S 13 AS 32/05 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 13 AS 32/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 29.06.2005 bis zur Entscheidung über den Widerspruch vom 02.06.2005, längstens bis zum 31.10.2005, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Berücksichtigung monatlicher tatsächlicher Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 287,00 Euro nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

Gründe:

I:

Die Beteiligten streiten über die von dem Antragsteller beanspruchte Leistung für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch, 2. Buch (SGB II).

Der am 00.00.1977 geborene Antragsteller bewohnt zusammen mit seiner Schwester J eine 140 Quadratmeter große, aus 5 Zimmern Küche, Bad bestehende Mietwohnung. Nach der Erklärung des Vermieters beträgt die Gesamtmiete inkl. Heizkosten und Wassergeld monatlich 595,00 Euro. In seinem Erstantrag vom 16.09.2004 wies des Antragsteller darauf hin, seine Schwester wirtschafte völlig eigenständig und er erhalte keine finanzielle Unterstützung von ihr. Lediglich die Wohnkosten würden geteilt. Daraufhin bewilligte die Antragsgegnerin ab Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 622,00 Euro. Darin enthalten waren Kosten der Unterkunft in Höhe der halben Miete und der hälftige Anteil der Nebenkosten, wobei für die im Regelsatz enthaltenen Kosten für die Bereitung von Warmwasser 21,00 Euro in Abzug gebracht wurden. Am 04.04.2005 stellte der Antragsteller einen Folgeantrag für den Bewilligungsabschnitt ab dem 01.05.2005 und wies darauf hin, dass Änderungen nicht eingetreten seien. Mit Schreiben vom 05.04.2005 forderte die Antragsgegnerin ihn auf, verschiedene Unterlagen, und zwar unter anderem seine Kontoauszüge für die letzten zwei Monate und die Verdienstabrechnung der Schwester für die letzten sechs Monate vorzulegen. Anhand der vorgelegten Unterlagen berechnete die Antragsgegnerin unter Berücksichtigung der Absetzbeträge gemäß § 11 SGB II unter Einbeziehung des Freibetrages nach § 30 SGB II ein anzurechnendes monatliches Einkommen der Schwester von 1.214,46 Euro. Anhand der Kontoauszüge stellte die Antragsgegnerin fest, die Unterkunftskosten würden in Höhe von 595,00 Euro vollständig von der Schwester getragen. Mit Bescheid vom 12.05.2005 wurde deshalb lediglich eine Betrag in Höhe von 425,00 Euro bestehend aus der Regelleistung in Höhe von 345,00 Euro und einem befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 80,00 Euro bewilligt.

Mit seinem Widerspruch vom 02.06.2005 wendet sich der Antragsteller gegen die Nichtberücksichtigung der anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung. Er betreibe mit seiner Schwester zusammen lediglich eine Wohngemeinschaft. Dies ergebe sich auch aus den vorgelegten Kontoauszügen. Seine Schwester sei nicht in der Lage, von dem verbleibenden Geld die volle Miete allein zu bezahlen. Er selbst wisse nicht, wie er nunmehr sein Mietanteil aufbringen solle.

Mit Schreiben vom 16.06.2005 legte die Antragsgegnerin den Vorgang dem Kreis Minden-Lübbecke zur Entscheidung über den Widerspruch vor. Es könne nicht abgeholfen werden, weil die Schwester nach den Kontoauszügen die Unterkunftskosten trage. Eine Berechnung nach § 9 Abs. 5 SGB II habe ferner ergeben, dass die Unterkunftskosten auch in voller Höhe von der Schwester getragen werden könnten.

Am 29.06.2005 hat der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Er weist darauf hin, dass er ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge seiner Schwester jeden Monat vor der entsprechenden Überweisung seinen Anteil an Miete und Nebenkosten auf ihr Konto überwiesen habe. Der auf den Kontoauszügen ersichtliche Betrag übersteige zwar die Hälfte von 595,00 Euro. Dies erkläre sich daraus, dass er auch anteilig die GEZ-Gebühren und die Hausratsversicherung trage und seinen Anteil an der Telefonrechnung mit überweise. Seine Schwester könne auch seine Mietkosten nicht mittragen, da sie nicht über ein genügendes Einkommen verfüge. Zu Berücksichtigungen sei, dass sie noch Kredite zu tilgen habe und auch diverse Versicherungen bedienen müsse. Lediglich aus pragmatischen Gründen und um eine weitere Verschuldung zu verhindern, habe man sich entschieden, eine Wohngemeinschaft zu gründen. Es bestünden allerdings nach wie vor getrennte Kassen. Da er die anteiligen Mietkosten weiterhin an seine Schwester abführen müsse, blieben ihm nur noch 145,00 Euro im Monat zum Kauf von Lebensmitteln und zur Deckung des gesamten Lebensbedarfs. Es sei ihm mitgeteilt, worden, über den Widerspruch könne frühestens in drei Monaten entschieden werden. Solange könne er jedoch nicht warten, da er schon jetzt so wenig zu essen habe, dass er sechs Kilo abgenommen habe.

Der Antragsteller hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II nebst Leistungen für Unterkunft und Heizung zu gewähren.

Die Antragsgegnerin hat schriftsätzlich beantragt,

1. a) festzustellen, das Antragsgegner der Kreis Minden-Lübbecke ist,

b) hilfsweise den Kreis Minden-Lübbecke zum Verfahren beizuladen,

2. den Antrag auf einstweilige Anordnung abzulehnen.

Der Kreis Minden-Lübbecke habe zwar durch Satzung die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II den kreisangehörigen Städten und Gemeinden zu Entscheidung im eigenen Namen übertragen. Gleichzeitig habe er sich aber in § 8 der Satzung die Durchführung von Rechtsbehelfs- und Rechtsstreitverfahren vorbehalten. Richtiger Antragsgegner sei deshalb der Kreis Minden-Lübbecke. § 8 der Satzung sei nach dem Willen des Satzungsgebers nicht als Regelung zur Prozessführungsbefugnis, sondern als Zuständigkeitsregelung anzusehen. Es sei nicht nachvollziehbar, wenn der Kreis als optierender Leistungsträger mit Weisungsbefugnis gegenüber den Kommunen lediglich als Prozessbevollmächtigter der Delegationsnehmer gelten solle.

Der Antrag auf einstweilige Anordnung sei im übrigen abzulehnen, da es keinen Anorndungsanspruch und auch kein Anordnungsgrund gebe. Der Antragsteller habe selbst angegeben, mit seiner Schwester in Haushaltsgemeinschaft zu leben. Die Unterkunftskosten würden von der Schwester getragen. Auch unter Berücksichtigung eines Freibetrages in Höhe des doppelten Regelsatzes könne bei dem Einkommen der Schwester diese Leistung auch erwartet werden. Die Angaben des Antragstellers seien widersprüchlich, da er ursprünglich eine Haushaltsgemeinschaft angegeben habe und nun angibt, lediglich in Wohngemeinschaft zu leben. Aus den wenigen vorliegenden Kontoauszügen ergebe sich auch nicht eindeutig, dass regelmäßig gleiche Beträge für Miete und Nebenkosten über einen längeren Zeitraum an die Schwester geflossen seien. Auch die Angaben zu den Schulden der Schwester seien widersprüchlich. Im April sei immerhin ein Abgang von 50,00 Euro für sparen vom Konto der Schwester zu verzeichnen. Diesem Betrag stehe zwar eine Darlehnsabrechnung in Höhe von 102,00 Euro gegenüber, jedoch scheine die Vermögenslage der Schwester beides zu zulassen. Ein Anordnungsanspruch sei damit nicht hinreichend dargelegt.

II:

Der Feststellungsantrag der Antragsgegnerin ist unzulässig.

Für eine Feststellungswiederklage im einstweiligen Rechtsschutz fehlt zunächst offensichtlich das Eilbedürfnis. Eine Feststellungswiederklage ist ferner nur unter den Voraussetzungen zulässig, unter denen auch eine Feststellungsklage erhoben werden kann. Eine Feststellungswiederklage mit dem Ziel der Überprüfung der Passivlegitimation des Beklagten wäre jedoch wegen der Subsidiarität in der Feststellungsklage unzulässig. Die Passivlegitimation des Beklagten ist im Rahmen der Begründetheit von Amts wegen zu prüfen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leiterer, Kommentar zum SGG, 8. Auflage, VOR § 51 Rd.Nr. 13). Die Feststellungsklage ist jedoch unzulässig, wenn mit ihr lediglich die selbständige Feststellung einer Vorfrage des Leisungsstreits begehrt wird (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 55, Rd.Nr. 19c).

Der zulässige Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet.

Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, um einen vorläufigen Zustand in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zu regelen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteil nötig erscheint (Regelungsanordnung). Voraussetzung ist, dass dem Antragsteller ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund zusteht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rd.Nr. 27).

Nach summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage sind die Voraussetzungen eines Anordnungsanspruchs hier gegeben, denn nach dem Vortrag der Beteiligten und dem Inhalt der Akten ist es unter dem Vorbehalt der Überprüfung im Hauptsacheverfahren ausreichend wahrscheinlich, dass dem Antragsteller erheblich höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zustehen, als dies von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 12.05.2005 festgestellt wurde.

Die Stadt Minden ist hier die richtige Antragsgegnerin. Passiv legitimiert ist diejenige Körperschaft, die auch materiell verpflichtet ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 69 Rd.Nr. 4). Der Kreis Minden-Lübbecke ist zwar gemäß § 6a SGB II zugelassener Träger für die Grundsicherung für Arbeitssuchende. Er hat diese Aufgaben jedoch entsprechend § 5 Abs. 2 AG-SGB II NRW vom 16.12.2004 durch Satzung an die Stadt Minden delegiert. Nach § 1 der Satzung vom 16.12.2004 überträgt der Kreis Minden-Lübbecke den kreisangehörigen Städten und Gemeinden die in § 4 und 5 der Satzung näherer bezeichneten Aufgaben zur Entscheidung im eigenen Namen. Zu diesen Aufgaben gehört gemäß § 4 Nr. 3 und 4 der Satzung unter anderem die Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und der Erlass von entsprechenden Verwaltungsakten. Die Stadt Minden war daher materiell verpflichtet über den Anspruch des Antragstellers zu entscheiden und die entsprechenden Leistungen zu erbringen. § 1 der Satzung des Kreises Minden-Lübbecke vom 16.12.2004 enthält eine Delegation der Aufgaben und nicht die Übertragung eines Mandats. Unter Delegation ist ein Rechtsakt zu verstehen, durch den ein Hoheitsträger seine ihm durch das Recht eingeräumte Befugnis zum Erlass von Hoheitsakten auf ein anderes Subjekt überträgt, auch wenn er selbst weisungsbefugt bleibt. Von einem Mandat spricht man dagegen, wenn der Inhaber einer Zuständigkeit in einem oder mehreren Einzelfällen oder auch abstrakt ein anderes öffentlich-rechtliches Subjekt beauftragt, die Kompetenz des Mandanten in dessen Namen auszuüben (vgl. Schenkel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, Verwaltungsarchiv Band 68, 118, 120, 148). Da hier der Stadt Minden – entsprechend der gesetzlichen Ermächtigung – die Aufgabe zur Entscheidung im eigenen Namen übertragen wurde, handelt es sich um eine Delegation. Diese Unterscheidung hat entscheidende Auswirkungen auf die Frage der Beteiligung im Prozess, weil der im eigenen Namen entscheidende Delegationsnehmer auch Beklagter ist (vgl. OVG Münster, Urteil vom 17.05.1988 – 8 A 825/86; Schmidt – Jortzig- Strukturen einer Einbeziehung kreisangehöriger Gemeinden in den Vollzug von Kreiszuständigkeiten, Verwaltungsarchiv 75. Band, 1984, 107, 118). Das sich der Kreis Minden-Lübbecke in § 8 der Satzung die Durchführung von Rechtsbehelfes– und Rechtsstreitverfahren vorbehalten hat, ändert an dieser Einschätzung nichts. Diese Regelung betrifft lediglich die Durchführung des Widerspruchsverfahrens und die Befugnis der Prozessvertretung in gerichtlichen Streitigkeiten. Die materielle Verpflichtung der Stadt Minden, die begehrten Leistungen zu erbringen, wird hierdurch nicht aufgehoben. Es stellt zwar keinen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz dar, wenn ein Beamter des Kreises in einem Rechtsstreit gegen die Gemeinde als Prozessvertreter auftritt. Die Beteiligtenrolle der Gemeinde als Beklagte bzw. Antragsgegnerin wird hierdurch jedoch nicht berührt (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 29.07.1979 – IIX B 295/78).

Der Antragsteller hat nach summarischer Überprüfung Anspruch auf die Erbringung der anteiligen Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 SGB II. Auch die Antragsgegnerin geht davon aus, dass der Antragsteller bezüglich der Regelleistung Hilfebedürftig im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II ist. Bezüglich der Leistungen für Unterkunft und Heizung geht sie allerdings unter Anwendung der Vermutungsregel des § 9 Abs. 5 SGB II davon aus, dass der Antragsteller die erforderliche Hilfe von Angehörigen, nämlich seiner Schwester, erhält. Nach den sich aus der Akte und dem Vortrag der Beteiligten ergebenen Sachverhalt sind die Voraussetzungen für das Eingreifen der Vermutungsregel des § 9 Abs. 5 SGB II jedoch nicht erfüllt. Für das Eingreifen der Vermutung reicht es nicht aus, wenn Verwandte oder Verschwägerte in einem Haushalt zusammen wohnen. Vielmehr muss über die bloße Wohngemeinschaft hinaus der Haushalt im Sinne einer Wirtschaftsgemeinschaft gemeinsam geführt werden. Dies kann angenommen werden, wenn die Verwandten mit dem im selben Haushalt lebenden Hilfebedürftigen "aus einem Topf" wirtschaften. Die Anforderungen an das gemeinsame wirtschaften gehen daher über die gemeinsame Benutzung von Bad, Küche und ggf. Gemeinschaftsräumen hinaus. Auch der in Wohngemeinschaften häufig anzutreffende gemeinsame Einkauf von Grundnahrungsmitteln, Reinigungs- und Sanitärartikeln aus einer von allen Mitbewohnern zu gleichen Teilen gespeiste Gemeinschaftskasse begründet noch keine Wirtschaftsgemeinschaft. Vorausgesetzt wird demnach neben einer gemeinsamen Wohnung ein gemeinsames wirtschaften der Beteiligten, dass nach den konkreten Umständen das Decken zumindest eines Teils des Bedarfs des Hilfebedürftigen durch die anderen Angehörigen der Haushaltsgemeinschaft vermuten lässt. Die Leisungsvermutung tritt daher nur ein, wenn feststeht, dass die Verwandten oder Verschwägerten überhaupt leistungsfähig sind und dass nach dem Gesamtbild der konkreten Umstände tatsächlich Leistungen erbracht werden (Eicher/Spellbrink, Meckle, Kommentar zum SGB II, § 9 Rd.Nr. 52). Die objektive Beweislast für das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft trägt dabei grundsätzlich die Behörde. Aus dem Umstand einer bestehenden Wohngemeinschaft lässt sich zwar ein Indiz für das bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft ableiten. Es folgt daraus aber keine Umkehr der Beweislast in der Weise, dass es den Partnern einer Wohngemeinschaft obliegt nachzuweisen, dass lediglich eine Zweckgemeinschaft, also keine Wirtschaftsgemeinschaft bestehe (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.04.1993 – 6 S 916/92; OVG Lüneburg, Beschluss vom 26.01.1998 – 12 M 345/98 – zur eheähnlichen Gemeinschaft). Nach dem bisher festgestellten Gesamtbild steht nicht fest, dass die Schwester des Antragstellers ihm tatsächlich auch Leistungen zur zumindest teilweisen Deckung seines Hilfebedarfs erbringt. Im Gegensatz zur Annahme der Antragstellerin steht insbesondere nicht fest, dass die Schwester des Antragstellers die Miet- und Nebenkosten trägt. Zwar wird ausweislich der vorliegenden Kontoauszüge der Gesamtbetrag von ihrem Konto abgebucht. Auf der anderen Seite steht aufgrund der vorgelegten Kontoauszüge aber ebenso fest, dass der Antragsteller seiner Schwester am 28.02.05 417,00 Euro und am 31.03.05 420,00 Euro überwiesen hat. Aus den Kontoauszügen der Schwester ergibt sich insoweit, als Zweckbestimmung: "Miete und Nebenkosten". Das dieser Betrag eine nicht immer gleiche Höhe hat und zudem deutlich über die Hälfte der Miete nebst Nebenkosten hinausgeht hat der Antragsteller plausibel damit erklärt, dass zusätzlich die anteiligen GEZ-Gebühren und ein Anteil der Hausratsversicherung sowie sein Anteil an der Telefonrechnung überwiesen wird. Soweit die Antragsgegnerin hiergegen einwendet, dass nur wenige Kontoauszüge vorliegen, ist dieser Umstand darauf zurückzuführen, dass sie selbst mit Schreiben vom 05.04.2005 nur die Vorlage von Kontoauszügen von zwei Monaten erbeten hat. Es steht der Antragsgegnerin frei, im Rahmen ihrer Verpflichtung zur Amtsermittlung weitere Kontoauszüge anzufordern und weiter aufzuklären, ob die Schwester des Antragstellers ihre finanziellen Möglichkeiten und persönliche Kräfte in nennenswerten Umfang nicht nur für sich selbst, sondern auch für den Antragsteller unterstützend einsetzt. Dabei ist nicht so sehr auf die Erklärung der Beteiligten, sondern auf objektive Umstände abzustellen, wie Beispielsweise die Genauigkeit der Kontenführung, die Herausgabe von Quittungen und Schuldscheinen, gegenseitige Verrechnungen oder turnusmäßiger Abrechnungen, welche eher gegen ein "wirtschaften aus einem Topf" sprächen. Fehlende Abgrenzungen der jeweiligen finanziellen Sphären wiederum sowie eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber späterer Nachzahlung gestundeter Beträge oder Rückzahlung von geliehenen Geldern sprächen daher mehr für das bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft. Dies wäre im Einzelnen zu prüfen. Ohne eine solche Prüfung kann eine Wirtschaftsgemeinschaft aber zur Zeit noch nicht angenommen werden. Unzutreffend ist diesbezüglich auch die Behauptung der Antragsgegnerin, der Antragsteller trage zur Frage der Haushaltsgemeinschaft widersprüchlich vor. Wie oben bereits dargestellt, hat er bereits mit seinem Erstantrag darauf hingewiesen, dass seine Schwester wirtschaftlich völlig eigenständig wirtschafte und lediglich die Wohnkosten geteilt würden. Soweit seine Schwester in dem Antragsformular als "in einem Haushalt lebende weitere Person" eingetragen wurde, kann dies nicht maßgeblich sein, weil für Wohngemeinschaften eine eigene Spalte in diesem Formular nicht vorgesehen ist. Ein widersprüchlicher Vortrag ist daher nicht ersichtlich.

Ferner steht auch nicht fest, dass die Schwester leistungsfähig im Sinne des § 9 Abs. 5 SGB II ist. Die Annahme des Antragsgegners, dass die Unterkunftskosten auch in voller Höhe von der Schwester getragen werden könnten, ist jedenfalls unzutreffend. Nach § 1 Abs. 2 der Alg II – V vom 20.10.2004 sind im Rahmen des § 9 Abs. 5 SGB II die um die Absetzbeträge nach § 11 Abs. 2 SGB II bereinigten Einnahmen in der Regel nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie einen Freibetrag in Höhe des doppelten Regelsatzes nach § 20 Abs. 2 SGB II zuzüglich der anteiligen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sowie darüber hinaus gehend 50 Prozent der diesen Freibetrag übersteigenden bereinigten Einnahmen nicht überschreiten. Nach den Berechnungen der Antragsgegnerin verbleibt der Schwester ein anzurechnendes Einkommen von 1.214,46 Euro. Als Freibetrag gilt zunächst der doppelte Regelsatz, also 690,00 Euro. Ferner die hälftigen Miet- und Nebenkosten abzüglich 21,00 Euro für Warmwasserkosten, also 289,00 Euro. Der Freibetrag wird ferner erhöht um 50 Prozent der Differenzen aus 1.214,46 Euro (Einkommen) und diesen 979,00 Euro. Die Differenz beträgt 235,46 Euro. 50 Prozent hiervon von sind 117,73 Euro. Der bisherige Freibetrag von 979,00 Euro ist deshalb um 117,73 Euro zu erhöhen und beträgt insgesamt 1.096,73 Euro. Das anrechenbare Einkommen übersteigt diesen Freibetrag um 117,73 Euro. Mit diesem übersteigenden Anteil kann offensichtlich die Hälfte der Miet- und Nebenkosten in Höhe von 595,00 Euro nicht finanziert werden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass sich aus den Kontoauszügen der Schwester über 160,00 Euro Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen ergeben, bisher keine Fahrtkosten angerechnet wurden und auch die angesprochene Darlehnsbedienung noch Aufklärungsbedürftig ist. Nach Aktenlage hat der Antragsteller jedenfalls zur Zeit einen Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der hälftigen nachgewiesenen Leistungen abzüglich 21,00 Euro für die Warmwasserzubereitung und damit in Höhe von 289,00 Euro.

Unter Berücksichtigung der geschilderten Leistungsfähigkeiten der Schwester ist der Vortrag des Antragstellers auch glaubhaft, er müsse weiterhin die hälftige Miete plus Nebenkosten an seine Schwester überweisen. Der bewilligte Regelsatz nebst Zuschlag in Höhe von 425,00 Euro wird deshalb pro Monat um 289,00 Euro, die der Antragsteller zum Lebensunterhalt benötigt, verringert. Die Hinnahme dieses erheblichen Nachteils ist dem Kläger nicht bis zum Abschluss der Widerspruchsverfahrens zu zumuten.

Soweit der Antragsteller auch Leistungen für Zeiträume geltend macht, die vor der Antragstellung bei Gericht liegen, ist ein Anordnungsgrund nicht gegeben. Ein in der Vergangenheit liegender Bedarf vermag eine Eilentscheidung in der Regel nicht zu rechtfertigen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86 Rd.Nr. 28).

Eine Beiladung des Kreises Minden-Lübbecke nach § 75 Abs. 2 SGG war nicht erforderlich, weil eine abweichende Entscheidung ihm gegenüber nicht zu erwarten ist und er nach dem Inhalt der Satzung auch nicht als leistungspflichtig in Betracht kommt. Von einer Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG hat das Gericht abgesehen, weil die Interessen des Kreises durch die Prozessvertretung ausreichend berücksichtigt werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG in entsprechender Anwendung.
Rechtskraft
Aus
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