangen sei, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts für die Vergangenheit habe rechtfertigen können. Nach Ablauf dieser Ausschlußfrist sei eine Rücknahme für die Vergangenheit nicht mehr möglich. Nach zutreffender Auffassung genüge hierfür die Kenntnis aller zur Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen, während die Rechtskenntnis, d.h. das Bewußtsein von der Rechtswidrigkeit des zurückzunehmenden Verwaltungsakts und der rechtlichen Voraussetzungen für die Rücknahme, nicht vorliegen müßten, denn schon nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X sei lediglich auf Tatsachenkenntnis nicht jedoch auf das Rechtsbewußtsein abzustellen. Die für eine richtige Übergangsgeldberechnung erforderlichen Tatsachen seien der Beklagten bereits bei Erlaß des fehlerhaften Bescheides vom 14. Mai 1990 bekannt gewesen, denn bei genauer Durchsicht der Verdienstbescheinigung des Arbeitgebers des Klägers vom 18. April 1990 sei ohne größere Anstrengung feststellbar gewesen, daß es sich bei den dort aufgeführten Arbeitsstunden nicht um Mehrarbeit, sondern um die gesamte Arbeitszeit handelte.
Darüber hinaus sei auch die weitere Rücknahmevoraussetzung der grob fahrlässigen Unkenntnis des Klägers von der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 14. Mai 1990 nicht gegeben. Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X liege grobe Fahrlässigkeit vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe. Dies sei der Fall, wenn er aufgrund einfachster und naheliegender Überlegungen sicher hätte erkennen können, daß ein Anspruch in dieser Höhe nicht bestanden habe. Im vorliegenden Fall hätte dies auf selten des Klägers die Kenntnis vorausgesetzt, daß Übergangsgeld grundsätzlich in gleicher Weise wie Krankengeld berechnet wird. Eine derartige Kenntnis könne von einem Versicherten ohne einschlägige Vorkenntnisse jedoch nicht erwartet werden. Ebensowenig gereiche es dem Kläger zum Vorwurf der groben Fahrlässigkeit, wenn er die Anlage zum Übergangsgeldbescheid vom 14. Mai 1990 nicht genau gelesen oder nicht verstanden habe, denn die dort enthaltenen umfangreichen Ausführungen über die Berechnung des Übergangsgeldes seien für einen im Umgang mit einschlägigen Bescheidtexten nicht erfahrenen Versicherten nur schwer verständlich.
Gegen dieses der Beklagten am 16. August 1993 zugestellte Urteil richtet sich deren am 30. August 1993 beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingegangene Berufung. Zur Begründung macht die Beklagte geltend, daß entgegen der Auffassung des Sozialgerichts die Einjahresfrist des § 45 Abs. 4 SGB X nicht schon mit Erlaß des zurückgenommenen Verwaltungsakts zu laufen beginne, sondern frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem die Behörde die Fehlerhaftigkeit ihres Handelns erkannt habe. Dies sei vorliegend der Aktenvermerk des Rechnungsprüfungsamtes der Beklagten vom 15. März 1991. Aber auch mit diesem Zeitpunkt beginne die Frist nicht zwangsläufig zu laufen. Maßgebend für den Fristbeginn sei sachlich vielmehr der Zeitpunkt, in dem die Behörde Kenntnis von allen entscheidungserheblichen Tatsachen habe, die für ihre konkrete Rücknahmeentscheidung erforderlich sind. Vor dem Beginn der Einjahresfrist müsse also vor allem die Vertrauensschutzprüfung nach § 45 Abs. 2 SGB X abgeschlossen sein. Die Frist beginne demgemäß zu laufen, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung objektiv in der Lage sei, unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über die Rücknahme ihres Verwaltungsakts zu entscheiden. Dies sei regelmäßig der Abschluß der Anhörung nach § 24 SGB X, denn ohne Anhörung des Versicherten könne sich die Behörde keine Kenntnis von den Tatsachen verschaffen, die einen Vertrauensschutz begründen oder ausschließen und daher für ihre Ermessensausübung bestimmend sein könnten. Der Kläger sei im Oktober 1991 angehört worden, so daß der Rücknahmebescheid vom 30. September 1992 in jedem Fall noch innerhalb der Einjahresfrist ergangen sei. Schließlich sei die Akte dem zuständigen Referenten und damit der Behörde im Sinne des § 45 Abs. 4 SGB X erst im Zusammenhang mit der eingetretenen Überzahlung zwecks Unterzeichnung des Anhörungsschreibens vom 10. Oktober 1991 vorgelegt worden, so daß "die Behörde” auch erstmals zu diesem Zeitpunkt die erforderliche Kenntnis gehabt haben könne. Schließlich könne auch der Auffassung des Sozialgerichts, daß der Kläger die Rechtswidrigkeit des Übergangsgeldbescheides weder gekannt noch infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe, nicht gefolgt werden. Die Beklagte verlange nicht zu viel von ihren Versicherten, wenn sie erwarte, daß sich diese die mit dem Bewilligungsbescheid übersandten Informationen durchlesen. Aufgrund der Höhe des Übergangsgeldes hätte sich dem Kläger aufdrängen müssen, daß dessen Berechnung nicht zutreffend sein konnte, dieses sei nicht nur höher als das zuvor bezogene Krankengeld gewesen, sondern auch wesentlich höher (nahezu 50 %) als sein letztes Netto-Arbeitsentgelt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 28. Juli 1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Beklagte habe sämtliche erforderlichen Tatsachen für eine richtige Berechnung des Übergangsgeldes bereits bei Erlaß des Bewilligungsbescheides gekannt. Mit dem Sozialgericht könne vorliegend auch nicht angenommen werden, er habe grob fahrlässig gehandelt.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten ergänzend Bezug genommen. Der wesentliche Inhalt dieser Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Rücknahme des Übergangsgeldbescheids vom 14. Mai 1990 und die sich hieraus ergebende Rückforderung überzahlten Übergangsgeldes stellen zwei getrennt zu beurteilende prozessuale Ansprüche dar (BSG, Urteil vom 21. April 1988 – 4/11 a RA 24/87 –). Die Berufung ist zulässig eingelegt und hinsichtlich beider Ansprüche auch statthaft, da überzahltes Übergangsgeld von mehr als 1.000,00 DM im Streit steht (§§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die Berufung ist in der Sache jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die angegriffenen Bescheide der Beklagten im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Diese sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.
Soweit mit den angegriffenen Bescheiden der Übergangsgeldbescheid vom 14. Mai 1990 zurückgenommen wird, können diese keinen Bestand haben, da sie nicht den Voraussetzungen des § 45 SGB X entsprechen, der hier allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommt. Nach dieser Vorschrift darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 und 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Abs. 1). Dies ist nur dann der Fall, wenn entweder den Begünstigten ein erheblicher Vorwurf trifft und dieser sich deshalb nicht auf sein Vertrauen in den begünstigenden Verwaltungsakt berufen kann, weil er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte oder wenn ein Wiederaufnahmegrund nach § 580 Zivilprozeßordnung (ZPO) vorliegt (Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2). Auch bei Vorliegen dieser Voraussetzungen muß die Behörde den begünstigenden Verwaltungsakt ferner innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen zurücknehmen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen (Abs. 4 Satz 2).
Die Bestimmung des § 45 SGB X ist vorliegend anzuwenden, weil es sich bei dem Übergangsgeldbescheid um einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt handelt. Der Verwaltungsakt ist rechtswidrig, weil bei der Berechnung des Übergangsgeldes die Gesamtarbeitsstunden irrtümlich zusätzlich wie Überstunden berücksichtigt wurden und hierdurch ein Übergangsgeld in Höhe von kalendertäglich 84,00 DM anstelle eines Übergangsgeldes in gesetzlicher Höhe von 41,81 DM zur Auszahlung kam.
Vorliegend gebietet allein die Nichteinhaltung der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X die Aufhebung des Rücknahmebescheides. Die Beklagte hatte spätestens am 5. April 1991 die nach dieser Vorschrift erforderliche Kenntnis von den die Rücknahme des Übergangsgeldbescheides rechtfertigenden Tatsachen. Gleichwohl hat sie diesen Bescheid erst nach Ablauf eines Jahres durch den angegriffenen Bescheid vom 30. September 1992 aufgehoben.
Bei der Prüfung dieser Ausschlußfrist muß der durch die angegriffenen Bescheide aufgehobene Rückforderungsbescheid vom 5. Februar 1992 außer Betracht bleiben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gilt nämlich die einjährige Ausschlußfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X auch für einen Rücknahmebescheid uneingeschränkt, der – wie die hier streitbefangenen Bescheide – an die Stelle eines denselben Gegenstand regelnden, zwar fristgemäß erteilten, aber wegen Rechtswidrigkeit aufgehobenen bzw. aufzuhebenden früheren Aufhebungs- oder Rücknahmebescheides tritt (BSG, Urteil vom 27. Juli 1989 – 11/7 RAr 115/87 = SozR 1300 § 45 Nr. 46; BSG, Urteil vom 27. Juli 1989 – 11 RAr 7/88 = SozR 4100 § 103 Nr. 42; BSG, Urteil vom 9. November 1989 – 11 RAr 39/89 = SozR 4100 § 104 Nr. 19, BSG, Urteil vom 15. Februar 1990 – 7 RAr 28/88 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 1). Es bedarf daher keiner Prüfung der vom Sozialgericht angesprochenen Möglichkeit, ob der Rückforderungsbescheid vom 5. Februar 1992 evtl. konkludent eine Aufhebung des Übergangsgeldbescheides enthält, nachdem die Beklagte hierin eine ausdrückliche Entscheidung über die Rücknahme des Übergangsgeldbescheides nicht getroffen hat, sondern von einer Leistungserbringung ohne Verwaltungsakt ausgegangen ist. Auch der Übergangsgeldbescheid vom 19. Oktober 1991, mit dem das Übergangsgeld zutreffend berechnet wurde, enthält keine Entscheidung über die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 14. Mai 1990 und entfaltet daher keine fristwahrende Wirkung.
Hinsichtlich der Voraussetzungen für den Beginn der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X, d.h. zu der konkret erforderlichen Kenntnis der Tatsachen, welche die Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen und die Jahresfrist beginnen lassen, werden in Rechtsprechung und Literatur auch für die Parallelvorschrift des § 48 Abs. 4 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (VwVfG) sowie die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder unterschiedliche Auffassungen vertreten (vgl. z.B. Schroeder/Printzen u.a., SGB X, Kommentar, 2. Aufl. 1990, § 45 Anm. 6.3; VDR (Hrsg), Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, SGB X, Loseblatt, § 45 Rz. 27 Steinwedel, in: Kasseler Kommentar, Loseblatt, SGB X § 45 Rz. 25 ff. und Köhler, SdL 1992, 95 ff. jeweils m.w.N.). Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 21. März 1990 – 7 RAr 112/88 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 2 m.w.N.) sowie nach herrschender Meinung im Schrifttum (z.B. VDR (Hrsg) a.a.O.) rechnen zu der erforderlichen Tatsachenkenntnis im Sinne dieser Vorschrift neben den Tatsachen, die die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts ergeben, nach dem Wortlaut des Gesetzes auch die Tatsachen, die § 45 Abs. 2 Satz 3 oder Abs. 3 Satz 2 SGB X voraussetzt, denn nur unter diesen Voraussetzungen ist die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit zugelassen. Dies bedeutet, daß der Behörde die arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung durch den Adressaten des Verwaltungsakts oder dessen Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, d.h. die Kenntnis der äußeren Tatsachen, die den Schluß auf diese inneren oder subjektiven Tatsachen zulassen, bekannt sein muß. Regelmäßig ist damit – wie im vorliegenden Fall – aber auch verbunden, daß die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, d.h. in Irrtumsfällen den Irrtum, erkannt haben muß. Ob die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsakts darüber hinaus als eigenständiges Tatbestandsmerkmal des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X anzusehen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 45 Nr. 26), kann daher hier dahinstehen (zum Streitstand vgl. Weides, DÖV 1985, 431 ff., 432 f. und Köhler a.a.O., 110 ff.)
Der Beginn der Jahresfrist kann daher nicht, wie das Sozialgericht angenommen hat, bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Übergangsgeldbescheides vom 14. Mai 1990 angenommen werden. Die vollständige Kenntnis der o.g. tatbestandlichen Voraussetzungen für die Rücknahme des ursprünglichen Übergangsgeldbescheides liegt aber jedenfalls nach der Entdeckung der fehlerhaften Berechnung des Übergangsgeldes durch das Rechnungsprüfungsamt im März 1991 und mit der zutreffenden internen Neuberechnung durch die Beklagte am 5. April 1991 vor. Zu diesem Zeitpunkt wußte die Beklagte von den konkreten Umständen, die zu der rechtswidrig wesentlich zu hohen Festsetzung und Zahlung des Übergangsgeldes geführt hatten, und damit auch von der hieraus abgeleiteten und in den angefochtenen Bescheiden geltend gemachten zumindest grob fahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des Übergangsgeldbescheides auf Seiten des Klägers.
Entgegen der Auffassung der Beklagten und einer verbreiteten Auffassung in der Literatur (siehe z.B. Steinwedel a.a.O., Rz. 27; Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, Kommentar, SGB X, Loseblatt, § 45 Anm. 5; BfA-Kommentar, SGB X, Loseblatt, § 45 Anm. 4.2.6) ist für die nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X erforderliche Tatsachenkenntnis jedoch nicht Voraussetzung, daß die Behörde auch alle ggf. für die Ermessensausübung relevanten Tatsachen kennt und die Jahresfrist daher (regelmäßig) erst beginnt, wenn das Ergebnis der nach § 24 SGB X durchzuführenden Anhörung vorliegt. In diesem Sinne hat zwar der Große Senat des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 19. Dezember 1984, BVerwGE 70, 356 ff. = NJW 1985, 819 ff.) zu § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG des Bundes und der gleichlautenden Bestimmung des VwVfG des Freistaates Bayern entschieden, daß die normierte Jahresfrist als Entscheidungsfrist aufzufassen sei, die erst zu laufen beginne, wenn der berufene Amtswalter "positive und vollständige Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts und von allen für die Rücknehmbarkeit des Bescheides erheblichen Tatsachen erlangt hat und ohne weitere Sachaufklärung objektiv in der Lage ist, unter sachgerechter Ermessensausübung zu entscheiden.” Indessen steht diese Auffassung nicht im Einklang mit Sinn und Zweck der Vorschrift, jedenfalls nicht der Jahresvorschrift im Sinne von § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X. Diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hat im Schrifttum daher auch vielfache Kritik erfahren (z.B. Kopp DVBl. 1985, 525 f.; Weides a.a.O., 431 ff.; Köhler a.a.O.; zweifelnd auch BSG-Urteil vom 9. Juni 1988 – 4 RA 9/88 = SozR 1300 § 48 Nr. 47).
Nach der amtlichen Begründung zur Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG, auf die in den Materialien zu dem damaligen § 44 SGB X hingewiesen und die dort abgedruckt wurden (BT-Drs. 8/2304, 34 f.), ist die Behörde hierdurch gehalten, sich innerhalb eines Jahres von der Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen zu entscheiden, ob sie von ihrem Rücknahmerecht Gebrauch machen will (ebenso amtliche Begründung zu § 44 EVwVfG 1973, BT-Drs. 7/910, 71). Die Vorschrift des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X ist dabei nicht das Ergebnis eines die Vorschrift insgesamt kennzeichnenden gesetzgeberischen Abwägens zwischen dem Vertrauen des Adressaten des Verwaltungsakts in dessen Richtigkeit und dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände, insbesondere im Ergebnis an der Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Sozialleistungen, denn auf Vertrauensschutz kann sich nicht berufen, wer durch schuldhaftes Verhalten den Erlaß einer rechtswidrigen Begünstigung selbst verursacht oder zumindest in grob fahrlässiger Unkenntnis ihrer Rechtswidrigkeit hingenommen hat (§ 45 Abs. 2 S. 3 SGB X). Insbesondere nachdem diese Vorschrift im Gegensatz zu § 48 Abs. 4 S. 2 VerfG selbst dann keine Ausnahme von der Jahresfrist kennt, wenn der Verwaltungsakt durch eine strafbare Handlung erwirkt wurde, läßt sich diese nicht mit dem Vertrauensschutzprinzip erklären (Köhler a.a.O., 96). Die Jahresfrist hat als absolute Ausschlußfrist vielmehr eine für die Behörde disziplinierende und edukatorische Funktion. Diese hat die Entscheidung über die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte für die Vergangenheit im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit (BSG SozR 3 – 1300 § 45 Nr. 1) zügig zu treffen. Diese Funktion kann diese Regelung jedoch nur dann erfüllen, wenn sie als Frist für die Bearbeitung und Entscheidung verstanden wird, mithin die Verpflichtung der Behörde umfaßt, innerhalb dieser Frist die Anhörung durchzuführen und sich erforderlichenfalls auch die Kenntnis von weiteren für die Ausübung ihres Ermessens erforderlichen Tatsachen zu verschaffen (in diesem Sinne auch BSG, Urteil vom 9. Juni 1988 a.a.O.; ebenso Köhler a.a.O., 114). Dies ist den Sozialversicherungsträgern auch ohne weiteres möglich, insbesondere durch Fristsetzungen in den Anhörungsschreiben.
Demgegenüber würde die Jahresfristenregelung zur Disposition der Behörde gestellt und damit leerlaufen, interpretierte man sie lediglich als Entscheidungsfrist, die erst mit Abschluß des Anhörungsverfahrens zu laufen beginnt (Weides, a.a.O., 435; Schoch NVwZ 1985, 880 ff., 882). Die Behörde könnte sich nach dieser Auffassung praktisch bis zu einem Jahr nach der Erkenntnis der Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsakts Zeit lassen, das Anhörungsverfahren durchzuführen und ansonsten durch stetige Ermittlungen der für die Rücknahmeentscheidung maßgeblichen Umstände den Beginn der Jahresfrist hinauszögern, da sie selbst bestimmt, welche (sachgerechten) Umstände für ihre Ermessensausübung relevant sein sollen (BSG SozR 3-1300, § 45 Nrn. 2 und 5). Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb der Behörde nach vollständig geklärtem Sachverhalt noch ein Zeitraum von einem Jahr für die Rücknahmeentscheidung selbst eingeräumt sein soll (Köhler a.a.O., 114). Nachdem anerkannt ist, daß sich die Kenntnis keinesfalls darauf beziehen muß, daß überhaupt Ermessen auszuüben ist (BSG SozR 3-1300 § 45 Nrn. 1, 5 und 10) kann schließlich der Beginn der Jahresfrist auch nicht im Einzelfall davon abhängen, ob objektiv ein Ermessen auszuüben ist, ob nur in Ausnahmefällen ein Gestaltungsspielraum für eine Ermessensausübung verbleibt, wie beispielsweise bei der Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte auf dem Gebiet des Versorgungsrechts (BSG, Urteil vom 6. September 1989 – 9/9 a RVs 17/87 = SozR 1300 § 45 Nr. 46) oder gegenüber Betrügern (BSG, Urteil vom 26. September 1990 – 9 b/7 RAr 30/89 = SozR 3-4100 § 155 Nr. 2), oder ob kein Ermessen ausgeübt werden kann, weil der Ermessensspielraum auf Null reduziert ist oder weil die Ermittlungen keine hierfür geeigneten Tatsachen erbracht haben. Allein der Umstand, daß die Beklagte innerhalb der Jahresfrist noch Ermittlungen angestellt hat, reicht jedenfalls nicht aus (in diesem Sinne BSG, Urteil vom 11. September 1991 – 5 RJ 25/90).
Für den Beginn der Jahresfrist sind demnach die von der Beklagten im Oktober 1991 durchgeführten Anhörungen ebenso wie die von ihr im Widerspruchsverfahren angestellten Ermittlungen zur beruflichen Tätigkeit des Klägers unerheblich, zumal sie für die Rücknahmeentscheidung im Ergebnis nicht relevant geworden sind. Bereits aus dem ärztlichen Entlassungsbericht des Chefarztes der Fachklinik H., Dr. med. S., vom 3. Dezember 1990 war ersichtlich, daß der Kläger zu Beginn der Suchtbehandlung in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis gestanden hat und nach dem Abschluß der Behandlung als in der Lage erachtet wurde, der zuletzt ausgeübten Erwerbstätigkeit vollschichtig nachzugehen.
Die erforderliche Kenntnis hatte auch die für die Angelegenheit zuständige Behörde. Dies ist nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 SGB X die innerhalb der Organisation der Beklagten nach deren Geschäftsverteilung zur Aufhebung berufene Stelle (BSGE 63, 224, 228 f. = SozR 1300 § 48 Nr. 47 und Köhler a.a.O., S. 116 ff.). Entgegen der Auffassung der Beklagten und des 11. Senats des BSG (E 60, 239 – SozR 1300 § 45 Nr. 26) ist hiermit nach dem dargelegten Sinn und Zweck der Jahresfrist als Bearbeitungsfrist und nicht als reine Entscheidungsfrist nicht nur der allein zur Unterzeichnung von Anhörungsschreiben zuständige Abteilungsreferent zu zählen, sondern auch dessen für die Aktenbearbeitung und die zur Vorbereitung des Rücknahmeverfahrens zuständigen Sachbearbeiter. Es kann daher hier dahinstehen, ob der Vortrag der Beklagten zutrifft, wonach von dem Ergebnis der Innenrevision durch deren Rechnungsamt lediglich die einzelnen Sachbearbeiter, nicht aber der zuständige Abteilungsreferent Kenntnis erlangt haben. Ebensowenig wird die Frage relevant, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen das Tatsachenwissen eines unzuständigen Behördenmitarbeiters dem sachlich und funktional zuständigen Sachbearbeiter insbesondere aus dem Gesichtspunkt des Organisationsmangels zuzurechnen wäre.
Nachdem damit das tatsächlich gezahlte Übergangsgeld seine rechtliche Grundlage in dem Bewilligungsbescheid vom 14. Mai 1990 behalten hat, waren die angefochtenen Bescheide auch hinsichtlich der ausgesprochenen Verpflichtung des Klägers zu Erstattung des Überzahlungsbetrages aufzuheben.
Nach alledem konnte die Berufung insgesamt keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
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