L 6 AL 785/02

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 5 AL 355/01
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 785/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 59/04 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 23. August 2001 und die Bescheide der Beklagten vom 31. Januar 2001 und 8. Februar 2001 – beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2001 – geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger hinsichtlich der Zahlung von Arbeitslosengeld für den Monat Februar 2001 einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zu erteilen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zur Hälfte zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist vorliegend (nur) die Höhe des Abzweigungsbetrages von dem Kläger bewilligtem Arbeitslosengeld (Alg). Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs auf Anschlussarbeitslosenhilfe (Alhi-A) haben der Kläger und die Beklagte die Erledigung der Hauptsache erklärt.

Der im September 1959 geborene Kläger lebt von der Mutter seiner Kinder getrennt. Er ist der Vater der Kinder M. (geb.: 1985), N. (geb.: 1987), S. (geb.: 1988), F. (geb.: 1989) und J. (geb.: 1993) – sämtlich mit dem Familiennamen A. – die bei der Mutter, U. S., in A-Stadt wohnhaft sind. Der Kläger ist diesen Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet und kommt nach einer Mitteilung der Beigeladenen vom 16. Januar 2001 der ihm obliegenden Unterhaltspflicht nicht nach, weshalb der Beigeladene Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz gewährt.

Der Kläger war zuletzt bis Ende September 2000 beitragspflichtig als Maschinenbediener tätig und erzielte ein Bruttoentgelt (schwankend) von rund 3.600,- DM/Monat. Er meldete sich beim Arbeitsamt (jetzt Agentur für Arbeit) Frankenberg der Beklagten am 21. September 2000 zum 1. Oktober 2000 arbeitslos und beantragte Alg. Dieses bewilligte ihm die Beklagte nach einem Bemessungsentgelt von 996,73 DM/Woche (gerundetes BME: 1.000,- DM/Woche) durch Verfügung/Bescheid vom 2. November/3. November 2000 ab 1. Oktober 2000 für 180 Leistungstage. Bei der Leistungsgruppe A (Kindermerkmal 1) betrug der Leistungssatz 399,21 DM/Woche = 57,03 DM/Kalendertag. Ab 1. Januar 2001 erhöhte sich – bei unverändertem BME – aufgrund der neuen Leistungsverordnung der Leistungssatz auf 411,67 DM/Monat = 58,81 DM/täglich.

Mit dem am 17. Januar 2001 eingegangenem Schreiben vom 16. Januar 2001 beantragte der Beigeladene unter Hinweis auf § 48 des ersten Buches Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) die Abzweigung von dem Kläger gewährtem Alg, soweit der monatliche Selbstbehalt in Höhe von 1.300,- DM überschritten werde. Die Beklagte ermittelte einen täglichen Abzweigungsbetrag von 15,95 DM (= 111,65 DM/Woche) und hörte mit Schreiben vom 23. Januar 2001 den Kläger zu der beabsichtigten Abzweigung an. Der Kläger machte geltend (25. Januar 2001), dass er erhebliche Belastungen habe und die Abzweigung in der beabsichtigten Höhe deshalb nicht gerechtfertigt sei.

Mit Bescheid vom 31. Januar 2001 teilte die Beklagte dem Beigeladenen mit, dass ab 1. Februar 2001 von dem Kläger gewährtem Alg täglich 15,95 DM abgezweigt und regelmäßig monatlich nachträglich an den Beigeladenen gezahlt würden. Mit Schreiben (Bescheid) vom 31. Januar 2001 unterrichtete die Beklagte den Kläger, dass täglich 15,95 DM einbehalten würden. Entsprechend der Verfügung vom selben Tage teilte die Beklagte dem Kläger mit Änderungsbescheid vom 8. Februar 2001 mit, dass ab dem 1. Februar 2001 nur noch ein Betrag in Höhe von 300,02 DM/Woche an ihn zur Auszahlung kommen könne, weil ein Anrechnungsbetrag in Höhe von 111,65 DM/Woche einbehalten würde. Der Kläger erhob selbst Widerspruch am 12. Februar 2001 (am 22. Februar 2001 ergänzt durch seinen Bevollmächtigten) und machte geltend, ihm müsse mindestens ein Selbstbehalt in Höhe von 1.500,- DM/je Monat verbleiben, wie es nach den Unterhaltsgrundsätzen des zuständigen Oberlandesgerichtes für einen Erwerbstätigen üblich sei.

Der Bewilligungszeitraum für das Alg endete mit Ablauf des 29. März 2001 – noch vor Erteilung des Widerspruchsbescheides. Nach den Zahlungsnachweisen in der Akte der Beklagten und nach Mitteilung des Beigeladenen ist für die Zeit vom 1. Februar bis 29. März 2001 insgesamt ein Abzweigungsbetrag in Höhe von 909,15 DM an die Beigeladene ausgezahlt worden (57 Leistungstage á 15,95 DM).

Ab dem 30. März 2001 bewilligte die Beklagte dem Kläger sodann Alhi-A und verringerte den Abzweigungsbetrag im Hinblick auf die geringere Leistungshöhe auf 3,86 DM/Tag (Bescheid vom 9. April 2001). Ab 30. März 2001 wurde sodann ein Abzweigungsbetrag in Höhe von 27,02 DM/Woche an den Beigeladenen abgeführt. Auch hiergegen hat der Kläger nach erfolglosem Widerspruch Klage erhoben (- S 5 AL 405/01 - SG Marburg); das Gericht hat das Ruhen des Verfahrens beschlossen; die Beteiligten haben es in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 2001 hat die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 31. Januar 2001 (ohne ergänzend auf den Bescheid vom 8. Februar 2001 einzugehen) als unbegründet zurückgewiesen: Sie sei nach § 48 SGB I berechtigt und verpflichtet gewesen, von der laufenden Geldleistung, dem Alg, Beträge abzuzweigen und an den Beigeladenen auszuzahlen, weil der Kläger seiner Unterhaltspflicht gegenüber seinen Kindern M., N., S., F. und J. nicht nachgekommen sei. Nach der Düsseldorfer Tabelle müssten dem Nicht-Erwerbstätigen ein Selbstbehalt von monatlich lediglich 1.300,- DM verbleiben. Beim Zahlbetrag des Alg in Höhe von monatlich 1.783,90 DM (Rechenwerk: 411,67 DM/Woche x 13: 3 = 1.783,90 DM) werde dieser Selbstbehalt um 483,90 DM überstiegen. Dieser Betrag stehe für die Kinder zur Verfügung, weshalb täglich 15,95 DM zugunsten des Beigeladenen abzuzweigen seien.

Gegen den am 10. April 2001 abgesandten Widerspruchsbescheid hat der Kläger die am 11. Mai 2001 beim Sozialgericht Marburg eingegangene Klage erhoben und zugleich angeregt, das Sozialgericht möge durch Gerichtsbescheid entscheiden. Diesem Wunsch hat sich die Beklagte angeschlossen (Schreiben vom 1. August 2001).

Das Sozialgericht Marburg hat durch Gerichtsbescheid vom 23. August 2001 die Klage abgewiesen und zur Begründung (u.a.) ausgeführt, dass die Beklagte von dem ihr bei einer Abzweigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB I eingeräumten Ermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht habe (§ 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Für den notwendigen Unterhalt des Klägers genüge ein Pauschbetrag, wie er in der Rechtsprechung der Familiengerichte anerkannt werde, wobei auch die schematische Bezugnahme auf die sog. "Düsseldorfer Tabelle", welche von den Oberlandesgerichten ihrer Unterhaltsrechtsprechung zugrunde gelegt werde, gerechtfertigt sei. Regionale Unterschiede - wie bei Oberlandesgerichten zum Teil üblich - müssten bei der Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern nicht in gleicher Weise berücksichtigt werden, zumal Unterhaltsberechtigte nach dem Gesetz (§ 1609 Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB -) grundsätzlich gleichgestellt werden müssten.

Laut Rechtsmittelbelehrung des Sozialgerichts Marburg zum Gerichtsbescheid vom 23. August 2001 sollte dieser mit der Berufung angefochten werden können. Der Klägerbevollmächtigte hat darauf gegen den ihm am 29. August 2001 zugestellten Gerichtsbescheid am 26. September 2001 per Telefax Berufung eingelegt (Az. des Senats: L 6 AL 1071/01). Auf einen entsprechenden Hinweis des Senates, dass bezüglich des Streits um den Abzweigungsbetrag vom Alg die Berufungssumme (1.000,- DM) nicht erreicht werde, weil höchstens um einen Betrag in Höhe von 907,15 DM gestritten werde, und deshalb die Berufung nicht zulässig sei, hat der Kläger die Berufung mit Schriftsatz vom 25. Februar 2002 zurückgenommen und Nichtzulassungsbeschwerde (Eingang: 6. März 2002) eingelegt. Durch Beschluss des Vorsitzenden der 5. Kammer des Sozialgerichts Marburg vom 5. Juli 2002 ist sodann die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, woraufhin das Verfahren dem Hessischen Landessozialgericht (Eingang: 17.07.2002) zur Fortführung als Berufungsverfahren zugeleitet worden ist.

Der Klägerbevollmächtigte wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und erstinstanzlichen Gerichtsverfahren und macht insbesondere geltend, dass der Kläger aufgrund familienrechtlicher Bestimmungen zu einer intensiven Arbeitsplatzsuche verpflichtet sei, die ihm erhebliche Kosten verursachen würden. Auch im Hinblick auf das Gebot der Eigenbemühungen nach § 119 SGB III müsse es gerechtfertigt sein, dem Kläger während der Zeit der Arbeitslosigkeit den höheren Selbstbehalt eines (beschäftigten) Arbeitnehmers zu belassen. Dies gebiete der Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung, wobei die familienrechtlichen Vorgaben auch im Rahmen des § 48 SGB I Berücksichtigung finden müssten.

Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 23. August 2001 und die Bescheide der Beklagten vom 31. Januar 2001 und vom 8. Februar 2001 beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2001 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt den Gerichtsbescheid, den sie im Ergebnis und in der Begründung für zutreffend hält.

Der Senat hat durch Beschluss vom 30. September 2002 den Landkreis Waldeck-Frankenberg zum Verfahren nach § 75 Abs. 2 SGG (notwendig) beigeladen, weil eine Entscheidung diesem gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Der Beigeladene macht geltend, dass dem Kläger der notwendige Eigenbedarf (Selbstbehalt) nach der vom 1. Juli 1999 bis 30. Juni 2001 gültigen Fassung der "Düsseldorfer Tabelle" verblieben sei, da es um Unterhalt eines Nicht-Erwerbstätigen und Unterhaltspflichtigen im Verhältnis zu seinen minderjährigen Kindern gehe. Im Hinblick auf die "verschärfte" Bedürftigkeit der Kinder hätte sogar ein Mindestselbstbehalt lediglich in Höhe des Sozialhilfebedarfes angesetzt werden können (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB).

Einen eigenen Antrag hat der Beigeladene nicht gestellt.

Für den Sach- und Streitstand im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte (Stamm-Nr.: XXXXX) der Beklagten, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratungen des Senats am 24. März 2004 gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) eingelegt worden und auch - nach Zulassung durch das Sozialgericht – statthaft und somit insgesamt zulässig. Bei einer – vorliegend ausdrücklich klargestellten – Beschränkung des Rechtsstreits auf die vom dem Kläger bewilligten Alg abgezweigten Beträge für die Zeit vom 1. Februar bis 29. März 2001 (d.h. für 57 Leistungstage) ist - bei einem Abzweigungsbetrag in Höhe von 15,95 DM je Tag - ein Betrag in Höhe von insgesamt 909,15 DM streitig, womit die Berufungssumme des § 144 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht erreicht würde. Die Berufung bedurfte deshalb der Zulassung, welche nach der hier noch maßgeblichen früheren Fassung von § 145 SGG (vor Inkrafttreten des 6. SGG-ÄndG am 2. Januar 2002) auf Nichtzulassungsbeschwerde auch durch das Sozialgericht erfolgen konnte (vgl. zum Übergangsrecht und zum Inkrafttreten von § 145 Abs. 4 Abs. 1 SGG bei Übergangsfällen, in denen die sozialgerichtliche Entscheidung vor Inkrafttreten des 6. SGG-Änderungsgesetzes am 2. Januar 2002 ergangen ist: Art. 17 Abs. 2 des 6. SGG-ÄndG vom 17. August 2001, BGBl. I, S. 2144).

Dass die Entscheidung über die Zulassung der Berufung – möglicherweise - verfahrensfehlerhaft ergangen ist (weil die Beschwerdeschrift vom Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht unterschrieben worden war und der Beschluss des Sozialgerichts nicht durch die zuständige Kammer, sondern durch den Vorsitzenden allein erfolgte) ändert an der Wirksamkeit der Zulassung der Berufung und der daraus folgenden Bindung des Berufungsgerichts an diese Zulassung nichts (§ 144 Abs. 3 SGG; vgl. auch Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. 2002, § 144 RdNr. 43a und 43b).

Die Berufung ist auch teilweise – hinsichtlich der Höhe der Abzweigungen für den Monat Februar 2001 – begründet. Insoweit konnte nach der weiteren Sachaufklärung durch den Senat und der Erörterung mit den Beteiligten – auch mit dem notwendig Beizuladenden – der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 23. August 2001 nicht aufrechterhalten werden. Die Höhe der Abzweigung ist jedenfalls für Februar 2001 zu hoch und beschwert damit den Kläger rechtswidrig. Dieser hat Anspruch auf Erteilung eines neuen – ermessensfehlerfreien – Bescheides.

Gegenstand des Rechtsstreits ist – was im Widerspruchs- und Klageverfahren übersehen worden ist – sowohl der Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2001 als auch der Bescheid vom 8. Februar 2001, mit welchem dem Kläger dann der geringere (nach Abzug des Abzweigungsbetrages) auszuzahlende Betrag für das Alg mitgeteilt wurde, sowie der Widerspruchsbescheid vom 10. April 2001. Die Klage ist (allein) als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig (§ 54 SGG). Neben der Aufhebung bzw. Änderung der ihn belastenden Bescheide bezüglich der Abzweigung und der Herabsetzung des Zahlbetrages des Alg kann der Kläger nur die Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung verlangen und hierbei die Ausübung fehlerfreien Ermessens (§ 54 Abs. 2 und Abs. 4 SGG i.V.m. § 131 Abs. 3 SGG).

Nach § 48 Abs. 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger laufende Geldleistungen, die der Sicherung des Lebensunterhaltes zu dienen bestimmt sind, in angemessener Höhe an Kinder des Leistungsberechtigten – bzw. an eine Person oder Stelle, die den Kindern tatsächlich Unterhalt gewährt – auszahlen, wenn der Leistungsberechtigte diesen gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Beim Alg handelt es sich um eine solche laufende Geldleistung i.S.v. § 48 Abs. 1 SGB I, weshalb grundsätzlich eine Abzweigung und Auszahlung zugunsten des Beigeladenen in Betracht kommt, wenn der Kläger – was hier nicht zweifelhaft ist – im streitbefangenen Zeitraum (d.h. in der Zeit zwischen dem 1. Februar und dem 29. März 2001) – keinen Unterhalt für seine fünf Kinder gezahlt hat.

Die von der Beklagten vorgenommene und – wie ausgeführt – in ihrem Ermessen stehende Abzweigung ist jedoch für den Monat Februar 2001 rechtsfehlerhaft erfolgt. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Alg nunmehr nach der Neuregelung im Dritten Buch des Sozialgesetzbuch (SGB III) für Kalendertage gezahlt wird (§ 139 SGB III), ist dem Kläger für Februar 2001 nicht der maßgebliche Selbstbehalt nach der "Düsseldorfer Tabelle" verblieben.

Die Bestimmung dieses Selbstbehaltes des Unterhaltsverpflichteten erfolgt im Anwendungsbereich des § 48 SGB I in Anlehnung an die familiengerichtliche Praxis unter Heranziehung geeigneter schematisierter Werte. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urt. v. 29. Aug. 2002 – B 11 AL 95/01 R = SozR 3 – 1200 § 48 Nr. 4 m.w.N.) wird dabei die Praxis der Beklagten gebilligt, die sog. "Düsseldorfer Tabelle" als allgemein geeigneten Maßstab für die Berechnung des Selbstbehalts in den alten Bundesländern zugrunde zu legen. Dieser notwendige Selbstbehalt betrug für den vorliegend streitbefangenen Zeitraum ab Ende Januar 2001 noch nach der "Düsseldorfer Tabelle" mit Stand vom 1. Juli 1999 (FamRZ 1999, S. 776) für einen nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen 1.300,- DM/Monat. Da der Kläger nach der familienrechtlichen Auffassung und familien-gerichtlichen Praxis gehalten ist, alle verfügbaren Mittel gleichmäßig für den Unterhalt seiner Kinder zu verwenden (BSG, Urt. v. 13. Mai 1987 – 7 RAr 13/86 = SozR 1200 § 48 Nr. 11 m.w.N.), muss für den gesamten hier streitigen Zeitraum der in der "Düsseldorfer Tabelle" ausgewiesene notwendige Selbstbehalt gegenüber der zugunsten des Beigeladenen vorgenommenen Abzweigung geprüft werden. Ein höherer Selbstbehaltbetrag ist erst mit der Neufassung der "Düsseldorfer Tabelle" mit Wirkung vom 1. Juli 2001 maßgeblich geworden.

Für den Monat Februar 2001 standen dem Kläger demnach ausweislich des Bescheides vom 8. Februar 2001 für 28 Kalendertage á 58,81 DM, insgesamt 1.646,68 DM an Alg zur Verfügung. Unter Berücksichtigung der von der Beklagten – schematisch – vorgenommenen Errechnung des Kürzungsbetrages in Höhe von 15,95 DM/täglich standen dem Kläger demnach aber für den Monat Februar tatsächlich nur noch kalendertäglich 42,86 DM, d.h. für diesen Monat (42,86 DM x 28) ein Betrag in Höhe von 1.200,08 DM zur Verfügung. Dieser Betrag ist auch dem Zahlungsnachweis – der Leistungsakte vorgeheftet – zu entnehmen, wonach zunächst nur dieser Teilbetrag zur Auszahlung kommen sollte. Damit war für diesen Kalendermonat – selbst nach den eigenen Maßstäben der Beklagten, die sie im Rahmen der Ermessensausübung anlegen darf – der Selbstbehalt eines Nicht-Erwerbstätigen in Höhe von 1.300,00 DM/Monat unterschritten. Demnach erweist sich die Ermessensausübung in den Bescheiden vom 31. Januar und 8. Februar 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2001 insoweit als rechtsmissbräuchlich, als die Beklagte von dem ihr eingeräumten Ermessen – nach ihren eigenen Maßstäben – nicht in zutreffender Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs. 2 SGG). Nach Auffassung des Senats – insoweit in Übereinstimmung mit der zitierten Rechtsprechung des BSG – ist es der Beklagten im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens nicht verwehrt, pauschale Beträge in Anlehnung an die Rechtsprechung der Familiengerichte für die Festlegung des Selbstbehaltes zugrunde zu legen. Dabei darf sie aber weder von den eigenen – generellen – Maßstäben abweichen, weil sie insoweit unter Verletzung von Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes die Leistungsberechtigten nicht mehr gleich behandelt, noch darf sie – unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung – von den Mindestsätzen abweichen, die in der maßgeblichen familienrechtlichen Literatur und familiengerichtlichen Rechtsprechung allgemein akzeptiert und zugrunde gelegt werden. Insoweit mussten die Bescheide vom 31. Januar und 8. Februar 2001 hinsichtlich des Monates Februar 2001 aufgehoben bzw. geändert und die Beklagte zur Neubescheidung verurteilt werden.

Dieses Ergebnis erscheint auch nicht unverhältnismäßig im Hinblick auf die Notwendigkeit der Beklagten, im Rahmen einer Massenverwaltung schematisierende Entscheidungen treffen zu müssen. Im Rahmen des § 48 SGB I ist stets eine Einzelfallprüfung und Einzelfallentscheidung – unter Berücksichtigung von Ermessensgesichtspunkten – erforderlich. Dabei sind Besonderheiten des Einzelfalles – insbesondere die Leistungsfähigkeit des Alg-Empfängers sowie dessen weitere Unterhaltsverpflichtungen – zu berücksichtigen, weshalb insoweit der Beklagten eine in gewissem Umfang gesteigerte Prüfungspflicht obliegt. Sie kann dieser Prüfungspflicht auch relativ einfach dadurch genügen, dass sie den verbleibenden täglichen Leistungssatz mit der Zahl der Kalendertage eines Monats multipliziert und auf diese Weise feststellen kann, ob der von ihr selbst zugrunde gelegte Selbstbehalt noch dem Leistungsberechtigten verbleibt. Bereits eine geringfügige Änderung des Abzweigungsbetrages kann dabei unter Umständen schon ausreichend dafür sein, dass die Beklagte die für die eigene Verwaltungspraxis selbst gesetzten Regeln einhalten kann.

Für den nachfolgenden Monat ist zur Überzeugung des Senats diese Selbstbehaltgrenze eingehalten worden. Soweit für den Monat März nur 29 Kalendertage zu berücksichtigen waren, ergibt sich ausweislich des Zahlungsnachweises zwar ebenfalls nur ein Betrag in Höhe von 1.242,94 DM (nach Abzug der Abzweigungsbeträge); hierbei ist jedoch zu berücksichtigten, dass der Kläger danach noch Alhi-A zu beanspruchen hatte, die ihm in Höhe von 85,72 DM (laut Zahlungsnachweis) auch – trotz Einbehalten eines Abzweigungsbetrages – noch ausgezahlt worden ist, weshalb insoweit vorliegend der Mindestselbstbehalt verblieben war.

Insoweit durfte die Beklagte – entgegen der Auffassung des Klägers – auch zutreffend pauschal von dem Selbstbehalt in Höhe von 1.300,00 DM/Monat nach der "Düsseldorfer Tabelle" für 1999 ausgehen. Sie war insbesondere nicht verpflichtet, den höheren Selbstbehalt für Erwerbstätige zugrunde zu legen. Der Kläger war in dem streitbefangenen Zeitraum arbeitslos, weil er andernfalls die Voraussetzungen für den Bezug von Alg bzw. Alhi-A nicht erfüllt hätte. Der höhere Selbstbehalt für die Erwerbstätigkeit soll einerseits – in pauschalierender Form – die Mehraufwendungen ausgleichen, die ein Erwerbstätiger regelmäßig hat, wenn er außerhalb der häuslichen Umgebung einer abhängigen Beschäftigung nachgeht (insbes. Fahrtkosten und Verpflegungskosten). Diese in typisierender Weise angenommenen Mehrkosten fallen aber bei einem Arbeitslosen gerade nicht an. Dieser ist vielmehr gehalten, sich an dem der Beklagten bekannten Wohnsitz regelmäßig und kalendertäglich zur Verfügung und für Vermittlungsbemühungen der Beklagten bereit zu halten. Soweit im Rahmen der Arbeitssuche dem Arbeitslosen nachweislich besondere Kosten (Bewerbungskosten, Reisekosten) entstehen, können diese gem. §§ 45, 46 SGB III auf Antrag erstattet werden, wenn sie tatsächlich entstanden sind. Auch insoweit besteht nach dem Regelungskonzept des Arbeitsförderungsrechts keine Veranlassung, dem Arbeitslosen den – höheren – Selbstbehalt des Erwerbstätigen zu belassen. Darüber hinaus enthält die in der familiengerichtlichen Praxis festgelegte Erhöhung des Selbstbehaltes auch eine Anreizfunktion für den Unterhaltspflichtigen, sich durch Erwerbstätigkeit unterhaltsfähig zu machen und dabei zugleich – wenn auch nur geringfügig – höhere Mittel für den eigenen Lebensunterhalt zu erhalten. Unter beiden rechtlichen Gesichtspunkten – dem der Pauschalierung von Kosten und dem des Anreizes für eine Erwerbstätigkeit – kann dem Kläger zur Überzeugung des Senats kein höherer Selbstbehalt zugebilligt werden. Insoweit erweisen sich die Abzüge der Beklagten für den Monat März auch als rechtens, weshalb insoweit die Bescheide nicht zu beanstanden sind und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bestand haben konnte. Die Berufung musste insoweit zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; es war zu berücksichtigen, dass der Kläger in einem gewissen Umfang obsiegt hat, wobei die Beklagte wiederum nur zur Neubescheidung zu verurteilen war. Bei dieser Neubescheidung wird die Beklagte – im Rahmen des von ihr selbst festgesetzten Betrages für den Selbstbehalt – gleichwohl noch eine Abzweigung durchführen können und dürfen.

Der Senat misst der Frage der Pauschalierung des Selbstbehaltes und seiner Begrenzung für Arbeitslose, die per Definitionen nicht erwerbstätig sind, grundsätzliche Bedeutung bei, weshalb er gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Revision zugelassen hat.
Rechtskraft
Aus
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